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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der F A in W, vertreten durch Dr. Martina Simlinger-Haas, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 31, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Februar 1999, Zl. 207.721/0-V/13/99, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte mit Schreiben vom 20. August 1998 einen Asylantrag. In diesem Schreiben bezeichnete sie Dr. D. gegenüber der Behörde ausdrücklich als Zustellungsbevollmächtigten. Am 8. Oktober 1998 wurde sie vom Bundesasylamt einvernommen. Dabei gab sie ihre Adresse zu Protokoll und legte neben anderen Urkunden auch einen Meldezettel vor. Eine ausdrückliche Erklärung, die Zustellvollmacht zu widerrufen, gab sie nicht ab. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Oktober 1998 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen und gemäß § 8 leg. cit. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Jugoslawien zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Zustellungsbevollmächtigten am 13. Oktober 1998 zugestellt. Innerhalb der 14-tägigen Rechtsmittelfrist erhob die Beschwerdeführerin dagegen keine Berufung. Erst am 13. Jänner 1999 brachte sie eine mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Berufung ein. In diesem Antrag gab die Beschwerdeführerin ihre "Zustelladresse" bekannt und brachte im Wesentlichen vor, dass sie dem Bundesasylamt durch die Übergabe des Meldezettels am 8. Oktober 1998 ihre Wohnanschrift bekannt gegeben habe. Sie sei davon ausgegangen, dass der Bescheid nicht an den Zustellungsbevollmächtigten, sondern an sie selbst an die bekannt gegebene Anschrift zugestellt werde. Erst aufgrund einer Vorsprache beim Bundesasylamt habe sie vom rechtskräftigen Abschluss ihres Verfahrens erfahren. Darauf habe sie sich am 6. Jänner 1999 zu Dr. D. begeben und dort den Bescheid abgeholt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Februar 1999 wurde der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen und die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Oktober 1999 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Aus der Vorlage des Meldezettels durch die Beschwerdeführerin am 8. Oktober 1998 habe - nicht einmal konkludent - erschlossen werden können, dass die Zustellvollmacht widerrufen werde. Der den Asylantrag abweisende Bescheid des Bundesasylamtes sei daher wirksam an den namhaft gemachten Zustellungsbevollmächtigten zugestellt worden. Die Beschwerdeführerin habe keinen Grund vorgebracht, warum sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist zur Erhebung der Berufung einzuhalten. Sie habe auch "keinen analogen Sachverhalt betreffend den Zustellungsbevollmächtigten" geltend gemacht.
Dieser Bescheid wurde - ebenso wie der den Wiedereinsetzungsantrag abweisende Bescheid der Erstbehörde - sowohl an die Beschwerdeführerin selbst als auch an Dr. D. als ihren Zustellungsbevollmächtigten zugestellt.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin meint, dass die Bekanntgabe ihrer Adresse und die Vorlage des Meldezettels anlässlich der Vernehmung vom 8. Oktober 1998 einen (schlüssigen) Widerruf der Zustellvollmacht darstelle, zumal die Bekanntgabe eines Zustellbevollmächtigten bei Einbringung des Asylantrages nur deshalb notwendig gewesen sei, weil die Beschwerdeführerin zu dieser Zeit noch über keine eigene Wohnung verfügt habe. Jedenfalls wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführerin anlässlich der Vorlage des Meldezettels zu befragen, ob die Zustellvollmacht noch aufrecht sei.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass es bei der Auslegung von Prozesshandlungen immer auf die - ausdrückliche oder konkludente - Erklärung des Willens und nicht auf den wahren Willen ankommt (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 152). Allein aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin - wie amtsbekannterweise auch viele andere Asylwerber - anlässlich der Stellung des Asylantrages Dr. D. als Zustellungsbevollmächtigten namhaft machte, ging keineswegs hervor, dass die Beschwerdeführerin über keine eigene Wohnung verfügte und sich nur mangels eigener Zustelladresse eines Zustellungsbevollmächtigten bediente. Daher bestand auch kein objektiver Anhaltspunkt für die Annahme, die Beschwerdeführerin wolle dadurch, dass sie anlässlich der Vernehmung zu ihrem Asylantrag auch - über entsprechende Frage der Behörde - ihre Adresse bekannt gibt und einen Meldezettel vorlegt, die Zustellvollmacht (schlüssig) widerrufen. Von daher bestand für die Behörde auch keine Veranlassung, die Beschwerdeführerin zu befragen, ob die Zustellvollmacht weiter aufrecht bleibe.
Die Dr. D. unstrittig erteilte Zustellvollmacht war somit am 13. Oktober 1998 mangels Widerruf noch aufrecht. Die an diesem Tag erfolgte Zustellung des den Asylantrag abweisenden Bescheides des Bundesasylamtes an Dr. D. war daher wirksam.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in einer großen Zahl von Entscheidungen festgehalten, dass ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen ist (vgl. etwa die Judikaturzitate bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, Seite 1558 ff, E 72 ff zu § 71 AVG). Dies gilt auch bei Erteilung einer Vollmacht für die Zustellung von Postsendungen hinsichtlich der Verletzung von durch die Übernahme von Poststücken ausgelösten Pflichten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 99/01/0350).
Den Wiedereinsetzungswerber trifft die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen; es ist nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden könnten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 97/01/0983 mwN).
Die Beschwerdeführerin hat lediglich geltend gemacht, dass sie sich in der Annahme, die Zustellvollmacht sei nicht mehr aufrecht, nicht von sich aus an den Zustellungsbevollmächtigten gewandt, sondern mit der Zustellung des Bescheides an sie selbst gerechnet habe. Sie übersieht dabei jedoch, dass auch Dr. D. als Zustellungsbevollmächtiger verpflichtet gewesen wäre, die von ihm vertretene Partei von der die Berufungsfrist auslösenden Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz zu verständigen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 99/01/0350). Dass Dr. D. daran durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen sei und ihn nur ein minderer Grad des Versehens treffe, hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Das Verhalten ihres Vertreters ist ihr aber - wie dargestellt - zuzurechnen. Da schon deshalb kein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt, braucht nicht untersucht zu werden, ob auch die Beschwerdeführerin selbst ein Verschulden an der Unterlassung der Kontaktaufnahme mit dem Zustellungsbevollmächtigten trifft.
Da die Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages unbestritten nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist gemäß § 63 Abs. 5 AVG erhoben wurde, steht auch die Zurückweisung der Berufung als verspätet mit dem Gesetz in Einklang.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als zur Gänze unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. März 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010268.X00Im RIS seit
20.11.2000