TE Vwgh Beschluss 2018/3/12 Ra 2017/08/0041

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Veröffentlicht am 12.03.2018
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Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

BSVG §3 Abs1 Z1;
LAG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des H K in Z, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 2017, W229 2009018-1/12E, betreffend Pflichtversicherung nach dem BSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der Bauern), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht in Bestätigung eines Bescheides der Sozialversicherungsanstalt der Bauern aus, dass der Revisionswerber vom 1. Mai 2010 bis "laufend" in der Unfallversicherung der Bauern pflichtversichert sei, und verpflichtete den Revisionswerber zur Entrichtung eines Beitragszuschlages. Es stellte fest, auf den Grundstücken des Revisionswerbers und seiner Ehegattin, deren Einheitswert EUR 150,-

-überschreite, befänden sich insgesamt 66 Obstbäume verschiedener Sorten; insbesondere Apfel-, Birnen-, Marillen-, Nuss-, Pflaumen-, Kirsch-, Weichsel- und Zwetschgenbäume. Die Bäume würden gepflegt, im Fall ihres Absterbens nachgesetzt und durch Einzäunen vor Wildverbiss geschützt. Die Tätigkeit ziele auf einen Ertrag aus den Früchten ab, auch wenn die geernteten Früchte bzw. daraus erzeugten Produkte nicht verkauft würden. Die Früchte der Bäume würden zum eigenen Verzehr bzw. für die Herstellung diverser Kuchen und Obstknödel verwendet. Darüber hinaus werde vom Revisionswerber von jeder Fruchtsorte jeweils eine Kiste von 20 bis 25 kg eingelagert. In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, aus den Obstbäumen werde ein Ertrag erzielt, der im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die Nutzung als bloße "Naschbäume" hinaus gehe, sodass eine die Pflichtversicherung begründende landwirtschaftliche Bewirtschaftung vorliege.

5 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision bringt der Revisionswerber unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, das Bundesverwaltungsgericht habe sich auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen können, wonach die Grenze zur Geringfügigkeit dann überschritten werde, wenn der Ertrag über jenen von "Naschbäumen" hinaus gehe. Es sei aber "bislang nicht ausjudiziert", ob eine eingelagerte Menge von "20 bis 25 Kilo pro Obst" bereits zu einer "Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze" führe. Es könne nicht ausschlaggebend sein, ob eine solche Menge über das Jahr unmittelbar verzehrt oder gesammelt und eingelagert werde. Auch "hinsichtlich der Anzahl der Obstbäume", ab der die "Grenze der Geringfügigkeit" überschritten werde, fehle Rechtsprechung.

6 Wie der Revisionswerber selbst erkennt, konnte sich das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Beurteilung, wann beim Obstbau eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung vorliegt, auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Danach kann eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung nicht angenommen werden, wenn die Früchte nur fallweise reifen und deren Zahl bzw. Menge gerade ausreicht, um an Ort und Stelle verzehrt zu werden. Ist aber die Grenze zur Geringfügigkeit der geernteten Menge überschritten, entspricht die Menge somit nicht nur dem Ertrag von "Naschbäumen", liegt der Obstbau auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Das gilt bei Überschreiten der genannten Grenze selbst dann, wenn der Obstbau ausschließlich für den Eigenbedarf erfolgt (vgl. VwGH 21.2.2007, 2005/08/0131; 19.12.2007, 2006/08/0335, jeweils mwN).

7 Entscheidend für die Frage, ob insoweit die Grenze zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung überschritten wird, ist somit nicht die - aufgrund der vorhandenen Anzahl an Bäumen - mögliche Erntemenge, sondern die tatsächlich geerntete Menge. Ob ein Betrieb im Sinne des Sozialversicherungsrechtes vorliegt, hängt nämlich davon ab, welche Zwecke der Liegenschaftsbesitzer anstrebt und auch tatsächlich verfolgt. Diese Zwecke können nicht nur die landwirtschaftliche Nutzung der Liegenschaft, sondern etwa eine selbst gewählte Beschränkung der Nutzung - etwa auf eine Erholungswirkung - sein. Bei einer betrieblichen Tätigkeit kommt es darauf an, mit Betriebsmitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse der landwirtschaftlichen Produktion zu verfolgen. Entscheidend ist, ob die Person, um deren Versicherungspflicht es geht, tatsächlich bereits Handlungen gesetzt hat, die sich als eine landwirtschaftliche Nutzung darstellen oder die zumindest eine Prognoseentscheidung rechtfertigen, dass sie aus Erträgen des Grundbesitzes künftig wirtschaftlichen Nutzen ziehen werde (vgl. VwGH 25.6.2013, 2011/08/0085, mwN).

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Überschreiten der Grenze der Geringfügigkeit der geernteten Menge - somit einer Menge, die gerade ausreicht, um an Ort und Stelle verzehrt zu werden (Ertrag von "Naschbäumen") - etwa auch bereits bei einem durchschnittlichen Ertrag von insgesamt elf (vgl. VwGH 7.8.2002, 99/08/0043) bzw. sieben Obstbäumen (vgl. VwGH 21.2.2007, 2005/08/0131) angenommen.

9 Ein Abweichen des Bundesverwaltungsgerichtes von dieser Rechtsprechung zeigt die Revision nicht auf. Den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis kann mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass durch die landwirtschaftliche Nutzung der Liegenschaft eine geerntete Menge erzielt wird, die im Sinn der genannten Rechtsprechung über der Grenze zur Geringfügigkeit (Ertrag von "Naschbäumen") hinaus geht.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. März 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017080041.L00

Im RIS seit

03.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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