TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/7 LVwG-AV-907/002-2017

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Veröffentlicht am 07.11.2017
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Entscheidungsdatum

07.11.2017

Norm

BAO §308 Abs1
BAO §310

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über den Wiedereinsetzungsantrag des AW, ***, ***, vom 27. September 2017 zu dem mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, Geschäftszahl LVwG-AV-907/001-2017, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu Recht:

1.   Der Wiedereinsetzungsantrag wird gemäß § 310 Bundesabgabenordnung (BAO) abgewiesen.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Sachverhalt:

1.1. Grundsätzliche Feststellungen:

Herr AW (in Folge: Beschwerdeführer) ist Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft mit der topographischen Anschrift ***, ***. Die Liegenschaft ist – unbestritten – mit einem Wohngebäude bebaut.

1.2.

Mit Abgabenbescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 4. Jänner 2017, EDV-Nr. 1052945/1/0, wurden dem Beschwerdeführer für die streitgegenständliche Liegenschaft mit der Anschrift ***,
***, mit Wirkung ab 1. Jänner 2017 Abfallwirtschaftsgebühren und -abgaben in der Höhe von € 301,86 vorgeschrieben.

1.3.

Mit Schreiben vom 31. Jänner 2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung gegen den Abgabenbescheid des Magistrates und begründete diese umfangreich.

1.4.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Stadtsenates der Stadt
Wiener Neustadt vom 7. Juni 2017 wurde der Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Bei einem Zustellversuch am 9. Juni 2017 konnte der Zusteller den Beschwerdeführer nicht an dieser Abgabestelle antreffen. Ab 10. Juni 2017 wurde die Sendung beim Postamt *** hinterlegt und zur Abholung bereitgehalten (laut dem vom Zusteller unterschriebenen RSb-Rückschein).

1.5.

Gegen diese Berufungsentscheidung erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. Juli 2017 das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese – im Wesentlichen unter Wiederholung seines schon im Abgabenverfahren erstatteten Vorbringens – umfangreich. Dieses Rechtsmittel langte am 14. Juli 2017 um 6:04 Uhr per Telefax beim Magistrat der Stadt Wiener Neustadt ein.

1.6.

Mit Schreiben des erkennenden Gerichtes vom 1. August 2017,
Zl. LVwG-AV-907/001-2017, wurde dem Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf sein Rechtsmittel vom 14. Juli 2017 mitgeteilt, dass der bezughabende Verwaltungsakt durch die Stadt Wiener Neustadt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt worden sei und eine Überprüfung der Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 7. Juni 2017, ZL. WN/49451/SA-GD-GS-MB/1, ergeben habe, dass diese offenbar verspätet eingebracht worden sei. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer die Gelegenheit gegeben, zu diesem Sachverhalt binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

1.7.

Mit Schreiben vom 1. September 2017 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er sich von Montag, den 31. Juli 2017, bis Montag, den 21. August 2017, drei Wochen auf Urlaub im Burgenland und der Steiermark befunden habe. Die Verständigung über die Hinterlegung des Schreibens zur Geschäftszahl LVwG-AV-907/001-2017 vom 1. August habe er am Tag seiner Rückkehr vorgefunden. Das Schreiben habe er noch am Montag, den 21. August 2017 von der zuständigen Geschäftsstelle der Post abgeholt. Inhaltlich teilte der Beschwerdeführer mit, dass für ihn nicht nachvollziehbar sei, wie die Post einen Zustellversuch bzw. die Hinterlegung des Bescheides mit 10. Juni 2017 nachweisen könne, da es sich bei diesem Tag um einen Samstag gehandelt habe und die Post seines Kenntnisstandes nach an Wochenenden keine Postaustragung vornehme. Seine Lebensgefährtin und er hätten sich von Freitag, den 9. Juni 2017, bis Mittwoch, den 14. Juni 2017, in der Früh bei seiner Familie im Burgenland befunden, wodurch er wegen Abwesenheit keine Kenntnis vom Zustellvorgang habe erlangen können. Er habe den Verständigungsschein am Tag der Rückkehr vorgefunden und den Bescheid noch am selben Tag bei der zuständigen Geschäftsstelle der Post abgeholt. Daher habe er in seiner Bescheidbeschwerde den 14. Juni 2017 als Zustelldatum festgehalten.

1.8.

Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11. September 2017 wurde die Beschwerde gemäß § 278 Bundesabgabenordnung (BAO) als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass der angefochtene Bescheid nach einem erfolglosen Zustellversuch am 10. Juni 2017 beim Postamt *** hinterlegt worden und zur Abholung bereitgehalten sei. Das maßgebliche Postamt ist von Montag bis Freitag jeweils von 8:00 bis 18:00 Uhr und am Samstag von
9:00 bis 12:00 Uhr geöffnet. Der erste Tag der Abholfrist im Sinne des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz sei somit der 10. Juni 2017. Der Bescheid würde nur dann nicht als an diesem Tag als zugestellt gelten, wenn sich ergebe, dass der Beschwerdeführer wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Wie in der Stellungnahme vom 1. September 2017 angeführt, geht der Beschwerdeführer davon aus, dass ihm gegenüber eine Zustellung erst am 14. Juni 2017 hätte erfolgen können, da er an diesem Tag von einem Kurzurlaub zurückgekehrt sei, den er am 9. Juni angetreten habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werde die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz normierte Zustellwirkung der Hinterlegung nicht durch die Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirke, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen haben können (vgl. VwGH vom 25. Juni 2015,
Zl. Ro 2014/07/0107, vom 26. Juni 2014, Zl. 2013/03/0055, und vom 25. April 2014, Zl. 2012/10/0060). „Rechtzeitig“ im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz Zustellgesetz sei demnach dahingehend zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung stehe, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt habe, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so müsse die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden (vgl. VwGH vom 25. April 2014, Zl. 2012/10/0060, mwN). Werde durch die Zustellung – wie im gegenständlichen Fall – der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlange der Empfänger noch rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibe. Es sei nicht erforderlich, dass dem Empfänger in Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen müsse (vgl. VwGH vom 28. Februar 2007, Zl. 2006/13/0178 u.a.). Ob jemand vom Zustellvorgang „rechtzeitig“ Kenntnis erlangt habe, sei nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde beispielsweise noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr vier Tage nach dem Beginn der Abholfrist und bei einer Behebung drei Tage nach der Hinterlegung (vgl. VwGH vom 27. September 1999, Zl. 99/17/0303) sowie bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung des Rechtsmittels von zehn Tagen (bei einer Rechtsmittelfrist von zwei Wochen) angenommen (vgl. VwGH vom 18. März 2004, Zl. 2001/03/0284, und vom 24. Februar 2000, Zl. 2000/02/0027). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgend sei er am 14. Juni 2017 an die Abgabestelle zurückgekehrt und habe nach seinen Angaben an diesem Tag vom Zustellvorgang tatsächlich Kenntnis erlangt. Die Behebung sei an diesem Tag möglich gewesen. Ein signifikanter Unterschied zu Berufstätigen, welche am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfahren und bedingt durch die Berufstätigkeit die Sendung einige Tage später beheben, sei daher nicht erkennbar (vgl. VwGH vom 22. Dezember 2016, Zl. Ra 2016/16/0094). Angesichts der Frist von einem Monat für die Erhebung der Beschwerde sei dem Beschwerdeführer bei einer Verkürzung von vier Tagen jedenfalls noch ein angemessener Zeitraum für die Einbringung des Rechtsmittels zur Verfügung gestanden. Im Ergebnis sei daher von einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung nach § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit Zustellwirkung bereits am 10. Juni 2017 auszugehen (vgl. in diesem Sinne auch VwGH vom 5. Oktober 2016, Zl. Ra 2016/10/0080, und vom 28. Juni 2016, Zl. Ra 2016/10/0040). Die zweiwöchige Vorstellungsfrist habe für diesen Bescheid mit dessen Zustellung am Samstag, den 10. Juni 2017, zu laufen begonnen und habe gemäß § 108 Abs. 2 Bundesabgabenordnung mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats der Frist geendet, der durch seine Benennung dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspreche, am Montag, den 10. Juli 2017.

Die am 14. Juli 2017 eingebrachte Beschwerde erwies sich daher als verspätet, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer nach einem Zustellversuch an dessen Wohnanschrift in *** nachweislich durch Hinterlegung am 14. September 2017 zugestellt.

1.9.

Mit Schreiben vom 27. September 2017, eingebracht am 27. September 2017 mittels Telefax beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führte hiezu im Wesentlichen Folgendes aus: Es sei für ihn ein unvorhergesehenes Ereignis gewesen, dass sich der Magistrat Wiener Neustadt mit der Bearbeitung seiner Berufung vom Jänner 2017 gegen den Abgabenbescheid bis in den Juni 2017 Zeit gelassen habe. Weiters sei es für ihn ein unabwendbares Ereignis gewesen, dass die thermisch-energetische Sanierung seiner Wohnhausanlage in *** im Juni 2017 begonnen habe, womit es ihm aufgrund von zahlreichen wahrzunehmenden Terminen (Fenstertausch, Fassadendämmung, Türentausch, Gasleitungsdichteprüfungen‚ Kellerdämmung etc.) nicht möglich gewesen sei, sich näher mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Fristenlauf zu beschäftigen sowie die sich daraus ergebende Frist einzuhalten. Beweismittel für die Wohnhaussanierung in *** könnten bei Bedarf vorgelegt werden. Diesbezüglich hielt er ergänzend fest, dass in den von ihm geführten Zivilprozessen das Zustellgesetz von der Gerichtsbarkeit für Zivilrechtssachen anders ausgelegt werde. Er ersuchte die viertägige Fristüberschreitung daher als minderen Grad des Versehens nachzusehen, vor allem im Vergleich zu den 127 Tagen, welche das Magistrat zur Beantwortung seines Berufungsschreibens verstreichen habe lassen. Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wiederholte er seine Bescheidbeschwerde vom 14. Juli 2017 und lege diese im Original seinem Schreiben bei.

1.10. Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt und in den Akt des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt.

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung – BAO

§ 108. (1) Bei der Berechnung der Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der für den Beginn der Frist maßgebende Tag nicht mitgerechnet.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

(3) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(4) Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.

§ 245. (1) Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. […]

§ 249. (1) Die Bescheidbeschwerde ist bei der Abgabenbehörde einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Die Bescheidbeschwerde kann im Fall einer Änderung der Zuständigkeit jedoch auch bei der neu zuständigen Abgabenbehörde eingebracht werden. Wird eine Bescheidbeschwerde innerhalb der Frist gemäß § 245 beim Verwaltungsgericht eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; das Verwaltungsgericht hat die bei ihr eingebrachte Bescheidbeschwerde unverzüglich an die Abgabenbehörde weiterzuleiten.

§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

         a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

         b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären, so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 308. (1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.

(4) Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung auch bei der Abgabenbehörde eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist.

§ 309. Nach Ablauf von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist oder vom Termin der versäumten mündlichen Verhandlung an gerechnet, ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr zulässig.

§ 309a. Der Wiedereinsetzungsantrag hat zu enthalten:

a)   die Bezeichnung der versäumten Frist oder der versäumten mündlichen Verhandlung;

b)   die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (§ 308 Abs. 1);

c)   die Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumung oder der Versäumung der mündlichen Verhandlung notwendig sind;

d)   die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind.

§ 310. (1) Die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand obliegt der Behörde, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war.

(2) Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, steht die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

(3) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Soweit die versäumte Handlung erst die Einleitung eines Verfahrens zur Folge gehabt hätte, ist durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung die ursprünglich versäumte Handlung als rechtzeitig vorgenommen anzusehen.

2.2. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

[…]

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1 – Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nicht begründet.

3.1.1.

Mit Schreiben vom 27. September 2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtsenates der Statutarstadt Wiener Neustadt vom 7. Juni 2017.

Gemäß § 308 Abs.1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Beschwerdeführer hat die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtsenates der Statutarstadt Wiener Neustadt vom 7. Juni 2017 versäumt bzw. wurde eine Beschwerde gegen diesen Bescheid erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht (vgl. oben 1.8.).

Die Bewilligung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt neben der Versäumung einer Frist auch das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes voraus.

3.1.2.

Als Wiedereinsetzungsgrund kommt gemäß § 308 Abs. 1 BAO ausschließlich in Betracht, dass die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten.

„Unvorhergesehen“ ist ein von der Partei nicht einberechnetes Ereignis, dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. „Unabwendbar“ ist ein – allenfalls vorhersehbares – Ereignis, wenn es mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht verhindert werden kann (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 308, Anmerkung 8). Als entsprechendes Ereignis kommt jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, Sich irren usw. in Betracht (vgl. VwGH vom 22. Jänner 1992, Zl. 91/13/0241; VwGH vom 3. August 1994, Zl. 94/16/0164).

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, dass es für ihn ein unvorhergesehenes Ereignis gewesen sei, dass sich der Magistrat der Stadt Wiener Neustadt mit der Bearbeitung seiner Berufung vom Jänner 2017 gegen den Abgabenbescheid bis Juni 2017 Zeit gelassen habe. Weiters sei es für ihn ein unabwendbares Ereignis gewesen, dass die thermisch-energetische Sanierung seiner Wohnhausanlage in *** im Juni 2017 begonnen habe, womit es ihm aufgrund von zahlreichen wahrzunehmenden Terminen (Fenstertausch, Fassadendämmung, Türentausch, Gasleitungsdichteprüfungen‚ Kellerdämmung etc.) nicht möglich gewesen sei, sich näher mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Fristenlauf zu beschäftigen sowie die sich daraus ergebende Frist einzuhalten.

Für die Entscheidung, ob eine Wiedereinsetzung zu bewilligen ist oder nicht, ist allein das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag maßgebend. Ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nur in jenem Rahmen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers begrenzt ist, zu untersuchen (vgl. VwGH vom 24. November 1989, Zl. 89/17/0116; VwGH vom 26. September 1990, Zl. 89/19/0240).

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass es für ihn ein unvorhergesehenes Ereignis gewesen sei, dass sich der Magistrat der Stadt Wiener Neustadt mit der Bearbeitung seiner Berufung vom Jänner 2017 gegen den Abgabenbescheid bis Juni 2017 Zeit gelassen habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Dauer des Berufungsverfahrens vor dem Stadtsenat der Stadt Wiener Neustadt kein Ereignis war, dass den Beschwerdeführer weder hinderte noch hindern konnte, nach Erlassung des Berufungsbescheides durch den Stadtsenat der Stadt Wiener Neustadt rechtzeitig Beschwerde hiergegen zu erheben.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es sei für ihn ein unabwendbares Ereignis gewesen, dass die thermisch-energetische Sanierung seiner Wohnhausanlage in *** im Juni 2017 begonnen habe, womit es ihm aufgrund von zahlreichen wahrzunehmenden Terminen nicht möglich gewesen sei, sich näher mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Fristenlauf zu beschäftigen sowie die sich daraus ergebende Frist einzuhalten, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach Maßgabe der oben genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hierdurch ebenfalls nicht gehindert war oder gehinderte sein konnte, rechtzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtsenates der Statutarstadt Wiener Neustadt zu erheben. Im Übrigen ist die Wiedereinsetzung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Rechtsbehelf, der auf die Beseitigung der Rechtsnachteile, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie im Verfahren eine Frist oder einen Termin zur Vornahme einer Prozesshandlung versäumt hat, abzielt (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 308, Anmerkung 1; VwGH vom 16. November 2011, Zl. 2007/17/0073). Demnach geht es bei der Weidereinsetzung um die Versäumung einer Frist zur Vornahme einer Prozesshandlung und nicht etwa um die Versäumung, sich mit Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu auseinanderzusetzen.

Im gegenständlichen Fall wurde kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund dargelegt bzw. hat der Beschwerdeführer auch bei Beurteilung seines Vorbringens die ihm im Zusammenhang mit der Behandlung eines behördlichen Schriftstückes gebotene und auch zumutbare Sorgfalt nicht aufgewandt, was ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden darstellt.

Das Vorbringen im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag erscheint somit nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinne des § 308 Abs.1 BAO glaubhaft zu machen. Der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag erweist sich daher als unbegründet.

3.1.3.

Gemäß § 310 Abs. 1 BAO obliegt die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Behörde, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war.

Bei der Versäumung einer Beschwerdefrist – im gegenständlichen Fall einer Beschwerdefrist – obliegt der Abgabenbehörde die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag. Dies gilt auch, wenn er beim Verwaltungsgericht eingebracht wurde (vgl. Ritz, BAO5, § 310 Tz 1). Demgemäß sind Wiedereinsetzungsanträge abzuweisen, wenn die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt sind (vgl. Ritz, BAO5, § 310 Tz 4).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.4.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt und ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 – Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und zu beiden Spruchpunkten des Beschlusses eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.

Schlagworte

Finanzrecht; Verfahrensrecht; Wiedereinsetzung; Rechtsbehelf;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2017:LVwG.AV.907.002.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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