TE Lvwg Beschluss 2018/1/2 LVwG-AV-839/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.01.2018
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Entscheidungsdatum

02.01.2018

Norm

PSchG NÖ 1973 §53 Abs1
MeldeG 1991 §2 Abs3 Z3
B-VG Art6 Abs3
VwGVG 2014 §28 Abs3

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Kühnel als Einzelrichter über die Beschwerde der Stadtgemeinde ***, in ***, ***, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde ***, in ***, Rathaus, vom 29.03.2017 betreffend Vorschreibung eines Schulerhaltungsbeitrages für das Haushaltsjahr 2016 (für den Schüler SB) den

BESCHLUSS:

1.   Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Marktgemeinde *** zurückverwiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 29.03.2017 wurde der Stadtgemeinde *** ein Schulerhaltungsbeitrag in der Höhe von 900,-- Euro für den Volksschüler SB vorgeschrieben.

Es wurde dargelegt, der Gemeinderat der Marktgemeinde *** habe in seiner Sitzung am 16.03.2017 den Rechnungsabschluss über den Schulaufwand der Volksschule *** für das Haushaltsjahr 2016 gemäß § 48 Abs. 3 des NÖ Pflichtschulgesetzes erstellt und die endgültige Höhe der von den sonstigen beteiligten Gemeinden zu entrichtenden Schulerhaltungsbeiträge ermittelt. Für Schüler, die aufgrund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Schulsprengel wohnen und deren ordentlicher Wohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen sei, habe gemäß § 53 Abs. 1 NÖ Pflichtschulgesetz die Gemeinde des ordentlichen Wohnsitzes den Schulerhaltungsbeitrag zu leisten. Der dem Bescheid beigeschlossene Rechnungsabschluss bilde einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides.

Im Landesjugendheim *** sei das Kind SB, geboren ***, welches seinen Hauptwohnsitz vom 27.11.2015 bis 02.02.2016 in *** gehabt habe, untergebracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Stadtgemeinde *** vom 25.04.2017. Darin wird vorgebracht, dass das Kind SB, geb. am ***, mit 27.11.2015 durch dessen Mutter SS in der Stadtgemeinde *** mit Hauptwohnsitz gemeldet worden sei. Im Zuge der Überprüfung der Hauptwohnsitzmeldung durch die Meldebehörde der Gemeinde *** habe festgestellt werden müssen, dass das genannte Kind in *** zu keinem Zeitpunkt aufhältig gewesen sei.

Seitens der Meldebehörde der Stadtgemeinde *** sei mit der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten, der Marktgemeinde *** und dem Landesjugendheim *** Kontakt aufgenommen worden, um den Aufenthalt des Kindes abzuklären und die Wohnsitzmeldung richtig zu stellen. Der Schriftverkehr werde der Beschwerde beigelegt.

Im Email des Landesjugendheimes *** vom 28.01.2016 werde mitgeteilt, dass die Mutter SS das Kind SB in *** angemeldet habe, dies nicht rechtens sei und daher vom Landesjugendheim *** umgehend die Hauptwohnsitzmeldung in *** durchgeführt werde.

Aus dem beiliegenden Schriftverkehr sei eindeutig erkennbar, dass alle beteiligten Stellen davon Kenntnis gehabt hätten, dass die erfolgte Hauptwohnsitzmeldung in der Gemeinde *** des Kindes SB nicht rechtens gewesen sei. Der im bekämpften Bescheid angegebene Zeitraum der Hauptwohnsitzmeldung in der Gemeinde ***, nämlich vom 27.11.2015 bis 02.02.2016, entspreche genau jenem Zeitraum, der zur Ermittlung des Sachverhaltes, der Einbindung sämtlicher Stellen und Korrektur der Falschmeldung, veranlasst durch die Mutter, benötigt worden sei.

Das Email des Landesjugendheimes *** vom 28.01.2016 bestätige ebenfalls, dass die Ummeldung des Kindes durch die Mutter nicht rechtens gewesen sei.

Aufgrund des darlegten Sachverhaltes sei die erfolgte Vorschreibung zur Leistung eines Schulerhaltungsbeitrages für das Kind SB für das Schuljahr 2015/2016 in der Höhe von 900,-- Euro durch die Stadtgemeinde *** nicht rechtens.

Außerdem habe gemäß § 48 Abs. 1 NÖ Pflichtschulgesetz der Bürgermeister der Schulsitzgemeinde bis 20.10. den Voranschlag über den Schulaufwand des folgenden Kalenderjahres zu erstellen, die auf die beteiligten Gemeinden entfallenden Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen zu ermitteln und bis

1. November den beteiligten Gemeinden mit Bescheid den Voranschlag bekanntzugeben sowie die Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen vorzuschreiben.

Ein derartiger Bescheid sei an die Stadtgemeinde *** nicht übermittelt worden. Im gegenständlich bekämpften Bescheid werde lediglich das Ergebnis des Rechnungsabschlusses des Haushaltsjahres 2016 übermittelt und zur Kenntnis gebracht.

Im § 53 Abs. 3 NÖ Pflichtschulgesetz werde ebenfalls festgehalten, dass bei der Vorschreibung von Schulerhaltungsbeiträgen für Schüler, die auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Schulsprengel wohnen und deren ordentlicher Wohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen sei, die §§ 44 bis 48 sinngemäß Anwendung fänden. § 48 Abs. 1 NÖ Pflichtschulgesetz hätte auch hier gemeinsam mit § 53 Abs. 3 leg. cit. zur Anwendung kommen müssen. Dies sei nicht erfolgt.

Aus dem genannten Grund sei daher die Vorschreibung des Schulerhaltungsbeitrages für das Kind SB nicht rechtens.

Die Stadtgemeinde *** beantrage daher aus zuvor angeführten Gründen, die gänzliche Aufhebung des Bescheides über die Vorschreibung eines Schulerhaltungsbeitrages in der Höhe von € 900,- für das Kind SB.

Mit Schreiben vom 04.07.2017 legte die Marktgemeine *** die Beschwerde samt Beilagen vor.

Erwägungen:

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, (…) und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz bildet die Rechtsquelle für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen“ hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend festgehalten, dass eine Zurückweisung der Sache insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Behörde den maßgebenden Sachverhalt (§ 37 AVG) bloß ansatzweise ermittelt hat (siehe VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Die für die Vorschreibung von Schulerhaltungsbeiträgen hier maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Pflichtschulgesetzes lauten:

„§ 5

Erhaltung

(1) Gehören mehrere Gemeinden zu einem Schulsprengel oder zu einer Schulgemeinde oder sind sie in sonstiger Weise an einer Schule beteiligt, so haben sie Schulerhaltungsbeiträge oder Schulumlagen (§§ 46 bis 53 und 65) an den gesetzlichen Schulerhalter zu leisten.

(2) ….“

„§ 8

Schulsprengel

[….]

(8) Dem Schulsprengel einer allgemeinbildenden Pflichtschule gehören jene Schulpflichtigen an, die im Schulsprengel, wenn auch nur zum Zwecke des Schulbesuches, wohnen. Dem Schulsprengel einer berufsbildenden Pflichtschule gehören jene Schulpflichtigen an, die in einem Betrieb, dessen Standort im Schulsprengel liegt, im Lehr- oder Ausbildungsverhältnis stehen. Die Sprengelangehörigkeit für die Schulpflichtigen wird erst mit der Bereitstellung der Unterrichtsräume wirksam.

[…]“

„§ 46

Aufteilung des Schulaufwandes

(1) Der Schulaufwand ist durch den gesetzlichen Schulerhalter aufzuteilen.

(2) Der Berechnung der Schulerhaltungsbeiträge und der Schulumlagen ist der durch andere Einnahmen für Schulzwecke (Subventionen, Schenkungen usw.) nicht gedeckte Schulaufwand zugrundezulegen.

(3) Der in den ordentlichen Voranschlag aufgenommene Schulaufwand ist, sofern ein Übereinkommen nicht angestrebt wird oder nicht zustande kommt, für das jeweils folgende Kalenderjahr im Verhältnis der Anzahl der zum Schulbeginn eingeschriebenen Schüler zur Anzahl der aus der beteiligten Gemeinde stammenden Schüler vorläufig aufzuteilen. Anläßlich der Erstellung des Rechnungsabschlusses (§ 48 Abs. 3) ist er endgültig nach dem Verhältnis der zum 1. Jänner eingeschriebenen Schüler aufzuteilen.

(3a) Der Schulaufwand ganztägiger Schulformen ist zu teilen nach Unterricht und Tagesbetreuung. Bei fehlendem Übereinkommen sind die Kosten der Tagesbetreuung im Verhältnis der Anzahl der angemeldeten Schüler zur Anzahl der aus der beteiligten Gemeinde stammenden Schüler aufzuteilen.

(4) Die Aufteilung des in den außerordentlichen Voranschlag aufgenommenen Schulaufwandes ist vorerst durch ein Übereinkommen der beteiligten Gemeinden anzustreben. Kommt ein solches Übereinkommen nicht zustande, sind der Aufteilung sowohl die Schülerzahl nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre als auch die Finanzkraft zu gleichen Teilen zugrunde zu legen.

Die Finanzkraft einer Gemeinde wird aus den für die Gemeinde im laufenden Jahr zu erwartenden

       - Erträgen der ausschließlichen Gemeindeabgaben ohne die Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen und ohne die Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern und

       - Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben ohne Spielbankenabgabe

ermittelt. Als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Finanzkraft sind vorläufig geschätzte Beträge zugrunde zu legen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (z. B. Erträge an ausschließlichen Gemeindeabgaben in den Vorjahren, Prognosen über künftige Entwicklung der Gemeindeertragsanteile).

Falls nur Teile einer Gemeinde dem Schulsprengel angehören, ist die Finanzkraft im Verhältnis der Einwohnerzahl dieses Gebietsteiles zur Einwohnerzahl im gesamten Gemeindegebiet heranzuziehen. Die Einwohnerzahl bestimmt sich nach dem für den jeweiligen Finanzausgleich von der Bundesanstalt Statistik Österreich zuletzt festgestellten und kundgemachten Ergebnis der Statistik des Bevölkerungsstandes oder der Volkszählung zum Stichtag 31. Oktober.

(5) ….

§ 47

Übereinkommen

(1) Die beteiligten Gemeinden können über die Deckung des in den ordentlichen und außerordentlichen Voranschlag aufgenommenen Schulaufwandes Übereinkommen treffen.

(2) Übereinkommen gemäß Abs. 1 sind der nach der Sitzgemeinde zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen.

§ 48

Vorschreibung und Einhebung der Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen

(1) Der Bürgermeister der Schulsitzgemeinde – der Obmann der Schulgemeinde jedoch nach Anhören des Schulausschusses – hat bis 20. Oktober den Voranschlag über den Schulaufwand des folgenden Kalenderjahres zu erstellen, die auf die beteiligten Gemeinden entfallenden Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen zu ermitteln und bis 1. November den beteiligten Gemeinden mit Bescheid den Voranschlag bekanntzugeben sowie die Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen vorzuschreiben.

(2) Die Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen gemäß Abs. 1 sind in vier gleichen Teilen zum 1. Jänner, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober zu leisten.

(3) Binnen drei Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres ist vom Bürgermeister der Schulsitzgemeinde (Obmann der Schulgemeinde) der Rechnungsabschluß zu erstellen und den beteiligten Gemeinden mit Bescheid bekanntzugeben. In diesem Bescheid sind allfällige Nachforderungen oder Gutschriften mit Berücksichtigung einer Aufteilung nach § 46 Abs. 3 zweiter Satz auszuweisen.

(4) Nachforderungen sind binnen einem Monat zu entrichten, Gutschriften anläßlich der folgenden Fälligkeitstermine (Abs. 2) zu berücksichtigen.“

„§ 53

Schulerhaltungsbeiträge für sonstige sprengelangehörige Schüler

(1) Für Schüler, die auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Schulsprengel wohnen und deren ordentlicher Wohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, hat die Gemeinde des ordentlichen Wohnsitzes den Schulerhaltungsbeitrag zu leisten.

(2) Ist eine nach Abs. 1 verpflichtbare Gemeinde nicht festzustellen, so kann das Land den Schulerhaltungsbeitrag leisten.

(3) Für die Bestimmung des Schulaufwandes, seine Aufteilung, die Bekanntgabe des Schulerhaltungsbeitrages sowie die Rechnungslegung finden die §§ 44 bis 48 sinngemäß Anwendung.“

Nach § 48 Abs. 1 NÖ Pflichtschulgesetz hat der Obmann der Schulgemeinde bis

20. Oktober den Voranschlag über den Schulaufwand des folgenden Kalenderjahres zu erstellen, die auf die beteiligten Gemeinden entfallenden Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen zu ermitteln und bis 1. November den beteiligten Gemeinden mit Bescheid den Voranschlag bekannt zu geben sowie die Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen vorzuschreiben.

Nach § 46 Abs. 3 leg. cit. ist der in den ordentlichen Voranschlag aufgenommene Schulaufwand, sofern ein Übereinkommen nicht angestrebt wird oder nicht zustande kommt, für das jeweils folgende Kalenderjahr im Verhältnis der Anzahl der zum Schulbeginn eingeschriebenen Schüler zur Anzahl der aus der beteiligten Gemeinde stammenden Schüler vorläufig aufzuteilen. Anlässlich der Erstellung des Rechnungsabschlusses (§ 48 Abs. 3) ist er endgültig nach dem Verhältnis der zum

1. Jänner eingeschriebenen Schüler aufzuteilen.

Nach § 53 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung Art. 151 Abs. 9 B-VG hat die Gemeinde des Hauptwohnsitzes für Schüler, die nur zum Zweck des Schulbesuches oder auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Schulsprengel wohnen und deren Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, den Schulerhaltungsbeitrag zu leisten.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Hauptwohnsitzmeldung des Schülers SB durch seine Mutter SS in *** zu Unrecht erfolgt sei und der Hauptwohnsitz des Schülers in der fraglichen Zeit zum Stichtag 1. Jänner 2016 somit nicht in *** gewesen sei. Eine Meldung des Schülers ohne tatsächliche Hauptwohnsitznahme begründe keinen Hauptwohnsitz.

§ 1 Meldegesetz 1991, LGBl. Nr. 9/1992, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2013, lautet auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen
§ 1.

(1) Unterkünfte sind Räume, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden.

(2) Unterkunftgeber ist, wer jemandem, aus welchem Grunde immer, Unterkunft gewährt.

(3) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten gelten als Beherbergungsbetriebe.

(4) Wohnungen sind Unterkünfte, soweit es sich nicht um Beherbergungsbetriebe handelt. Fahrzeuge und Zelte gelten dann als Wohnung, wenn sie im Gebiet derselben Gemeinde länger als drei Tage als Unterkunft dienen.

(5) Meldedaten sind ….

(5a) Identitätsdaten sind ….

(6) Ein Wohnsitz eines Menschen ist an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

(7) Der Hauptwohnsitz eines Menschen ist an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

(8) Für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen sind insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

(9) ….“

§ 2 Abs. 3 Meldegesetz 1991 lautet auszugsweise:

„(3) Sofern sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes schon anderswo gemeldet sind, sind Menschen nicht zu melden,

1.

...

3.

die als Minderjährige in Kinder-, Schüler-, Studenten-, Jugend- oder Sportheimen untergebracht sind;

...“

§ 53 Abs. 1 NÖ Pflichtschulgesetz (in der Fassung des Art. 151 Abs. 9 B-VG) setzt voraus, dass Schüler, die auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Schulsprengel wohnen, auch einen Hauptwohnsitz außerhalb des Sprengels haben; nur in diesem Fall ist der Schulerhaltungsbeitrag von der Gemeinde des Hauptwohnsitzes zu leisten.

Der Begriff des Hauptwohnsitzes wird in Art. 6 Abs. 3 B-VG in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 504/1994 wie folgt definiert:

"(3) Der Hauptwohnsitz einer Person ist dort begründet, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen einer Person auf mehrere Wohnsitze zu, so hat sie jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat."

Maßgebend ist somit der nach tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu ermittelnde Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person (vgl. VwGH vom 16.12.2002, Zl. 2000/10/0192, zum NÖ Pflichtschulgesetz sowie aus der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 7 Meldegesetz 1991 im Zusammenhang mit Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 1 Meldegesetz 1991, z.B. VwGH vom 18.02.2002, Zl. 2002/05/1497, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung zu Personen, die in Krankenanstalten oder auch Pflegeheimen oder vergleichbaren Einrichtungen untergebracht sind, dem zu Folge es „ohne Weiteres möglich (ist), dass eine Person den (einzigen) Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen und damit ihren Hauptwohnsitz in einer solchen Rehabilitations-Einrichtung“ haben könne. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom 16.12.2002 ausgeführt hat, ist die Meldung nach dem Meldegesetz 1991 in der Frage des Hauptwohnsitzes nicht von entscheidender Bedeutung (vgl. hiezu z.B. auch VwGH vom 25.06.2002, Zl. 97/17/0161, mwN).

Die Annahme, eine Person habe in einem bestimmten Ort ihren Hauptwohnsitz, kann weder auf den Umstand der Meldung in diesem Ort als Hauptwohnsitz allein gegründet noch durch den Hinweis auf die Meldung in einem anderen Ort allein widerlegt werden.

Daran vermag auch die Regelung des § 2 Abs. 3 Z 3 Meldegesetz 1991 nichts zu ändern.

Der Umstand, dass Minderjährige in den dort genannten Fällen, so auch bei der Unterbringung in Jugendheimen, nicht zu melden sind, sofern sie schon anderswo gemeldet sind, bedeutet nicht, dass die Bestimmung des Hauptwohnsitzes nach dem Meldegesetz 1991 nach anderen Kriterien als den vorstehend dargelegten vorzunehmen wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16.12.2002 festgestellt hat, bedeutet die Aufnahme eines Jugendlichen in eine nach Jugendwohlfahrtsvorschriften errichtete Einrichtung – selbst zur „vollen Erziehung“ – nicht ohne weiteres, dass damit der Hauptwohnsitz des Jugendlichen in der Gemeinde des Standortes begründet würde. Vielmehr werde es in solchen Fällen von Ausmaß und Intensität der sozialen Beziehungen zum „Herkunftsort“, wie z.B. Aufenthalt bzw. Wohnsitz des bzw. der Erziehungsberechtigten, aufrechtes Bestehen der Erziehungsberechtigung, Ausmaß der Kontakte zwischen Jugendlichen und Erziehungsberechtigten, abhängen, ob der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Jugendlichen am Wohnort des (der) Erziehungsberechtigten verbleibt oder (infolge völligen Wegfalles der sozialen Beziehungen zum Wohnort des (der) Erziehungsberechtigten) an jenem Ort begründet wird, an dem sich der Jugendliche auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt aufhalte (vgl. dazu auch die oben zitierte Rechtsprechung zu § 1 Abs. 7 Meldegesetz im Zusammenhang mit Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 1 Meldegesetz zur Unterbringung in Heimen und vergleichbaren Einrichtungen).

Entsprechende Feststellungen fehlen jedoch im angefochtenen Bescheid zur Gänze.

Ob Sachverhaltselemente vorliegen, die erkennen lassen, dass der Hauptwohnsitz des Schülers SB am Sitz der Jugendwohlfahrtseinrichtung in der Marktgemeinde ***, oder vielmehr am Wohnsitz der Mutter (eines anderen Erziehungsberechtigten) liegt, wurde jedoch von der Marktgemeinde *** vor Erlassung des bekämpften Bescheides, mit dem der beschwerdeführenden Stadtgemeinde *** der Schulerhaltungsbeitrag für das Haushaltsjahr 2016 vorgeschrieben wurde, nicht näher geprüft. Jedenfalls ist diesbezüglich weder der Begründung des Bescheides noch den vorgelegten Unterlagen – außer des Eintrags eines Hauptwohnsitzes im Zentralen Melderegister – etwas zu entnehmen.

Auch erschließt sich nicht, aus welchen Gründen die belangte Behörde – nach der bereits im Jänner 2016 mit der beschwerdeführenden Stadtgemeinde *** geführten Korrespondenz – nicht nähere Ermittlungen hinsichtlich des Hauptwohnsitzes geführt hat, und stattdessen den hier bekämpften Bescheid erlassen hat.

Die Marktgemeinde *** hat somit den relevanten Sachverhalt nicht ausreichend festgestellt.

Anzumerken ist, dass sich aus dem (zwar von der belangten Behörde unwidersprochen gebliebenen) Beschwerdevorbringen und aus dem E-mail des Landesjugendheimes *** vom 28.01.2016, wonach die Hauptwohnsitzmeldung durch die Kindesmutter zu Unrecht in der Stadtgemeinde *** erfolgt sei, noch nicht zwingend ergibt, dass der Hauptwohnsitz des Schüles in der Marktgemeinde *** anzunehmen ist und ein Hauptwohnsitz in der Stadtgemeinde *** jedenfalls auszuschließen ist.

Im Rahmen eines noch durchzuführenden Ermittlungsverfahrens ist unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen und in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführten Gesichtspunkte zu erheben, ob der Mutter (oder einer anderen Person) eine Erziehungsberechtigung für den Schüler SB zukommt oder zukam und wo deren Hauptwohnsitz zum hier fraglichen Zeitpunkt 1. Jänner 2016 lag.

Weiters ist zu erheben, ob Kontakte des Schülers zur Mutter (zu anderen Erziehungsberechtigten) seitens der Einrichtung der Jugendwohlfahrt gewünscht sind oder waren bzw. in welchem Ausmaß und in welcher Intensität soziale Beziehungen des Schülers zum Hauptwohnsitz der Mutter (anderer Erziehungsberechtigter) bestanden oder bestehen.

Erst nach Durchführung derartiger Ermittlungen ist unter Zugrundelegung des Ergebnisses festzustellen, an welchem Ort der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen und somit der Hauptwohnsitz des Schülers liegt, und ist demgemäß der Schulerhaltungsbeitrag vorzuschreiben (vgl. VwGH vom 20.12.2004, Zl. 2001/10/0209).

Da die belangte Behörde die notwendigen Ermittlungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts zur Beurteilung, ob einer Gemeinde bzw. welcher Gemeinde der Schulerhaltungsbeitrag für den Schüler SB vorzuschreiben ist, unterlassen hat, liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides und die Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung vor.

Aus diesen Gründen war der Beschwerde Folge zu geben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Marktgemeinde *** zurückzuverweisen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Bildung und Kultur; Schulerhaltungsbeitrag; Sprengelangehörigkeit; Verfahrensrecht; Zurückverweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.839.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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