TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/14 LVwG-AV-1240/001-2017

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Veröffentlicht am 14.12.2017
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Entscheidungsdatum

14.12.2017

Norm

GewO 1994 §13 Abs1
GewO 1994 §26 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin Mag. Marihart über die Beschwerde des Herrn FT, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 12. September 2017, Zl. MEW1-G-17679/001, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk (im Folgenden als Verwaltungsbehörde bezeichnet) vom 12. September 2017, Zl. MEW1-G-17679/001 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer dessen Antrag auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung aufgrund der einschlägigen, vollzogenen, aber noch nicht getilgten Strafen, abgewiesen.

Mit Schreiben der Behörde vom 27. Juli 2017 wurde dem Rechtsmittelwerber mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, hinsichtlich seines Antrages auf Feststellung der individuellen Befähigung, diesen aufgrund fehlender facheinschlägiger Zeiten abzuweisen.

Hinsichtlich des Antrages auf Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 GewO führte die Behörde aus, dass ebenfalls beabsichtigt sei, diesen abzuweisen und ergänzte, dass für die Erteilung der Nachsicht bei der Prognoseentscheidung auf die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Verurteilten abzustellen sei. Einerseits hätte sich der Beschwerdeführer seit der letzten Verurteilung vom 19.07.2010 wohl verhalten und ginge einem geregelten Leben nach und wäre durch die persönliche Vorsprache des Nachsichtswerbers am 30. Juni 2017 bei der belangten Behörde zu erkennen, dass er sich künftig an sämtliche rechtlichen Vorschriften halten wolle. Andererseits könne die Verwaltungsbehörde aufgrund der Eigenart der strafbaren Handlung nicht ausschließen, dass bei der Ausübung des Gastgewerbes keine vergleichbaren strafbaren Handlungen vorgenommen werden würden, da die Ausübung des Gastgewerbes einen vermehrten geschäftlichen Kontakt zu Menschen anböte bzw. eine besondere Gelegenheit zur Begehung von Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz schaffe. Somit könne die Verwaltungsbehörde nicht davon ausgehen, dass die Befürchtung von Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz bei der Ausübung des Gastgewerbes gar nicht bestünde.

Dem Beschwerdeführer wurde eine dreiwöchige Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

Mit Bescheid vom 12. September 2017 wurde aufgrund zwischenzeitlich vorgelegter Arbeitszeugnisse die individuelle Befähigung für die Ausübung des reglementierten Gewerbes „Gastgewerbe gem. § 111 Abs. 1 Z 2 GewO 1994“ festgestellt.

Eine Stellungnahme bzgl. der beabsichtigten Abweisung hinsichtlich des Antrages des Nachsichtswerbers auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung wurde auch nach gewährter Fristerstreckung nicht abgegeben.

Infolgedessen wurde der Antrag auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung mittels Bescheid von der Verwaltungsbehörde abgewiesen.

Begründend dazu führte die Verwaltungsbehörde aus, dass der Nachsichtswerber mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 11.12.1997, ZI. ***, rechtskräftig am 15.12.1997, nach § 107 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat (Probezeit 3 Jahre) verurteilt wurde.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes *** vom 23.02.1999, Zl. ***, rechtskräftig am 02.04.1999, wurde der Rechtsmittelwerber nach § 91 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 100,00 ATS (7.000,00 ATS) im NEF 35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Des Weiteren wurde der Beschwerdeführer vom Landesgerichtes *** am 19.03.2007, Zl. ***, rechtskräftig am 15.06.2007, nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr (Probezeit 3 Jahre) sowie einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 10,00 EUR (3.600,00 EUR) im NEF 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Zuletzt wurde mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 19.07.2010,
Zl. ***, rechtskräftig am 23.07.2010, wegen § 28a Abs. 1 5. Fall SMG, § 224a StGB und § 28a Abs. 3 SMG eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten über den Beschwerdeführer ausgesprochen.

Nach derzeitigem Stand der Strafregistereintragungen werde die Tilgung voraussichtlich mit 12.01.2024 eintreten.

Die Verwaltungsbehörde stellte in einem persönlich durchgeführten Gespräch zwar fest, dass im Hinblick auf die Persönlichkeit des Nachsichtswerbers eine positive Prognose abgegeben werden könne, er hätte sich ehrlich und äußerst bemüht gezeigt, jedoch könne aufgrund der strafbaren Handlung (nämlich jene nach dem SMG) in Kombination mit der Ausübung des Gastgewerbes seitens der Verwaltungsbehörde nicht ausgeschlossen werden, dass bei Ausübung des Gastgewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begangen werden.

Des Weiteren schienen neben der Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz noch drei weitere Verurteilungen auf und sei mit der Tilgung der Strafen erst im Jahr 2024 zu rechnen.

Schließlich konkretisierte die Verwaltungsbehörde, dass die §§ 13 und 26 Gewerbeordnung 1994 in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander stünden. Diese Bestimmung diene nur um Härtefälle zu vermeiden, welcher im vorliegenden Fall aber nicht gesehen werde.

Gegen diesen abweisenden Bescheid erhob der Rechtsmittelwerber fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass die der Entscheidung der Verwaltungsbehörde zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auf ein (damaliges) schlechtes Umfeld zurückzuführen seien.

Er habe sich seit 2010 wohlverhalten, sei unverzüglich nach der Strafhaft einer Beschäftigung nachgegangen (zunächst als Reifenmonteur) und habe seitdem ein vorbildliches Leben geführt. Mit seiner Gattin habe er in *** ein Haus gebaut und habe er zusammen mit ihr drei Kinder.

Seit 2015 sei er im Gastgewerbe tätig und führe er eine Pizzeria in ***, die er auch übernehmen würde.

Sein straffälliges Verhalten tue ihm sehr leid und er bereue dies zutiefst, er habe sein Verhalten grundlegend geändert und sei mit dem Gesetz seitdem nicht mehr in Konflikt geraten.

Seine letzte strafbare Handlung läge sieben Jahre zurück und könne hinsichtlich seiner Persönlichkeit eine positive Prognose abgegeben werden, sodass er die Nachsichtsvoraussetzungen gemäß § 26 Gewerbeordnung 1994 erfülle. Er sei der Meinung, dass genau in seinem Fall eine Ausnahme zur Vermeidung von Härtefällen vorläge, da er trotz der begangenen strafbaren Handlungen sein Verhalten und die gesamte Lebensführung grundlegend geändert habe, sodass die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten sei.

Weiters führte der Rechtsmittelwerber aus, dass ihm mit Bescheid der Verwaltungsbehörde vom 12.09.2017, ZI. MEW1-G-17679, die individuelle Befähigung für die Ausübung des reglementierten Gewerbes „Gastgewerbe“ gemäß § 111 Abs. 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994 zuerkannt worden sei, wodurch er die Möglichkeit hätte selbst Gewerbetreibender zu sein.

Die wirtschaftliche Selbständigkeit sei für ihn und seine Familie sehr wichtig und hätte er in den letzten Jahren alles daran gesetzt, den Betrieb in eine wirtschaftlich gute Zukunft zu führen, sodass er jetzt die Möglichkeit ergreifen wolle, das Gastlokal selbst zu übernehmen.

Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30. November 2017, in welcher der Beschwerdeführer persönlich einvernommen wurde und an der kein Vertreter der belangten Behörde teilnahm, steht für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer, Herr FT, geb. am ***, wohnt in ***, ***, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Eine Lehre zum Kfz-Mechaniker wurde zwar abgebrochen, jedoch war der Rechtsmittelwerber von 2011 – 2014 bei der Firma RG als Reifenmonteur beschäftigt.

Im Jahr 2014 sammelte er Erfahrung als Kellner in der CS GmbH.

Er ist seit zweieinhalb Jahren Geschäftsführer in der Pizzeria seines Schwagers in *** und bringt ein monatliches Einkommen von ca. € 1.270 ins Verdienen. Neben sämtlichen kaufmännischen Angelegenheiten ist er dort auch in der Küche und als Kellner tätig. Neben ihm sind der Schwager als Koch, eine Kellnerin in Vollzeit und eine weitere Kellnerin auf Geringfügigkeitsbasis beschäftigt.

Die Pizzeria befindet sich in einem Gebäude, dessen Eigentümerin die Gemeinde *** ist. Der Bürgermeister vermietete in Kenntnis der Vorstrafen des Beschwerdeführers das Gebäude an ihn und besteht auch zwischen den Personen gutes Einvernehmen.

Für das Gastgewerbe hat ihm die belangte Behörde bereits einen individuellen Befähigungsnachweis erteilt.

In der Pizzeria gab es bisher keine Schwierigkeiten mit Kunden.

Auch wurden bereits Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat, die Lebensmittelpolizei und Finanzpolizei durchgeführt und konnten – abgesehen von einer wackeligen Steckdose – keinerlei Mängel festgestellt werden.

Ergänzend führte der Beschwerdeführer noch aus, dass er in *** Fuß fasste und voll integriert ist. Darüber hinaus arbeitet er gelegentlich mit Flüchtlingen – diesen gibt er freiwillig Deutschunterricht – und versucht aufgrund seines Vorlebens diese Menschen positiv zu beeinflussen.

Mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 11.12.1997, Zl. ***, rechtskräftig am 15.12.1997, wurde der Nachsichtswerber nach § 107 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat (Probezeit 3 Jahre) verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes *** vom 23.02.1999, Zl. ***, rechtskräftig am 02.04.1999, wurde der Rechtsmittelwerber nach § 91 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tags zu je 100,00 ATS (7.000,00 ATS) im NEF 35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 19.03.2007, Zl. ***, rechtskräftig am 15.06.2007, wurde der Beschwerdeführer nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr (Probezeit 3 Jahre) sowie einer Geldstrafe von 360 Tags zu je 10,00 EUR (3.600,00 EUR) im NEF 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Die absichtlich schwere Körperverletzung resultiert aus mehrmaligen Einstichen mit einem Messer, wodurch das Opfer Stichwunden am linken unteren Beckenknochen, im linken Gesäß- und Oberschenkelknochen sowie in der linken Nierengegend erlitt.

Mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 19.07.2010, Zl. ***,

rechtskräftig am 23.07.2010, wurde der Rechtmittelwerber nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG, § 224a StGB und § 28a Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Er wurde deswegen strafrechtlich belangt, da er vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich zumindest 323 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 20 %, durch gewinnbringenden Verkauf von Teilmengen an Abnehmer überlassen hat.

Nach derzeitigem Stand der Strafregistereintragungen wird die Tilgung voraussichtlich mit 12.01.2024 eintreten.

Von 13.03.2010 bis 12.01.2011 befand er sich in der Justizanstalt *** in Haft.

Als Motiv für die strafbare Handlung nach dem Suchtmittelgesetz gab der Beschwerdeführer an, dass er verzweifelt war, da seine Frau nicht bei ihm war. Er wollte sie zunächst auf legalem Weg nach Österreich holen, doch glückte ihm dies nicht. Infolgedessen entschied er sich für eine andere Option.

Bezüglich der absichtlich schweren Körperverletzung gab er an, dass er sich nicht mehr erinnern kann, was seine Beweggründe waren. Jedenfalls söhnte er sich mit dem Opfer aus und beglich den Schaden.

 

Der Beschwerdeführer zeigte sich in der Verhandlung reumütig, er hat aus seinen Fehlern gelernt und ersucht um eine zweite Chance.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt zur Zl. MEW1-G-17679/001.

Die Feststellungen zu den Umständen und dem Ausmaß der ausschlussbegründenden Verurteilung ergeben sich aus dem Strafregister sowie aus den, dem Verwaltungsakt inne liegenden Urteilen des Landesgerichtes *** vom 19.03.2007, Zl. *** und vom 19.07.2010, Zl. ***.

Die tätigkeitsbezogenen Angaben konnte der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen. Im Übrigen vermittelte der Beschwerdeführer dem erkennenden Gericht einen positiven Eindruck. Dass es beim derzeitigen Betrieb der Pizzeria keine Schwierigkeiten gibt, ergibt sich über Vorhalt der Frage, wie er sich denn verhalten würde, wenn er von Kunden provoziert werde. Dazu führt der Beschwerdeführer glaubhaft aus, dass er versuche die Gäste zu kalmieren. Wenn ein Gast mal kein Geld mithätte, gäbe er diesem die Möglichkeit beim nächsten Besuch zu zahlen. Und wenn ein Kunde betrunken sei, führe er diesen nach Hause.

Auch wirkte er im Hinblick auf seine Reue und seine Besinnung zum rechtschaffenen Menschen glaubwürdig.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führt rechtlich wie folgt aus:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO) lauten auszugsweise:

§ 13 GewO lautet:

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

         1.       von einem Gericht verurteilt worden sind

         a)       wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

         b)       wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

         2.       die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

…“

§ 26 lautet:

„(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.“

Erwägungen:

Als wesentliche Kriterien für ihre Prognoseentscheidung hat die Behörde – nach Maßgabe der expliziten Anordnung in § 26 Abs. 1 GewO 1994 - auf die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Verurteilten Bedacht zu nehmen. Die genannten Kriterien sind nicht losgelöst von einander zu prüfen, sondern vielmehr - an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls - mit einander in Beziehung zu setzen. Es soll so der Behörde ermöglicht werden, zu einer Persönlichkeitswertung des Verurteilten zu gelangen, die es ermöglicht, abzuschätzen, ob eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verurteilte bei Ausübung des Gewerbes gleiche oder ähnliche Taten begehen wird. Zu berücksichtigen sind folglich alle äußeren Umstände, die auf die Persönlichkeitsentwicklung – sei es im positiven oder negativen Sinn – von Einfluss sein können, wie zB. Schadenswiedergutmachung; unbescholtene Lebensführung seit Tatbegehung; Rückfall in neuerliche Straftaten. Diese Umstände sind mit der Eigenart und Schwere begangener Straftaten sowie stets mit Blick auf die Frage abzuwägen, ob eine nachvollziehbare begründete Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Antragsteller bei Ausübung des Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begehen wird.

 

Zum verstrichenen Zeitraum seit Begehung des Delikts ist zunächst das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes anzuführen, in dem er konkretisierte, dass ein Zeitraum von sieben Jahren ab Tatbegehung verbunden mit dem Umstand der kompletten Schadenswiedergutmachung von der Behörde entsprechend zu würdigen ist (vgl. VwGH vom 28.01.2004, 2003/04/0201; 03.09.2008, 2008/04/0025).

Zweifelsfrei wäre hier der angesprochene Zeitraum erfüllt und wurde der Schaden (wenn auch durch den Vater) wieder gut gemacht.

Jedoch ist diesem Umstand entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit sowohl nach längerer Zeit wieder rückfällig wurde (zwischen der absichtlich schweren Körperverletzung und dem Suchtgifthandel vergingen achteinhalb Jahre) als auch innerhalb der Probezeit (Verurteilung im März 2007 unter einer Probezeit von drei Jahren, Suchtgifthandel bereits im Jänner 2008).

Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung ebenfalls, dass sich der Täter vom 13.03.2010 bis zum 12.01.2011 in Untersuchungs- und anschließender Strafhaft befunden hat. Diesbezüglich stellt der Verwaltungsgerichtshof klar, dass ein bloßes Verstreichen eines bestimmten Zeitraums per se nicht geeignet ist, um auf eine Wandlung der Persönlichkeit zu schließen (vgl. VwGH vom 27.05.2009, 2009/04/0101; 28.04.2004, 2003/03/0017; 06.11.2002; 2001/04/0050).

Bei Erstellung einer Zukunftsprognose kommt allerdings der Verschaffung eines – im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gewonnenen – persönlichen Eindrucks von der betreffenden Person besondere Bedeutung zu (VwGH vom 26.01.2012, 2009/09/0187; VwGH vom 12.07.2011, 2011/09/0097; VwGH vom 20.03.2012, 2011/21/0298 und VwGH vom 25.04.2013, 2012/18/0072; zuletzt VwGH vom 18.02.2015, Ra 2014/04/0035).

Aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sich das erkennende Gericht insgesamt ein positives Bild von der Persönlichkeit des Beschwerdeführers verschaffen. Der Beschwerdeführer hat aus seinen Fehlern gelernt und wirkte im Hinblick auf seine Antworten ehrlich und glaubwürdig.

Aufgrund der letztendlich geglückten Familienzusammenführung konnte der Beschwerdeführer das erkennende Gericht schließlich überzeugen, dass eine Wandlung der Persönlichkeit stattgefunden hat und diesbezüglich eine positive Prognose abgegeben werden kann.

Bezogen auf die zweite Voraussetzung, nämlich die Eigenart der strafbaren Handlung, kann das erkennende Gericht jedoch die Befürchtung, dass es im Gastgewerbe wegen des regen zwischenmenschlichen Kontakts zu einem Suchtgifthandel oder zu einem Gewaltdelikt kommen könnte, schon aufgrund allgemein menschlicher Erfahrung und den unten stehenden Ausführungen nicht gänzlich ausschließen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist die Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 erst dann zu erteilen, wenn die Befürchtung einer Tatbegehung iSd § 26 Abs. 1 GewO 1994 gar nicht besteht (vgl. ua. VwGH vom 17.09.2010, 2010/04/0026; 17.04.2012, 2008/04/0009; 25.09.2012, 2012/04/0113).

Anders formuliert bedeutet dies, dass eine Nachsicht nur dann erteilt werden darf, wenn eine Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten in weiterer Folge mit guten Gründen ausgeschlossen werden kann, wohingegen eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit dazu nicht ausreicht (siehe Kreisl, § 26, E/R/W GewO1, RZ 11).

Im vorliegenden Fall weist der Beschwerdeführer einschlägige Verurteilungen gegen die Delikte Leib & Leben sowie Suchtgift auf.

Im Gastgewerbe herrscht reger geschäftlicher Kontakt mit Menschen.

Im Hinblick auf diese Verurteilungen kann das erkennende Gericht nicht ausschließen, dass es zu gleichen oder ähnlichen Straftaten kommen könnte.

Im Hinblick auf die Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz ist zusätzlich die Bestimmung des § 13 Abs. 1 GewO 1994 relevant. Demnach ist es natürlichen Personen verwehrt ein Gastgewerbe auszuüben, wenn eine noch nicht getilgte Verurteilung wegen bestimmter Suchtgiftdelikte vorliegt.

Der Beschwerdeführer wurde 2010 wegen des Handels mit Suchtgift verurteilt. Diese Tat ist von der Gesetzesbestimmung des § 13 Abs. 1 GewO umfasst.

Die Tilgung wird voraussichtlich erst am 12.01.2024 eintreten.

Der Zweck dieser Bestimmung ist es bestimmte Suchtgiftdelikte zu unterbinden. Da diese häufig in Gastgewerben anzutreffen sind und eben aus dieser Gelegenheit heraus die Möglichkeit geschaffen wird, Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz zu begehen, war die zitierte Bestimmung erforderlich.

Auch hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 09.10.2002, Zl. 2002/04/0122 für die Ausübung des Gewerbes „Technischer Zeichner (Zeichenbüro) keine Nachsicht erteilt: Begründend dazu führte das Höchstgericht dazu aus, dass sich aufgrund des vermehrten geschäftlichen Kontakts zu Menschen […] besondere Gelegenheit zur Begehung von Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz anbietet.

Wenn dies für einen technischen Zeichner gilt, dann muss es erst recht (selbst wenn hiefür keine ausdrückliche Gesetzesbestimmung vorhanden wäre) auf den Gastgewerbetreibenden Anwendung finden.

Der Rechtsmittelwerber brachte schließlich in seiner Beschwerde vor, dass genau in seinem Fall ein Ausnahmefall zur Vermeidung von Härtefällen vorläge. Die wirtschaftliche Selbständigkeit sei ihm sehr wichtig und habe er in den letzten Jahren alles daran gesetzt, den Betrieb in eine gute wirtschaftliche Zukunft zu führen und möchte er nun die Gelegenheit, das Gastlokal zu übernehmen, ergreifen.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die §§ 13 und 26 in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander stehen.

Die Bestimmung des § 26 verfolgt den Zweck zu verhindern, […] dass Bestimmungen, die für den Regelfall richtig sind, auf Ausnahmefälle angewendet, zu widersinnigen Ergebnissen führen (vgl. Kreisl, § 26 E/R/W GewO1 RZ 1).

Auch auf Nachfrage konnte der Beschwerdeführer allerdings dem erkennenden Gericht nicht vermitteln, weshalb die wirtschaftliche Selbständigkeit für ihn so wichtig ist. Auch vermochte er nicht den Beweis zu erbringen, inwiefern er als Härtefall zu behandeln ist.

Mit einem Härtefall assoziiert man eine wirtschaftliche Notlage, die im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben ist:

Der Beschwerdeführer ist als Geschäftsführer der Pizzeria in *** tätig und verdient monatlich € 1.270,-. Mit Abweisung der Beschwerde ist aber keine Versetzung in eine wirtschaftliche Notlage verbunden. Es wird dem Rechtsmittelwerber lediglich die Ausübung des Gastgewerbes als Gewerbetreibender verwehrt.

 

Zum Vorbringen, dass von der Verwaltungsbehörde die individuelle Befähigung für das Gastgewerbe bescheidmäßig erteilt wurde, ist klarzustellen, dass es sich bei der individuellen Befähigung und bei der Nachsicht um zwei voneinander zu trennende Angelegenheiten handelt.

Nach Abwägung sämtlicher Umstände war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeausübung; Nachsicht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2017:LVwG.AV.1240.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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