TE Vfgh Erkenntnis 1997/12/12 WI-1/97

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Veröffentlicht am 12.12.1997
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art141 Abs1 litb
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §24

Leitsatz

Aufhebung der Wahl eines Vizebürgermeisters und der sonstigen Mitglieder (Ersatzmitglieder) eines Stadtrates als rechtswidrig; Funktionen im Zeitpunkt der Durchführung der Wahl aufgrund vorheriger (Fraktions-)Wahl bereits besetzt; keine absolute Nichtigkeit dieser Fraktionswahl

Spruch

Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.

Die gesamte, am 6. Mai 1997 nach der Unterbrechung der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Wolfsberg durch den Bürgermeister stattgefundene Wahl der Vizebürgermeister und der sonstigen Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Stadtrates der Gemeinde Wolfsberg wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.1. Am 9. März 1997 fanden in Kärnten Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen statt.

Von den in der Gemeinde Wolfsberg zu vergebenden 35 Mandaten im Gemeinderat entfielen dabei auf

- Sozialdemokratische Partei Österreichs-

  Liste Dr. Manfred Kraxner ............. 16 Mandate

- Frauwallner-Volkspartei ...............  9 Mandate

- Freiheitliche Partei Österreichs ......  7 Mandate

- Grüne Wolfsberg........................  1 Mandat

- Wolfsberger Reformbewegung ............  1 Mandat

- Freie Bürgerliste Günter Schönhart ....  1 Mandat

(Kundmachung der Gemeindewahlbehörde vom 10. März 1997).

Zum Bürgermeister der Gemeinde Wolfsberg wurde von den Gemeindebürgern Dr. Manfred Kraxner gewählt.

1.2. Die vorliegende Wahlanfechtung hat die Wahl des Gemeindevorstandes (Stadtrates) der Gemeinde Wolfsberg zum Gegenstand.

1.3. Die für die Zusammensetzung und die Wahl dieses Organes in erster Linie maßgeblichen Bestimmungen des §22 Abs1 und 3 sowie des §24 Abs1, 2 und 7a der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993, LGBl. 77/1993 (WV) idF LGBl. 21 und 73/1996 (im folgenden: AGO) lauten wie folgt:

"§22

Zusammensetzung des Gemeindevorstandes

(1) Der Gemeindevorstand besteht aus dem Bürgermeister und zwei Vizebürgermeistern und in Gemeinden mit mehr als 1000 Einwohnern auch aus weiteren Mitgliedern. Die Gesamtzahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes beträgt in Gemeinden mit 15 Mitgliedern des Gemeinderates 4,

mit 19 Mitgliedern des Gemeinderates 5,

mit 23 Mitgliedern des Gemeinderates 6,

mit 27 und 31 Mitgliedern des Gemeinderates 7,

mit 35 Mitgliedern des Gemeinderates 9.

...

(3) Der Bürgermeister ist in die Gesamtzahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes (Abs1) nur dann einzurechnen, wenn er einer Gemeinderatspartei angehört, die Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand hat (§24 Abs1)."

"§24

Wahl der Vizebürgermeister und der sonstigen Mitglieder des Gemeindevorstandes

(1) Der Vorsitzende hat die nach dem Verhältniswahlrecht (§75 Abs2 bis 4 der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung) auf die Gemeinderatsparteien entfallende Anzahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes festzustellen. Gehört der Bürgermeister einer Gemeinderatspartei an, die Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand hat, so ist er auf das letzte seiner Gemeinderatspartei zufallende Mandat anzurechnen. Hierauf sind aus der Mitte des Gemeinderates die Vizebürgermeister und die sonstigen Gemeindevorstandsmitglieder zu wählen. In gleicher Weise und im gleichen Wahlgang ist für jedes Mitglied des Gemeindevorstandes ausschließlich des Bürgermeisters ein Ersatzmitglied zu wählen.

(2) Die Wahl erfolgt auf Grund von Wahlvorschlägen, die beim Vorsitzenden einzubringen sind. Sie müssen von mehr als der Hälfte der Angehörigen jener Gemeinderatsparteien unterschrieben sein, denen nach dem Verhältniswahlrecht Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand zukommt. Die Unterschriften auf dem Wahlvorschlag sind im Rahmen der Gemeinderatssitzung zu leisten. Der Vorsitzende hat die vorgeschlagenen Personen in der Reihenfolge, die sich aus der Anwendung des Verhältniswahlrechtes ergibt, als Vizebürgermeister und als sonstige Gemeindevorstandsmitglieder für gewählt zu erklären. Als Vizebürgermeister, sonstiges Gemeindevorstandsmitglied und Ersatzmitglied sind nur Mitglieder des Gemeinderates mit österreichischer Staatsbürgerschaft wählbar.

...

(7a) Macht eine Gemeinderatspartei von ihrem Anspruch, nach Maßgabe ihrer Stärke im Gemeindevorstand vertreten zu sein, dadurch nicht Gebrauch, daß sie für die Wahl des Vizebürgermeisters, eines sonstigen Mitgliedes des Gemeindevorstandes oder eines Ersatzmitgliedes spätestens in der auf die Wahl des Bürgermeisters folgenden Sitzung des Gemeinderates - bei Nachwahlen spätestens in der gemäß Abs8 stattfindenden Sitzung des Gemeinderates - keinen oder keinen gültigen Wahlvorschlag erstattet, so hat der Gemeinderat diese Funktion in einem getrennten Wahlgang durch Wahl aus der Mitte aller Mitglieder des Gemeinderates mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu besetzen; für die Durchführung dieser Wahl gilt §23a Abs2 bis 4 sinngemäß. Ist ein Anspruch einer Gemeinderatspartei auf Vertretung im Gemeindevorstand durch Los (Abs3) entstanden, sind die Bestimmungen des ersten Satzes nur dann anzuwenden, wenn die in der Losentscheidung unterlegene Gemeinderatspartei von ihrem Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand im Sinne des ersten Satzes nicht Gebrauch macht.

..."

1.4. Gemäß §24 Abs1 AGO würden auf Grund des oben in Pkt. 1.1. wiedergegebenen Wahlergebnisses von den neun Mandaten im Stadtrat auf die

- Sozialdemokratische Partei Österreichs-

  Liste Dr. Manfred Kraxner ...........   5 Sitze

- Frauwallner-Volkspartei .............   2 Sitze

- Freiheitliche Partei Österreichs ....   2 Sitze

entfallen.

Dabei wäre der der Sozialdemokratischen Partei Österreichs-Liste Dr. Manfred Kraxner angehörende Bürgermeister gemäß §22 Abs3 AGO in die Gesamtzahl der Mitglieder des Stadtrates (u.zw. im Hinblick auf §24 Abs1 leg. cit. auf das letzte seiner Gemeinderatspartei zufallende Mandat) einzurechnen.

1.5. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Wahlakten (einschließlich einer notariell beurkundeten Niederschrift über einen Teil der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Wolfsberg am 6. Mai 1997) sowie aus dem - insoweit übereinstimmenden - Vorbringen der Parteien des verfassungsgerichtlichen Wahlprüfungsverfahrens ergibt sich hinsichtlich der hier in Rede stehenden Wahl des Stadtrates der Gemeinde Wolfsberg der folgende entscheidungsrelevante Sachverhalt:

1.5.1. Am 20. März 1997 fand die konstituierende (und zugleich nach der Wahl des Bürgermeisters erste) Sitzung des Gemeinderates statt. In dieser Sitzung brachten die Frauwallner-Volkspartei und die Freiheitliche Partei Österreichs Wahlvorschläge für die Wahl des zweiten Vizebürgermeisters und der diesen Gemeinderatsparteien zustehenden sonstigen Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Stadtrates ein. Zu einer Wahl dieser Mitglieder des Stadtrates kam es in dieser Sitzung des Gemeinderates jedoch nicht. (Die Tagesordnung für diese Sitzung sah einen solchen Tagesordnungspunkt nicht vor; die in der Sitzung diesbezüglich beantragte Ergänzung der Tagesordnung fand nicht die gemäß §35 Abs5 AGO erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Die SPÖ-Gemeinderatsfraktion erstattete in dieser Sitzung des Gemeinderates keine Wahlvorschläge für die ihr zustehenden Funktionen im Stadtrat.)

Eine weitere für den 8. April 1997 einberufene Sitzung des Gemeinderates, deren Tagesordnung ua. die Wahl der Vizebürgermeister und der sonstigen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Stadtrates gemäß §24 Abs1 und 2 AGO vorsah, führte mangels Beschlußfähigkeit nicht zur Erledigung des erwähnten Tagesordnungspunktes.

In der Folge kam es mehrfach zur Anberaumung von Sitzungen des Gemeinderates, in denen die Wahl der Mitglieder des Stadtrates erfolgen sollte. In diesen Sitzungen war der Gemeinderat jedoch gleichfalls nicht beschlußfähig.

1.5.2.1. Schließlich fand am 6. Mai 1997 die Fortsetzung einer ursprünglich für 24. April 1997 anberaumten, damals aber unterbrochenen Gemeinderatssitzung statt, für die folgende Tagesordnung vorgesehen war:

"1.

Eröffnung der Sitzung und Feststellung der Anwesenheit und der Beschlußfähigkeit.

2. Nominierung von zwei Gemeinderäten zur Mitunterfertigung der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung gem. §45 der AGO.

3 Fragestunde.

4.

Bericht des Bürgermeisters über dringende Verfügungen des Regierungskommissärs und des Bürgermeisters seit 20.12.1996 gemäß §73 AGO.

5.

Mitteilung gemäß §24 Abs2 AGO, daß aufgrund der in der konstituierenden Gemeinderatssitzung vom 20.3.1997 durch Überreichung der Wahlvorschläge an den Vorsitzenden und Unterfertigung im Rahmen der Gemeinderatssitzung die Wahl des zweiten Vizebürgermeisters und der ÖVP- und FPÖ-Stadtratsmitglieder sowie deren Ersatzmitglieder erfolgte, und diese gemäß §24 Abs2 AGO für gewählt zu erklären.

6.

Angelobung des zweiten Vizebürgermeisters und der ÖVP- und FPÖ-Mitglieder des Stadtrates und deren Ersatzmitglieder durch den Herrn Bezirkshauptmann.

7.

Wahl des ersten Vizebürgermeisters und der sonstigen Mitglieder des Stadtrates und deren Ersatzmitglieder gemäß §24 Abs7a) der AGO durch den Gemeinderat

unter Anwendung der Bestimmung des §23a) Abs2 - 4

AGO.

8.

Angelobung des ersten Vizebürgermeisters und der weiteren Mitglieder des Stadtrates sowie deren Ersatzmitglieder durch den Herrn Bezirkshauptmann.

9.

Abfassung der Niederschrift über die vorgenommenen Wahlen gemäß der Punkte 5. und 7.

10. Bildung und Wahl der Ausschüsse gemäß §26 AGO.

11.

Beschließung einer Verordnung, mit der eine Geschäftsverteilung für den Bürgermeister und die sonstigen Mitglieder des Stadtrates erlassen wird."

Aus der Niederschrift über diese Sitzung ergibt sich im hier maßgeblichen Zusammenhang folgendes:

Im Anschluß an die Erledigung des Tagesordnungspunktes 3. wurde von einem der Mitglieder des Gemeinderates der Antrag gestellt, den Bürgermeister hinsichtlich der Tagesordnungspunkte

5. bis 9. (somit betreffend die Wahl und die Angelobung der Mitglieder und Ersatzmitglieder des Stadtrates) für befangen zu erklären. Der Bürgermeister erklärte demgegenüber, er sei nicht befangen, und lehnte es auch ab, darüber abstimmen zu lassen. Im Zuge der weiteren Debatte wurde der Antrag gestellt, die Tagesordnungspunkte 4., 5. und 6. von der Tagesordnung abzusetzen. Dem hielt der Bürgermeister entgegen, daß dies nicht möglich sei - sobald Wahlvorschläge vorlägen, müsse darüber abgestimmt werden. Daraufhin zog der Fraktionsführer der ÖVP-Gemeinderatsfraktion deren Wahlvorschlag betreffend die Wahl der Mitglieder des Stadtrates zurück. Auch dazu erklärte der Bürgermeister, daß dies nicht möglich sei. Im Zuge dieser Debatte teilte weiters der Fraktionsführer der SPÖ-Gemeinderatsfraktion mit, daß er dem Bürgermeister die in dieser Sitzung unterfertigten Wahlvorschläge seiner Fraktion für die Wahl des 1. Vizebürgermeisters und der weiteren dieser Gemeinderatspartei zustehenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Stadtrates überreicht habe.

In der weiteren Folge ging der Bürgermeister - nach Erledigung des Tagesordnungspunktes 4. - in die Behandlung des Tagesordnungspunktes 5. ein. Dazu ist in der oben erwähnten Niederschrift folgendes festgehalten:

"Zum Tagesordnungspunkt 5. möchte ich (Bürgermeister) ausführen:

Die Vollziehung des §24 Abs1 und 2 (AGO) ist keine Angelegenheit des Gemeinderates, sondern ausschließlich eine solche des Bürgermeisters im übertragenen Wirkungsbereich und Angelegenheit der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen. Den vom Bürgermeister im Rahmen des Wahlaktes getroffenen Feststellungen kommt konstitutive Wirkung zu, die den gesamten Wahlvorgang zu umfassen hat.

Unter Beachtung der Bestimmungen des §24 der KAGO stelle ich fest,

(Zwischenrede von GR Teferle, Ordnungsruf von Herrn Bürgermeister Dr. Manfred Kraxner)

Unter Beachtung der Bestimmungen des §24 der KAGO stelle ist fest, daß aufgrund des Wahlergebnisses vom 9.3.1997

a) auf die SPÖ-Gemeinderatspartei 5 Stadtratsmandate, und zwar 1., 3., 5., 7. und 9.,

b) auf die ÖVP-Gemeinderatspartei 2 Stadtratsmandate, und zwar 2. und 6. und

c) auf die FPÖ-Gemeinderatspartei 2 Stadtratsmandate, und zwar das 4. und 8.

enfallen.

Da der Bürgermeister einer Gemeinde(rats)partei (SPÖ) angehört, die Anspruch auf Vertretung im Stadtrat hat (§24 Abs1 KAGO 1993), ist er auf das letzte seiner Gemeinderatspartei zufallende Mandat anzurechnen.

Aufgrund der eingebrachten Wahlvorschläge werden folgende Personen, in der Reihenfolge, die sich aus der Anwendung des Verhältniswahlrechtes ergibt, als Vizebürgermeister, Stadträte und Ersatzmitglieder für gewählt erklärt, und zwar:

1. Vizebürgermeister: Gerhard Abraham (SPÖ),

und ich ersuche den Bezirkshauptmann, die Angelobung vorzunehmen.

(Zwischenreden)

GR Dr. Siegfried Schüßler:

Zur Geschäftsbehandlung: entspricht nicht der Tagesordnung.

(Zwischenreden)

Bgm. Dr. Manfred Kraxner:

Herr Bezirkshauptmann, bitte. Ich habe eingangs erwähnt, daß die Vollziehung keine Angelegenheit des Gemeinderates, sondern ausschließlich des Bürgermeisters im übertragenen Wirkungsbereich ist.

Bitte, Herr Bezirkshauptmann.

BH DI Dr. Arthur Traußnig:

Ich danke herzlichst. Wir haben heute glaube ich schon breit gehört, daß unterschiedliche Rechtsauffassungen vorliegen. In einer der letzten Sitzungen hat mir der Herr Bürgermeister einen Auszug aus dem Gemeindeblatt 1979 übergeben. Ich habe daraufhin den Landeshauptmann um Weisung dafür ersucht, ob ich bei Gesetzwidrigkeiten bzw. bei absolut nichtigen Wahlakten die Angelobung vorzunehmen habe. Ich habe gestern ein Fax des Herrn Landeshauptmannes bekommen. Es wurde mir erst heute sowie das Original am frühen Vormittag zur Kenntnis gebracht. Demnach bin ich verhalten, streng nach dem Gesetz und der Tagesordnung vorzugehen. Ich sehe mich daher außerstande, die gewünschte Angelobung vorzunehmen. Danke.

Bgm. Dr. Manfred Kraxner:

Darf ich, Herr Bezirkshauptmann, zu Protokoll geben, daß ein Präsidialerlaß vorliegt, der ausdrücklich darauf hinweist, daß selbst bei Rechtswidrigkeiten der Bezirkshauptmann verpflichtet ist, die Angelobung vorzunehmen, und daß es ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof obliegt, hier zu rechten, und zwar

(Zwischenrede)

zu rechten.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, daß der Bezirkshauptmann oder der von ihm bestimmte Vertreter in den Verlauf von Wahlen nach der Gemeindeordnung nicht eingreifen darf. Bei Wahlen nach der Allgemeinen Gemeindeordnung kommt selbst der Landesregierung eine Ingerenz nicht zu. Zur Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Wahlen des Bürgermeisters oder der Mitglieder des Gemeindevorstandes ist einzig und allein der Verfassungsgerichtshof berufen. Der Bezirkshauptmann darf aus diesen Gründen die Abnahme des Gelöbnisses nicht verweigern, auch wenn er der Ansicht sein sollte, daß die Wahl rechtswidrig war. Meine Damen und Herren! Ich nehme dies zur Kenntnis, die Aussage des Bezirkshauptmannes, möchte auch fürs Protokoll festhalten, daß einzig und allein Landesrat Haller als zuständiger Referent eine Weisung erteilen kann, nicht jedoch der Landeshauptmann.

Ich erkläre somit alle dem Wahlvorschlag nach für gewählt, und zwar:

Vizebürgermeister:Gerhard Abraham Ersatzmitglied:Jürgen Nickel

2. Vizebürgermeister:Mag. Karl Heinz Frauwallner ÖVP Ersatzmitglied:Paul Thalmann

Sonstige Mitglieder des Stadtrates:Ersatzmitglieder

3.

Ilse OberländerSPÖGudrun Schranz

4.

Dkfm. Kurt RuthoferFPÖMag. Dr. Adolf Schriebl

5.

Ernst SpinottiSPÖDI Ernst Koller

6.

Karl StücklerÖVPAnton Heritzer

7.

Walter SchmerlaibSPÖJosef Waldmann

8.

Ing. Heinz BuchbauerFPÖElisabeth Szolar.

Auf das letzte der SPÖ zufallende Stadtratsmandat, das ist das 9. Mandat, ist gemäß §24 Abs1 der KAGO der Bürgermeister anzurechnen.

Meine Damen und Herren! Aufgrund der Weigerung des Bezirkshauptmannes, die Angelobung vorzunehmen, unterbreche ich die Sitzung bis zur Klärung dieses Rechtsstandpunktes."

1.5.2.2. Ausgehend von der oben erwähnten, notariell beurkundeten Niederschrift nahmen die weiteren hier maßgeblichen Geschehnisse folgenden Verlauf:

Der Bürgermeister und die übrigen Mitglieder der SPÖ-Gemeinderatsfraktion verließen den Sitzungssaal.

Auf Ersuchen des Fraktionsführers der ÖVP-Gemeinderatsfraktion übernahm das älteste anwesende Mitglied gemäß §35 Abs3 AGO den Vorsitz und stellte die Beschlußfähigkeit fest.

In der Folge beschloß der Gemeinderat einhellig, daß der Bürgermeister zu den Tagesordnungspunkten 5., 6., 8. und 9. der Gemeinderatssitzung, bei der Unterbrechung der Sitzung sowie insoweit befangen sei, als er von der Tagesordnung abweichend auf Grund eines Wahlvorschlages der SPÖ-Gemeinderatsfraktion Personen als 1. Vizebürgermeister oder sonstige Gemeindevorstandsmitglieder für gewählt erklärte.

Sodann wurde, ausgehend von der Überlegung, daß die in der Sitzung des Gemeinderates am 20. März 1997 seitens der ÖVP- und der FPÖ-Gemeinderatsfraktion eingebrachten Wahlvorschläge "mit Nichtigkeit behaftet sein könnten", beschlossen, den Tagesordnungspunkt 6. abzusetzen.

Im Hinblick darauf wurde sodann beschlossen, den Tagesordnungspunkt 7. ("Wahl des ersten Vizebürgermeisters und der sonstigen Mitglieder des Stadtrates und deren Ersatzmitglieder gemäß §24 Abs7a) der AGO durch den Gemeinderat unter Anwendung der Bestimmung des §23a) Abs2 - 4 AGO.") dahingehend zu erweitern, daß sämtliche Mitglieder des Stadtrates gemäß §24 Abs7a AGO gewählt werden.

In der daraufhin erfolgenden Wahl wurden die nachstehend genannten Mitglieder des Gemeinderates zu Vizebürgermeistern bzw. Mitgliedern (Ersatzmitgliedern) des Stadtrates gewählt:

1. Vizebürgermeister: Gerhard Abraham (SPÖ)

(Ersatzmitglied: Klaus Berchtold, Wolfsberger Reformbewegung)

2. Vizebürgermeister: Mag. Karl Heinz Frauwallner (ÖVP) (Ersatzmitglied: Paul Thalmann, ÖVP);

sonstige Mitglieder des Stadtrates:

Herbert Eile (ÖVP)

Ersatzmitglied: Bernhard Teferle (Grüne Wolfsberg)

Dkfm. Kurt Ruthofer (FPÖ)

Ersatzmitglied: Mag. Dr. Adolf Schriebl (FPÖ)

Ilse Oberländer (SPÖ)

Ersatzmitglied: Sonja Leopold (ÖVP)

Karl Stückler (ÖVP)

Ersatzmitglied: Anton Heritzer (ÖVP)

Walter Schmerlaib (SPÖ)

Ersatzmitglied: Ignaz Penz (FPÖ)

Ing. Heinz Buchbauer (FPÖ)

Ersatzmitglied: Elisabeth Szolar (FPÖ).

In weiterer Folge beschloß der Gemeinderat, den Tagesordnungspunkt 8. ("Angelobung des ersten Vizebürgermeisters und der weiteren Mitglieder des Stadtrates sowie deren Ersatzmitglieder durch den Herrn Bezirkshauptmann.") dahingehend zu erweitern, daß die gemäß §24 Abs7a AGO gewählten Vizebürgermeister und sonstigen Mitglieder des Stadtrates sowie Ersatzmitglieder durch den Bezirkshauptmann erfolgen sollte. Der Bezirkshauptmann nahm daraufhin die Angelobung der neu gewählten Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Stadtrates, mit Ausnahme derjenigen, die der SPÖ-Gemeinderatsfraktion angehören und nicht anwesend waren, vor.

Sodann übergab das bisher vorsitzführende Mitglied des Gemeinderates den Vorsitz an den (soeben gewählten) zweiten Vizebürgermeister, unter dessen Vorsitzführung die Sitzung fortgeführt wurde.

2.1. In ihrer auf Art141 Abs1 litb B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift stellen die 16 Mitglieder der "SPÖ-Fraktion" des Gemeinderates der Gemeinde Wolfsberg den Antrag,

"a) die am 6. Mai 1997 nach der Fortsetzung der vom Bürgermeister unterbrochenen Gemeinderatssitzung unter dem Vorsitz des (ältesten anwesenden) Gemeinderatsmitgliedes Paul Swersina nach §24 Abs7a K-AGO durchgeführte Wahl der Vizebürgermeister und der sonstigen Mitglieder des Stadtrates der Gemeinde Wolfsberg zur Gänze als nichtig aufzuheben und

b) die Wahl des Stadtratsmitgliedes Herbert Eile und der Ersatzmitglieder Klaus Berchtold, Bernhard Teferle, Sonja Leopold und Ignaz Penz als nichtig aufzuheben."

2.2. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes (§68 Abs2 VerfGG 1953; vgl. VfSlg. 12946/1991, 13643/1993) legte der Bürgermeister der Gemeinde Wolfsberg die Wahlakten vor. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

2.3. Die Frauwallner-Volkspartei und die Freiheitliche Partei Österreichs - welchen die Wahlanfechtungsschrift vom Verfassungsgerichtshof zur Kenntnisnahme übermittelt worden war (vgl. §69 Abs1 VerfGG 1953) - erstatteten durch ihre zustellungsbevollmächtigten Vertreter eine in einem gemeinsamen Schriftsatz abgefaßte Äußerung, in der beantragt wird, der Wahlanfechtung keine Folge zu geben.

2.4. Weiters legte die vom Verfassungsgerichtshof zu einer Stellungnahme eingeladene Kärntner Landesregierung eine Äußerung vor.

2.5. Schließlich gaben auch der Gemeinderat der Gemeinde Wolfsberg sowie der zweite Vizebürgermeister dieser Gemeinde, die vom Verfassungsgerichtshof nicht gemäß §68 Abs2 VerfGG 1953 zu befassen waren, in einem gemeinsamen Schriftsatz eine nicht abverlangte Äußerung ab, in der sie ua. beantragen, die Wahlanfechtung abzuweisen.

II.Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

1.1. Gemäß Art141 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde, somit auch in den Gemeindevorstand (Stadtrat) (§67 Abs1 VerfGG 1953, Art117 Abs1 litb B-VG). Nach §67 Abs2 VerfGG 1953 bedarf die Anfechtung der Wahl zu einem Gemeindevorstand des Antrages von einem Zehntel der Mitglieder der Gemeindevertretung, mindestens aber von zwei Mitgliedern. Auch diese Prozeßvoraussetzung liegt vor. §68 Abs1 VerfGG 1953 bestimmt schließlich, daß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens eingebracht sein muß. Die Wahlanfechtung wurde innerhalb dieser Frist erhoben.

1.2. Da demnach die Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.1. Die Einschreiter führen in ihrer Wahlanfechtungsschrift begründend ua. folgendes aus:

"Der Bürgermeister hatte auf Grund der ihm vorliegenden Wahlvorschläge die auf diesen aufscheinenden Gemeinderatsmitglieder gemäß §24 Abs2 K-AGO für gewählt erklärt. Damit waren beide Vizebürgermeister und alle sonstigen Mitglieder des Stadtrats gewählt, wenn auch noch nicht im Amt... Diese Wahl war (und ist) solange wirksam, als sie nicht vom Verfassungsgerichtshof in einem Wahlanfechtungsverfahren nach Art141 Abs1 litb B-VG aufgehoben wird. Der Verfassungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, daß Wahlbehörden nicht befugt sind, eine Neuwahl eines Vertretungskörpers anzuordnen oder durchzuführen, solange beim Verfassungsgerichtshof ein Wahlanfechtungsverfahren anhängig ist, das noch nicht durch ein Erkenntnis oder einen Beschluß einer Erledigung zugeführt worden ist (VfSlg. 2043). Dasselbe muß auch gelten, wenn noch nicht einmal ein Wahlanfechtungsverfahren eingeleitet ist. ... (I)n der vom Gemeinderatsmitglied Paul Swersina geleiteten Sitzung (hätte) der (Rest-)Gemeinderat nicht zur Wahl gemäß §24 Abs7a K-AGO schreiten dürfen, da ja alle Stadtratsmandate durch den vor der Sitzungsunterbrechung durchgeführten Wahlvorgang, nämlich die Erklärung des Bürgermeisters gemäß §24 Abs2 K-AGO, vergeben waren".

2.2. Mit diesen Ausführungen sind die Anfechtungswerber im Recht:

Die angefochtene Wahl erfolgte - unbestrittenermaßen - auf Grund des §24 Abs7a AGO.

Zufolge dieser Bestimmung hat der Gemeinderat, wenn eine Gemeinderatspartei von ihrem Anspruch, nach Maßgabe ihrer Stärke im Gemeindevorstand vertreten zu sein (s. §24 Abs1 u. 2 AGO), dadurch nicht Gebrauch macht, daß sie für die Wahl des Vizebürgermeisters, eines sonstigen Mitgliedes des Gemeindevorstandes oder eines Ersatzmitgliedes spätestens in der auf die Wahl des Bürgermeisters folgenden Sitzung des Gemeinderates keinen oder keinen gültigen Wahlvorschlag erstattet, diese Funktion in einem getrennten Wahlgang durch Wahl aus der Mitte aller Mitglieder des Gemeinderates mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu besetzen.

Der Frage nun, ob überhaupt und gegebenenfalls welche hiefür in Betracht kommenden Gemeinderatsparteien im hier vorliegenden Fall diesen im Gesetz umschriebenen Anspruch (auf Vertretung im Stadtrat nach Maßgabe ihrer Stärke) dadurch verwirkten, daß sie für die Wahl der Mitglieder des Stadtrates (mit Ausnahme des Bürgermeisters) keine - gültigen - Wahlvorschläge erstatteten, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn für eine rechtmäßige Durchführung der hier allein zu beurteilenden (Mehrheits-)Wahl (§24 Abs7a AGO) der Mitglieder des Stadtrates der Gemeinde Wolfsberg, die nach der Unterbrechung der Sitzung des Gemeinderates durch den Bürgermeister am 6. Mai 1997 stattfand, fehlt es bereits an einer anderen grundlegenden Voraussetzung, nämlich daran, daß im Zeitpunkt der (Durchführung dieser) Wahl die betreffenden Funktionen überhaupt noch frei und somit - im Sinne des §24 Abs7a AGO - zu besetzen waren (vgl. auch VfSlg. 2043/1950).

Wie sich aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Wahlakten (s. dazu die oben in Pkt. I. 1.5.2.1. auszugsweise wiedergegebene Niederschrift) ergibt, wurden diese Mandate nämlich schon in einer zuvor stattgefundenen (Fraktions-)Wahl, d. i. die Gewählterklärung der von den in Betracht kommenden Gemeinderatsparteien für diese Funktionen vorgeschlagenen Personen durch den Vorsitzenden (§24 Abs1 und 2 AGO), vergeben.

Die in der Äußerung der Frauwallner-Volkspartei und der Freiheitlichen Partei Österreichs sinngemäß vertretene Auffassung, die zuletzt genannte Wahl entfalte - weil sie in der Tagesordnung nicht vorgesehen gewesen sei - keine rechtliche Wirkung und sei daher als absolut nichtiger Akt zu werten, trifft nicht zu (vgl. VfSlg. 12398/1990). Auch die von diesen Parteien behauptete Befangenheit des Bürgermeisters führt nicht zu diesem Ergebnis. Dies alleine deshalb, weil die dafür ins Treffen geführte Bestimmung des §35 Abs4 AGO schon von ihrem Wortlaut her (arg.: "... gefaßte Beschlüsse des Gemeinderates haben keine rechtliche Wirkung;") auf den hier vorliegenden Fall, wonach der Vorsitzende die ihm von den Gemeinderatsparteien vorgeschlagenen Personen als Stadtratsmitglieder für gewählt zu erklären hat (§24 Abs2 AGO), keine Anwendung findet. Auch eine allfällige sonstige Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Fraktionswahl, etwa wegen Versäumens der sich aus §24 Abs7a AGO ergebenden Frist (arg.: "... spätestens in der auf die Wahl des Bürgermeisters folgenden Sitzung des Gemeinderates ...") oder infolge einer Gewählterklärung trotz zurückgezogenen Wahlvorschlages, kann nur zur Aufhebung dieser Wahl in einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof führen, nicht aber die (absolute) Nichtigkeit dieser Wahl zur Folge haben. Somit ist aber davon auszugehen, daß diese Wahl nur auf Grund einer Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art141 Abs1 litb B-VG hätte aufgehoben werden können. Auch handelte es sich bei der gemäß §24 Abs1 und 2 AGO durchgeführten (Fraktions-)Wahl um ein abgeschlossenes Wahlverfahren, weil diese Voraussetzung mit der Erklärung des Vorsitzenden, daß die vorgeschlagenen Personen als Vizebürgermeister und sonstige Stadtratsmitglieder (Ersatzmitglieder) gewählt sind, hergestellt war (s. §25 Abs1 AGO, wonach ua. die Vizebürgermeister, die sonstigen Mitglieder des Gemeindevorstandes und die Ersatzmitglieder nach ihrer Wahl vor dem Gemeinderat in die Hand des Bezirkshauptmannes oder des von ihm bestimmten Vertreters das vorgeschriebene Gelöbnis abzulegen haben). Daß ein Fall des Endens des Amtes eines Mitgliedes des Stadtrates vorgelegen wäre, wurde weder vorgebracht noch ergibt sich dies aus den Wahlakten.

Die angefochtene Wahl war somit alleine schon deshalb rechtswidrig, weil die in Rede stehenden Funktionen im Zeitpunkt der Durchführung dieser Wahl bereits besetzt waren. Daß die solcherart erwiesene Rechtswidrigkeit - möglicherweise (s. dazu VfGH 13.6.1997 WI-7/96 uva.) - von Einfluß auf das Wahlergebnis war, ist evident.

2.3.1. Daher war der Wahlanfechtung stattzugeben und die gesamte, am 6. Mai 1997 nach der Unterbrechung der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Wolfsberg durch den Bürgermeister stattgefundene (Mehrheits-)Wahl der Vizebürgermeister und der sonstigen Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Stadtrates der Gemeinde Wolfsberg aufzuheben. Bei diesem Ergebnis brauchte auf das übrige Anfechtungsvorbringen sowie auf den in der Wahlanfechtung weiters gestellten Antrag, die Wahl des Stadtrates nur hinsichtlich bestimmter, im Antrag näher bezeichneter Mitglieder aufzuheben, nicht mehr eingegangen zu werden.

2.3.2. Abschließend bleibt festzuhalten, daß die am 6. Mai 1997 vor der Unterbrechung der Gemeinderatssitzung durch den Bürgermeister stattgefundene (Fraktions-)Wahl (nach wie vor) wirksam ist. Ob hinsichtlich dieser Wahl die Anfechtungsfrist in einem Wahlprüfungsverfahren gemäß Art141 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof abgelaufen ist, war im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen.

2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Satz 1 VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wahlen, Gemeindevollziehungsorgane, Fraktionswahlrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:WI1.1997

Dokumentnummer

JFT_10028788_97W00I01_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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