TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/4 W182 1248893-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.01.2018
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Entscheidungsdatum

04.01.2018

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W182 1248893-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2017, Zl. 731755007/171282877,

A)

I.) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

II.) beschlossen:

In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte II. - VIII. des angefochtenen Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, reiste im Juni 2003 im Alter von 12 Jahren in Begleitung u.a. seines Vaters illegal ins Bundesgebiet ein und wurde für ihm am 12.06.2003 ein Antrag auf Erstreckung des seinem Vater auf Grund eines Asylantrages gewährten Asyls gestellt.

Der Vater des BF begründete seinen Asylantrag vom 12.06.2003 im Wesentlichen damit, dass er im ersten Tschetschenien-Krieg im Einsatz gewesen sei und später auch als Wachorgan für den tschetschenischen Präsidenten Dudaew gearbeitet habe. Deswegen sei er im April 2001 von russischen Sonderheiten mitgenommen und misshandelt worden. Dazu legte er eine Bestätigung eines Krankenhauses vom April 2001 vor. Bei einer Rückkehr würde er auf jeden Fall verhaftet und vielleicht sogar getötet werden. Seine Familie sei auch in Gefahr.

Das Verfahren des Vaters des BF wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.04.2004, Zl. 247.868/0-XI/38/04, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung rechtskräftig abgeschlossen, wobei ihm mit dem genannten Bescheid gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt wurde, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom selben Tag, Zl. 248.893/0-XI/38/04, wurde dem BF gemäß § 11 Abs. 1 AsylG durch Erstreckung Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

1.2. Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom April 2010 nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB rechtskräftig wegen schwerer Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom April 2011 wurde der BF nach §§ 127 und 229 Abs. 1 StGB wegen Diebstahl und Urkundenunterdrückung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je €5 rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom September 2011, wurde der BF nach § 83 Abs. 1 StGB wegen Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 3 Wochen rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom Oktober 2017 wurde der BF nach §§ 28a (1) 5. u 6. Fall, 28a (4) Z 3 SMG sowie §§ 28a (1) 2. Fall, 28a (4) Z 3 SMG, § 12 2. Fall StGB wegen der grenzübertretenden Einfuhr und dem Handel von Suchtgift im Mindestzeitraum von September 2016 bis April 2017 zu einer unbedingten Haftstrafe von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF seit September 2016 im Drogenmilieu tätig gewesen ist, an nicht bekannten Grenzübergängen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) das 25-fache übersteigenden Menge von XXXX nach Österreich eingeführt hat, indem er einen Mittäter bzw. eine nicht identifizierte dritte Person durch Bestellung zur Einfuhr zu einem nicht exakt bekannten Zeitpunkt vor dem XXXX bzw. XXXX veranlasst hat und im Zeitraum vom Dezember 2016 bis April 2017 vorschriftswidrig Suchtgift (Kokain) in einer die Grenzmenge (§ 28b) um das 25-fache übersteigenden Menge anderen überlassen bzw. verschafft hat. Als mildernd wurde das umfassende und reumütige Geständnis und als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen gewertet. Aus dem Urteil geht weiters hervor, dass der BF ledig und für niemanden sorgepflichtig sei, zuletzt monatlich € 700 vom AMS bezogen und aus seiner Unternehmertätigkeit Schulden in der Höhe von € 20.000 gehabt habe.

Der BF befindet sich seit April 2017 in Justizhaft.

2.1. Am 15.11.2017 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des BF gemäß § 7 Abs. 1. Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 4 (Ausschlussgrund wegen Verübung eines besonders schweren Verbrechens) ein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus eingeleitet.

Am 29.11.2017 wurden der BF seitens des Bundesamtes in einer Justizanstalt niederschriftlich einvernommen. Dazu befragt, warum seine Familie damals geflohen sei, gab der BF im Wesentlichen an, dass er dazu nichts sagen könne und man seinen Vater fragen solle, der es wisse. Auf die Frage, ob es einmal Thema gewesen sei, warum sie geflohen seien, gab der BF an: "Was soll das heißen? Krieg war das Thema. Sie kennen das nicht. Sie kennen Krieg nur aus dem Fernsehen. Sie hätten uns auch umgebracht. Mit sie meine ich die russische Armee. Das waren Frauen und Kinder die auch sterben mussten. Die russische Armee machte alles was diese wollten. Sie wetteten um Wodka Flaschen, wer jemanden auf weite Sicht erschießen kann. Wir hatten Glück und konnten davon kommen." Dazu befragt, ob ihm bei einer Rückkehr in die Russische Föderation irgendeine Gefahr drohe, gab der BF an: "Ich würde aufgrund dessen getötet. Zuerst noch gefoltert. Kadyrow sagt, dass alles Tschetschenen welche weg gingen auch Verräter sind. Wir wissen das. Wir wissen was mit Leuten geschah welche zurück wollten. Die meisten kamen nicht einmal zurück, sondern sind nur in Moskau gelandet." Auf die Frage, welchen Flughafen er als Zielhafen wählen würde, wenn er ins Herkunftsland zurückkehren würde und die Wahl habe, gab er an: "Ich glaube ich gehe zurück in die Zelle gleich. Was ist das für eine Frage. Ich will hier nicht weg. Egal wo ich hingehe. Wenn diese meinen Namen sehen: XXXX , dann bin ich weg. Sie könnten mich gleich fragen wohin ich gehen will damit man mich umbringen kann."

Zu seinen Familienverhältnissen im Bundesgebiet brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er zuletzt bei seiner Mutter und seinen 8 Geschwistern gewohnt habe. Sein Vater habe sich vor 3 oder 4 Jahren von seiner Mutter getrennt, lebe aber noch im selben Bundesland. Der BF sei ledig und kinderlos. Der BF habe eine Handelsakademie besucht und nach 1 oder zwei Jahren abgebrochen. Er habe dann eine Lehre gemacht und sich mit einem XXXX selbstständig gemacht. Er habe eine Freundin, mit der er jedoch nicht zusammengewohnt habe. Er werde in der Justizanstalt von seinen Eltern, Geschwistern und seiner Freundin besucht. In Tschetschenien würden Verwandte leben. Dazu befragt, wie er sich seine Zukunft in Österreich vorstelle, gab der BF an: "Ich gehe zur Familie. Dann Schritt für Schritt rein ins Leben. Ich würde mir eine Wohnung suchen. Ich möchte eine Firma aufmachen. Wenn dies nicht geht würde ich mir einen Job suchen. Wenn es gleich geht will ich gleich die Firma aufmachen. Man muss schauen wie es sich entwickelt."

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid erkannte das Bundesamt dem BF den mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 248.893/0-XI/38/04, zuerkannten Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr 100/2005 idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. und VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 55 Abs. 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgesehen. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG idgF wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Dazu wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die letzte Verurteilung des BF ein besonders schweres Verbrechen darstelle, aufgrund dessen der Status des Asylberechtigten abzuerkennen sei. Weiters habe keine positive Zukunftsprognose erstellt werden können. Der BF sei jung, gesund und erwerbsfähig, spreche sowohl Russisch als auch Tschetschenisch und sei somit in der Lage, sich mit der Bevölkerung seines Herkunftsstaates zu verständigen. Es würden nach wie vor Verwandte in seinem Herkunftsstaat leben. Durch die Arbeit in der Justizanstalt werde ein Teil des Einkommens (Hälfte) für die Zeit der Entlassung angespart. Er werde daher nicht mittellos in den Herkunftsstaat zurückkehren. Weiters stelle eine Rückkehr in die Russische Föderation keine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar.

In Österreich würden die Eltern des BF (getrennt voneinander) und seine Geschwister als anerkannte Flüchtlinge leben. Der BF habe vom 28.10.2011 bis 04.11.2014 sowie vom 10.04.2015 bis 16.03.2016 nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie gelebt. Am 16.03.2016 sei er wieder zu seiner Mutter gezogen und befinde sich seit dem 26.04.2017 in der Justizanstalt XXXX . Seit der Inhaftierung habe der BF Besuch von seinen Eltern und von seinen Geschwistern. Zwei Brüder des BF würden sich ebenfalls in der Justizanstalt XXXX befinden. So auch seine Komplizin, der ein Besuchsrecht genehmigt worden sei. Darüber hinaus habe der BF mit niemandem Kontakt seit der Untersuchungshaft/Haftstrafe. Der BF habe weder einen Schulnoch Berufsabschluss. Er sei seit 2009 bei einer Gebietskrankenkasse gemeldet und habe die meiste Zeit Arbeitslosenbezug oder Notstandshilfe/Überbrückungshilfe über das AMS bezogen. Im Zeitraum vom 26.09.2011 bis zum 31.07.2012 sei er Angestelltenlehrling, ebenso im Zeitraum vom 01.08.2012 bis zum 06.09.2013 gewesen. Danach sei er bis zum 08.05.2015 geringfügig beschäftigter Angestellter/Arbeiter gewesen. Im Zeitraum 01.04.2015 - 31.01.2017 habe er bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ein freies Gewerbe angemeldet, jedoch im Zeitraum 01.08.2015 - 31.01.2017 die Beiträge BSVG, GSVG, FSVG nicht bezahlt. Darüber hinaus habe er € 20.000 Schulden aus diesem Gewerbe, dem kein zu veräußerndes Vermögen gegenüberstehe. Es habe keine ausreichend ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration in Österreich festgestellt werden können. Eine Rückkehr in die Russische Föderation stelle keine Verletzung von Art 8 EMRK dar. Weiters wurden Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien getroffen.

Zu den Feststellungen zur Situation des BF im Fall seiner Rückkehr wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass die Feststellungen zum Vorliegen einer Existenzgrundlage in der Russischen Föderation sich daraus ergeben würden, dass es sich beim BF um einen jungen, gesunden und erwerbsfähigen Mann handle, der zudem Tschetschenisch und Russisch spreche. Dass in der Russischen Föderation die Grundversorgung der Bevölkerung gegeben sei und sohin auch für den BF eine Existenzgrundlage vorliege, ergebe sich aus den Länderfeststellungen und aus dem Amtswissen. Ferner ergebe sich aus den Länderfeststellungen, denen der BF im Übrigen nicht substantiiert entgegengetreten sei, dass die Verhältnisse in der Russischen Föderation nicht das Ausmaß erreichen, um von einer Gefährdung ausgehen zu können, die in den Nahebereich des Art. 3 EMRK gelangen könnte. Zur Situation im Heimatland und dass dem BF im Heimatland keine Gefährdung bzw. Bedrohung zukomme, werde auf die betreffenden Feststellungen über Tschetschenien verwiesen. Da der BF Tschetschenien im Jahr 2003 verlassen habe und seither geraume Zeit vergangen sei, hätten sich die allgemeinen Verhältnisse im Land erheblich geändert. Der BF sei nie persönlich einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen und habe seinen Asylstatus lediglich durch Erstreckung auf seinen Vater erlangt. Insbesondere die Sicherheitslage habe sich im Gegensatz zu den Nachbarrepubliken dauerhaft und nachhaltig verbessert. Der BF spreche außerdem die Sprache des Herkunftslandes und habe im Verfahren seine Rückkehrbefürchtungen auch nicht konkret begründen können.

2.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, mit der dieser seinem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten wurde. Als Beschwerdegründe wurden sowohl Mangelhaftigkeit des Verfahrens als auch unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall der BF zwar wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 5. und 6. Fall SMG sowie gemäß den §§ 28a Abs. 1 Z 2 2. Fall SMG als Bestimmungstäter gemäß § 12 2. Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei, doch bedeute dies noch nicht, dass damit automatisch ein besonders schweres Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorliegen würde. Die belangte Behörde hätte nämlich noch eine Einzelfallprüfung vornehmen müssen, mit der sie die konkreten Tatumstände und das vom Strafgericht verhängte Strafausmaß berücksichtigen hätte müssen, wobei insbesondere auch auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen gewesen wäre. Der BF habe sein Fehlverhalten zutiefst bereut und sich dementsprechend noch anlässlich seiner strafgerichtlichen Verhandlung geständig gezeigt. Dementsprechend habe auch das Landesgericht den Grad seines Verschuldens nicht so schwer erachtet, denn sonst hätte es bei einem in § 28a Abs. 4 Z 3 SMG vorgesehenen Strafrahmen von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe nicht mit der Verhängung einer Haftstrafe von 3 Jahren das Auslangen gefunden. Bei der von der Behörde vorzunehmenden Prognose des zukünftigen Verhaltens des BF habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass dieser glaubhaft versichert habe, nach Verbüßung seiner Haftstrafe sein Leben vollkommen neu zu gestalten und sich in der Modebranche bzw. im Automobilhandel eine neue Existenz aufzubauen. Schon unter diesem Gesichtspunkt sei nicht zu befürchten, dass er bei einem Verbleib in Österreich weitere Straftaten begehen werde, zumal es ihm nunmehr bewusst sei, dass er bei der Begehung eines nochmaligen strafrechtlichen Fehlverhaltens mit seiner Abschiebung aus Österreich rechnen werde müssen. Seinen sonstigen von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid genannten strafgerichtlichen Verurteilungen würden Vergehen des Diebstahles, der Urkundenunterdrückung und der Körperverletzung zu Grunde liegen, welche jedoch nicht unter die besonders schweren Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 zu subsumieren seien. Zudem habe er die diesen strafgerichtlichen Verurteilungen zu Grunde liegenden Handlungen in den Jahren 2010 und 2011, somit im Alter von 18 bzw. 19 Jahren begangen, als er noch jugendlicher bzw. junger Erwachsener gewesen sei. Zwar sei dem BF lediglich durch Erstreckung Asyl gewährt worden, weil er zum Zeitpunkt der Stellung seines Asylantrages erst zwölf Jahre und somit minderjährig gewesen sei, tatsächlich würden aber auch in Bezug auf den BF eigenständige Fluchtgründe vorliegen. Ursächlich für die Flucht der Familie des BF Ende Mai/Anfang Juni 2003 sei der Umstand gewesen, dass sein Vater als persönliche Wache für den damaligen Innenminister der um seine Unabhängigkeit von der Russischen Föderation kämpfenden tschetschenischen Republik Itschkerien XXXX tätig gewesen sei und auch als Leibwächter für den ersten Präsidenten dieser Republik Dschochar Dudajew fungiert habe. Sein Vater habe auf Seiten der Aufständischen an den Kämpfen gegen die russischen Truppen in beiden Tschetschenienkriegen teilgenommen. Im Frühjahr 2001 seien russische Spezialeinheiten zum Haus der Familie des BF gekommen, hätten es niedergebrannt, den Vater des BF vor den Augen seiner Gattin und seiner Kinder, darunter auch dem BF gefoltert, wobei sie ihn während der Folter die rechte Hand gebrochen und ihm weitere schwerer Verletzungen zugefügt hätten. Durch diese schrecklichen Erlebnisse seien die Kinder, darunter auch der BF, traumatisiert. Die belangte Behörde führe in ihren Länderfeststellungen selbst an, dass tschetschenische Ermittlungsbehörden Anfragen an die Archivbehörde des russischen Verteidigungsministeriums in Moskau gerichtet hätten, um Daten zu erlangen, die ein militärisches Geheimnis darstellen, wobei die Anfragen sich auf Kampfhandlungen während des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges beziehen würden. Der tschetschenische Präsident Kadyrow benötige diese Informationen unter anderem deshalb, um neben der Bestrafung von Aufständischen auch Kollektivstrafen gegen Familienangehörige von tatsächlichen oder angeblichen Aufständischen bzw. mutmaßlichen Unterstützern von Aufständischen verhängen zu können. Auch lange Zeit zurückliegende Verbindungen zu Aufständischen könnten zu einer Gefährdung führen. Der BF weise in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass ein namentlich genannter Cousin seines Vaters aufgrund der Teilnahme auf Seiten der Aufständischen im zweiten Tschetschenienkrieg zu zehn Jahren Haft verurteilt worden sei, wobei, als er vor zwei Jahren seine Strafe fast abgesessen habe, er kurz vor seiner Entlassung erhängt in seiner Zelle aufgefunden worden sei, wobei sein Körper Folterspuren aufgewiesen habe. Für den BF würde auch keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, da Personen aus Tschetschenien, welche aus dem Ausland zurückkehren, in der Regel von Vertretern des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verhört und unter Kontrolle gestellt werden würden, wobei über den FSB auch die tschetschenischen Behörden über die Rückkehr informiert werden würden. Zudem verfüge der BF über keinen russischen Inlandspass mehr, und könne er sich in einer russischen Gemeinde außerhalb Tschetscheniens erst dann registrieren lassen, weil er zuvor persönlich bei der für ihn zuständigen Meldebehörde in Tschetschenien einen neuen Inlandspass beantragt habe. Selbst wenn der BF einen neuen Inlandspass erhalten sollte, wäre es für ihn als Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe sehr schwierig, sich registrieren zu lassen, da die Registrierungsbestimmungen für Tschetschenien in den russischen Regionen außerhalb Tschetscheniens sehr restriktiv und willkürlich gehandhabt werden würden. Zu Untermauerung der Ausführungen wurden der Beschwerde ein Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu aktuellen Menschenrechtslage in Tschetschenien vom 13.05.2016, eine Anfragebeantwortung von Accord vom 07.10.2016, betreffend die Behandlung von tatsächlichen oder mutmaßlichen Gegnern des Kadyrow-Regimes, ein Bestätigungsschreiben vom 01.03.2004 eines namentlich genannten Assistenten des amtsführenden Parlamentsvorsitzenden der tschetschenischen Republik Itschkerien, wonach der Vater des BF bei den Behörden des Innenministeriums der tschetschenischen Republik Itschkerien in der Zeit von 1993 bis 1994 als persönliche Wache des Ministers XXXX und auch als Begleitung des Präsidenten Dudajew eingesetzt worden sei, sowie eine Bestätigung eines tschetschenischen Krankenhauses aus dem Jahr 2001 über Körperverletzungen des Vaters des BF. Hinsichtlich der von der belangten Behörde getroffenen Gefährdungsprognose sei zu rügen, dass sie sich dabei auch auf ein angeblich vom BF anlässlich seiner Einvernahme am 29.11.2017 an den Tag gelegtes präpotentes Verhalten bezogen habe. Hierzu sei klarzustellen, dass der BF sämtliche von Seiten des Leiters der Amtshandlung an ihn gerichteten Fragen wahrheitsgemäß beantwortet habe und seiner Pflicht zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes entsprochen habe. Lediglich in Bezug auf weiterführende Fragen, die mit den Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus nichts zu tun haben, habe er auf seinen rechtsfreundlichen Vertreter verwiesen. Im Rahmen der Interessensabwägung hinsichtlich der Rückkehrentscheidung hätte die Behörde angemessen berücksichtigen müssen, dass der BF schon im Alter von 12 Jahren nach Österreich gekommen sei und sich bereits seit 14,5 Jahren durchgängig und rechtmäßig als Asylberechtigter aufgehalten habe. Er habe in Österreich die Schule besucht, eine Lehre als Handelsangestellter absolviert. Er sei in Österreich sozialisiert worden und beherrsche die deutsche Sprache perfekt in Wort und Schrift. In Österreich würden neben seinen Bekannten und Freunden auch seine Familienangehörigen leben, mit denen er im Jahr 2003 aus Tschetschenien geflüchtet sei. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht stelle die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht ein Eingriff in sein Privat-, sondern auch in sein Familienleben dar. Im gegenständlichen Fall habe der BF nicht nur in Tschetschenien, sondern auch in Österreich bis Oktober 2011 in gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt und vom März 2016 bis zu seiner Verhaftung im Jahr 2017 den gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und seinen Geschwistern wieder begründet. Außerdem stehe er in einer Lebensbeziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin. Auch wenn er mit dieser noch keinen gemeinsamen Haushalt begründet habe, sei diese Beziehung jedenfalls unter das durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben zu subsumieren. Durch das von der belangten Behörde in Verbindung mit der Rückkehrentscheidung erlassene Einreiseverbot werde der BF für zumindest 10 Jahre von seinen in Österreich niedergelassenen Eltern und Geschwistern, zu denen er eine sehr herzliche und innige Beziehung habe und für die er als der älteste Bruder eine wichtige Bezugsperson darstelle, sowie seiner Lebensgefährtin getrennt werden, ohne dass die Möglichkeit auf - wenn auch nur kurzfristige - wechselseitige Besuche bestünde. Schließlich gelte dieses Einreiseverbot nicht nur für Österreich, sondern den gesamten Schengenraum. Ein Besuch des BF durch seine Eltern und Geschwister sei wegen der ihnen dort drohenden Verfolgung, die zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt habe, gleichfalls nicht möglich. Mit der erlassenen Rückkehrentscheidung werde in gravierender und unverhältnismäßiger Weise rechtswidrig in das dem BF durch Art. 8 EMRK garantierte Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen. Der BF müsse als Sohn eines anerkannten Flüchtlings, welcher in beiden Tschetschenienkriegen auf der Seite der Rebellen für ein von der russischen Föderation unabhängiges Tschetschenien gekämpft habe, im Falle seiner Außerlandesbringung Racheaktionen von Seiten des in Tschetschenien herrschenden Kadyrow-Regimes befürchten und würde auf den gesamten Staatsgebiet der Russische Föderation aus den bereits genannten Gründen in eine existenzielle Notlage geraten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrundegelegt.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem vom Bundesamt herangezogenen und vorgelegten Akt zu dem im Spruch genannten Bescheid, dem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.04.2004, Zl. 247.868/0-XI/38/04, dem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , sowie der Beschwerdeschrift samt Beilagen.

2. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 140/2017 (im Folgenden: BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtsache gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchteil A):

2. Zu Spruchpunkt I.

2.1. Der mit "Aberkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 7 AsylG 2005 lautet:

"(1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.

(2a) Unbeachtlich der in § 3 Abs. 4 genannten Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn sich aus der Analyse gemäß § 3 Abs. 4a ergibt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Das Bundesamt hat von Amts wegen dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz nach § 6 Abs. 2 AsylG 2005 in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 leg. cit. gilt.

Gemäß § 2 Abs. 3 AsylG 2005 ist ein Fremder im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt (Z 1), oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 2).

Für den vom Bundesamt bei der Sachverhaltsfeststellung zu Spruchpunkt I. angenommenen Fall einer Entscheidung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl. dazu VwGH 01.03.2016, Zl. Ra 2015/18/0247, und insbesondere VwGH 21.09.2015, Zl. Ra 2015/19/0130: "vgl. allgemein zu den Kriterien des Asylausschlussgrundes - zu vergleichbarer Rechtslage - die Erkenntnisse vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288, vom 03.12.2002, Zl. 99/01/0449 und vom 23.09.2009, Zl. 2006/01/0626; zum Begriff des "besonders schweren Verbrechens" im Sinne dieser Bestimmung die bereits zitierten Erkenntnisse vom 03.12.2002 und vom 23.09.2009; sowie zum Tatbestandsmerkmal der "Gefahr für die Gemeinschaft" des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 die zur "Gemeingefährlichkeit" ergangene hg. Judikatur, etwa die hg. Erkenntnisse vom 18.01.1995, Zl. 94/01/0746, vom 10.10.1996, Zl. 95/20/0247 sowie vom 27.09.2005, Zl. 2003/01/0517").

Wie der Verwaltungsgerichtshof - erstmals - in seinem Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288, unter Hinweis auf Art. 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür rechtskräftig verurteilt worden, gemeingefährlich sein und es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zur Auslegung des Begriffs "besonders schweres Verbrechen" ausgeführt hat, handelt es sich z.B. bei Drogenhandel typischer Weise um ein besonders schweres Verbrechen; allerdings genüge es nicht, dass der Antragsteller ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt habe. Die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe und Rechtfertigungsgründe seien zu berücksichtigen.

Der Verwaltungsgerichtshof fügte seiner im Erkenntnis zur Zl. 99/01/0288 getroffenen Festlegung des Drogenhandels als "typischerweise besonders schweres Verbrechen" im ebenfalls bereits zitierten Erkenntnis vom 03.12.2002, Zl. 99/01/0449, zur Frage, wann denn nun ein solches "typischerweise besonders schweres Verbrechen" ausreichend sei, um "besonders schwer" zu sein, "illustrativ" hinzu, in der Bundesrepublik Deutschland sei etwa für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall Genfer Flüchtlingskonvention bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 dAuslG mit Gesetz vom 29.10.1997 das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert worden.

In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd - wenngleich nur demonstrativ - Folgendes ausgeführt:

"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter Begriff ,besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asylg (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen - mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des "besonders schweren Verbrechens" des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."

Eine – für die Aberkennung – notwendige Gemeingefährlichkeit ist anhand einer Zukunftsprognose zu eruieren. Hierbei kommt es auf das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers an. Es sind seine Einstellung während der Dauer des Aufenthaltes gegenüber dem Staat bzw. der Bürger dieses und seine in diesem Zeitraum gesetzten Handlungen maßgeblich, welche geeignet sind das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden (vgl. VwGH 6.10.1999, 99/01/0288).

2.2. Der BF wurde durch rechtskräftiges Urteil eines Landesgerichtes vom Oktober 2017 nach §§ 28a (1) 5. u 6. Fall, 28a (4) Z 3 SMG sowie §§ 28a (1) 2. Fall, 28a (4) Z 3 SMG, § 12 2. Fall StGB wegen der grenzübertretenden Einfuhr und dem Handel von Suchtgift im Mindestzeitraum von September 2016 bis April 2017 zu einer unbedingten Haftstrafe von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt.

Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten ist die vom BF verübte Tat sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht als besonders schweres Verbrechen im Sinne obiger Judikatur zu werten. So handelt es sich, wie bereits dargelegt, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bei Drogenhandel typischer Weise um ein besonders schweres Verbrechen, was sich auch im Strafrahmen des § 28a Abs. 4, der eine Freiheitsstrafe von 1 bis zu 15 Jahren vorsieht, widerspiegelt. Indem der BF auch tatsächlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt wurde, wobei bei der Strafbemessung sowohl das umfassende und reumütige Geständnis des BF als mildernd sowie die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen als erschwerend mitberücksichtigt wurden, erweist sich die dem Urteil zugrundeliegende Straftat auch als subjektiv besonders schwerwiegend.

Der BF wurde – wie dies im angesprochenen Urteil auch als erschwerend eingestuft wurde – bereits zuvor drei Mal wegen strafrechtlicher Vergehen rechtskräftig durch Gerichte verurteilt, wobei ihm diese Verurteilungen offensichtlich nicht nur nicht davor abgeschreckt haben, weitere strafbare Handlungen zu begehen. Vielmehr hat er sein kriminelles Fehlverhalten durch die nachfolgende Verwirklichung schwerwiegender Straftaten im Bereich der Drogenkriminalität noch um ein Vielfaches erheblich gesteigert. Auch seine wirtschaftliche Situation, wonach der BF € 20.000 an Schulden aufgrund seiner selbständigen Erwerbstätigkeit angehäuft hat und zuletzt arbeitslos war, kommt ihm nicht zugute. Auch im Hinblick auf sein familiäres Umfeld ist für den BF, der ledig und kinderlos ist, wobei zwei seiner Brüder sich offenbar in Justizhaft befinden, kaum etwas zu gewinnen. Da der BF sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch selbst in Justizhaft befindet und sohin auch kein relevanter Beobachtungszeitraum im Hinblick auf ein allfälliges Wohlverhalten vorliegt, können weitere einschlägige Straftaten des BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, weshalb zum Entscheidungszeitpunkt realistischer Weise auch keine günstige Prognose getroffen werden kann.

Im Ergebnis war die Beschwerde sohin hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.

3. Zu Spruchpunkt II.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Obwohl gemäß § 17 iVm. § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen somit nicht gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat danach mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof vielfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG)

Verfahrensgegenständlich hat es das Bundesamt unterlassen, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt in dem im Spruch dargelegten Ausmaß zu ermitteln.

Was die Gefährdung des BF für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat betrifft, stützte sich das Bundesamt im Wesentlichen auf allgemeine Länderinformationen und auf den Umstand, dass der BF seinerzeit lediglich Asyl aufgrund eines Familienverfahrens erhalten hat.

Hierbei trifft es zu, dass der BF im Jahr 2004 Asyl in einem Asylerstreckungsverfahren aufgrund der Familieneigenschaft mit seinem Vater erhalten hat. In diesem Zusammenhang hat es das Bundesamt aber unterlassen, sich in einer nachvollziehbaren Weise mit den konkreten Fluchtgründen des Vaters, der angeblich Leibwächter von führenden politischen Persönlichkeiten der tschetschenischen Republik gewesen sei, auseinanderzusetzen, zumal nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann, dass der BF aufgrund der Familieneigenschaft mit seinem Vater im Herkunftsland Verfolgung zu befürchten hätte. Dies deshalb, weil bereits aus dem im bekämpften Bescheid zusammengefassten Verfahrensgang, in dem auf die niederschriftliche Einvernahme der Mutter des BF vom 01.09.2003 verwiesen wird, zu entnehmen ist, dass deren damaligen Angaben zufolge alle Familienangehörigen wegen ihres Mannes in Gefahr gewesen wären (vgl. S. 2 bekämpfter Bescheid). Letzteres wurde nunmehr auch in der Beschwerde aktuell geltend gemacht. Einen Hinweis auf die Angaben des Vaters des BF in seinem Asylverfahren sind dem Bescheid nicht zu entnehmen. Unabhängig davon hatte aber auch schon der BF in der Einvernahme am 29.11.2017 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er im Herkunftsland wegen seines Familiennamens Verfolgung befürchte (Wenn diese meinen Namen sehen: XXXX , dann bin ich weg. Vgl. As 206-207). Das Bundesamt ist diesem Vorbringen jedoch nicht weiter nachgegangen. Zwar wurde der BF auch zu den Gründen befragt, warum damals seine Familie im Jahr 2003 das Herkunftsland verlassen hat, doch gab der BF in diesem Zusammenhang deutlich zu verstehen, dass er diesbezüglich – mit Ausnahme der damaligen Kriegssituation – die näheren Gründe nicht kennen würde, diese aber sein Vater wissen würde, und diesbezüglich sein Vater befragt werden sollte (vgl. AS 207). Dies erscheint per se auch nicht völlig unplausibel, zumal der BF zum Zeitpunkt der Flucht ein Kind im Alter von 12 Jahren war. Indem es das Bundesamt aber völlig verabsäumt hat, sich mit den damaligen Angaben des Vaters des BF zu dessen damaligen Fluchtgründen in nachvollziehbarer Weise auseinanderzusetzen, sowie das Beweisanbot ignorierte, und darauf verzichtete, den Vater des BF dazu zu befragen, hat es das gegenständliche Verfahren mit erheblichen Ermittlungsmängeln belastet (vgl. dazu insbesondere auch VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0022).

Unter Zugrundelegung des bereits Ausgeführten kann ohne nachvollziehbare Auseinandersetzung mit dem im Asylverfahren geltend gemachten individuellen Fluchtgründen der Familie des BF, zu deren Ermittlung gerade dem Vater des BF als Auskunftsquelle die zentrale Rolle zukommt, sohin auch nicht in einer dem konkreten Fall angemessenen Weise die (Un)Zulässigkeit einer Abschiebung des BF in die Russische Föderation beurteilt werden. Der Umstand, dass das Bundesamt dabei völlig darauf verzichtet hat, sich in erkennbarer Weise mit den Angaben des Vaters im Asylverfahren auseinanderzusetzen und ihn auf dieser Grundlage insbesondere auch zu befragen, sohin letztlich eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den individuellen Fluchtgründen der Familie des BF vermieden hat, stellt in der vorliegenden, speziellen Konstellation einen besonders gravierenden Ermittlungsmangel dar, zumal sohin im Ergebnis in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wurde.

Hierbei wird insbesondere auch nicht verkannt, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des BF gerade im konkreten Fall angesichts dessen erheblicher Straffälligkeit ein besonders hoher Stellenwert zukommt, letzteres entbindet die Behörde aber auch nicht von ihrer Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes, im Hinblick auf die § 39 Abs. 2 AVG und § 28 AsylG 2005 angemessenes Verfahren durchzuführen, wobei in der vorliegenden Konstellation auch keine besonderen Gründe erkannt werden konnten, die einen Verzicht auf die Einvernahme des Vaters des BF nahegelegt hätten.

Durch das mangelhaft geführte Ermittlungsverfahren hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vornahme weiterer Ermittlungen bzw. überhaupt die Durchführung des Verfahrens auf das Bundesverwaltungsgericht verlagert, weshalb im Einklang mit den vorzitierten Erkenntnissen des VwGH zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, Zlen. Ro 2014/03/0063 und Ra 2014/08/0005, der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen war.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist im Hinblick auf die Spruchpunkt II. des Bescheides - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes sowie des Umstandes, dass sich der BF in XXXX in Justizhaft (Strafende nach § 148 StVG XXXX ) befindet, und auch der Vater des BF in diesem Bundesland niedergelassen ist - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen. Das Bundesamt wird sich in einem fortgesetzten Verfahren im Hinblick auf die diesbezüglich behauptete Rückkehrgefährdung mit den (damaligen) individuellen Fluchtgründen des Vaters des BF erstmals auseinanderzusetzen, diesen auf Grundlage seiner Angaben im Asylverfahren dazu zu befragen und das Ermittlungsergebnis mit dem BF zu erörtern haben. Im Übrigen wird das Bundesamt auch die Argumente und Beweismittel in der Beschwerdeschrift – auch im Hinblick auf die nachfolgend auf Spruchpunkt II. behobenen Spruchpunkte - zu berücksichtigen haben.

4. Mündliche Verhandlung

4.1. Zu A) I.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) - folgend: GRC - hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg.cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, Zl. U 466/11 ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der VwGH hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Projiziert auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes die Grundlage des bekämpften Bescheides – soweit Spruchpunkt I. betroffen ist – unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem BF zu erörtern bzw. weitere Ermittlungen durchzuführen.

In der Beschwerde finden sich auch keine Hinweise, wonach eine weitere mündliche Verhandlung notwendig ist, zumal sich dort – wie hinreichend dargelegt – keine substantiierten Ausführungen finden, die dies erforderlich machen würden. In der Beschwerde wird im Wesentlichen der Aberkennungssachverhalt lediglich einer anderen Wertung unterzogen, der jedoch die klare Aktenlage und der Inhalt des rechtskräftigen Strafurteils vom XXXX entgegenstehen.

Dem Bundesverwaltungsgericht liegt sohin hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem BF mündlich zu erörtern gewesen wäre, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterbleiben konnte (vgl. auch VwGH 01.03.2016, Zl. Ra 2015/18/0247).

4.2. Zu A) II.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte somit auch gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, z

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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