TE Bvwg Beschluss 2017/12/28 W238 2180302-1

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Veröffentlicht am 28.12.2017
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Entscheidungsdatum

28.12.2017

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs5
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W238 2180302-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Josef WURDITSCH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Mödling vom 21.11.2017, GZ XXXX, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Mödling vom 03.10.2017, GZ XXXX, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

vom 21.11.2017 gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG sowie gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 03.10.2017 sprach das Arbeitsmarktservice Mödling (im Folgenden: AMS) gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Verlust des Anspruchs der Notstandshilfe im Zeitraum vom 06.09.2017 bis 31.10.2017 aus. Nachsicht wurde nicht erteilt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der nunmehrige Beschwerdeführer die von der Firma XXXX angebotene zumutbare Stelle nicht angenommen bzw. eine Arbeitsaufnahme vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 01.11.2017 fristgerecht Beschwerde, in der er mit näherer Begründung die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrte.

3. Am 14.11.2017 beantragte der Beschwerdeführer unter Anschluss eines Vermögensverzeichnisses die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde und eines Vorlageantrages sowie zur Vertretung bei der Verhandlung im erforderlichen Umfang, jedenfalls durch Beigebung eines Rechtsanwalts. Im Verfahrenshilfeantrag wurde auf die bereits beim AMS eingebrachte Beschwerde verwiesen.

4. Am 21.11.2017 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde sowie den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag vor.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.11.2017, W238 2177241-1/3E, wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.

Angemerkt wird, dass ein weiterer Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Zusammenhang mit der Beschwerde gegen einen (hier nicht verfahrensgegenständlichen) Bescheid des AMS Mödling vom 28.08.2017 betreffend die Verhängung einer Sanktion nach § 10 iVm § 38 AlVG mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.10.2017, W229 2173695-1/2E, abgewiesen wurde.

Hinsichtlich der Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.10.2017 und vom 23.11.2017 brachte der Beschwerdeführer Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung von ordentlichen Revisionen gegen die genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes ein, denen mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2017, W229 2173695-1/8Z, sowie vom 22.12.2017, W238 2177241-1/10Z, gemäß § 61 Abs. 1 und 2 VwGG jeweils stattgegeben wurde.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des AMS Mödling vom 21.11.2017 wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.10.2017 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Nach Wiedergabe der rechtlichen Bestimmungen sowie des Sachverhalts wurde in Bezug auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung Folgendes ausgeführt:

Das Arbeitslosenversicherungsrecht bezwecke, arbeitslos gewordene Versicherte durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und in die Lage zu versetzen, den Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten.

§ 10 AlVG sanktioniere durch befristeten Leistungsausschluss diejenigen Personen, die erforderliche Anstrengungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit schuldhaft unterlassen oder vereiteln würden.

Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Hierzu werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits seit April 2016 Notstandshilfe beziehe, sohin Langzeitarbeitslosigkeit vorliege. Seit der zuletzt erworbenen Anwartschaft sei gegen den Beschwerdeführer bereits die zweite Sanktion gemäß § 10 iVm § 38 AlVG verhängt worden, was die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet erscheinen lasse.

Eine Gewährung der aufschiebenden Wirkung würde daher den aus generalpräventiven Gründen im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen. Insgesamt diene dieses Vorgehen dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde sei daher entsprechend der Interessenabwägung auszuschließen.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 30.11.2017 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend wurde darin u.a. ausgeführt, dass er im Zusammenhang mit seinen Beschwerden gegen die Bescheide des AMS vom 28.08.2017 und vom 03.10.2017 die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt und diesbezüglich ein Vermögensbekenntnis vorgelegt habe. Das AMS habe dieses Vermögensbekenntnis zum Anlass für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung genommen. Es gehe nicht an, dass einerseits zur Erlangung der Verfahrenshilfe gegenüber der Behörde die Vermögenslosigkeit nachgewiesen werden müsse und andererseits diese Offenbarung dann im Wege des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gegen den Beschwerdeführer verwendet werde. Abgesehen davon sei es Grundbedingung für den Bezug der Notstandshilfe, dass sich der Bezieher in einer Notlage befinde. Während der zweiten Bezugssperre im Zeitraum vom 06.09.2017 bis 31.10.2017 sei der Beschwerdeführer erkrankt (Grippe, Lungenprobleme) und habe seinen Hausarzt aufsuchen müssen, der ihn krankgeschrieben habe. Daraufhin sei ihm von der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse am 10.10.2017 mitgeteilt worden, dass die gemeldete Arbeitsunfähigkeit derzeit nicht anerkannt werden könne, da keine gültige Krankenversicherung vorliege. Aus Angst vor weiteren Kosten habe sich der Beschwerdeführer trotz Krankheit wieder gesund gemeldet und die nötigen Medikamente selbst besorgt. Aufgrund der angespannten finanziellen Situation des Beschwerdeführers sei es ihm nicht mehr möglich, die Kosten für die erforderlichen Medikamente zu tragen. Durch Ausbleiben der Notstandshilfe und fehlende Medikamente bestehe die Gefahr, dass die Lungenprobleme des Beschwerdeführers nicht vollständig ausheilen. Es könne nicht im öffentlichen Interesse liegen, einen Menschen durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vorzuverurteilen, und dadurch der Gefahr der Obdachlosigkeit und bleibender Gesundheitsschäden auszusetzen. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben.

8. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 19.12.2017 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.10.2017 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und 58 AlVG abgewiesen.

9. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom AMS einlangend erst am 19.12.2017 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Pkt. I. wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

Der Beschwerdeführer bezieht seit April 2016 Notstandshilfe.

Festgestellt wird, dass mit Bescheiden des AMS vom 28.08.2017 und vom 03.10.2017 gemäß § 10 iVm § 38 AlVG der Verlust der Notstandshilfe für die Zeiträume vom 19.06.2017 bis 30.07.2017 sowie vom 06.09.2017 bis 31.10.2017 ausgesprochen wurde, wobei Nachsicht (jeweils) nicht erteilt wurde.

Gegen beide Bescheide wurde Beschwerde erhoben.

Gegenständlich wurde vom AMS die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.10.2017 ausgeschlossen.

Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurde seitens des AMS – abgesehen von generalpräventiven Überlegungen zum Normzweck – unter Verweis auf den Bezug von Notstandshilfe seit April 2016 und die insoweit aus Sicht der belangten Behörde bestehende Langzeitarbeitslosigkeit des Beschwerdeführers sowie mit Blick auf die Verhängung der zweiten Sanktion nach § 10 AlVG seit der zuletzt erworbenen Anwartschaft und die daraus abgeleitete Gefährdung der Einbringlichkeit der Forderung begründet. Eine Begründung, ob und inwieweit im vorliegenden Fall die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides zur Abwendung eines gravierenden Nachteils im Einzelfall dringend notwendig ist, ist weder dem bekämpften Bescheid zu entnehmen, noch ergibt sich dies aus den vorliegenden Aktenteilen.

In der gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erhobenen Beschwerde wurde insbesondere ausgeführt, es sei eine Grundbedingung für den Bezug der Notstandshilfe, dass sich der Bezieher in einer Notlage befinde. Während der zweiten Bezugssperre im Zeitraum vom 06.09.2017 bis 31.10.2017 sei der Beschwerdeführer erkrankt (Grippe, Lungenprobleme) und habe seinen Hausarzt aufsuchen müssen, der ihn krankgeschrieben habe. Daraufhin sei ihm von der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse am 10.10.2017 mitgeteilt worden, dass die gemeldete Arbeitsunfähigkeit derzeit nicht anerkannt werden könne, da keine gültige Krankenversicherung vorliege. Aus Angst vor weiteren Kosten habe sich der Beschwerdeführer trotz Krankheit wieder gesund gemeldet und die nötigen Medikamente selbst besorgt. Aufgrund der angespannten finanziellen Situation des Beschwerdeführers sei es ihm nicht mehr möglich, die Kosten für die erforderlichen Medikamente zu tragen. Durch Ausbleiben der Notstandshilfe und fehlende Medikamente bestehe die Gefahr, dass die Lungenprobleme nicht vollständig ausheilen.

Der Beschwerdeführer begründete den mit dem sofortigen Vollzug des Bescheides vom 03.10.2017 für ihn verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil in nachvollziehbarer Weise insbesondere mit im Krankheitsfall entstehenden zusätzlichen Kosten. Das AMS legte hingegen nicht hinreichend konkret dar, aus welchen Gründen die Einbringlichkeit der Forderung nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens im gegenständlichen Fall gefährdet erscheint und der vorzeitige Vollzug des Bescheides dringend geboten ist, sodass die Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausschlägt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den nunmehr vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, in den Gerichtsakt betreffend das zu Zahl W238 2177241-1 geführte Verfahren sowie (mit Blick auf die Verhängung einer Sanktion mit Bescheid des AMS vom 28.08.2017) in den Gerichtsakt betreffend das zu Zahl W229 2173695-1 geführte Verfahren.

Die Begründung des von der belangten Behörde verfügten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid.

Das auszugsweise wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers ist dem Beschwerdeschriftsatz zu entnehmen.

Bezüglich der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung wird auf die rechtlichen Ausführungen verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

In den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0065 und Ra 2017/08/0081, wurde ausgesprochen, dass Entscheidungen über Beschwerden gegen die aufschiebende Wirkung ausschließende Bescheide des AMS gemäß § 56 Abs. 2 AlVG in Senatsbesetzung (und nicht durch Einzelrichter) zu treffen sind.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen den – durch verfahrensrechtlichen Bescheid ausgesprochenen – Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den die Hauptsache betreffenden Bescheid.

Gemäß § 13 Abs. 2 letzter Satz VwGVG ist ein Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung "tunlichst" schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen. Beim Ausspruch des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG in dem die Hauptsache erledigenden Bescheid handelt es sich um einen von der Hauptsache trennbaren, selbstständigen Nebenabspruch. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (erst) im Anschluss an den in der Hauptsache ergangenen Bescheid ausgesprochen wird.

Treten die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erst nach Erlassung des Bescheides ein, kann (muss) die Behörde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nachträglich durch gesonderten verfahrensrechtlichen Bescheid aberkennen (vgl. zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Berufungen VwGH 24.01.1995, 93/04/0203; 17.02.2000, 97/18/0564). Aber auch, wenn die Voraussetzungen bei Erlassung des Bescheides bereits vorlagen, die Behörde jedoch die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht ausgeschlossen hat, kann sie nachträglich ihrer Verpflichtung nachkommen und einen dahingehend lautenden verfahrensrechtlichen Bescheid erlassen. Ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht kommt diesem die Zuständigkeit zur Entscheidung über die aufschiebende Wirkung zu (vgl. § 22 Abs. 3 VwGVG).

Mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wird lediglich über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache eingebrachten Beschwerde abgesprochen. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 03.10.2017 ist im gegenständlichen Verfahren hingegen nicht zu prüfen (vgl. z.B. VwGH 11.01.2012, AW 2011/07/0062).

Mangels Erledigung der Rechtssache in der Hauptsache hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss zu erfolgen.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.3. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 – sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist – dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Angemerkt wird, dass dem Bundesverwaltungsgericht die am 30.11.2017 beim AMS eingelangte Beschwerde gegen den Bescheid vom 21.11.2017 erst am 19.12.2017 vorgelegt wurde.

Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen. Dass das Verwaltungsgericht ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat, bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam in einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" heißt demnach wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

3.4. Was die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG anlangt, entsprechen diese Großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5 ff.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR 24. GP). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Ra 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anhand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.

Dementsprechend genügt es für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung (nunmehr: Beschwerde) nicht, dass ein Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles an der vorzeitigen Vollstreckung des Bescheides besteht, sondern es muss darüber hinaus noch die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31).

"Gefahr im Verzug" bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist. Die Annahme, dass Gefahr im Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde mit dem Ergebnis, dass die Gefahr für den Fall des Zuwartens konkret besteht (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mit Hinweis auf VwGH 24.05.2002, 2002/18/0001, und VwGH 22.03.1988, 87/07/0108; Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).

Die Entscheidung über die Zuerkennung oder die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung kann nur das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung sein, welche die berührten öffentlichen Interessen und die Interessen der Verfahrensparteien berücksichtigt (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028; VfGH 02.12.2014, G74/2014). Es muss sich um ein besonderes öffentliches Interesse handeln, aus dem wegen der "triftigen Gründe" des konkreten Falles die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides sachlich geboten ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 29 mHa VfSlg 11.196/1986; 16.460/2002; 17.346/2004).

3.5. Die belangte Behörde begründete den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung – abgesehen von generalpräventiven Überlegungen zum Normzweck – unter Verweis auf den Bezug von Notstandshilfe seit April 2016 und die insoweit aus Sicht der belangten Behörde bestehende Langzeitarbeitslosigkeit des Beschwerdeführers sowie mit Blick auf die Verhängung der zweiten Sanktion nach § 10 AlVG seit der zuletzt erworbenen Anwartschaft. Daraus leitete die Behörde eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Forderung ab. Würde in einem solchen Fall die aufschiebende Wirkung nicht ausgeschlossen, ginge – so die belangte Behörde – der im öffentlichen Interesse liegende Sanktionscharakter verloren und der Normzweck würde unterlaufen.

Der Beschwerdeführer ist diesem Vorhalt in seiner Beschwerde insoweit entgegengetreten, als er einen mit dem sofortigen Vollzug des Bescheides vom 03.10.2017 für ihn verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil insbesondere mit Blick auf im Krankheitsfall entstehende zusätzliche Kosten geltend machte und (im Zusammenhang mit einer Krankschreibung) eine Mitteilung der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 10.10.2017 betreffend das Fehlen einer gültigen Krankenversicherung in Vorlage brachte. Zudem wurde seitens des Beschwerdeführers darauf verwiesen, dass das Bestehen einer finanziellen Notlage im Wesen des Bezuges von Notstandshilfe liege.

Im Hinblick auf die im Einzelfall vorzunehmende Interessensabwägung wäre die aufschiebende Wirkung etwa dann nicht zu gewähren, wenn begründete Zweifel an der späteren Einbringlichkeit der Forderung bestünden, da in diesem Fall das Interesse der Versichertengemeinschaft, somit das öffentliche Interesse an der Verfügbarkeit von Mitteln für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung überwiegen würde (VwGH 13.05.2009, 2007/08/0285).

Dass gegenständlich die Einbringlichkeit der Forderung nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens nicht möglich wäre, also Gefahr im Verzug bestünde, wurde im Bescheid jedoch nicht hinreichend konkret dargelegt. Der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Umstand, dass gegen den Beschwerdeführer bereits zum zweiten Mal eine Sanktion nach § 10 AlVG verhängt wurde, vermag nicht ohne Weiteres eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Forderung zu begründen. Aus dem Akt ergeben sich diesbezüglich ebenfalls keine Hinweise. Insbesondere sind keine gegen den Beschwerdeführer geführten Exekutionsverfahren ersichtlich. Schließlich erfolgte auch keinerlei Auseinandersetzung der belangten Behörde mit der gemäß § 25 Abs. 4 AlVG vorgesehenen Möglichkeit, die offene Forderung im Falle der Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Rückersatz der (vorläufig) empfangenen Notstandshilfe durch Gewährung von Ratenzahlungen oder im Wege der teilweisen Einbehaltung eines laufenden Notstandshilfebezuges hereinzubringen.

Dass im konkreten Einzelfall begründete Zweifel an der Einbringlichkeit der Forderung nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens bestehen, konnte vom Bundesverwaltungsgericht nicht festgestellt werden.

3.6. Nach Maßgabe des vom Bundesverwaltungsgericht im Lichte der übermittelten Aktenteile festgestellten Sachverhalts und unter Berücksichtigung des im Rahmen eines Provisorialverfahrens eingeschränkten Prüfungsmaßstabes geht das erkennende Gericht daher nicht davon aus, dass der vorzeitige Vollzug des Bescheides vom 03.10.2017 wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Vielmehr schlägt die Interessenabwägung im gegenständlichen Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers aus, weshalb der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung spruchgemäß stattzugeben war.

Die Akten des Verfahrens sind der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht zurückzustellen, da zwar am 19.12.2017 eine Beschwerdevorentscheidung ergangen ist, dem Gericht aber (noch) kein Vorlageantrag übermittelt wurde.

3.7. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3. wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich vergleichbaren Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar zumal die Bestimmung des § 64 Abs. 2 AVG Vorbild für jene des § 13 Abs. 2 VwGVG war (vgl. Lehhofer, aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich bei der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Interessenabwägung, Notstandshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W238.2180302.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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