TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/4 LVwG-2017/17/1377-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.12.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.12.2017

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

NAG 2005 §41 Abs2 Z4
AuslBG §24

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Dr. Felizitas Luchner über die Beschwerde des AA, geboren am xx.xx.xxxx, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, PLZ XY, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt XY vom 28.4.2017, Zahl AufG***, wegen Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte“ nach Durchführung einer öffentlichen und mündlichen Beschwerdeverhandlung

zu Recht erkannt:

1.   Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt XY vom 28.4.2017, Zl AufG***, wurde der Antrag des AA, geb. xx.xx.xxxx, Z-scher Staatsangehöriger, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte“ namens des Landeshauptmannes von Tirol (Ermächtigung aufgrund der Verordnung des Landeshauptmannes, LGBl Nr. 122/2005 idgF) gemäß § 41 Abs 4 NAG abgewiesen.

Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass aus dem Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom xx.xx.xxxx, GZ:***, hervorgehe, dass die selbständige Erwerbstätigkeit des Antragstellers nicht im gesamtwirtschaftlichen Interesse Österreichs liege. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliege, sei insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden sei und ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen diene. Der Antragsteller verfüge über 75 % der Gesellschaftsanteile der CC & DD GmbH. Er könne demnach einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausüben und sei daher als Erwerbstätiger iSd § 2 Abs 4 AuslBG anzusehen. Neben dem Antragssteller sei EE als weiterer handelsrechtlicher Gesellschaftergeschäftsführer mit selbständigem Vertretungsrecht (sowie als gewerberechtlicher Geschäftsführer) der Firma CC & DD GmbH bestellt. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen müsse unmittelbar vom Antragsteller ausgehen und es sei nicht ersichtlich, weshalb es gerade auf die Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet ankommen sollte, um einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen iSd § 24 AuslBG zu erzielen, um Arbeitsplätze zu sichern bzw neue zu schaffen, zumal die Geschäfte der GmbH doch vom weiteren Geschäftsführer geleitet werden könnten.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig von AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, erhobene Beschwerde, in der er zusammengefasst ausführt wie folgt:

Er sei seit 2016 Mehrheitsgesellschafter mit Anteilen von 75 % der CC & DD GmbH, welche das Z-Restaurant FF in der XYer Altstadt betreibe. EE habe
25 % der Anteile übernommen. Ursprünglich habe er alleine das Restaurant führen wollen und er wolle dies auch heute noch, er sei jedoch mangels eines Aufenthaltstitels nicht als gewerberechtlicher Geschäftsführer in Frage gekommen.

EE sei zuvor im Restaurant GG als Koch tätig gewesen und habe sich bereit erklärt, als Überbrückungsmaßnahme als Gesellschafter und gewerberechtlicher Geschäftsführer zu fungieren. Zudem arbeite EE im Restaurant FF als Koch im Ausmaß von 30 Stunden pro Woche, zumal ihm selbst diese Tätigkeit derzeit mangels Aufenthaltsberechtigung versagt sei. EE sei jedoch auf die W-sche Küche spezialisiert, was für Z-sche Reisegruppen, die sich authentische Z-sche Speisen erwarten, nicht ideal sei.

Er selbst verfüge dagegen über Fachkenntnisse und Ausbildung in der Z-schen Küche. Sobald er das Unternehmen selbst berechtigterweise führe, werde EE seine Tätigkeit dort einstellen und wieder Vollzeit im Restaurant GG arbeiten. Dies sei von Anfang an so geplant gewesen. Hätte EE eine dauernde Gesellschafter- und Geschäftsführertätigkeit gewollt und geplant, hätte er sich denklogisch keinesfalls mit einem Anteil am Stammkapital von 25 % zufrieden gegeben, da er so praktisch keine wesentliche Mitentscheidung auf Gesellschafterebene habe. Es komme sohin sehr wohl gerade auf seine persönliche Anwesenheit im Bundesgebiet an, zumal er über die notwendigen Kenntnisse in der Z-schen Küche sowie über Kontakte zu Reisebüros und Reiseleitern verfüge.

Der weitere Geschäftsführer EE sei hingegen auf die W-sche Küche spezialisiert und sei seine Einbindung lediglich als Überbrückungsmaßnahme zur Aufrechterhaltung des Betriebes erfolgt.

Aus dem Gutachten der Landesgeschäftsstelle des AMS gehe hervor, dass er grundsätzlich alle Voraussetzungen erfülle, lediglich der Umstand, dass es einen zweiten Geschäftsführer gebe, werde zu Unrecht als Hindernisgrund herangezogen. Die Begründung, die belangte Behörde könne nur auf die aktuelle Situation und nicht auf allfällige künftige Ereignisse abstellen, überzeuge nicht, da EE nur aushilfsmäßig als Geschäftsführer zur Verfügung stehe.

Das Konzept des Gastronomiebetriebes sei zur Gänze auf ihn selbst ausgelegt, da er über die entsprechenden Kenntnisse, Ausbildung und Kontakte verfüge. Ohne ihn wäre die Umsetzung überhaupt nicht möglich und sei diese derzeit auch erschwert, da er mangels Aufenthaltstitel in Österreich regelmäßig nach X reisen müsse.

Ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Interesse Österreichs sei insbesondere in der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erblicken. Im Restaurant seien mehrere Mitarbeiter beschäftigt und sei geplant, bei gutem Geschäftsgang die Mitarbeiterzahl noch zu erhöhen.

Die aktuelle Situation ergebe, dass er als selbständige Schlüsselkraft iSd § 24 AuslBG anzusehen sei. Entsprechend der Begründung der belangten Behörde würde er erst dann als selbständige Schlüsselkraft angesehen werden, wenn EE seine Tätigkeit einstelle. In diesem Fall müsste jedoch der gesamte Betrieb eingestellt werden, da kein gewerberechtlicher Geschäftsführer und Chefkoch mehr vorhanden wäre. Es würde keinerlei Wertschöpfung mehr erfolgen und gingen sämtliche Arbeitsplätze verloren. Das Landesverwaltungsgericht Tirol möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Antrag des Beschwerdeführers gem § 41 Abs Z 4 NAG stattgeben.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt zu Zl ***, insbesondere in die Saldenliste der CC & DD GmbH für den Zeitraum Januar bis Dezember 2016, die Lohn- und Gehaltsabrechnungen für Oktober, November und Dezember 2016 sowie die Auszahlungsjournale, die Anmeldungen zur Tiroler Gebietskrankenkasse und den Firmenbuchauszug vom 11.3.2016, sowie durch Abhaltung einer öffentlichen und mündlichen Verhandlung. In dieser konnte der Beschwerdeführer und seine Schwester JJ einvernommen werden.

II.      Sachverhalt:

Mit Eingabe vom 26.1.2017 stellte AA, geb. xx.xx.xxxx, Z-scher Staatsangehöriger, beim Stadtmagistrat XY einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs 2 Z 4 NAG (selbständige Schlüsselkraft).

Er wohnt bis auf weiteres ohne finanzielle Verpflichtungen in der Mietwohnung von Frau KK in der Adresse 3. Er ist dort seit 7.12.2015 gemeldet (laut Meldebestätigung aus dem zentralen Melderegister Stand 17.01.2017).

Sein Reisepass ist unter der Nummer G*** am xx.xx.xxxx in Y ausgestellt worden und ist bis xx.xx.xxxx gültig.

Seine Tochter LL wurde am xx.xx.xxxx geboren. Sie lebt gemäß seinen Angaben bei ihm. Von der Kindesmutter ist er geschieden. Er bezieht nach eigenen Angaben ein Einkommen in Höhe von monatlich € 1.000 bis 2.000, 12x jährlich.

Unter „Angaben zum Aufenthaltszweck“ ist festgehalten, dass er in Zukunft als gewerberechtlicher Geschäftsführer der CC & DD GmbH auftreten will.

Er ist erlernter Koch.

Im verwaltungsbehördlichen Akt erliegt die notariell beglaubigte und ins Deutsche übersetzte Geburtsurkunde des Beschwerdeführers, eine Kopie des Reisepasses sowie die Strafregisterauskunft, aus der hervorgeht, dass er zum Stichtag 14.11.2016 nicht vorbestraft war.

Seit 1.1.2016 sind AA und EE jeweils selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der CC & DD GmbH mit Sitz in XY. EE wurde als gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt. EE ist mit einem Anteil von 25 % (ATS 125.000,--), AA mit einem Anteil von 75 % (ATS 375.000,--) am Stammkapital (ATS 500.000,-- bzw € 36.336,--) der CC & DD GmbH beteiligt. Die CC & DD GmbH betreibt das Z-Restaurant FF in der Adresse 4 in PLZ XY und beschäftigt derzeit drei MitarbeiterInnen, nämlich den Beschwerdeführer selbst, auch wenn er nicht immer da ist, seine Schwester mit 40 Stunden pro Woche und deren Ehemann als Koch mit 20 bis 30 Stunden pro Woche.

Ursprünglich hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, nachstehende Dienstnehmer zu beschäftigen:

Dienstnehmer

Tätigkeit

Beschäftigungsausmaß

Meldedatum

EE

Koch

40 h / Woche

01.09.2016

MM

Koch

20 h / Woche

01.01.2017

NN

Kellnerin

20 h / Woche

01.09.2016

JJ

Kellnerin

15 h / Woche

01.01.2016

OO

Kellnerin

11 h / Woche

01.10.2016

PP

Kellner

10 h / Woche

01.09.2016

In der mündlichen Verhandlung konnte er jedoch den größten Teil der Namen nicht mehr zuordnen und teilte dann seine Schwester bei ihrer Einvernahme ergänzend mit, dass derzeit nur mehr drei Personen im Restaurant arbeiten würden, nämlich sie selbst, ihr Mann und QQ, welche als Kellnerin 20 Stunden pro Woche arbeitet.

Deshalb ist diese Aufstellung hinfällig und kann derzeit nicht mehr von den, dem AMS bekannt gegebenen fünf Mitarbeitern ( eigentlich sind es sechs laut Liste) ausgegangen werden.

AA ist bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) sozialversichert. Ob er derzeit in X einer Arbeit nachgeht konnte nicht festgestellt werden, da der Beschwerdeführer in seinen Angaben wage blieb und keine Beweise zur Beantwortung dieser Fragen vorlegte.

Es konnte nicht festgestellt werden, inwieweit mit der geplanten selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist.

Im Gutachten vom xx.xx.xxxx führte die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol zusammengefasst aus, dass sich laut Rechtsprechung des VwGH aus § 24 AuslBG ergebe, dass für die Beurteilung als „Schlüsselkraft“ primär der gesamtwirtschaftliche Nutzen maßgeblich sei.

Bei der Beurteilung sei insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden sei und ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen diene. Der Gesetzgeber stelle gemäß § 24 AuslBG darauf ab, dass ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten sei. Dieser Impuls müsse jedenfalls durch die selbständige Tätigkeit des Fremden bewirkt werden. Dies bedeute, dass die unternehmerischen Entscheidungen, die den zusätzlichen positiven Impuls für die Wirtschaft erwarten ließen, vom Fremden selbst getroffen werden müssten. Maßgebend sei das im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen. Der Antragsteller sei zwar als selbständiger Erwerbstätiger anzusehen, da er mit einem Anteil von 75 % am Stammkapital der CC & DD GmbH beteiligt sei und Gesellschafterbeschlüsse fassen oder zumindest verhindern könne und somit maßgebenden Einfluss auf die Führung der Gesellschaft im Innenverhältnis nehmen könne. Jedoch sei nicht ersichtlich, weshalb es gerade auf die Anwesenheit des Antragstellers ankomme, um einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen iSd § 24 AuslBG zu erzielen, zumal die GmbH doch vom weiteren Geschäftsführer EE geleitet werden könne. Der Antragsteller sei daher nicht als selbständige Schlüsselkraft anzusehen.

III.    Rechtslage:

Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung:

„§ 41. (1) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

(2) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 2 AuslBG,

2. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 3 AuslBG,

3. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 4 AuslBG, oder

4. ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 24 AuslBG

vorliegt.

(4) Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung in den Fällen des § 20d AuslBG in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen. Ist das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in einem Verfahren über den Antrag zur Zulassung im Fall des § 24 AuslBG negativ, ist der Antrag ohne weiteres abzuweisen.“

Bundesgesetz vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG) BGBl Nr 218/1975 in der geltenden Fassung:

„§ 24. Die nach der beabsichtigten Niederlassung der selbständigen Schlüsselkraft zuständige Landesgeschäftsstelle der Arbeitsmarktservice hat binnen drei Wochen das im Rahmen des fremdenrechtlichen Zulassungsverfahren gemäß § 41 NAG erforderliche Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbundenen Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erstellen. Vor der Erstellung dieses Gutachtens ist das Landesdirektorium anzuhören.“

IV.      Erwägungen:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Niederlassungsbehörde trotz des Wortlautes des § 41 Abs 4 NAG, wonach im Falle eines negativen Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des AMS der „Antrag ohne weiteres abzuweisen“ ist, an das Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine selbständige Schlüsselkraft (§ 24 AuslBG) nicht gebunden ist. Die abschließende Entscheidung kommt der Niederlassungsbehörde zu, die die Schlüssigkeit der Stellungnahmen der besagten Landesgeschäftsstelle samt dem darin enthaltenen Gutachten zu überprüfen hat (vgl VwGH 28.8.2008, 2008/22/0030).

Der Gesetzgeber stellt gemäß § 24 AuslBG darauf ab, dass ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist. Dieser Impuls muss jedenfalls durch die selbständige Tätigkeit des Fremden bewirkt werden. Dies bedeutet, dass die unternehmerischen Entscheidungen, die den zusätzlichen positiven Impuls für die Wirtschaft erwarten lassen, vom Fremden selbst getroffen werden müssen (VwGH 18.5.2006, 2005/18/0525). Maßgebend für die Beurteilung des in diesem Sinn von einem antragstellenden Fremden ausgehenden wirtschaftlichen Nutzens ist zunächst das im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen (VwGH 6.8.2009, 2008/22/0382).

Aus § 24 AuslBG ergibt sich, dass für die Beurteilung, ob eine - beabsichtigte - selbständige Tätigkeit zur Stellung als "Schlüsselkraft" führt, primär der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen dient (VwGH 18.1.2005, 2004/18/0378).

Im gegenständlichen Fall verfügt der Antragsteller über 75 % Anteile der CC & DD GmbH, womit er maßgeblichen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft im Innenverhältnis ausüben kann und in der Lage ist, Gesellschafterbeschlüsse zu fassen bzw zu verhindern. Er ist demnach als selbständig Erwerbstätiger anzusehen. AA ist mit ATS 375.000,-- am Stammkapital (ATS 500.000,-- bzw € 36.336,--) der CC & DD GmbH beteiligt.

Er hat aber weder nachgewiesen noch in der Beschwerde behauptet, dass es sich bei dem in Rede stehenden Betrag um von ihm vom Ausland aus nach Österreich transferierte Gelder handelt (vgl VwGH 13.10.2011, 2008/22/0901). Er hat auf Nachfragen in der mündlichen Verhandlung lediglich auf erspartes Geld verwiesen, dieses aber durch nichts bewiesen. Weder wurden diesbezügliche Kontoauszüge, Sparbücher noch sonstige Unterlagen vorgelegt.

Durch die Einzahlung von Stammkapital allein kann noch kein Transfer von Investitionskapital im Sinne des § 24 AuslBG nachgewiesen werden (VwGH 17.4.2013, 2010/22/0204).

Aus dem Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol geht weiters nachvollziehbar hervor, dass es im gegenständlichen Fall nicht gerade auf die Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet ankommt, um einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen iSd
§ 24 AuslBG zu erzielen und Arbeitsplätze zu schaffen bzw zu sichern, zumal die Geschäfte der GmbH auch vom zweiten Geschäftsführer, EE, geleitet werden könnten. Der Umstand, dass es sich bei der Einsetzung des zweiten Geschäftsführers lediglich um eine Überbrückungsmaßnahme handelt, kann nicht berücksichtigt werden, da sich die rechtliche Beurteilung auf die aktuelle Situation zu beziehen hat und nicht auf etwaige künftige Sachverhaltsänderungen abzustellen ist.

Hinsichtlich der Schaffung bzw Sicherung von Arbeitsplätzen ist weiters auszuführen, dass die CC & DD GmbH insgesamt drei MitarbeiterInnen (den Beschwerdeführer nicht mitgerechnet, da er nach eigenen Angaben ja in X diversen Arbeiten als Koch nachgeht) beschäftigt, wobei nur eine Frau vollbeschäftigt ist.

Die Mehrzahl der zuvor erwähnten MitarbeiterInnen, die früher im Restaurant gearbeitet haben, sind dort nicht mehr beschäftigt.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann im gegenständlichen Fall nicht davon gesprochen werden, dass der CC & DD GmbH in Bezug auf die Schaffung bzw Sicherung von Arbeitsplätzen wesentliche Bedeutung zukommt.

In einem Verfahren betreffend Aufenthaltstitel gemäß § 41 Abs 2 Z 4 NAG 2005 iVm § 24 AuslBG ist im Fall einer erst jüngst aufgenommenen Tätigkeit eine Prognoseentscheidung zu treffen, wobei es dem Antragsteller obliegt, entsprechende Unterlagen vorzulegen, die eine realistische Abschätzung der zukünftigen Unternehmensentwicklung zulassen (VwGH 10.5.2016, Ra 2016/22/0023). Der Beschwerdeführer nahm seine selbständige Erwerbstätigkeit Anfang des Jahres 2016 auf. Anhand der von ihm vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Saldenliste für den Zeitraum Januar bis Dezember 2016, kann die zukünftige Unternehmensentwicklung nicht prognostiziert werden, da es sich dabei nicht um einen Businessplan oder ähnliches handelt und sich zudem die Anzahl der Angestellten und somit die Anzahl der insgesamt geleisteten Wochenstunden im Restaurant stark verringert hat.

Es ist dem Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Beschwerdeverfahren gelungen, das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Arbeitsmarktservice Tirol vom xx.xx.xxxx zu entkräften und zu widerlegen. Vielmehr hat sich die Situation insofern verändert, als der Beschwerdeführer nunmehr weniger Angestellte hat und daher weniger Arbeitsplätze nachweist. Auch ist ihm nicht gelungen, den Transfer von Kapital aus dem Ausland tatsächlich nachzuweisen, da er die von ihm genannte Summe der Investitionen in Hohe von € 20.000 bis 30.000,-- durch nichts belegen konnte. Und selbst wenn er den Nachweis für ca. € 30.000 erbracht hätte, hätte diese Summe nicht ausgereicht um von Impulsen für die österreichische Wirtschaft zu sprechen.

Die belangte Behörde hat somit zu Recht, auch aufgrund des, für die beabsichtigte selbständige Erwerbstätigkeit in Österreich eingeholten und für den Beschwerdeführer negativen Gutachtens gemäß § 24 AuslBG, den Antrag des Beschwerdeführers vom 26.1.2017 abgewiesen.

Ein für das Verfahren relevanter Verfahrensfehler ist ihr dabei nicht unterlaufen.

Das Landesverwaltungsgericht ist aber auch aufgrund der fehlenden Nachweise zum angeblich eingebrachten Investitionskapital und aufgrund der geringen Anzahl der Angestellten zu dem Ergebnis gelangt, dass ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Erwerbstätigkeit bzw. der Schaffung oder Sicherung von Arbeitsplätzen nicht zu erwarten ist, da bei der Schaffung von derzeit drei Arbeitsplätzen nur von einer unwesentlichen Schaffung neuer Arbeitsplätze auszugehen ist.

Dass die Schwester des Beschwerdeführers, bevor sie als Zeugin aufgerufen und einvernommen werden konnte, vor der Tür des Verhandlungssaales kniend und das Ohr an die Tür gedrückt haltend, vorgefunden und in der Folge zweimal von einer Mitarbeiterin des Gerichts aufgefordert wurde, dieses Verhalten einzustellen und so streng genommen diese Zeugeneinvernahme nicht zu berücksichtigen ist, spielt für die gefällte Entscheidung keine Rolle, gibt aber den Blick frei auf das Verständnis hinsichtlich der Regeln eines Rechtsstaates durch die Zeugin und ist jedenfalls erwähnenswert.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Felizitas Luchner

(Richterin)

Schlagworte

Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“
Abweisung - Beschwerde; Transfer Investitionskapital; Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen; Durch die Einzahlung von Stammkapital allein kann noch kein Transfer von Investitionskapital iSd § 24 AuslBG nachgewiesen werden; Abweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.17.1377.5

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten