Entscheidungsdatum
10.11.2017Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W226 2175410-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2017, Zl. 10485210210-171194285 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren XXXX, Staatsangehörigkeit Weißrussland, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste illegal in Österreich ein und stellte am 16.12.2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 07.04.2015 wurde der BF im Rahmen einer Rücküberstellung (Dublin III-VO) aus Litauen nach Österreich überführt. Am 05.07.2015 wurde der BF aufgrund der Zustimmung der Republik Österreich aus Tschechien nach Österreich rücküberführt.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 10.05.2017 wurde dem BF weder Asyl noch subsidiärer Schutz eingeräumt, zudem kein Aufenthaltstitel zuerkannt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Weißrussland gemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Bescheid erwuchs am 30.05.2017 in Rechtskraft.
Am 14.02.2017 wurde der BF im Zuge einer Rücküberstellung nach dem Dublin-III-Übereinkommen aus der Schweiz nach Österreich rücküberstellt. Eine für den 02.08.2017 geplante Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat musste aufgrund des unbekannten Aufenthalts des BF storniert werden.
Am 18.10.2017 wurde der BF neuerlich aus der Schweiz nach Österreich rücküberstellt. In einer am selben Tage vorgenommenen Einvernahme zur Anordnung der Schubhaft führte der BF im Wesentlichen aus, er befinde sich seit drei Jahren in Österreich und habe keinen Aufenthaltstitel. Er sei auch in Deutschland und in der Schweiz gewesen und habe Weißrussland 2008 verlassen. Seine Familie lebe hier in Österreich und er wolle hier bleiben. Er habe keinen Wohnsitz und keinen Meldezettel, da er in der Schweiz gewesen sei. Er besitze aktuell € 500,- an Barmittel und einige tausend Euro auf seinem Konto. In Österreich lebe seine Lebensgefährtin und seine Tochter. In der Schweiz habe er illegal gearbeitet und habe er nicht vor Österreich zu verlassen. Er sei gesund. Einer allfälligen Abschiebung werde er sich widersetzen.
Der BF verweigerte die Unterschrift unter das Einvernahmeprotokoll.
In weiterer Folge wurde über den BF ein Schubhaftbescheid vom 18.10.2017 zur Sicherung der Abschiebung verhängt und im Wesentlichen ausgeführt, der BF sei in Österreich nicht aufrecht gemeldet und gegen ihn liege eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor. Er habe in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz und keine Familienangehörigen sowie keine sozialen Anknüpfungspunkte im Inland. Seine Kernfamilie lebe im Heimatland und habe sein bisheriges Verhalten ergeben, dass die Tatbestandselemente des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG erfüllt worden seien. Die Behörde gehe daher vom Vorliegen von Fluchtgefahr aus. Der öffentlichen Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates sei ein hoher Stellenwert zuzumessen und habe eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ergeben, dass das private Interesse des BF an der Schonung seiner persönlichen Freiheit den Interessen des Staates am reibungslos Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustellen sei. Von einer Anordnung eines gelinderen Mittels werde Abstand genommen, da seitens der Behörde Zweifel bestünden, dass dadurch eine ausreichende Sicherung der Abschiebung möglich wäre. Aufgrund des aufgezeigten Sachverhaltes, insbesondere des illegalen Aufenthaltes, des Fehlens finanzieller Mittel sowie des Fehlens der sozialen und wirtschaftlichen Integration im Inland sei daher die Verhängung eines gelinderen Mittels nicht in Frage gekommen.
Einer Beschwerde gegen diesen Schubhaftbescheid – mit welcher eine Vollmacht an die XXXX verbunden war - wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.11.2017, Zl. W171 2174840-1/10E, teilweise Folge gegeben, jedoch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.
Am 20.10.2017 stellte der BF einen neuen Antrag auf internationalen Schutz, als Begründung brachte er vor, er könne nicht in die Heimat zurück, da entweder Litauen oder Polen sich mit dem weißrussischen KGB in Verbindung gesetzt und vertrauliche Informationen über den Flüchtlingsstatus und die Asylgründe verraten hätten. Weiters habe er hier eine Familie und er habe Hepatitis. Er leide auch an einer psychischen Erkrankung. Diese neuen Gründe wisse er seit "letztem Jahr", auch die Eltern wären seitdem bedroht und verhört worden.
Am 24.10.2017 wurde dem Antragsteller gem. § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.
Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 31.10.2017 gemäß § 12a Abs. 2 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG und § 62 Abs. 2 AVG wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 idgF aufgehoben.
Die Verwaltungsakten wurden vom BFA am 02.11.2017 vorgelegt und langten am 06.11. 2017 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Sachverhalt:
Mit Bescheid des BFA vom 10.05.2017, Zl. 1048210210-140291078, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 16.12.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Im gegenständlichen Verfahren bezieht sich der BF auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des ersten vom BF initiierten Verfahrens bestanden haben, bzw. die bereits im Kern unglaubwürdig bzw. nicht asylrelevant sind.
In Bezug auf den BF besteht kein schützenswertes Privat und/oder Familienleben im Bundesgebiet. Der BF ist soweit gesund und befindet sich nicht laufend in dringender ärztlicher Behandlung.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des BF nach Weißrussland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringt. Es liegen keine Umstände vor, welche eine Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation ist nicht eingetreten.
Der Folgeantrag wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.
II.2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Person des BF und zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus der Aktenlage. Die den BF betreffende Sicherheitslage im Herkunftsstaat wurde durch Vorlage neuer Länderberichte erörtert und abgewogen und ist daher auf Grund der zeitlichen Nähe zum gegenständlichen Verfahren von ausreichender Aktualität auszugehen.
Die belangte Behörde begründete den bereits mehrfach erwähnten Bescheid vom 10.05.2017 wie folgt (auszugsweise):
"Feststellungen
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
? Zu Ihrer Person:
Ihre Identität steht nicht fest. Sie sind Staatsangehöriger von Weißrussland, sind Angehöriger der weißrussischen Volksgruppe und sind dem orthodoxen Glauben zugehörig. Ihre Muttersprache ist Weißrussisch. Soweit Sie in diesem Bescheid mit dem von Ihnen angegebenen Namen bezeichnet werden, dient dies lediglich der erforderlichen Individualisierung als Verfahrenspartei.
Sie haben in Weißrussland als XXXX und Arbeiter in einer XXXX gearbeitet. Sie haben einen Sohn, der mit seiner Mutter in der Russischen Föderation lebt und eine Tochter, die mit Ihnen und Ihrer Lebensgefährtin in XXXX lebt.
Sie haben XXXX in der Schweiz einen Asylantrag gestellt und wurden am XXXX von den Schweizer Behörden nach Weißrussland zurückgeführt.
Sie haben Weißrussland erneut im XXXX verlassen und haben gegenständlichen Asylantrag eingebracht. Sie sind illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist.
Am XXXX wurden Sie aus Litauen nach Österreich rücküberstellt.
Am XXXX wurden Sie aus Tschechien nach Österreich rücküberstellt.
Am XXXX wurden Sie aus der Schweiz nach Österreich rücküberstellt.
Sie leiden an Hepatitis C, welche zur Zeit keiner Behandlung bedarf, und den Spätfolgen eines Unfalles im Jahr 2008.
Sie verbüßten in Weißrussland eine dreijährige Haftstrafe.
? Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:
Es kann nicht festgestellt werden, dass Ihnen unter Zugrundelegung Ihres Vorbringens in Weißrussland Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen Ihrer politischen Ansichten drohen würde. Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie vom KGB verfolgt werden. Es kann ebenfalls nicht festgestellte werden, dass Sie einen Einberufungsbefehl erhalten haben.
? Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:
Eine Verfolgung in Ihrem Herkunftsstaat konnte ebensowenig festgestellt werden wie eine Bedrohungssituation im Falle Ihrer Rückkehr.
Sie verfügen über familiäre Anknüpfungspunkte (Eltern) in XXXX .
Im Falle einer Rückkehr nach Weißrussland ist von der erfolgreichen Abdeckung Ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse auszugehen.
? Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Sie leben im gemeinsamen Haushalt mit Ihrer Lebensgefährtin XXXX geb. XXXX StA. Georgien, und Ihrer Tochter XXXX , geb XXXX . Ihre Lebensgefährtin verfügt über eine Rot-Weiß-Rot- Karte plus, gültig bis XXXX und befindet sich zur Zeit in Karenz.
Sie haben in Österreich keine sozialen Kontakte, die Sie an Österreich binden.
Sie verfügen über kein Eigentum und sind auf Dauer nicht selbsterhaltungsfähig.
Es kann nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung Ihrer Person in Österreich besteht.
? Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:
1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
KI vom 23.9.2016, Parlamentswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)
In Weißrussland wurde am 11. September ein neues Parlament gewählt und erstmals seit 20 Jahren werden oppositionelle Abgeordnete darin vertreten sein: Die junge Anwältin Anna Kanopazkaja gewann einen Sitz für die liberale Vereinigte Bürgerpartei und Jelena Anisim von der Gesellschaft für Weißrussische Sprache trat als Unabhängige an, gilt jedoch als ideologisch der am Ende der Sowjetunion gegründeten Weißrussischen Nationalen Front (BNF) nahe und setzt sich für eine Stärkung der belarussischen Sprache ein. Die restlichen der 110 Mandate gingen an regimetreue Kandidaten. Nach Angaben der Wahlkommission lag die Wahlbeteiligung bei knapp 75%. Beobachter werteten die Wahl der beiden Oppositionellen als Zeichen für eine Kooperationsbereitschaft von Machthaber Alexander Lukaschenko mit dem Westen. Lukaschenko hofft angesichts der tiefen Wirtschaftskrise offenbar die Beziehungen zum Westen zu stärken. Es gibt Stimmen, die behaupten, der autoritär regierende Staatspräsident habe die beiden Oppositionellen ins Parlament einziehen lassen, um die Kritik von EU und den Vereinigten Staaten zu neutralisieren, dass es in Weißrussland keine demokratischen Wahlen gäbe (ZO 12.9.2016; vgl. RFE/RL 11.9.2016 und NZZ 12.9.2016).
Die OSZE war mit 400 Wahlbeobachtern vor Ort und kritisierte die Wahlen wegen mangelnder demokratischer Standards (OSZE 11.9.2016; vgl. NZZ 12.9.2016). Belarus hat seit Anfang der 1990er Jahre keine Wahl mehr abgehalten, die als frei und demokratisch bewertet wurde (RFE/RL 11.9.2016).
Über die Möglichkeiten der beiden Oppositionsabgeordneten im neuen Parlament gehen die Meinungen selbst in der zerstrittenen Opposition weit auseinander. Während das radikale Lager davon ausgeht, dass die beiden Frauen schnell von der Staatsmacht erpresst und mundtot gemacht werden, sehen Vertreter jener moderaten Parteien, die die Wahlen nicht boykottiert haben, durchaus einen gewissen Handlungsspielraum - auch wenn Lukaschenkos Parlament bisher nicht durch gesetzgeberische Eigeninitiative aufgefallen ist. So haben die Abgeordneten in der vergangen Legislaturperiode nur drei Gesetze in vier Jahren vorgeschlagen. Alle restlichen Gesetzesinitiativen kamen aus dem Präsidialamt (NZZ 12.9.2016).
Quellen:
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NZZ – Neue Zürcher Zeitung (12.9.2016): Zwei Oppositionelle gewählt,
http://www.nzz.ch/international/europa/weissrussland-zwei-oppositionelle-gewaehlt-ld.116368, Zugriff 23.9.2016
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OSZE – Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (11.9.2016): International Election Observation Mission, Republic of Belarus – Parliamentary Elections, 11 September 2016, http://www.osce.org/odihr/elections/263656?download=true, Zugriff 23.9.2016
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RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (11.9.2016):Opposition Figures Win Seats In Belarusian Parliament, http://www.rferl.org/content/article/27980719.html, Zugriff 23.9.2016
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ZO – Zeit Online (12.9.2016): Oppositionelle schaffen es ins Parlament von Belarus,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-09/alexander-lukaschenko-belarus-wahl-opposition-parlament, Zugriff 23.9.2016
KI vom 7.1.2015, Neuer Premierminister ernannt (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)
Ende 2014 hat der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko in der größten Regierungsumbildung seit 2010 neben dem Wirtschafts- und dem Industrieminister und der Leitung der Nationalbank, auch einen neuen Premierminister ernannt. Andrei Kabiakau (53) folgt Michail Mjasnikowitsch als Regierungschef nach. Kabiakau war zuvor Botschafter in Russland und Lukaschenkos Stabschef gewesen. Angeblich soll diese Maßnahme Belarus helfen, sich gegen die negative wirtschaftliche Entwicklung im Nachbarland und wichtigsten Handelspartner Russland zu schützen. Die Regierungsumbildung wird auch im Zusammenhang mit den 2015 bevorstehenden Präsidentschaftswahlen gesehen, bei denen Lukaschenko angeblich erneut antreten will. Analysten zufolge ist die Regierungsumbildung ein Versuch, vor der Präsidentenwahl die Schuld für wirtschaftliche Probleme auf andere abzuwälzen (RFERL 27.12.2014 / Die Welt 27.12.2014).
Quellen:
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Die Welt: Lukaschenko feuert seine wichtigsten Männer, http://www.welt.de/politik/ausland/article135785760/Lukaschenko-feuert-seine-wichtigsten-Maenner.html, Zugriff 7.1.2015
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RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (27.122014): Belarus's Lukashenka Appoints New PM,
http://www.rferl.org/content/lukashenka-belarus-new-prime-minister/26765257.html, Zugriff 7.1.2015
2. Politische Lage
Die Republik Belarus hat bei einer Landesfläche von 207.600 Quadratkilometer eine Bevölkerung von 9,5 Mio. (Stand 1.7.2014). Staatsoberhaupt ist seit 20.7.1994 Präsident Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko, der diktatorisch herrscht. Er wurde zuletzt am 19.12.2010 für weitere 5 Jahre gewählt. Regierungschef ist Michail Wladimirowitsch Mjasnikowitsch. Das weißrussische Parlament (Nationalversammlung) umfasst 110 Abgeordnete in der Repräsentantenkammer und 64 Deputierte im Rat der Republik. Die Mitglieder der Repräsentantenkammer wurden am 23.9.2012 gewählt; parallel wurden vom 6.-25.9. die Mitglieder des Rats der Republik für 4 Jahre gewählt. Der Regierung nahestehende Parteien sind:
Agrarpartei, Belarussische Sozial-Sportliche Partei, Kommunistische Partei von Belarus, Liberaldemokratische Partei von Belarus, Republikanische Partei für Arbeit und Gerechtigkeit, Belarussische Patriotische Partei, Republikanische Partei. Oppositionelle Parteien (nicht im Parlament vertreten) sind: Partei der Belarussischen Volksfront, Vereinigte Bürgerpartei, Belarussische Partei der Linken "Gerechte Welt" (ehemals: Partei der Kommunisten von Belarus), Belarussische Sozialdemokratische Partei (Gramada), Konservativ-Christliche Partei der Belarussischen Volksfront, Sozialdemokratische Partei der Volkseintracht, Belarussische Partei "Die Grünen". Bisher nicht registrierte Parteien sind: Belarussische Sozialdemokratische Partei "Narodnaja Gramada" ("Volksgemeinschaft"), Belarussische Frauenpartei "Nadseja" (Hoffnung), Belarussische Christliche Demokratie, Belarussische Partei der Werktätigen, Belarussische Ökologische Partei der Grünen, Freiheits- und Fortschrittspartei (AA 10.2014a).
Ihre staatliche Unabhängigkeit erhielt die Republik Belarus im Dezember 1991 mit der Auflösung der Sowjetunion Im Sommer 1994 fanden erstmals Präsidentschaftswahlen statt, aus denen in der Stichwahl Alexander Lukaschenko mit über 80% der Stimmen als Sieger hervorging. Im November 1996 ließ Präsident Lukaschenko ein Referendum zur Änderung der Verfassung abhalten, das ihm erheblich ausgeweitete Machtbefugnisse zu Lasten der demokratischen Gewaltenteilung einräumte. Damit verfügt der Präsident über umfangreiche legislative Rechte (präsidiale Dekrete, Erlasse und Anordnungen mit bindender, de facto den Gesetzen übergeordneter Wirkung). Seit 2000 finden alle vier Jahre reguläre Parlamentswahlen statt. Nach der Verfassungsänderung vom 17. November 2004 war es Alexander Lukaschenko möglich, auch bei den Präsidentschaftswahlen 2006 und 2010 zu kandidieren. Die letzten Präsidentschaftswahlen am 19.12.2010 sowie die jüngsten Parlamentswahlen am 23.9.2012 erfüllten nach Einschätzung der OSZE-ODIHR-Wahlbeobachtermission nicht die OSZE-Standards. Gewalttätige Ausschreitungen der Ordnungskräfte am Wahlabend des 19.12.2010 gegen Demonstranten und die zwischenzeitliche Festnahme von über 700 Personen leiteten eine Repressionswelle gegen Opposition, unabhängige Medien und Zivilgesellschaft ein, gegen die die EU wiederholt protestierte. Über 30 Personen wurden in der Folge der Demonstration am Wahlabend zu zum Teil mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die meisten von ihnen wurden zwar binnen weniger Monate freigelassen, allerdings ohne Rehabilitierung und teilweise unter Auflagen. Derzeit gibt es nach gemeinsamer Ansicht der EU-Mitgliedstaaten immer noch mehrere politische Gefangene. Eine "Regierungspartei" im eigentlichen Sinn gibt es in Belarus nicht. Mehr als 95% der Abgeordneten des weißrussischen Parlaments sind parteilos. Im November 2007 wurde die Pro-Lukaschenko-Sammlungsbewegung "Belaja Rus" gegründet, die sich nach ihrem Statut in eine Partei umwandeln könnte, was jedoch bisher nicht geschehen ist. Die Arbeit der Opposition, die bis zu den Präsidentschaftswahlen 2010 nur - und zudem begrenzt - im außerparlamentarischen Bereich wirken konnte, wurde nicht zuletzt durch die Verhaftungs- und Repressionswellen seit dem 19.12.2010 gelähmt. Bei den Parlamentswahlen am 23.9.2012 gelang keinem Vertreter der Opposition der Einzug in das Parlament. Auch bei den landesweiten Wahlen zu den örtlichen Räten im März 2014 wurden von fast 19.000 Sitzen in ca. 1.300 lokalen Räten nur 248 Sitze an Vertreter politischer Parteien vergeben. Die Opposition errang nur 3 Mandate. Oppositionelle Kandidaten berichteten von systematischer Benachteiligung im Wahlkampf und Verfälschungen im Auszählungsprozess (AA 10.2014b).
Quellen:
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AA- Auswärtiges Amt (10.2014a): Belarus, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Belarus_node.html, Zugriff 22.12.2014
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AA- Auswärtiges Amt (10.2014b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Belarus/Innenpolitik_node.html, Zugriff 22.12.2014
3. Rechtsschutz/Justizwesen
Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, aber die Behörden respektieren diese nicht. Korruption, Ineffizienz und politische Einmischung in Gerichtsentscheidungen sind weit verbreitet. Gerichte verurteilen Personen aufgrund falscher und politisch motivierter Anklagen. Beobachtern zufolge diktieren hohe Regierungsvertreter und Behörden die Urteile.
Menschenrechtsorganisationen zufolge besitzen Staatsanwälte zu viel Macht, können etwa Haft ohne die Erlaubnis eines Richters verlängern. Auch konstatieren sie ein Machtgefälle zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Verteidiger können Ermittlungsakten nicht einsehen, bei Verhören nicht anwesend sein, usw. Das alles gilt besonders für Fälle mit einem politischen Hintergrund. Angeklagte in Strafsachen wurden 2013 nur in wenigen Fällen freigesprochen. Auch Rechtsanwälte unterstehen dem Justizministerium und müssen ihre Lizenz alle fünf Jahre erneuern lassen. Laut Gesetz gilt die Unschuldsvermutung. Der Mangel an richterlicher Unabhängigkeit und Vorverurteilung durch die staatlichen Medien auferlegen es aber praktisch dem Angeklagten, den Unschuldsbeweis zu erbringen. Obwohl die Gesetze öffentliche Verfahren garantieren, wird die Öffentlichkeit gelegentlich faktisch ausgeschlossen. Es gibt keine Geschworenenprozesse. Richter entscheiden alleine oder in schweren Fällen im Kollegium mit zwei Laienrichtern. Die Rechte der Verteidigung werden nicht immer respektiert. Anwaltliche Vertretung ist vorgesehen, notfalls wird ein Pflichtverteidiger gestellt. Das Recht auf freie Wahl des Verteidigers wird immer wieder eingeschränkt. NGO-Anwälte dürfen etwa nur Mitglieder ihrer NGO vertreten. Anwälte, die politisch sehr heikle Fälle übernehmen, erhalten immer wieder auch Berufsverbote. Es gibt ein Beschwerderecht gegen Gerichtsentscheidungen, das die meisten Verurteilten auch nutzen. In den meisten Fällen wird das Urteil aber bestätigt (USDOS 27.2.2014).
Aufgrund der Abwesenheit von Gewaltenteilung im weißrussischen politischen System, ist die Justiz in Belarus nicht unabhängig. Richter und Staatsanwälte überlassen, aus Angst ihre Karrieren zu gefährden, die Entscheidungsfindung der Exekutive. Präsident Lukaschenko selbst ernennt und entlässt alle Richter. Richter werden zunächst für fünf Jahre ernannt, danach entweder unbefristet oder erneut für fünf Jahre. Die Kriterien hierfür sind nicht gesetzlich festgelegt. Auch Gehälter und Zulagen der Richter werden von der Präsidialverwaltung festgelegt. Menschenrechtsaktivisten und Oppositionelle werden auf Grundlage dubioser Vorwürfe (z.B.: Fluchen in der Öffentlichkeit oder Ruhestörung) regelmäßig inhaftiert. Ende 2013 zählten NGOs 11 politische Gefangene in Belarus (FH 12.6.2014).
Das Präsidialsystem von Belarus verleiht dem Präsidenten auch umfangreiche legislative Rechte. Dekrete des Präsidenten gehen in der Verfassungswirklichkeit Gesetzen vor und werden in großer Zahl verabschiedet. Das Rechtssystem wird zur staatlich geleiteten Repression und Einschüchterung aktiv genutzt. Aufgrund fehlender Unabhängigkeit in politisch relevanten Prozessen fallen in der Praxis keine Entscheidungen gegen staatliche Behörden oder Organe (AA 31.5.2014).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (31.5.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail
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FH - Freedom House (12.6.2014): Nations in Transit 2014 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/281068/411288_de.html, Zugriff 22.12.2014
-
USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/270655/400721_de.html, Zugriff 22.12.2014
4. Sicherheitsbehörden
Die zivilen Behörden, insbesondere Präsident Lukaschenko, üben die effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Die Polizei untersteht dem Innenministerium. Der KGB, die Abteilung für Finanzuntersuchungen des Staatlichen Kontrollkomitees, das Untersuchungskomitee und die präsidentiellen Sicherheitsdienste üben ebenfalls Polizeifunktionen aus. Der Präsident hat das Recht, alle Sicherheitsorgane seinem persönlichen Kommando zu unterstellen. Einzelpersonen haben zwar das Recht, Polizeiübergriffe der Staatsanwaltschaft anzuzeigen, aber die Regierung geht diesen oft nicht nach bzw. bestraft die Täter nicht. Die Behörden agieren generell in einem Klima der Straflosigkeit (USDOS 27.2.2014).
Die Sicherheitsbehörden wie das Innenministerium, das Komitee für Staatssicherheit (KGB) und das 2012 neu aufgestellte Ermittlungskomitee, unterliegen keiner effektiven unabhängigen parlamentarischen oder sonstigen Kontrolle. Sie unterstehen unmittelbar dem Präsidenten. Die Sicherheitsorgane werden für die gezielte Einschüchterung politischer Gegner - vor allem bei nicht genehmigten Demonstrationen - instrumentalisiert. Ein im Juli 2012 in Kraft getretenes neues Gesetz gibt dem Geheimdienst KGB polizeiliche Befugnisse, die er aber de facto auch schon vorher ausübte. Durchsuchungen von Wohnungen und Büros, Festnahmen und falls erforderlich auch Anwendung von Waffengewalt liegen nunmehr ausdrücklich auch in der Befugnis des KGB. Die Justiz trägt nicht zur Mäßigung der Sicherheitsorgane bei, vielmehr wird das Rechtssystem zur staatlich geleiteten Repression und Einschüchterung aktiv genutzt. Die Streitkräfte sind grundsätzlich nicht mit polizeilichen Aufgaben betraut. Präsident Lukaschenko hat in der Vergangenheit allerdings mehrfach öffentlich einen Einsatz der Streitkräfte auch im Innern indirekt angedroht (AA 31.5.2014).
Quellen:
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AA- Auswärtiges Amt (31.5.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail
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USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/270655/400721_de.html, Zugriff 22.12.2014
5. Folter und unmenschliche Behandlung
Die Gesetze verbieten Folter, der KGB, die Bereitschaftspolizei und andere Sicherheitsbehörden wenden aber weiterhin routinemäßig Gewalt gegen Demonstranten, zu Verhaftende, Inhaftierte oder während Ermittlungstätigkeiten an. Menschenrechtler, Oppositionsführer und aus der Haft entlassene Aktivisten berichten fortwährend von Folter und anderen Formen physischen und psychischen Missbrauchs von Verdächtigen in strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Ermittlungen. Einzelpersonen haben zwar das Recht, Polizeiübergriffe der Staatsanwaltschaft anzuzeigen, aber die Regierung geht diesen oft nicht nach bzw. bestraft die Täter nicht. Die Behörden agieren generell in einem Klima der Straflosigkeit (USDOS 27.2.2014).
Menschenrechtsgruppen berichten weiterhin von Fällen von Gewalt, Folter und psychischem Druck während der Haft von Anführern der demokratischen Opposition (FH 23.1.2014, vgl. UN 12.8.2014).
Die Verfassung von 1996 verbietet Folter und andere Arten unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.
Menschenrechtsaktivisten und Anwälte sowie unabhängige belarussische Medien berichteten demgegenüber mehrfach, dass Untersuchungsbehörden durch physischen und psychischen Druck versuchen, Geständnisse zu erzwingen. Bei Festnahmen und Vernehmungen durch die Miliz kommt es mitunter auch zu schweren körperlichen Übergriffen. Die dafür Verantwortlichen innerhalb der Sicherheitskräfte müssen kaum mit Verfolgung rechnen. Auch haben nach der Wiederwahl Lukaschenkos am 19.12.2010 politische Häftlinge bzw. ihre Angehörigen über Misshandlungen in den Haftanstalten und Straflagern berichtet (AA 31.5.2014).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (31.5.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail
-
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/274028/403075_de.html, Zugriff 22.12.2014
-
UN – United Nations General Assembly (12.8.2014): Situation of human rights in Belarus,
https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1414576880_n1450290belarus.pdf, Zugriff 22.12.2014
-
USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/270655/400721_de.html, Zugriff 22.12.2014
6. Korruption
Korruption ist nach dem Gesetz verboten, es gibt aber Berichte, dass Beamte weiterhin in korrupte Handlungen involviert sind. Offiziellen Quellen zufolge sind Bestechung, Betrug und Amtsmissbrauch die häufigsten Formen von Korruption, es scheint aber, dass diese nicht Teil des normalen Tagesgeschäfts zwischen Beamten und Bürgern ist. Das Fehlen einer unabhängigen Justiz und Strafverfolgung und mangelnde Gewaltenteilung machen es praktisch unmöglich, das Ausmaß der Korruption zu messen bzw. sie effektiv zu bekämpfen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist verantwortlich für die Organisation und Koordination der Aktivitäten zur Bekämpfung der Korruption. 2012 registrierten die Behörden 1.779 Korruptionsfälle, um 26,4% weniger als 2011. Darunter 933 Fälle von Bestechung, 224 Fälle von Amtsmissbrauch und 546 Fälle von Unterschlagung durch Amtsmissbrauch. Die Anzahl der Personen, die für diese Straftaten verurteilt wurden, sank gegenüber 2011 um 15% auf 1.151. Die höchsten Korruptionsraten werden in den Bereichen Industrie, Bildung, Landwirtschaft, Gesundheitswesen, und Baugewerbe registriert. 2012 begingen Beamte der Sicherheitsbehörden 116 Korruptionsdelikte (2010: 252). Es gab 2013 zahlreiche Strafverfolgungen wegen Korruption, sie blieben aber selektiv, intransparent und erschienen in einigen Fällen politisch motiviert. Belarussische Antikorruptionsgesetze erfordern Einkommens- und Vermögensoffenlegung durch ernannte und gewählte Amtsträger, deren Ehepartner und im Haushalt lebende volljährige Personen. Die Offenlegungserklärungen werden jedoch nicht publik gemacht. Für Nichteinhaltung sind Verwaltungssanktionen und Disziplinarstrafen vorgesehen. Nach dem Gesetz werden Antikorruptionsmaßnahmen von speziellen Antikorruptionsabteilungen in der Generalstaatsanwaltschaft, im KGB, im Innenministerium und Generalstaatsanwalt überwacht (USDOS 27.2.2014).
Der belarussische Rechtsrahmen zur Antikorruption ist relativ gut entwickelt. Er enthält einen Test für das Korruptionspotenzial von Gesetzentwürfen, sowie Rechtsvorschriften gegen Interessenskonflikte. Im Jahr 2003 erließ die Regierung das staatliche Programm zum Kampf gegen Kriminalität und Korruption, ein Maßnahmenplan zur besseren Koordinierung der Aktivitäten aller Vollzugsorgane. Dennoch ist Korruption weiterhin weit verbreitet. Nach Angaben des Generalstaatsanwalts, stieg die Zahl der registrierten Korruptionsdelikte in der ersten Hälfte des Jahres 2013 um 13,2% gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2012. Der große Ermessensspielraum der Bürokraten zur Regulierung wirtschaftlicher Aktivitäten bietet viele Möglichkeiten für Korruption. Verhaftungswellen unter dem Schlagwort Antikorruption sind keine Seltenheit in Belarus. Sie erhalten die Loyalität von Lukaschenkos Verbündeten und bieten dem Bürger Schuldige für die wirtschaftlichen Probleme des Landes. Das Jahr 2013 sah eine ungewöhnlich große Anzahl von Anklagen gegen hochrangige Bürokraten und Führungskräfte staatseigener Unternehmen (FH 12.6.2014).
Belarus liegt im 2013 Corruption Perceptions Index von Transparency
International mit einer Bewertung von 29 (von 100) (0=highly
corrupt, 100=very clean) auf Platz 123 (von 177) (je höher, desto
schlechter). Damit liegt das Land gleichauf mit der Dominikanischen Republik und vor z.B. Russland (Platz 127). Im 2012 Corruption Perceptions Index hatte das Land mit Bewertung 31 auf Platz 123 (von 176) gelegen, gleichauf mit z.B. Vietnam und vor Russland (Platz 133) (TI 2013 / TI 2012).
Quellen:
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FH - Freedom House (12.6.2014): Nations in Transit 2014 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/281068/411288_de.html, Zugriff 22.12.2014
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TI - Transparency International (2013): Corruption Perceptions Index, http://cpi.transparency.org/cpi2013/results/, Zugriff 22.12.2014
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TI - Transparency International (2012): Corruption Perceptions Index, http://www.transparency.org/cpi2012/results/, Zugriff 22.12.2014
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USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/270655/400721_de.html, Zugriff 22.12.2014
7. Wehrdienst
Gesetzliche Wehrpflicht besteht für alle Männer im Alter zwischen 18 und 27 Jahren. Die Dauer des Grundwehrdienstes von 6, 12 oder 18 Monaten richtet sich nach der abgeschlossenen Ausbildung des Wehrpflichtigen vor Antritt des Wehrdienstes. Wehrgerechtigkeit ist allgemein nicht gegeben, d.h. nicht alle geeigneten und verfügbaren Wehrpflichtigen werden einberufen. Der Anteil der vom Wehrdienst Zurückgestellten ist zwei bis drei Mal größer als der Anteil der tatsächlich Einberufenen. Bereits bei geringen gesundheitlichen Beschwerden, bei Aufnahme eines Studiums oder aus familiären Gründen wird die Einberufung zeitlich begrenzt oder darauf ganz verzichtet. Die genauen Voraussetzungen sind jedoch unbekannt. Für die Angehörigen der Sicherheitskräfte gibt es eine eigene Militärgerichtsbarkeit. Das Disziplinar- bzw. Strafbataillon der Streitkräfte wurde 2011 aufgelöst (AA 31.5.2014).
Ein gewisses Maß an Schikane gegen neue Rekruten, darunter Schläge und andere Formen der physischen und psychischen Gewalt, gab es angeblich auch 2013 weiterhin, wenn auch in geringerem Maße als in den Jahren davor, weil die Regierung die Strafverfolgung der Täter intensivierte (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
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AA- Auswärtiges Amt (31.5.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail
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USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/270655/400721_de.html, Zugriff 22.12.2014
7.1. Wehrersatzdienst
Die Wehrpflicht ist wesentlicher Bestandteil der Sicherheitsarchitektur und wird vom Präsidenten nachdrücklich als wichtige Institution in der belarussischen Gesellschaft unterstützt. Die in der Verfassung von 1994 vorgesehene Einrichtung eines zivilen Ersatzdienstes ist bis jetzt nicht erfolgt. Ein Gesetzgebungsprojekt für einen zivilen Ersatzdienst aus dem Jahre 2013 wurde am 20. Dezember 2013 zurückgezogen, sodass die allgemeine Norm der Wehrpflicht uneingeschränkt Bestand hat. (AA 31.5.2014).
Quellen:
- AA- Auswärtiges Amt (31.5.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail
7.2. Wehrdienstverweigerung / Desertion
Die Verweigerung des Wehrdienstes ist, bis auf wenige Ausnahmen, faktisch nicht möglich. In der Öffentlichkeit wird der Dienst in den Sicherheitskräften überwiegend als Ehrendienst angesehen, den ein junger Mann nicht verweigern kann. Daher stößt bereits die Frage der Wehrdienstverweigerung in der Bevölkerung auf breites Unverständnis. Nach der Verfassung sollen der Wehrdienst sowie Gründe und Bedingungen für eine Wehrdienstbefreiung bzw. für den Zivildienst gesetzlich geregelt werden. Ein solches Gesetz gibt es jedoch nach wie vor nicht. Ohne dass darauf ein Anspruch besteht, gibt es in der Praxis für Wehrpflichtige, die aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe ablehnen, einen militärischen Ersatzdienst in der Transportabteilung oder der militärischen Baudivision. In diesen Fällen entfällt zwar der militärische Eid, eine Einbindung in militärische Strukturen findet jedoch statt und es besteht die Pflicht zum Tragen der Uniform. Die Verweigerung des Dienstes mit der Waffe aus religiösen Gründen wird nach Aussagen eines Vertreters der Zeugen Jehovas in Belarus von Anfang 2014 teilweise hingenommen. Meldungen über unerlaubt abwesende bzw. fahnenflüchtige Soldaten sind selten (AA 31.5.2014).
Quellen:
- AA- Auswärtiges Amt (31.5.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail
8. Allgemeine Menschenrechtslage
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind nach wie vor, dass die Bürger ihre Regierung nicht durch Wahlen ändern können; das Fehlen einer effektiven Gewaltenteilung; häufige schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch die Behörden; und die Existenz politischer Gefangener. Weitere Menschenrechtsprobleme umfassen Misshandlung durch Sicherheitskräfte gegen Inhaftierte und Demonstranten und extrem schlechte Haftbedingungen (USDOS 27.2.2014).
Die Menschenrechtssituation in Belarus hat sich im Zuge der mängelbehafteten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2010 und dem anschließenden harten Vorgehen gegen friedliche Demonstranten und Oppositionelle, drastisch verschlechtert. Belarus wendet nach wie vor die Todesstrafe an und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit ein, unter anderem durch Schikanieren und Einschüchtern von Journalisten und restriktive NGO-Gesetze (HRW 17.9.2014).
Der UN Menschenrechtsrat bezeichnete Ende Juni 2014 die Natur der fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen in Belarus als systemisch und systematisch (UN 12.8.2014).
Die Menschenrechtssituation in Belarus hat sich zwischen Juli und September 2014 wenig verändert. Es herrscht weiterhin systematische Unterdrückung der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit. Trotzdem
1.600 Gefangene im Juli und August amnestiert wurden, sind immer noch politische Gefangene in Haft und zwei Straftäter sitzen in der Todeszelle (FCO 16.10.2014).
Quellen:
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FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (16.10.2014): Belarus -
Country of Concern: Latest update 30 September 2014, https://www.ecoi.net/local_link/292352/427165_de.html, Zugriff 22.12.2014
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HRW - Human Rights Watch (17.9.2014): Human Rights Watch UPR Submission to UNHRC: Belarus,
https://www.ecoi.net/local_link/286448/418424_de.html, Zugriff 22.12.2014
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UN – United Nations General Assembly (12.8.2014): Situation of human rights in Belarus,
https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1414576880_n1450290belarus.pdf, Zugriff 22.12.2014
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USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/270655/400721_de.html, Zugriff 22.12.2014
9. Meinungs- und Pressefreiheit
Die Verfassung garantiert die Freiheit der Rede und der Presse. Dennoch respektiert die Regierung diese Rechte nicht und hat zahlreiche Gesetze zur Zensur der Presse und der Öffentlichkeit durchgesetzt. Die staatliche Presse propagiert offizielle Sichtweisen. Einzelpersonen können ohne Angst vor möglichen Repressalien die Regierung nicht öffentlich kritisieren. Die Behörden filmen politische Treffen, führen oft Personenkontrollen durch und wenden andere Formen der Einschüchterung an. Die Behörden bedrohen, verhaften oder verletzen regelmäßig Journalisten. Der Inhalt von Medien wird streng kontrolliert. Die nationale Sicherheit wird auch oft als Grund für Medienzensur vorgebracht. Diffamierung des Präsidenten wird mit hohen Geld- und Gefängnisstrafen von bis zu vier Jahren bestraft. Die breite Masse der Publikationen übt Selbstzensur. E-Mails und Internet-Chatrooms werden überwacht. Die freie Äußerung von Meinungen im Internet und in E-Mails birgt die Gefahr von Repressalien. Oppositionelle Aktivisten haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ihre Online-Kommunikation überwacht wird. Während Demonstrationen oder Wahlen werden unabhängige und oppositionelle Seiten von staatlichen Providern geblockt (USDOS 27.2.2014).
Die meisten Medien sind staatlich kontrolliert und Zensur von Fernsehen, Radio und Internet ist weit verbreitet. Die Behörden schikanieren weiterhin unabhängige Journalisten wegen ihrer Arbeit, u. a. durch willkürliche Verhaftungen, Verwarnungen und strafrechtliche Verurteilungen. Journalisten, vor allem diejenigen, die für ausländische Nachrichtenagenturen arbeiten, stehen vor großen Schwierigkeiten bei der Akkreditierung. Medien werden mit der Schließung bedroht. Die Behörden verbieten häufig Berichterstattung über öffentliche Demonstrationen und offene Gerichtsverhandlungen. Im Jahr 2013 nahm die Polizei 25 Journalisten fest, die über öffentliche Proteste berichtet hatten und Gerichte verurteilten mindestens vier von ihnen zu kurzen Haftstrafen. In der ersten Hälfte 2014 nahmen die Behörden 17 Journalisten willkürlich fest. Mindestens drei wurden wegen Hooliganismus zu bis zu 10 Tagen Haft verurteilt (HRW 17.9.2014).
Es existiert eine auflagenschwache unabhängige bzw. nicht-staatliche Presse, die regelmäßig kritisch über die politische Führung des Landes berichtet. Auch im Internet finden sich unabhängige und dezidiert regimekritische Webportale, auf die man frei zugreifen kann. Seit 2011 ist von Amstgebäuden und Bildungseinrichtungen aus, der Zugriff auf einige oppositionelle Webseiten gesperrt. Von Privatanschlüssen aus sind alle Webseiten zugänglich. Unabhängige Printmedien stehen unter ständigem Druck, Verwarnungen oder Abmahnungen des Informationsministeriums wegen inhaltlicher oder formaler Fragen zu vermeiden. Nach zwei Verwarnungen binnen Jahresfrist können Medien geschlossen werden, wozu es bisher jedoch nicht kam. Ferner kämpfen alle unabhängigen Zeitungen mit massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die zum Teil gezielt vom Staat herbeigeführt werden (beispielsweise durch Einschüchterung und Abschreckung von potentiellen Werbekunden, durch zeitweise Einschränkung des Zugriffs auf preiswertes einheimisches Zeitungspapier, durch Einschränkungen beim Zugang zum staatlichen Vertriebssystem sowie durch die Subventionierung staatlicher Medien). Bei Journalisten kommt es zuweilen im Rahmen ihrer Tätigkeit zu vorübergehenden Festnahmen und Arreststrafen, insbesondere bei Fotojournalisten, die unliebsame Aktionen oder Sachverhalte bildlich festhalten wollen. Fernsehen und Rundfunk befinden sich in staatlicher Hand, dort wird ausschließlich die offizielle politische Linie propagiert (in Privatradios sind ausschließlich unpolitische Unterhaltungsprogramme zugelassen). Nur vor Wahlen wird Oppositionspolitikern begrenzter Raum für Auftritte in Kandidaten-Debatten eingeräumt. Unabhängige Fernsehsender gibt es in Belarus nicht. Jedoch ist der Empfang von Satellitensendern über Kabelanbieter oder Direktempfang grundsätzlich möglich (AA 31.5.2014).
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