TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/25 W209 2173614-1

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Entscheidungsdatum

25.10.2017

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch

W209 2173614-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Gabriele STRAßEGGER und Robert LADINIG als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, HXXXX, XXXX, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Bruck/Leitha vom 01.09.2017, GZ: RAG/A05661/2017, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde vom 21.08.2017 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Bruck/Leitha vom 20.07.2017 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 20.07.2017 sprach das Arbeitsmarktservice Bruck/Leitha (im Folgenden die belangte Behörde) gemäß § 38 iVm § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) den Verlust des Anspruches der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe für die Zeit von 12.07.2017 bis 05.09.2017 (8 Wochen) aus. Nachsicht wurde nicht erteilt. Begründend führte es aus, dass die Beschwerdeführerin nicht zu einer Vorauswahl für eine Stelle als Reinigungskraft mit möglichem Arbeitsantritt am 12.07.2017 erschienen ist. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 21.08.2017 fristgerecht Beschwerde.

2. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 01.09.2017 schloss die belangte Behörde die aufschiebenden Wirkung der Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung aus, dass die Beschwerdeführerin bereits seit 06.10.2016 im Notstandshilfebezug stehe, aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen hervorgehe, dass gegen die Beschwerdeführerin Exekutionen laufen würden, und mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 29.08.2016 bereits eine Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG für die Zeit von 17.06.2016 bis 28.07.2016 verhängt worden sei. Im Fall der Beschwerdeführerin sei von Langzeitarbeitslosigkeit verbunden mit Arbeitsunwilligkeit auszugehen. Die betriebenen Exekutionen würden die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet bzw. sogar aussichtslos erscheinen lassen.

3. Mit E-Mail vom 04.10.2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung durch die von ihr bevollmächtigte Jenny SZILÁGYI rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die damit begründet wurde, dass die Beschwerdeführerin körperlich und psychisch schwerstens erkrankt sei und von Arbeitsunwilligkeit daher keine Rede sein könne. Sie haben einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt. Derzeit werde ihre Arbeitsfähigkeit ärztlich überprüft. Sie werde entsprechende Gutachten unaufgefordert vorlegen. Sie habe den Termin für die Vorauswahl krankheitsbedingt nicht wahrnehmen können. Es drohe ihr eine Räumungsklage und die Abschaltung des Stromes. Niemand begebe sich freiwillig in eine solche Situation.

4. Am 17.10.2017 einlangend legte die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Ausschluss der der aufschiebenden Wirkung samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und teilte mit, dass sie nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung in der Hauptsache absehen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin steht seit 06.10.2016 im Notstandshilfebezug.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 29.08.2016 wurde gegen sie bereits eine Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG für die Zeit von 17.06.2016 bis 28.07.2016 verhängt.

Gegen die Beschwerdeführerin liefen mit Stand 01.09.2017 Exekutionen wegen Forderungen diverserer Gläubiger in Höhe von insgesamt €

19.795,93.

Eine schwerwiegende Erkrankung bzw. die krankheitsbedingte Versäumung des Termins für die Vorauswahl konnten auf Grund der Aktenlage vorläufig nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und entspricht den Feststellungen des angefochtenen Bescheides, denen die Beschwerde nur insofern entgegengetreten ist, als darin vorgebracht wird, dass die Beschwerdeführerin schwerstens erkrankt sei.

Eine Überprüfung dieses Vorbringens im Rahmen des gegenständlichen Eilverfahrens durch Einsichtnahme in den Versicherungsdatenauszug bzw. den Bezugsverlauf der Beschwerdeführerin hat jedoch ergeben, dass weder vor der Erlassung des Bescheides am 20.07.2017 noch danach ein Krankenstand der Beschwerdeführerin dokumentiert ist. Insofern ist daher vorläufig davon auszugehen, dass keine schwerwiegende Erkrankung der Beschwerdeführerin vorliegt, die sie an der Wahrnehmung des Termins gehindert hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden hat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören. Gegenständlich liegt daher Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung von der Behörde mit Bescheid ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 – sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist – dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

Die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG entsprechen großteils jenen des § 64 Abs. 2 AVG (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5 ff.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet ist (RV 2009 BlgNR 24. GP). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Zl. 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit ohne Weiteres auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.

Dementsprechend genügt für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht, dass ein Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles an der vorzeitigen Vollstreckung des Bescheides besteht, sondern es muss darüber hinaus noch die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31). "Gefahr im Verzug" bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist. Die Annahme, dass Gefahr in Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mH auf die Erkenntnisse des VwGH vom 24.05.2002, Zl. 2002/18/0001, und vom 22.03.1988, Zl. 87/07/0108). Die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).

Die belangte Behörde begründete den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung u.a. damit, dass die Beschwerdeführerin bereits seit 06.10.2016 im Notstandshilfebezug stehe, aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen hervorgehe, dass gegen die Beschwerdeführerin Exekutionen laufen würden, und mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 29.08.2016 bereits eine Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG für die Zeit von 17.06.2016 bis 28.07.2016 verhängt worden sei. Im Fall der Beschwerdeführerin sei von Langzeitarbeitslosigkeit verbunden mit Arbeitsunwilligkeit auszugehen. Die betriebenen Exekutionen würden die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet bzw. sogar aussichtslos erscheinen lassen.

Mit diesem Vorbringen ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht.

Den Feststellungen zufolge liefen gegen die Beschwerdeführerin mit Stichtag 01.09.2017 Exekutionen wegen Forderungen diverserer Gläubiger in Höhe von insgesamt € 19.795,93. Zudem steht die Beschwerdeführerin den Angaben der Beschwerde nach kurz vor der Delogierung. Damit ist der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten, weil angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Beschwerdeführerin die Möglichkeit besteht, dass die im Falle einer Abweisung der Beschwerde in der Hauptsache vorläufig weitergewährten und in der Folge von der Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zurückzuerstattenden Leistungen uneinbringlich werden könnten.

Anhaltspunkte, dass die Interessen der Beschwerdeführerin durch den vorzeitigen Vollzug stärker berührt werden als das Interesse der Versichertengemeinschaft am sofortigen Vollzug des Bescheides, liegen nach der Aktenlage nicht vor. Danach ist nicht von einer – von der belangten Behörde unberücksichtigt gebliebenen – schwerwiegenden Erkrankung der Beschwerdeführerin auszugehen, welche die Aufhebung des in der Hauptsache ergangenen Bescheides mangels Verschuldens der Beschwerdeführerin bzw. wegen einer möglichen Nachsicht der Rechtsfolgen der Arbeitsvereitelung erwarten ließe und somit dem Überwiegen der Interessen der Versichertengemeinschaft am sofortigen Vollzug des Bescheides entgegenstünde.

Die Durchführung ergänzender Ermittlungen (allenfalls im Rahmen einer mündlichen Verhandlung) ist gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG, wonach das Verwaltungsgericht über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat, ausgeschlossen.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Mit der gegenständlichen Entscheidung wird einer Entscheidung in der Hauptsache nicht vorgegriffen. Die Entscheidung darüber erfolgt (allenfalls im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung durch die belangte Behörde) zu einem späteren Zeitpunkt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Die Revision ist daher nicht zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Gefahr im Verzug, Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W209.2173614.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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