TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/19 2000/05/0111

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Veröffentlicht am 19.09.2000
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1;
BauO NÖ 1996 §77 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Dr. Gerhard Mayerhofer und der Ingrid Mayerhofer in Pressbaum, beide vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. April 2000, Zl. RU1-V-98128/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

1. Gemeinnützige Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Alpenland reg. Gen. m.b.H. in St. Pölten, vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 28, 2. Marktgemeinde Pressbaum, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einer Eingabe vom 2. Oktober 1995, eingelangt bei der Behörde am 4. Oktober 1995, beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für eine Wohnhausanlage, bestehend aus drei Gebäuden mit insgesamt 67 Wohnungen und einer Tiefgarage, auf dem Grundstück Nr. 107/1 und 2, EZ 75, KG Pressbaum. Weiters wurde der Abbruch des Altbestandes (Tennisanlage und Wohnhaus) beantragt.

Über dieses Baugesuch wurde eine erste mündliche Verhandlung am 14. Dezember 1995 durchgeführt, in der sich die Anrainer, unter ihnen die Beschwerdeführer, gegen das Bauvorhaben aussprachen. Nach Ergänzung der Einreichunterlagen wurden mehrere Verhandlungen als Fortsetzungsverhandlungen durchgeführt.

Mit Bescheid vom 9. Jänner 1998 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung. Die Einwendungen der Beschwerdeführer und anderer Anrainer wurden teils auf den Zivilrechtsweg verwiesen, teils als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Anrainer (unter ihnen der Beschwerdeführer) hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 14. August 1998 der Berufung insofern Folge gegeben, als zusätzlich zu den bisherigen Auflagen der Erstmitbeteiligten noch vorgeschrieben wurde, zwischen dem Garagentor und der Straßenfluchtlinie einen Abstand von zumindest 10 m einzuhalten. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Anrainer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. Dezember 1998 den Bescheid des Gemeinderates vom 14. August 1998 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen. Grund für die Aufhebung war, dass nach den Projektunterlagen 86 Garagenplätze und 5 Abstellplätze im Freien vorgesehen waren. Hiezu hätten die Baubehörden der Gemeinde ein lärmtechnisches, ein umweltschutztechnisches und ein ärztliches Gutachten eingeholt, die zum Ergebnis gekommen seien, dass mit erhöhten Immissionen bei den Anrainern nicht zu rechnen sei. Die Zu- und Abfahrtsrampe zu den Garagen sei weitestgehend geschlossen. In der Bauverhandlung vom 24. April 1997 sei ausgeführt worden, dass die Be- und Entlüftungsanlage der Tiefgarage Gegenstand eines eigenen Bauverfahrens sein werde. Die Meinung der Baubehörden der Gemeinde, dass diese Be- und Entlüftungsanlage zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden könne, sei nicht richtig, da es sich hiebei um kein trennbares Vorhaben handle. Ein Bauvorhaben sei nämlich grundsätzlich ein unteilbares Ganzes, das nur als solches von der Behörde bewilligt oder abgelehnt werden könne. Die vorgenommene Trennung für die Bewilligung für die Wohnhausanlage und der Be- und Entlüftungsanlage erweise sich als gesetzlich unzulässig. Auf das Bauvorhaben sei infolge der Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Nö. Bauordnung 1996 die Nö. Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-14 anzuwenden.

Am 16. Dezember 1997 hatte die erstmitbeteiligte Partei Einreichpläne für die Garagenentlüftung eingereicht und um Erteilung der Bewilligung ersucht.

Mit Bescheid vom 5. Juli 1999 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde neuerlich über die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 9. Jänner 1998 entschieden, der Berufung teilweise Folge gegeben und den Baubewilligungsbescheid wie folgt neu gefasst:

"Der Gemeinderat der Marktgemeinde Pressbaum als Baubehörde zweiter Instanz erteilt Ihnen über das Ansuchen vom 2.10.1995, der Ergänzung und Abänderung vom 18.6.1996, der technischen Beschreibung der Garagenentlüftung der GGE Gebäudetechnik und Energieplanungsges.m.b.H. vom 5.2.1999 und Ergänzung derselben vom 3.3.1999 sowie auf Grund des Ergebnisses der Bauverhandlungen vom 14.12.1995, 24.10.1996, 12.12.1996, 24.4.1997 und 21.5.1999, gemäß § 92 Abs. 1 NÖ BO 1976, LGBl. 8200-9 die Bewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage (67 Wohneinheiten) und Demolierung des Altbestandes auf dem Bauplatz in 3021 Pressbaum Fünkhgasse 40, Grundstück 107/7, EZ 75, Grundbuch Pressbaum."

Es folgen 30 Auflagen.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Anrainer hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass die Lüftungsanlage für die Garage einem eigenen Bauverfahren vorbehalten gewesen sei. Vom Bauansuchen über die Wohnhausanlage sei die Lüftungsanlage für die Garage nicht umfasst gewesen, ein diesbezügliches Ansuchen habe die Erstmitbeteiligte am 16. Dezember 1997 bei der Baubehörde eingebracht. Die Baubehörde erster Instanz sei der Bürgermeister, Baubehörde zweiter Instanz der Gemeinderat. Über das Bauansuchen hätte also der Bürgermeister und nicht der Gemeinderat zu entscheiden gehabt. Zum Zeitpunkt der Einbringung des Bauansuchens vom 16. Dezember 1997 sei bereits die Nö. Bauordnung 1996 in Kraft gewesen, was zur Folge habe, dass eine Entscheidung hierüber nach der Nö. Bauordnung 1996 zu erfolgen habe. Es sei daher unzulässig, das Bauverfahren nach der Nö. Bauordnung 1976 durchzuführen, wie es hier erfolgt sei. Schon aus diesem Grunde habe der Vorstellung stattgegeben werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem ausgeführten Beschwerdepunkt erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, dass nicht die Nö. Bauordnung 1996 sondern die Nö. Bauordnung 1976 anzuwenden sei. Die Nö. Bauordnung 1976 enthalte einen wesentlich umfassenderen Anrainerschutz als die neue Bauordnung.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Gemäß § 61 Abs. 4 der Nö. Gemeindeordnung 1973 hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesstelle ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Die Bindung sowohl der Gemeinde als auch der anderen Parteien des Verfahrens erstreckt sich ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf jene Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde, die in Wahrheit zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen.

Abgesehen davon, dass der unbekämpft gebliebene aufsichtsbehördliche Bescheid vom 21. Dezember 1998 als Aufhebungsgrund ausdrücklich die rechtliche Unteilbarkeit des Garagenentlüftungsprojektes vom übrigen Bauvorhaben ausgeführt hat, was somit Bindungswirkung sowohl für die Gemeinde als auch die Parteien des Verfahrens und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes entfaltet hat, war diese Entscheidung auch richtig, bezogen sich die Garagenabstellplätze doch größtenteils auf Pflichtstellplätze, deren Entlüftungsanlage von der Baubewilligung für die Wohnhausanlage nicht getrennt werden konnte.

Das Bauverfahren war seit der Einbringung des Baugesuches am 4. Oktober 1995 anhängig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ein ergänzendes Baugesuch betreffend die Garagenentlüftung erst im Dezember 1997 eingebracht wurde, wurde doch dadurch der Bauwille des Bauwerbers nicht geändert, es handelte sich vielmehr um die Ergänzung eines technisch erforderlichen Teiles des gesamten Bauvorhabens. Infolge der Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Nö. Bauordnung 1996 sind auf anhängige Bauverfahren die Bestimmungen der Nö. Bauordnung 1976 anzuwenden.

Da die die Aufhebung tragenden Gründe in der Folge Bindungswirkung entfalten, und die Beschwerdeführer dadurch in ihren Rechten beeinträchtigt sind, dass die belangte Behörde den Gemeindebehörden die Rechtsansicht überbunden hätte, dass für das fortgesetzte Verfahren die Nö. Bauordnung 1996 anzuwenden ist, welche zum Vergleich zur Nö. Bauordnung 1976 ein eingeschränktes Mitspracherecht der Nachbarn normiert, waren die Beschwerdeführer auch berechtigt, gegen den aufhebenden Bescheid der Vorstellungsbehörde Beschwerde einzubringen.

Da davon auszugehen ist, dass das Bauvorhaben einschließlich der Garagenentlüftungsanlage ein unteilbares Vorhaben ist, hat die belangte Behörde zu Recht ausgesprochen, dass zur Entscheidung über das gesamte, durch die Garagenentlüftungsanlage ergänzte Vorhaben der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz zuständig ist, und dieser über das gesamte Vorhaben noch keine Entscheidung getroffen hat.

Um Missverständnisse auszuräumen, die insbesondere in der Gegenschrift der erstmitbeteiligten Partei (Seite 5) dokumentiert sind, weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass auf Grund des Umstandes, dass bisher noch keine Entscheidung des Bürgermeisters über das gesamte Bauvorhaben ergangen ist, nicht davon ausgegangen werden kann, dass über die Einwendungen der Beschwerdeführer im Zusammenhalt mit einem Sachverständigengutachten mit dem Bescheid der belangten Behörde rechtskräftig abgesprochen worden sei.

Die Beschwerdeführer erblicken eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, dass die belangte Behörde zu Unrecht nicht beachtet habe, dass der Bürgermeister die Verhandlung im Berufungsverfahren geleitet habe, obwohl nicht er sondern der Gemeinderat die Entscheidung gefällt hat und überdies ein Rechtsanwalt beigezogen wurde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, sind die Teile der Begründung des angefochtenen Bescheides, welche nicht zur Aufhebung des bekämpften Bescheides geführt haben, keine tragenden Aufhebungsgründe, sie entfalten für das weitere Verfahren auch keine Bindungswirkung (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/05/0304). Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/05/0226, ausgeführt, dass kein gesetzliches Verbot besteht, wonach die Ergebnisse der von einer unzuständigerweise einschreitenden Behörde vorgenommenen Ermittlungen für das weitere, von der zuständigen Behörde durchgeführte Verfahren nicht mehr herangezogen werden dürften. Sie unterlägen allerdings der Beweiswürdigung der zur Entscheidung berufenen zuständigen Behörde. Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken. Dadurch, dass der Bürgermeister zur Verhandlung einen Rechtsbeistand zugezogen hat, sind die Beschwerdeführer in keinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. September 2000

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Baubewilligung BauRallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000050111.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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