TE Vfgh Erkenntnis 2017/6/28 E1845/2016

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Veröffentlicht am 28.06.2017
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Index

L4000 Anstandsverletzung, Bettelei, Ehrenkränkung, Lärmerregung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall im Hinblick auf die verhängte Geldstrafe; im Übrigen Zurückweisung der Beschwerde

Spruch

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerde gegen den Strafbescheid der Landespolizeidirektion Salzburg betreffend die Geldstrafe abgewiesen wurde, wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Das Land Salzburg ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.       Der Beschwerdeführerin wurde wegen Verstoßes gegen die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg vom 20. Mai 2015 betreffend Betteln in der Stadt Salzburg gemäß §29 Abs2 Salzburger Landessicherheitsgesetz (Salzburger Bettelverbots-VO) mit Bescheid der Landespolizeidirektion Salzburg u.a. eine Geldstrafe in der Höhe von € 100,– auferlegt, weil sie in der Getreidegasse der Landeshauptstadt Salzburg gebettelt habe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Salzburg mit näherer Maßgabe betreffend die Geldstrafe abgewiesen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

2.       Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 Z2 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des mit erstem Spiegelstrich beginnenden Absatzes der Salzburger Bettelverbots-VO ein. Mit Erkenntnis vom 28. Juni 2017, V27/2017, stellte er fest, dass näher bezeichnete Wortfolgen der Salzburger Bettelverbots-VO gesetzwidrig waren.

3.       Die Beschwerde ist begründet.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat eine gesetzwidrige Verordnungsbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

Die Beschwerdeführerin wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).

Das Erkenntnis ist daher in dem im Spruch unter Punkt I.1. bezeichneten Umfang aufzuheben.

4.       Soweit sich die Beschwerde jedoch gegen die mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg unter einem erkannte Aufhebung des Verfallsausspruchs richtet, ist die Beschwerde mangels Beschwer der Beschwerdeführerin zurückzuweisen (siehe nur VfGH 19.2.2015, E1116/2014). Ebenso zurückzuweisen ist die Beschwerde gegen den mit der Aufhebung des Verfallsausspruchs zusammenhängenden Ausspruch über die Nichtzulässigkeit der ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof (Art144 Abs5 B-VG).

5.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG bzw. gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E1845.2016

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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