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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des BK in K, vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, Dinstlstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. April 1995, Zl. GA 7 - 776/95, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 8. November 1994 beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht der "fälligen Steuerverbindlichkeiten", weil die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Unbilligkeit liege deshalb vor, weil er sich in einer Notlage befinde und seine Existenz gefährdet sei. Er verfüge weder über ausreichendes Vermögen noch über ein pfändbares Einkommen, sodass die Voraussetzungen des § 236 BAO gegeben seien. In eventu beantrage er die Löschung mangels Einbringlichkeit, wenn die Abgabenbehörde erster Instanz alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht habe oder die Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos seien.
Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. November 1994 auf, weitere Angaben zu seinem Nachsichtsansuchen zu machen. Es sei Sache des Beschwerdeführers, unter Ausschluss jeglichen Zweifels darzulegen, dass die Einhebung einer Abgabe unbillig sei. Das kurze Vorbringen in der Eingabe sei dazu nicht geeignet.
In einem Schreiben vom 16. Dezember 1994 führte der Beschwerdeführer zur "Begründung des Nachsichtsansuchens" aus, dass er monatlich netto 11.490 S verdiene. Er habe einen Unterhaltsrückstand gegenüber seinen beiden Töchtern von 129.000 S. Auf diese Verbindlichkeit habe er monatlich 500 S und an laufendem Unterhalt monatlich 4.000 S zu bezahlen. Weiters verweise er auf seine Krankheiten (Hypercholesterinaemie und Diabetes). Es verbleibe ihm ein monatlicher Betrag von 6.990 S, mit dem er sich und seine Ehefrau versorgen müsse. Dieser Betrag liege weit unter dem gesetzlichen Existenzminimum. Aus diesen Gründen sei die Einhebung der Abgabenverbindlichkeiten unbillig, weil dies seine wirtschaftliche Existenz und die seiner Ehefrau schwer gefährden würde.
Mit Bescheid vom 17. Jänner 1995 wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen über Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von 237.543 S ab. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit entweder persönlich oder sachlich bedingt sein müsse. Unbilligkeit liege aber nur dann vor, wenn gerade durch die Nachsicht als gesichert gelten könne, dass die Existenzgefährdung beseitigt werde. Beim Beschwerdeführer bestehe neben den Abgabenverbindlichkeiten in der Höhe von 237.543 S auch eine Unterhaltsverbindlichkeit in der Höhe von 127.000 S, die durch monatliche Ratenzahlungen in der Höhe von 500 S bedient werde. Bei der Ansicht des Beschwerdeführers, durch weitere Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt seine Existenz zu gefährden, übersehe er, dass auch die sofortige Bezahlung der gesamten Unterhaltsverbindlichkeiten (127.000 S) seine Existenz gefährden würde. Es könne nicht die Abgabenverbindlichkeit isoliert betrachtet und nur darauf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Beschwerdeführers zurückgeführt werden. Weiters verringere sich die Unterhaltsverbindlichkeit auf Grund der monatlichen Ratenzahlungen. Der einseitige Verzicht der Abgabenbehörde würde die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers nicht wesentlich verändern, sondern lediglich als einseitige Maßnahme den oder die anderen Gläubiger bevorzugen. Auf Grund des Alters des Beschwerdeführers (Anm.: geboren am 31. Juli 1957) sei darüber hinaus auch nicht von einer ständigen Mittellosigkeit des Beschwerdeführers auszugehen. Es mangle daher an der persönlichen Unbilligkeit der Einhebung. Eine sachliche Unbilligkeit sei nicht behauptet worden, weshalb darauf nicht einzugehen sei. Außerdem wäre selbst bei Vorliegen der Unbilligkeit im Rahmen der dann zu treffenden Ermessensentscheidung das Nachsichtsansuchen abzuweisen. Denn der Abgabenrückstand beruhe darauf, dass dem Finanzamt erst durch eine spätere Kontrollmitteilung bekannt geworden sei, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1991 und 1992 einkommen- und umsatzsteuerliche Einkünfte bezogen und somit die abgabenrechtliche Anzeigepflicht nach § 120 BAO verletzt habe. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers bewirke, dass Nachsichtswürdigkeit nicht gegeben sei.
In der Berufung vom 17. Februar 1995 führte der Beschwerdeführer aus, dass die Unterhaltsverpflichtung in der Höhe von 127.000 S im Gegensatz zu den Abgabenverbindlichkeiten von keiner Behörde nachgesehen oder ermäßigt werden könne. Ein einseitiger Verzicht der Abgabenbehörde würde seine wirtschaftliche Situation wesentlich verbessern. Nach der ständigen unterhaltsrechtlichen Judikatur des OGH könne eine Abgabenverbindlichkeit die Bemessungsgrundlage für Unterhaltsansprüche von Kindern und Ehefrauen nicht mindern. Er müsse daher unabhängig von der Höhe seiner Abgabenverbindlichkeiten laufend Unterhalt für seine Kinder leisten. Der Umstand, dass er seinen Unterhaltsrückstand ratenweise abstatte, könne daher nicht als Argument gegen den von ihm gestellten Antrag auf Nachsicht der Abgabenverbindlichkeit herangezogen werden. Die Einhebung der Abgabenverbindlichkeit sei auch aus persönlichen Gründen unbillig, weil mit dieser Einhebung eine Notlage bei seiner Familie und ihm entstehe und auch deren Existenz ernsthaft gefährdet würde. Zur sachlichen Unbilligkeit sei zu ergänzen, dass er als Handelsvertreter tätig gewesen sei und aus diesem Grund mit seinem Fahrzeug mehr als 200.000 km in den Jahren 1991 und 1992 unterwegs gewesen sei. Dadurch seien erhebliche Aufwendungen entstanden, sodass er nach seinen Einschätzungen in den Jahren 1991 und 1992 keinen steuerpflichtigen Gewinn erwirtschaftet habe. Die bescheidmäßig festgesetzten Steuerbeträge seien jedenfalls überhöht. Da sämtliche Voraussetzungen für die beantragte Nachsicht der Abgabeneinhebung vorlägen, hätte dem Antrag zumindest zum Teil stattgegeben werden müssen. Bei Anwendung des pflichtgemäßen Ermessen der Behörde wäre zumindest ein Nachlass von 50 % der bescheidmäßig festgestellten und zur Vorschreibung gebrachten Abgaben vertretbar und aus den dargestellten persönlichen und sachlichen Gründen auch angemessen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. April 1995 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Maßgebend bei der Beurteilung der Unbilligkeit aus "persönlichen" Gründen seien die voraussichtlichen Auswirkungen der Einbringung der Abgaben auf die Einkommens- und Vermögenslage des Abgabepflichtigen. Es sei Aufgabe des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die Nachsicht gestützt werden könne. Unter Berücksichtigung der derzeitigen Unterhaltsverpflichtung für drei Personen (Ehefrau und zwei Kinder) ergebe sich, dass das monatliche Gesamteinkommen (Monatsgehalt als Angestellter von 11.490 S) des Beschwerdeführers den derzeit geltenden unpfändbaren Freibetrag (BGBl Nr. 62/1995) nicht übersteige und sohin die Einbringlichkeit des Rückstandes zurzeit nicht gegeben sei. Damit liege aber keine Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO vor, weil es infolge der Uneinbringlichkeit der Abgabenverbindlichkeiten zu keinen Auswirkungen der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers kommen könne. Soweit der Beschwerdeführer das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit in der unrichtigen Vorschreibung der Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1991 und 1992 erblicke (die nachsichtsbezogenen Abgabenschuldigkeiten gründeten sich im Wesentlichen auf diese Abgabenvorschreibungen), sei festzustellen, dass der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO nicht auf die Vorschreibung, sondern auf die Einhebung abstelle. Auf die Behauptung der Unbilligkeit im Sinne von inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides könne daher ein Nachsichtsansuchen nicht mit Erfolg gestützt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist dabei tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde - wie im Beschwerdefall - die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1997, 95/13/0243, m.w.N., und vom 20. Jänner 2000, 95/15/0031).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid das Vorliegen persönlicher Unbilligkeit nicht als gegeben erachtet, weil sich bei Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung für drei Personen (Ehefrau und zwei Kinder) ergebe, dass das monatliche Gesamteinkommen des Beschwerdeführers den geltenden unpfändbaren Freibetrag nicht übersteige und sohin die Einbringlichkeit des Rückstandes zurzeit nicht gegeben sei. Eine Unbilligkeit liege nicht vor, weil es infolge der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers kommen könne.
Damit ist die belangte Behörde im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, liegt persönliche Unbilligkeit dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1997, 95/13/0243, m.w.N.). Eine Unbilligkeit ist dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht an der Existenzgefährdung nichts ändert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, 95/15/0053).
Da das monatliche Gesamteinkommen des Beschwerdeführers den geltenden unpfändbaren Freibetrag unbestritten zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht überstieg, wies die belangte Behörde zu Recht auf die zurzeit nicht gegebene Einbringlichkeit des Abgabenrückstandes hin. Eine persönliche Unbilligkeit (Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung) im Sinn des § 236 BAO lag daher nicht vor.
Eine sachliche Unbilligkeit behauptet der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht mehr.
Bezüglich der Ausführungen des Beschwerdeführers, dass das Finanzamt noch nicht über den von ihm Ende 1994 gestellten Antrag auf Löschung mangels Einbringlichkeit entschieden habe, genügt es darauf hinzuweisen, dass der - allein - den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildende angefochtene Bescheid nur über die Berufungserledigung im Nachsichtsverfahren abspricht (im Übrigen besteht auf eine Löschung von Abgabenschuldigkeiten nach § 235 BAO kein Rechtsanspruch, vgl. Ritz2, BAO-Kommentar, Tz 2 zu § 235).
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe keine Ermittlungen dahingehend vorgenommen, ob allenfalls in seinem Besitz befindliche Fahrnisse gepfändet und verwertet werden könnten, ist darauf aufmerksam zu machen, dass im Nachsichtsverfahren das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber liegt. Es ist Sache des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die begehrte Nachsicht gestützt werden kann (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1997, 95/13/0243, m.w.N., und vom 20. Jänner 2000, 95/15/0031). Dass der Beschwerdeführer über pfändbare Fahrnisse oder Vermögenschaften verfügte, deren Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme, behauptet außerdem der Beschwerdeführer selbst in der Beschwerde nicht.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. September 2000
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1995150090.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
12.12.2016