Index
L82000 Bauordnung;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des A und 2. der B, beide in I, beide vertreten durch König, Ermacora, Lässer und Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 13/II, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 12. Dezember 2012, Zl. I-Präs-00696e/2012, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: C in I; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben der Landeshauptstadt Innsbruck zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2011 suchte die Mitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerberin) um Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau und die Errichtung von Zubauten an einem Bestandsgebäude auf einem näher genannten Grundstück in Innsbruck an.
Mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck vom 18. Juni 2012 wurde ihr die beantragte Baugenehmigung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Die beschwerdeführenden Parteien haben je zur Hälfte Eigentum an dem nordwestlich unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstück. Nachdem ihnen der erstinstanzliche Baubescheid vom 18. Juni 2012 nachträglich zugestellt worden war, brachten sie mit Schriftsatz vom 20. Juli 2012 Berufung dagegen ein. Diese begründeten sie im Wesentlichen damit, dass auf den Flächen der geplanten Nebenanlagen im Vorgarten die Dienstbarkeit der Duldung von drei Kastanienbäumen für die Stadtgemeinde Innsbruck eingetragen sei, weshalb die Baugenehmigung widmungswidrig sei. Es werde um Durchführung einer Bauverhandlung zur raschen, zweckmäßigen Verfahrensabwicklung gebeten, weil die Widmung gemäß dem rechtsgültigen Flächenwidmungsplan nicht angeführt und daher nicht ersichtlich sei, ob eine widmungsgemäße Verwendung der geplanten Räume erfolgen könne. Die die Durchsicht verstellende Verbauung des Hofinneren sei speziell während der Nachtstunden auch sicherheitstechnisch unangenehm, was vermutlich mit der Stadtplanung nicht abgeklärt worden sei. Hinsichtlich des Innenausbaus mit Nutzungsänderung sei nicht klar, welche Nutzung erfolgen solle (Präsentation, Lager, Büros?). Der Umfang der Sanitäranlagen lasse eine andere Nutzungsvariante vermuten. Laut Planzeichenverordnung sei die Fassade aller Neubauten/Änderungen rot einzutragen. Darüber hinaus könnten die notwendigen PKW-Abstellflächen nicht auf reservierten Bauplatzflächen nachgewiesen werden.
Die belangte Behörde holte die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Umwelttechnik und Abfallwirtschaft vom 17. Oktober 2012 zu der Frage ein, ob durch das geplante Bauvorhaben (Änderung des Verwendungszwecks und Errichtung von Nebengebäuden) die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm-, Geruchs- und Luftveränderungen oder Erschütterungen, oder dessen Charakter als Wohngebiet wesentlich beeinträchtigt werden könnte. Dieser kam abschließend zu dem Ergebnis, dass entsprechend der vorliegenden Stellungnahme (gemeint: der Bauwerberin vom 15. September 2012, wonach das Objekt zu 90% der Zeit nur für Büroarbeit genutzt werde, Arbeiten präsentiert und manchmal kleinere handwerkliche Tätigkeiten ausgeführt würden) infolge der Verringerung der PKW-Stellplatzanzahl und somit auch der PKW-Fahrten sowohl in Hinblick auf die Schadstoff- als auch auf die Schallemissionen jedenfalls keine Verschlechterung der momentanen Situation für die Nachbarn zu erwarten sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid (vom 12. Dezember 2012) wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet ab. In ihrer Begründung verwies sie zunächst auf § 26 Abs. 3 TBO 2011, wonach Nachbarn nur die Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen könnten. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien in der Berufung werde als Einwendung gemäß § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2011 qualifiziert. Nachbarn werde jedoch nicht schlechthin ein Mitspracherecht betreffend die Einhaltung einer bestimmten Flächenwidmung eingeräumt, sondern nur hinsichtlich solcher Festlegungen, die einen "Emissionsschutz" (gemeint wohl: Immissionsschutz) für den Nachbarn beinhalteten. Der Bauplatz befinde sich im Planungsbereich des Flächenwidmungsplanes Nr. 80/it (in Kraft getreten am 7. Mai 1996) und sei als "gemischtes Wohngebiet" ausgewiesen. In diesem Gebiet sei gemäß § 38 Abs. 2 TROG 2011 die Zulässigkeit von Betrieben nicht mehr an das Erfordernis geknüpft, dass sie der täglichen Versorgung oder der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes - wie im (reinen) Wohngebiet - dienen müssten. Im gemischten Wohngebiet dürften auch sonstige Kleinbetriebe errichtet werden, sofern diese sich innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen (insbesondere der Immissionsauswirkungen) hielten. Im verfahrensgegenständlichen Gebäude wurde ein Designbüro mit Werkstätte, Präsentations- und Lagerraum betrieben, wobei Büroarbeiten einen Großteil der verrichteten Tätigkeiten darstellten. Es sei daher jedenfalls von einem Kleinbetrieb im Sinn des § 38 Abs. 2 TROG 2006 auszugehen. Der Amtssachverständige für Umwelttechnik und Abfallwirtschaft habe zusätzlich bestätigt, dass für die Nachbarn sowohl im Hinblick auf die Schadstoff- als auch auf die Schallemissionen jedenfalls keine Verschlechterung der momentanen Situation zu erwarten sei. Diesen schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen schließe sich die belangte Behörde vollinhaltlich an. Das gegenständliche Bauvorhaben stelle somit einen Kleinbetrieb dar, der im gemischten Wohngebiet jedenfalls zulässig sei und die Wohnqualität nicht beeinträchtige. Hinsichtlich des Brandschutzes (§ 26 Abs. 3 lit. b TBO 2011) hätten die beschwerdeführenden Parteien kein konkretes Vorbringen erstattet, welche Gefährdung von der geplanten Änderung des Verwendungszweckes ausgehen solle. Dies sei auch während des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen. Zu der Frage der erforderlichen Stellplätze hätten Nachbarn kein Mitspracherecht. Sofern eine allfällige andere Nutzung der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage moniert werde, sei diese nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Dienstbarkeit der Duldung und Belassung von drei Kastanienbäumen sei nicht zu Gunsten der beschwerdeführenden Parteien im Grundbuch eingetragen, sodass ihnen diesbezüglich kein Mitspracherecht zukomme. Die Planunterlagen seien jedenfalls mehr als ausreichend, um den Nachbarn die Verfolgung ihrer Rechte zu ermöglichen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die Bauwerberin beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 vom Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
§§ 5, 6 und 26 Tiroler Bauordnung 2011 - TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, lauten auszugsweise:
"§ 5
Abstände baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen
(1) Der Abstand baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen wird durch die in einem Bebauungsplan festgelegten Baufluchtlinien bestimmt, soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.
(2) Nebengebäude und Nebenanlagen, deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Verkehrsfläche zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, untergeordnete Bauteile, frei stehende Werbeeinrichtungen, Einfriedungen einschließlich Schutzdächer bei den Eingängen, Freitreppen, Stützmauern, Geländer, Brüstungen und dergleichen dürfen vor die Baufluchtlinie ragen oder vor dieser errichtet werden, wenn dadurch weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden. Jedenfalls dürfen vor die Baufluchtlinie ragen bzw. vor dieser errichtet werden:
a) Vordächer bis zu 2 m und erdgeschoßige Windfänge bis zu 1,50 m;
b)
offene Balkone und dergleichen bis zu 1,50 m;
c)
fassadengestaltende Bauteile wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen bis zu 0,50 m;
d) unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte offene Schutzdächer und an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen bis zu 2,50 m;
e)
Erker bis zu 1,50 m;
f)
Terrassen und dergleichen;
g)
unterirdische bauliche Anlagen wie Keller, Tiefgaragen, Verbindungsgänge und dergleichen.
(3) ...
§ 6
Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen und von anderen baulichen Anlagen
(1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der
a)
im Gewerbe- und Industriegebiet ...
b)
im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter,
c) ...
beträgt. Wurde das Geländeniveau durch die Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist bei der Berechnung der Abstände nach lit. a bis d vom Geländeniveau vor dieser Veränderung auszugehen. Andernfalls ist vom bestehenden Geländeniveau auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn eine Geländeveränderung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Ist jedoch in einem Bebauungsplan eine Höhenlage festgelegt, so ist in allen Fällen von dieser auszugehen.
(2) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:
a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;
b) Fänge sowie Dachkapfer bis zu einer Länge von insgesamt 33 v. H. der Wandlänge auf der betreffenden Gebäudeseite und bis zu einer Höhe von 1,40 m, wobei vom lotrechten Abstand zwischen dem untersten Schnittpunkt des Dachkapfers mit der Dachhaut und dem höchsten Punkt des Dachkapfers auszugehen ist.
(3) Folgende bauliche Anlagen oder Bauteile dürfen in die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:
a) oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen und deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Fangmündungen aufweisen, einschließlich der Zufahrten; oberirdische bauliche Anlagen, die dem Schutz von Tieren dienen, dürfen in den Mindestabstandsflächen auch keine sonstigen Öffnungen ins Freie aufweisen; die Ausstattung von oberirdischen baulichen Anlagen mit begehbaren Dächern ist nur zulässig, wenn diese höchstens 1,50 m über dem anschließenden Gelände liegen oder wenn der betroffene Nachbar dem nachweislich zustimmt; begehbare Dächer dürfen mit einer höchstens 1 m hohen Absturzsicherung ausgestattet sein;
b) ...
(4) Ist eine Baugrenzlinie festgelegt, so gilt Abs. 2 und 3 lit. c sinngemäß. Soweit keine Baugrenzlinien für unterirdische Geschoßebenen festgelegt sind, gilt weiters Abs. 3 lit. e sinngemäß. Darüber hinaus dürfen nur Pflasterungen, Zufahrten und dergleichen vor die Baugrenzlinie ragen oder vor dieser errichtet werden. § 59 Abs. 3 vierter und fünfter Satz des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 bleibt unberührt.
(5) ...
(6) Die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m dürfen insgesamt nur im Ausmaß von höchstens 15 v. H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen im Sinn des Abs. 2 lit. a und Abs. 3 verbaut werden. Dabei bleiben bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. c und d sowie Pflasterungen und dergleichen unberücksichtigt. Oberirdische bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. a und b dürfen überdies nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden, dass innerhalb der Mindestabstandsflächen zu jedem angrenzenden Grundstück und zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von solchen baulichen Anlagen frei bleibt, außer der betroffene Nachbar stimmt einer weitergehenden Verbauung nachweislich zu. Gemeinsame Grenzen von weniger als 3 m Länge auf einer Seite bleiben unberücksichtigt.
(7) ...
§ 26 Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b) ...
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,
b)
der Bestimmungen über den Brandschutz,
c)
der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,
e)
der Abstandsbestimmungen des § 6,
f)
das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.
(4) ..."
§ 38 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 - TROG 2011, LGBl. Nr. 56/2011, lautet auszugsweise:
"§ 38 Wohngebiet
(1) Im Wohngebiet dürfen errichtet werden:
a)
...
d)
Gebäude für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung oder der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.
(2) Im Wohngebiet können Grundflächen als gemischtes Wohngebiet gewidmet werden. Im gemischten Wohngebiet dürfen neben den im Abs. 1 genannten Gebäuden auch öffentliche Gebäude, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Gebäude für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit höchstens 40 Betten und Gebäude für sonstige Kleinbetriebe errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.
(3) ...
(4) Im Wohngebiet und im gemischten Wohngebiet dürfen unter den gleichen Voraussetzungen wie für Gebäude auch Nebengebäude und Nebenanlagen errichtet werden. Weiters dürfen sonstige Bauvorhaben, die einem im jeweiligen Gebiet zulässigen Verwendungszweck dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen, ausgeführt werden."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenen Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend machte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. 2011/06/0040, mwN). Jeder Nachbar kann auch nur die Verletzung der ihm zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen, nicht aber auch Rechte anderer am Verfahren beteiligter Personen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 90/06/0173, sowie die Ausführungen in Schwaighofer, Tiroler Baurecht, Rz 12 zu dem insofern gleichlautenden § 25 TBO 2001).
Die Beschwerde bringt zunächst unter Hinweis auf die §§ 5 und 6 TBO 2011 und die im Bebauungsplan festgelegte Baufluchtlinie und Baugrenzlinie vor, westlich des Hauptgebäudes seien zwei Nebengebäude geplant, die über die Baufluchtlinie ragten bzw. zur Gänze vor dieser errichtet würden. Diesbezüglich hätten die Baubehörden keine Feststellungen getroffen, ob durch diese Nebengebäude/Nebenanlagen das Orts- oder Straßenbild oder die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt würden. Das von juristischen Laien verfasste Berufungsvorbringen sei als Einwand gemäß § 26 Abs. 3 lit. c TBO 2011 zu werten.
Dem ist zunächst zu entgegnen, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung Fragen des Orts- und Straßenbildes sowie der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs keine subjektivöffentlichen Nachbarrechte begründen (vgl. die Ausführungen bei Schwaighofer, aaO, Rz 5 zu § 25 TBO 2001). Da den beschwerdeführenden Parteien in diesem Bereich somit keine materiellen Rechte zukommen, gehen auch die diesbezüglichen Ausführungen betreffend die Verletzung von Verfahrensvorschriften ins Leere; die verfahrensmäßigen Rechte der Nachbarn im Bauverfahren können nämlich nicht weiter als ihre materiellen Rechte reichen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 2013, Zl. 2010/05/0014, mwN). Darüber hinaus ist das im Eigentum der beschwerdeführenden Parteien stehende Gebäude unmittelbar an das südöstlich gelegene verfahrensgegenständliche Hauptgebäude angebaut. Dem Einreichplan zufolge wurden die Baugrenzlinie östlich entlang der Außenmauer, die Baufluchtlinie westlich an der Außenmauer und die Straßenfluchtlinie an der westlichen Grundgrenze zum Straßengrundstück hin festgelegt. Im Nordwesten, zum Grundstück der beschwerdeführenden Parteien hin, wurden nach übereinstimmenden Angaben im Einreichplan und in der Beschwerde weder Baufluchtlinien noch Baugrenzlinien festgelegt. Angesichts dessen können die beschwerdeführenden Parteien schon aus diesem Grund nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob das Berufungsvorbringen als Einwendung im Sinn des § 26 Abs. 3 lit. c TBO 2011 verstanden werden kann.
Die Beschwerde bringt nicht vor, durch die Errichtung des dem Grundstück der beschwerdeführenden Parteien am nächsten gelegenen Nebengebäudes (Carport und Abstellfläche für Müllcontainer und Fahrräder) würden die Abstandsflächen gemäß § 6 TBO 2011 gegenüber der nordwestlichen Grundgrenze verletzt. Dies ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, zumal das genannte Nebengebäude die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 lit. a TBO 2011 (ausschließlich dem Schutz von Sachen dienend mit einer mittleren Höhe auf der der Grundgrenze zugekehrten Seite von 2,80 m) erfüllt und somit innerhalb der Mindestabstandsflächen errichtet werden darf.
Die Beschwerde rügt, den beschwerdeführenden Parteien sei die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Umwelttechnik und Abfallwirtschaft vom 17. Oktober 2012 nicht im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt worden. Darüber hinaus sei diese Stellungnahme unzureichend, weil sich der Amtssachverständige nur auf die PKW-Stellplatzanzahl und die PKW-Fahrten beschränkt und allfällige Beeinträchtigungen durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigung oder Erschütterungen durch den Betrieb des Designbüros mit Werkstätte, Präsentations- und Lagerräumen nicht beurteilt habe.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass dem Bauansuchen die Errichtung einer Werkstätte nicht zu entnehmen ist und auch im Einreichplan lediglich Büroflächen, ein Präsentationsraum sowie Lagerflächen und Sanitäreinrichtungen eingezeichnet sind. Die Errichtung einer eigenen Werkstätte ist somit nicht Gegenstand des Verfahrens. Es bestand daher keine Veranlassung für die Baubehörden, abgesehen von den verkehrsbedingten Emissionen des gegenständlichen Bauvorhabens, weitere mögliche Lärm-, Geruchs- oder Luftverunreinigungen bzw. Erschütterungen zu untersuchen. In ihrer Stellungnahme vom 15. September 2012 führte die Bauwerberin aus, zu 90% der Zeit würden in den Räumlichkeiten Büroarbeiten verrichtet, Arbeiten präsentiert und manchmal kleinere handwerkliche Tätigkeiten ausgeführt. In ihrer Gegenschrift konkretisierte sie dies dahingehend, dass in einer kleinen Heimwerkstätte die Installation der Kunstwerke ermöglicht bzw. kleinere Objekte vor Ort zusammengestellt würden; die Werkstätte sei vergleichbar mit dem Hobbyraum eines Hausbesitzers, der gewisse bauliche Instandhaltungsarbeiten selbst vornehme und mit entsprechenden Geräten ausgestattet sei.
Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, welches Vorbringen die beschwerdeführenden Parteien bei Übermittlung der Stellungnahme des Amtssachverständigen erstattet hätten, wodurch die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels wurde somit nicht dargetan.
Schließlich rügen die beschwerdeführenden Parteien das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung durch die Berufungsbehörde, obwohl eine solche in der Berufung beantragt worden sei. Auch die erstinstanzliche Behörde habe keine mündliche Verhandlung durchgeführt, obwohl mehrere Sachverständige dem Verfahren beizuziehen, 114 Parteien und Beteiligte vorhanden gewesen seien und sich aus dem Bauansuchen nicht ergebe, was in der Werkstätte produziert, mit welchen Werkstoffen gearbeitet, welches Produktionsverfahren angewendet werde und welche Stoffe/Produkte gelagert würden. Der Verfahrensfehler liege nicht darin, dass die beschwerdeführenden Partien im erstinstanzlichen Verfahren übergangen worden seien, sondern darin, dass trotz Vorliegen der Voraussetzungen keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte der Amtssachverständige sofort sein Gutachten ergänzen und es hätte eine Begutachtung hinsichtlich der Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes sowie der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs vorgenommen werden können.
Dadurch, dass die belangte Behörde nicht begründete, aus welchem Grund sie von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung trotz eines entsprechenden Antrages absah, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensfehler. Die Beschwerde zeigte jedoch die Relevanz desselben nicht auf. Im Berufungsverfahren war weder eine große Anzahl von Sachverständigen beizuziehen noch machte die Anzahl der Parteien und Mitbeteiligten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich. Wie oben dargelegt wurde, kommen den beschwerdeführenden Parteien hinsichtlich der möglichen Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes sowie der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs keine subjektiven Rechte zu, sodass diesbezüglich auch keine "Begutachtung" vorzunehmen war. Auch eine Ergänzung der Stellungnahme des Amtssachverständigen aus dem Bereich Umwelt, Technik und Abfallwirtschaft im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigung oder Erschütterungen durch den Betrieb des Designbüros mit Werkstätte, Präsentations- und Lagerraum war - wie oben dargestellt - nicht erforderlich. Dass in einer Werkstätte etwas produziert werde, geht aus den Einreichunterlagen nicht hervor; somit war auch nicht zu klären, welches Produktionsverfahren zur Anwendung gelange. Entgegen der Beschwerdeansicht hätte die belangte Behörde auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung auf Grund ihrer Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG die beschwerdeführenden Parteien nicht in materiellrechtlicher Hinsicht zu beraten und insbesondere nicht anzuleiten gehabt, welche Einwendungen bzw. welches Berufungsvorbringen sie vorzubringen haben, um mit ihrem Begehren durchzudringen (vgl. dazu die Ausführungen bei Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 6 zu § 13a).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Anspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am 8. September 2014
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Baurecht NachbarNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013060016.X00Im RIS seit
21.10.2014Zuletzt aktualisiert am
22.10.2014