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55/01 WirtschaftslenkungNorm
B-VG Art140 Abs1 / PrüfungsumfangLeitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des AMA-Gesetzes über die Möglichkeit der Vorschreibung von Erhöhungsbeiträgen bei nicht ordnungsgemäßer Entrichtung von Agrarmarketingbeiträgen mangels Überprüfbarkeit dieser strafrechtlichen Sanktion durch ein Tribunal im Sinne der EMRKRechtssatz
§21g Abs3 AMA-G 1992, BGBl 376 idF BGBl I 55/2007, war bis zum Ablauf des 31.12.2013 verfassungswidrig.
Anfechtungsumfang nicht zu eng gewählt.
Der VfGH hat Bedenken gegen die gesetzliche Regelung, wonach Erhöhungsbeiträge in einem Ausmaß, dass sie einer strafrechtlichen Sanktion entsprechen, verhängt werden können, ohne dass diese Entscheidungen von einem Tribunal iSd Art6 EMRK mit voller Kognitionsbefugnis überprüft werden können. Diese Verfassungswidrigkeit kann sowohl durch die Beseitigung der die Sanktion vorsehenden Norm als auch durch die Aufhebung der den Instanzenzug regelnden Bestimmung, sofern dadurch ein Gericht mit voller Kognitionsbefugnis zuständig gemacht würde, bereinigt werden.
Im vorliegenden Fall führte die Aufhebung der Zuständigkeitsbestimmung (§21i Abs2 AMA-G idF BGBl I 108/2001) jedenfalls zu einem größeren Eingriff in die gesetzliche Regelung, weil davon nicht nur die Zuständigkeit in Verfahren über Erhöhungsbeiträge betroffen wäre, sondern auch alle anderen Verwaltungsverfahren mitumfasst wären. Im Übrigen wäre es nicht zulässig, den Anfechtungsumfang ausschließlich auf Grund der bereinigten Rechtslage an einer neuen, vom Gesetzgeber mittlerweile für die Zukunft (in einer Weise, die die angenommene Verfassungswidrigkeit beseitigt) veränderten Rechtslage zu messen.
Der VfGH hält an seiner im Prüfungsbeschluss angenommenen Auffassung fest, wonach der Sitz der Verfassungswidrigkeit in §21g Abs3 AMA-G gelegen ist.
Das AMA-G sah bis zum 01.01.2014, mit dem die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 51/2012) in Kraft trat, zur Entscheidung über die Berufung gegen erstinstanzliche Bescheide der Agrarmarkt Austria, mit denen Erhöhungsbeiträge gemäß §21g Abs3 leg cit vorgeschrieben wurden, kein Tribunal iSd Art6 EMRK vor. Die in Prüfung gezogene Bestimmung widersprach daher Art6 Abs1 EMRK.
Der durch die Novelle BGBl I 177/2013 geänderte §21i Abs2 AMA-G sieht nunmehr vor, dass Bescheide, mit welchen die Agrarmarkt Austria Erhöhungsbeiträge nach §21g Abs3 AMA-G vorschreibt, mittels Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, einem Tribunal iSd Art6 EMRK, bekämpft werden können.
(Anlassfall B1170/2010 ua, E v 08.10.2014, Aufhebung der angefochtenen Bescheide).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Marktordnung, Strafrecht, Tribunal, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:G142.2014Zuletzt aktualisiert am
14.03.2016