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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ASVG §293;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Mehmet Saim Akagündüz, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Ottakringer Straße 54/3.2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. August 2013, Zl. MA35-9/2870074- 01, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Landeshauptmann von Wien (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 28. Jänner 2010 gemäß § 43 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung verwies die Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer am 28. Jänner 2010 die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG idF vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38, beantragt habe; dieser Antrag gelte nun als auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 4 NAG gerichtet.
Der Beschwerdeführer sei im Juni 2002 illegal eingereist und habe am 7. Juni 2002 einen Asylantrag gestellt. Dieser sei letztinstanzlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14. Oktober 2009 abgewiesen worden.
Bei der nunmehrigen Antragstellung habe der Beschwerdeführer einen Mietvertrag und die Patenschaftserklärung des A samt Lohnzettel vorgelegt.
Am 14. August 2010 sei er unter anderem aufgefordert worden, den gesicherten Lebensunterhalt nachzuweisen, insbesondere die noch fehlenden Unterlagen zur Prüfung der Patenschaftserklärung des A vorzulegen. Am 7. Oktober 2010 habe der Beschwerdeführer unter anderem die Lohnbestätigung eines näher genannten Unternehmens für A, den Mietvertrag der Familie A sowie Lohnzettel, den Versicherungsdatenauszug und Lohnüberweisungen jeweils betreffend A vorgelegt. Der Beschwerdeführer sei der Unterlagenanforderung vom 14. August 2010 nicht vollständig nachgekommen. Er habe bis dato den Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes nicht erbracht. Es läge somit die allgemeine Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht vor.
Gemäß § 11 Abs. 5 NAG richte sich die Höhe der von einem Antragsteller nachzuweisenden Unterhaltsmittel, die eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen ermöglichten, nach den Richtsätzen des § 293 ASVG. Demnach müssten für eine Einzelperson, für die die Patenschaft übernommen worden sei, EUR 837,63 zusätzlich aus regelmäßigen Einkünften zur Verfügung stehen.
Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 16. Juli 2013 sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden, dass beabsichtigt sei, den Antrag mangels gesicherten Lebensunterhaltes abzuweisen. Mit diesem Schreiben sei die Möglichkeit eingeräumt worden, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben sei am 18. Juli 2013 nachweislich zugestellt worden. Der Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes sei nicht vorgelegt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die Behörde erwogen:
Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im August 2013 sind die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 68/2013 anzuwenden.
Die Behörde wies den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit der Begründung ab, dass trotz Aufforderung der gesicherte Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht nachgewiesen worden sei.
Der Beschwerdeführer behauptet, dass er die genannte Aufforderung vom 16. Juli 2013 nicht erhalten habe, weil dieses eigenhändig zuzustellende Schriftstück nicht von ihm in Empfang genommen worden sei.
Dieser Umstand wird von der Behörde in der Gegenschrift nicht konkret bestritten. Die Behörde bringt lediglich vor, es hätten keine Zweifel an einer rechtswirksamen Zustellung bestanden. Damit kann aber weder eine wirksame Zustellung fingiert noch eine unwirksame Zustellung geheilt werden. Im Fall einer unwirksamen Zustellung eines für nötig erachteten Vorhalts ist schon deshalb der angefochtene Bescheid mit einem Verfahrensmangel behaftet.
Davon abgesehen erfüllt aber auch die Bescheidbegründung nicht die Voraussetzungen für einen mängelfreien Bescheid. Von der Darlegung des bisherigen Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtslage abgesehen erschöpft sich nämlich die Bescheidbegründung in der Feststellung, dass dem Beschwerdeführer für seinen Unterhalt EUR 837,63 zur Verfügung stehen müssten. Weiters wird angeführt, dass der Beschwerdeführer den gesicherten Lebensunterhalt nicht nachgewiesen habe. Gleichzeitig wird aber dargelegt, dass eine Patenschaftserklärung vorgelegt worden sei und auch eine Lohnbestätigung und Lohnüberweisungen betreffend die die Patenschaftserklärung abgebende Person. In keiner Weise wird ausgeführt, welche Einkommensverhältnisse des Paten der Berechnung zu Grunde gelegt wurden. Somit ist die Bescheidbegründung nicht nachvollziehbar.
Dies trifft im Übrigen auch für die von der Behörde relevierte Aufforderung vom 16. Juli 2013 zu, die denselben Inhalt wie der später erlassene angefochtene Bescheid enthält, darüber hinaus aber keine konkrete Aufforderung zur Vorlage bestimmter Urkunden oder zur Bekanntgabe bestimmter Umstände.
Der Mangel der Begründung kann durch die Ausführungen in der Gegenschrift nicht mehr behoben werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, 2007/11/0203).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 10. April 2014
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013220237.X00Im RIS seit
13.05.2014Zuletzt aktualisiert am
05.06.2014