TE Vwgh Erkenntnis 2014/2/19 2012/22/0248

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Veröffentlicht am 19.02.2014
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §52 Abs1;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §61 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 5. November 2012, Zl. UVS-8/10.389 bis 10.392/5-2012, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Beschwerde, somit im Punkt II., wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde unter Punkt II. gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen des Kosovo, eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot auf eine Dauer von 18 Monaten. Im Spruchpunkt I. dieses Bescheides gab die belangte Behörde hingegen den Berufungen der Ehefrau des Beschwerdeführers und der gemeinsamen Kinder gegen die in erster Instanz verhängten Rückkehrentscheidungen Folge und behob die in Berufung gezogenen Bescheide ersatzlos. Dazu sprach die belangte Behörde aus, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer, seine mit ihm seit 27. August 2003 verheiratete Ehefrau und der am 12. Dezember 2002 geborene Sohn im Jahr 2004 illegal nach Österreich eingereist seien und Asylanträge gestellt hätten. Diese seien letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 9. Juli 2010 rechtskräftig abgewiesen worden, ebenso jener des am 16. November 2007 in Österreich geborenen jüngeren Sohnes. Die Familie des Beschwerdeführers führe ein aufrechtes Familienleben mit Lebensmittelpunkt in Österreich, das ältere Kind besuche die Volksschule, das jüngere Kind den Kindergarten. Den bisherigen Unterhalt hätten sie aus Mitteln der Grundversorgung bestritten.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG vorlägen. Nach einem nunmehr achtjährigen Aufenthalt in Österreich könne der Familie aber ein ausreichendes Maß an Integration zugemessen werden. Dafür spreche sowohl der Umstand, dass "sie" (die Eltern) arbeitswillig seien und auch entsprechende Einstellungszusagen vorweisen könnten, als auch die durch Unterstützungserklärungen nachgewiesene private Integration. Die Familie sei bei einem Verbleib im Inland dazu fähig, den Lebensunterhalt selbständig zu bestreiten und so das wirtschaftliche Wohl des Landes nicht zu gefährden. Die Familie sei gut in die Nachbarschaft und in den Ort M integriert, auch die beiden Söhne wiesen einen hohen Integrationsgrad auf. Nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern hätten inzwischen gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Bindungen an den Heimatstaat seien nicht mehr im besonderen Maß gegeben, auch wenn eine Reintegration nicht völlig undenkbar wäre.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei strafrechtlich unbescholten. Trotz illegalem Aufenthalt seit dem Jahr 2010 stehe daher einer Rückkehrentscheidung betreffend die Ehefrau und die Kinder deren Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK entgegen.

Anders liege der Fall beim Beschwerdeführer. Auch wenn bei diesem ebenso das Privat- und Familienleben zum Tragen komme, sei andererseits zu konstatieren, dass er mehrere strafgerichtlich geahndete Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung zu verantworten habe. Es lägen nämlich nicht nur zwei Strafen wegen (schweren) Diebstahls aus den Jahren 2004 und 2005 vor, die zu bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen in der Dauer von acht Monaten bzw. sieben Monaten geführt hätten. Schwerer wiege eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung im Jahr 2010. Zu Bestrafungen wegen illegalen Aufenthalts kämen noch zwei Bestrafungen wegen Übertretungen des FSG, die jüngste stamme vom 14. März 2012. Wegen dieser doch deutlichen und bis in die jüngste Zeit andauernden Verfehlungen wiege beim Beschwerdeführer das Bedürfnis des Schutzes der öffentlichen Ordnung und das Erfordernis der Hintanhaltung weiterer strafbarer Handlungen schwerer als der Schutz seines Privat- und Familienlebens. Unter Berücksichtigung der Unterstützungserklärungen, vor allem aber des Umstands, dass mit der Rückkehrentscheidung eine Trennung von seiner Ehefrau und den heranwachsenden Kindern verbunden sei, könne davon ausgegangen werden, dass ein Einreiseverbot in der Mindestdauer von 18 Monaten ausreiche, um den Zielen des § 53 FPG zu entsprechen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Weiters sind angesichts der Erlassung des angefochtenen Bescheides im November 2012 die Bestimmungen des FPG idF BGBl. I Nr. 50/2012 maßgeblich.

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die behördliche Ansicht, dass er sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte und bringt auch nicht vor, über eine Aufenthaltsberechtigung zu verfügen. Demnach ist die behördliche Ansicht nicht zu beanstanden, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG vorliegen.

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist jedoch eine Rückkehrentscheidung, wenn damit in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die belangte Behörde eine Rückkehrentscheidung gegen die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers als unzulässigen Eingriff in deren Privat- und Familienleben wertete. Ausgehend davon wäre zu prüfen, ob den Familienmitgliedern des Beschwerdeführers überhaupt ein alleiniger Verbleib in Österreich möglich wäre. Wenn auch der zitierten Bescheidbegründung entnommen werden kann, dass die belangte Behörde von einer Trennung der Familie ausgeht, ist ihr doch vorzuwerfen, dass sie dazu keine Feststellungen getroffen hat.

Im Weiteren ist zu beurteilen, ob das öffentliche Interesse an einer Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers ein solches Gewicht aufweist, dass die Interessenabwägung, die sonst zugunsten der übrigen Familienmitglieder getroffen wurde, in seinem Fall zu einem gegenteiligen Ergebnis führen darf, obwohl im Grundsätzlichen ein starkes Interesse an der Aufrechterhaltung des Familienlebens anzunehmen ist.

Es ist nicht auszuschließen, dass trotz einer - wie hier - gemeinsamen langjährigen Verankerung einer Familie im Aufenthaltsstaat eine Trennung der Familie in Kauf zu nehmen ist. Eine solche Beurteilung hat die belangte Behörde auch als erforderlich erkannt, hat sich aber mit einer Aufzählung der Verurteilungen des Beschwerdeführers begnügt, ohne Feststellungen über die Straftaten bzw. die verwaltungsrechtlichen Übertretungen zu treffen. Solche Feststellungen wären zur Beurteilung der Schwere des Fehlverhaltens und in der Folge der Zumutbarkeit der Trennung der Familie erforderlich gewesen.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 19. Februar 2014

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen ErmessenBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2012220248.X00

Im RIS seit

19.03.2014

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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