TE Vfgh Beschluss 2014/2/20 B1549/2013

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Veröffentlicht am 20.02.2014
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

VfGG §33
ZPO §39, §146

Leitsatz

Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Verbesserungsfrist für einen Verfahrenshilfeantrag im Hinblick auf den Postweg nach Bangladesch

Spruch

I.              Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

II.              Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

III.              Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit Schriftsatz vom 29. November 2013 begehrte der volljährige Antragsteller die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang und legte ein Vermögensbekenntnis bei, das durch seinen Vater ausgefüllt und unterfertigt war. Mit Verbesserungsauftrag vom 17. Dezember 2013 wurde der – laut dem Verfahrenshilfeantrag in Österreich wohnhafte – Antragsteller aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen ein eigenhändig verfasstes und unterfertigtes Vermögensbekenntnis abzugeben. Der Verbesserungsauftrag wurde dem Rechtsvertreter des Antragstellers am 18. Dezember 2013 zugestellt. Die zweiwöchige Frist für die Vorlage des Vermögensbekenntnisses des Antragstellers endete somit am 2. Jänner 2014.

Mit am 21. Jänner 2014 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der zweiwöchigen Verbesserungsfrist, legt unter einem ein durch den Antragsteller eigenhändig ausgefülltes und unterfertigtes Vermögensbekenntnis vor und stellt einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt der Wiedereinsetzungswerber im Wesentlichen aus, dass er sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Verbesserungsauftrages in Bangladesch aufgehalten habe. Da der Antragsteller das Vermögensbekenntnis im Original vorlegen habe müssen, sei der Postweg die einzige Übermittlungsmöglichkeit gewesen. Die eingeräumte Verbesserungsfrist von zwei Wochen habe sich als nicht ausreichend erwiesen, weil der Rechtsvertreter das unausgefüllte Formular zunächst nach Bangladesch senden und der Antragsteller dieses sodann ausgefüllt und unterschrieben retournieren habe müssen. Die Dauer des Postweges stelle ein unabwendbares Ereignis dar, auch treffe den Wiedereinsetzungswerber kein Verschulden an der Versäumung der Verbesserungsfrist.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Verbesserungsfrist ist begründet.

2.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG iVm §6 VwGbk-ÜG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

2.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

2.1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2.2. Der Antrag enthält keine Angaben über das Einlangen des Vermögensbekenntnisses beim bevollmächtigten Rechtsanwalt des Beschwerdeführers. Da dieses jedoch auf den 13. Jänner 2014 datiert ist, kann das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung des Vermögensbekenntnisses nicht vor diesem Datum weggefallen sein. Mit dem am 21. Jänner 2014 mittels ERV eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde die vierzehntägige Frist gemäß §148 Abs2 ZPO daher jedenfalls gewahrt.

Nach dem glaubhaften Vorbringen des Antragstellers kann nicht angenommen werden, dass ihn und seinen Bevollmächtigten ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass der Postweg von Österreich nach Bangladesch und die Zustellung innerhalb von Bangladesch längere Zeit in Anspruch nimmt.

Da sohin sämtliche Voraussetzungen vorliegen, ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – gemäß §33 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung – zu bewilligen.

3. Unter Bedachtnahme auf die dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Unterlagen besteht jedoch kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Bescheid auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruht oder dass bei der Gesetzeshandhabung ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen wäre; es ergeben sich vielmehr ausschließlich Fragen der richtigen Rechtsanwendung, die jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Verfassungsgerichtshofes fallen. Eine Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage sogar die Ablehnung der Beschwerdebehandlung zu gewärtigen wäre.

3.1. Der Antrag ist sohin mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

4. Der durch den Einschreiter gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen, weil der Verfassungsgerichtshof nur einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen kann; eine solche wurde im vorliegenden Fall aber nicht eingebracht (vgl. VfSlg 12.443/1990).

5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen, VfGH / Verfahrenshilfe, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:B1549.2013

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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