TE Vwgh Erkenntnis 2013/8/27 2012/06/0149

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2013
beobachten
merken

Index

L82000 Bauordnung;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones sowie den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der BG in A, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. Juli 2012, Zl. RoBau-8-1/767/1-2012, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Hall in Tirol vom 15. Dezember 2011 wurde der G GmbH die baubehördliche Bewilligung für den Neubau einer Montagehalle mit Bürogebäude und Wohnungen inklusive Tiefgarage auf einem näher genannten Grundstück in Hall in Tirol erteilt.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin als Nachbarin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtrates der Stadt Hall in Tirol vom 8. März 2012 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung Folge gegeben, der Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom 8. März 2012 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat der Stadtgemeinde Hall in Tirol verwiesen.

Die Aufhebung wurde damit begründet, dass die Berufungsbehörde übersehen habe, dass die Widmungskategorie "Allgemeines Mischgebiet" den Nachbarn einen Immissionsschutz gewährleiste. Im Rahmen des Bauverfahrens sei die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit der Flächenwidmung jedenfalls zu prüfen. Die Nachbarn hätten somit einen Anspruch darauf, dass sie durch Vorschreibung nötiger Vorkehrungen vor das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Gefahren und Belästigungen geschützt würden. Diese Fragen seien durch entsprechende Fachgutachten zu klären. Soweit die Beschwerdeführerin die Einholung eines Gutachtens hinsichtlich Geruchsbelästigungen fordere, sei diesem Einwand insofern zu folgen, als die Errichtung einer Montagehalle unter anderem mit einer Lackieranlage geplant sei. Von der Baubehörde wäre daher im Sinne des nachbarrechtlichen Immissionsschutzes zu prüfen gewesen, ob, ausgehend von der baulichen Anlage, Geruchsbelästigungen für den Nachbarn zu erwarten seien, die das örtlich zumutbare Ausmaß überstiegen. Der Baubehörde sei bereits im erstinstanzlichen Verfahren eine Vorbegutachtung bezüglich möglicher Geruchsimmissionen vorgelegen, obgleich es sich dabei um kein vollständiges Sachverständigengutachten gehandelt habe. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass im Hinblick auf die Unvollständigkeit der Vorbegutachtung von der Baubehörde ein ergänzendes Gutachten eingeholt, dieses zum Parteiengehör gebracht und als Ermittlungsergebnis der Entscheidung zugrunde gelegt worden wäre. Aus diesem Grund sei das Verfahren mangelhaft geblieben, weshalb der Stadtrat der Stadtgemeinde Hall in Tirol im fortgesetzten Verfahren die Ergänzung der Vorbegutachtung hinsichtlich möglicher Geruchsausbreitungen zu veranlassen und diese der Beschwerdeführerin zum Parteiengehör zu bringen haben werde.

Ferner sei von der Baubehörde ein Gutachten eines Ingenieurbüros für technische Physik im Hinblick auf mögliche Lärmimmissionen und Erschütterungen herangezogen worden. Dem Akteninhalt sei jedoch nicht zu entnehmen, dass dieses Gutachten vollständig der Beschwerdeführerin in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden wäre. Da es nicht ausgeschlossen sei, dass bei ordnungsgemäßer Gewährung von Parteiengehör die Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, sei auch dieser Mangel von der Vorstellungsbehörde aufzugreifen.

Da weiters im gegenständlichen Fall von der Baubehörde kein medizinisches Gutachten eingeholt worden sei, sei das Verfahren auch in diesem Punkt mangelhaft, und daher werde die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren ein solches Gutachten einzuholen haben.

Weitere tragende Aufhebungsgründe sind im angefochtenen Bescheid nicht enthalten. Die Begründung enthält allerdings weitere Ausführungen, teilweise unter der Überschrift "Der Vollständigkeit halber sei - zwar nicht entscheidungsrelevant - noch Folgendes angemerkt:".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe unzutreffend angenommen, es läge Präklusion der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Beeinträchtigung der Wohnqualität und des Immissionsschutzes vor. Die Beschwerdeführerin sei in ihren Einwendungen nicht nur auf Lärmimmissionen eingegangen. Die Sachverhaltsreduktion, die die belangte Behörde sektoral vorgenommen habe, nämlich auf Lärmimmissionen unter gleichzeitiger Unterstellung darüber hinausgehender Präklusion, sei rechtsirrig und nicht zulässig. Es sei der Unterbehörde kein vollständiger Ermittlungsauftrag erteilt worden. Des weiteren sei die belangte Behörde nicht darauf eingegangen, dass ein hochbautechnisches Gutachten, das mängelfrei sei, fehle, ebenso ein Gutachten über die Abstandsbestimmungen. Die belangte Behörde habe auch unzutreffend angenommen, dass die Frage, ob es sich um einen Industriebetrieb handle, ohne Belang sei. Die Beschwerdeführerin habe mehrfach ausgeführt, dass die Vereinbarkeit eines Industriebetriebes mit dem gemischten Wohngebiet nicht gegeben sei. Die Einschätzung der belangten Behörde, dass die Frage ohne Belang sei, ob im gemischten Wohngebiet ein Industriegebiet errichtet werde, sei nicht nachvollziehbar. Sie beschwere die Beschwerdeführerin, indem bindend ausgesprochen werde, dass die Eigenschaft des Gebäudes als Industriegebiet für das Bewilligungsverfahren im Hinblick auf die Widmungskategorie ohne Belang sei.

Wird der Bescheid der obersten Gemeindebehörde durch die Aufsichtsbehörde aufgehoben, so sind die Gemeinde, aber auch die anderen Parteien des Verfahrens, an die die Aufhebung tragenden Gründe des in Rechtskraft erwachsenen Vorstellungsbescheides gebunden, gleichbleibende Sach- und Rechtslage vorausgesetzt. Nur den tragenden Aufhebungsgründen kommt eine solche Bindungswirkung zu. Soweit die Vorstellungsbehörde überdies andere Gründe in der Vorstellung als unberechtigt ansieht, handelt es sich dabei nicht um tragende Aufhebungsgründe. Solche Abweisungsgründe binden nicht und können im fortgesetzten Verfahren erfolgreich in Zweifel gezogen werden. Aus der dargestellten Bindungswirkung ergibt sich die Berechtigung einer Partei, deren Vorstellung zur Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides geführt hat, die tragenden Aufhebungsgründe zu bekämpfen, soweit sie diese als unrichtig erachtet (vgl. z.B. neben dem von der Beschwerdeführerin selbst zitierten hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2008, Zl. 2007/05/0010, auch die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2012, Zl. 2012/06/0101, und vom 16. Mai 2013, Zl. 2010/06/0194, jeweils mwN; vgl. weiters § 120 Abs. 5 letzter Satz der Tiroler Gemeindeordnung 2001, LGBl. Nr. 36).

Die Beschwerdeführerin vertritt nicht die Auffassung, dass die belangte Behörde den bekämpften Berufungsbescheid aus den von ihr in der Bescheidbegründung genannten Gründen zu Unrecht behoben hätte. Die Beschwerdeführerin bringt vielmehr vor, dass weitere Auffassungen der belangten Behörde, die die Aufhebung nicht getragen haben, unzutreffend seien. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin entfalten diese Ausführungen der belangten Behörde für das fortgesetzte Verfahren aber keine Bindungswirkung (vgl. die zitierten hg. Erkenntnisse vom 20. September 2012 und vom 16. Mai 2013). Die Beschwerdeführerin kann daher insoweit auch nicht in ihren Rechten verletzt sein.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. August 2013

Schlagworte

Bauverfahren vor dem VwGH (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) VwGH Beschwerde BauRallg11/3Behörden Vorstellung BauRallg2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012060149.X00

Im RIS seit

27.09.2013

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten