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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochenen Bescheides im AnlassfallSpruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Das Land Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt und Beschwerdevorbringen
1. Die Beschwerdeführerin ist asylberechtigt. Sie lebt nach eigenen Angaben seit 1977 alleinstehend im Bundesgebiet und ist staatenlos, leidet an einer Behinderung im Ausmaß von mehr als 50 vH und befindet sich in Beschäftigungstherapie bei einem Verein, der sie auch in ihrer Wohnung betreut. Sie bezieht seit 2008 laufend Sozialhilfe bzw. Bedarfsorientierte Mindestsicherung zur Sicherung ihres Lebensunterhalts.
Mit Bescheid vom 2. November 2011 wies die Wiener Landesregierung den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 14. Juli 2011 auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ab. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass ein Sozialhilfebezug bzw. der Bezug von Bedarfsorientierter Mindestsicherung ein Einbürgerungshindernis darstelle und die Berücksichtigung einer unverschuldeten Notlage durch die belangte Behörde nach der geltenden Rechtslage nicht vorgesehen sei. Aus diesem Grund erfülle die nunmehrige Beschwerdeführerin die Voraussetzung des §10 Abs1 Z7 iVm Abs5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (im Folgenden: StbG 1985) nicht.
2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art8 iVm 14 EMRK sowie Art1 Abs1 BVG gegen alle Formen rassischer Diskriminierung. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und regt die Aufhebung der Wortfolge "die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und" in §10 Abs5 StbG 1985 an.
3. Die Wiener Landesregierung legte fristgerecht die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt, den Ausführungen der Beschwerdeführerin entgegentritt und Kostenersatz gemäß §§27, 41 VfGG begehrt.
II. Erwägungen
1. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §10 Abs1 Z7 StbG 1985 idF BGBl I 37/2006 und §10 Abs5 StbG 1985 idF BGBl I 122/2009 ein. Mit Erkenntnis vom 1. März 2013, G 106/12, G 17/13, hob er §10 Abs1 Z7 StbG 1985 idF BGBl I 37/2006 und §10 Abs5 StbG 1985 idF BGBl I 122/2009 als verfassungswidrig auf.
2. Die Beschwerde ist begründet.
Die belangte Behörde hat verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.
Die Beschwerdeführerin wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B1474.2011Zuletzt aktualisiert am
05.07.2013