TE Vfgh Erkenntnis 2013/3/14 B518/12

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Veröffentlicht am 14.03.2013
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Index

16/02 Rundfunk

Norm

ORF-G §32 Abs1
BVG-Rundfunk ArtI Abs2
EMRK Art10

Leitsatz

Verletzung des ORF im Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit durch Feststellung einer Verletzung der im ORF-Gesetz normierten Freiheit der journalistischen Berufsausübung durch die Aufforderung eines Chefredakteurs in einer E-Mail an journalistische Mitarbeiter zur Vermeidung der Bezeichnung des Attentäters von Oslo als christlichen Fundamentalisten

Spruch

I.              Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit verletzt worden.              

Der Bescheid wird aufgehoben.

II.              Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Verwaltungsverfahren

1. Mit Bescheid vom 11. Jänner 2012 stellte die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) auf Grund einer Beschwerde nach §36 ORF-G fest, der ORF (die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführende Partei) habe durch eine vom stellvertretenden Chefredakteur des ORF-Landesstudios Niederösterreich verfasste Rundmail die durch §32 Abs1 ORF-G gewährleistete Freiheit der journalistischen Berufsausübung verletzt. Die dagegen erhobene Berufung wurde durch den angefochtenen Bescheid des Bundeskommunikationssenats vom 28. März 2012 abgewiesen.

2. Die belangte Behörde geht in ihrem Bescheid von folgenden Feststellungen aus:

2.1. Der stellvertretende Chefredakteur, der am 23. Juli 2011 die Geschäfte als Chefredakteur führte und die Funktion "Chef vom Dienst" ausübte, richtete an diesem Tag an die journalistischen Mitarbeiter des ORF-Landesstudios folgende Rundmail, welche auch an seinen Vorgesetzten, den Landesdirektor des Studios, erging:

"Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Im Zusammenhang mit dem Attentäter von Norwegen ist jetzt in den Agenturmeldungen die Formulierung aufgetaucht, es handle sich vermutlich um einen Rechtsextremisten und 'christlichen Fundamentalisten'.

Das Wort 'christlich' und den Mord an mehr als 90 Menschen in einem Atemzug zu nennen – da empfinden wohl die meisten einen deutlichen Widerspruch.

Hier sollten wir bei der Formulierung besonders sensibel vorgehen, diesen äußerst unchristlich agierenden Mann eventuell als 'religiösen Fanatiker' bezeichnen oder uns vor allem auf die überwiegend verwendete Einordnung als 'Rechtsextremisten' beschränken.

Danke für die bisher sehr informative Oslo-Berichterstattung!

Liebe Grüße

[R.]"

2.2. Nicht feststellbar gewesen sei, inwieweit die Rundmail Auswirkungen auf die inhaltliche Gestaltung der Sendungen und Beiträge des ORF-Landesstudios hatte.

2.3. Die belangte Behörde stellte auch fest, dass am Vormittag des 23. Juli 2011 in einer Meldung der Austria Presseagentur berichtet wurde, dass die "Internetseite des Tatverdächtigen eine rechtsextreme, christlich-fundamentalistische Haltung erkennen lasse", dass die Regierung aber vor voreiligen Schlüssen warne.

3. In ihren Erwägungen kommt die belangte Behörde zu dem Schluss, dass die KommAustria zu Recht von einem Verstoß der beschwerdeführenden Partei gegen die Freiheit der journalistischen Berufsausübung iSd §32 Abs1 ORF-G ausgegangen ist.

3.1. Medienmitarbeiter würden deshalb besonderen Schutz genießen, weil die Öffentlichkeit ein erhöhtes Interesse an der ungestörten Ausübung ihrer Tätigkeit habe. Es sei zwischen der Meinungsfreiheit des Journalisten einerseits und der "Eigentümerbefugnis" bzw. der "Leitungsbefugnis des Chefredakteurs" andererseits abzuwägen. Die Kernfrage sei, wie weit die Freiheit der journalistischen Mitarbeiter in der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung von Beiträgen gehe und welche Art von Anleitung durch die Vorgesetzten dabei hinzunehmen sei.

Es sei von einer grundsätzlichen Eignung der E-Mail des Vorgesetzten, das Verhalten der Mitarbeiter zu beeinflussen, auszugehen. Die gleichzeitige Versendung an den Landesdirektor habe den hierarchisch-organisatorischen Aspekt betont und damit das Anliegen, dass dem "Wunsch" auch tatsächlich bei der weiteren Berichterstattung entsprochen werde, verdeutlicht. Die E-Mail bringe eine gewisse Erwartungshaltung zum Ausdruck und müsse als indirekte Aufforderung verstanden werden. Das Schreiben beinhalte nicht nur die abstrakte Erinnerung an die Grundsätze des Objektivitätsgebots, sondern den Wunsch einer Unterlassung der Bezugnahme auf einen christlichen Konnex. Die vorgeschlagene Formulierung umfasse eindeutig eine inhaltliche Komponente.

Es könne dahingestellt bleiben, ob die Einordnung des Attentäters als christlicher Fundamentalist Niederschlag in der deutschsprachigen Medienwelt gefunden habe. Die KommAustria habe lediglich festgehalten, dass die Agenturmeldungen zum Zeitpunkt der Versendung der E-Mail Bestandteil der Tatsachenlage gewesen seien und es sich folglich um einen konkreten Sachverhalt gehandelt habe, welcher zu diesem Zeitpunkt Teil der Berichterstattung in der Medienöffentlichkeit und damit einer inhaltlichen Überprüfung objektiv zugänglich gewesen sei. In der E-Mail sei auch gar nicht darauf Bezug genommen worden, dass die Weglassung des christlichen Zusammenhangs ab dem Zeitpunkt der Versendung der E-Mail deswegen geboten gewesen wäre, weil sich die Faktenlage mittlerweile anders darstellen würde. Bei dem in der E-Mail zum Ausdruck gebrachten "Bezeichnungs- und Beschränkungswunsch" des Chefredakteurs habe es sich um eine unmittelbare Reaktion auf im Zeitpunkt der Abfassung der E-Mail aktuelle Berichte gehandelt. Adressaten der E-Mail sollten daher zu Formulierungen verhalten werden, die vom transportierten Inhalt von Agenturmeldungen und damit jedenfalls zum Teil von der vermeldeten Tatsachenlage abweichen würden. Die Faktenlage sei auch nicht so eindeutig gewesen, um es als gerechtfertigt anzusehen, einen bestimmten Hintergrund aus den Überlegungen und damit der Berichterstattung auszuschließen.

3.2. Aus dem Wortlaut und der Systematik des §32 Abs1 ORF-G iVm den inhaltlichen Anforderungen des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags lasse sich zunächst ableiten, dass die Freiheit der journalistischen Berufsausübung nicht schrankenlos sei, sondern durch die Verpflichtung, für eine den Bedingungen insbesondere der §§4 und 10 entsprechende inhaltliche Gestaltung zu sorgen, begrenzt werde (vgl. das Wort "beachten" in §32 Abs1 Satz 1 ORF-G). Es bestehe daher kein Zweifel, dass die journalistischen Mitarbeiter den darauf bezogenen Anweisungen des Fachvorgesetzten unterworfen seien. Andererseits stelle es die äußerste Form des durch §32 Abs1 ORF-G verpönten Verhaltens dar, journalistische Mitarbeiter zu "verhalten, etwas abzufassen oder zu verantworten, was der Freiheit der journalistischen Berufsausübung widerspricht". §32 ORF-G gehe daher weiter als die Bestimmungen der §§2 und 3 MedienG.

Anleitungen des redaktionell Vorgesetzten seien dann im Lichte von §32 Abs1 ORF-G zulässig und als sachlich zu rechtfertigen, wenn sie zur Effektuierung einer dem Objektivitätsgebot entsprechenden Berichterstattung notwendig seien. Das sei aber hier nicht der Fall, da die E-Mail darauf gerichtet gewesen sei, trotz einer unübersichtlichen Gesamtsituation bei den unzähligen Agenturmeldungen gerade eine einzige bestimmte "Zuordnung" von der Berichterstattung auszunehmen, obwohl in anderen Medien tatsächlich darüber berichtet worden sei. Es lasse sich auch nicht argumentieren, dass vor einer voreiligen Zurechnung als "christlich" zu warnen gewesen wäre. In einer Fallkonstellation, in der bei nicht ausreichend gesicherter Faktenlage keine verlässliche Aussage über die Einstellung des Täters getroffen werden konnte, widerspreche das deutliche Verlangen, eine bestimmte Konnotation zu vermeiden, der durch §32 ORF-G normierten Unabhängigkeitsgarantie.

Handlungsanleitungen seien grundsätzlich zulässig, um eine den Erfordernissen insbesondere des §4 Abs5 und §10 ORF-G entsprechende inhaltliche Gestaltung zu gewährleisten. Aus dem Objektivitätsgebot könne sich im Einzelfall die Notwendigkeit eines generell sparsamen Umgangs mit Adjektiven ergeben, um "keine falschen Bilder zu konstruieren". Die KommAustria habe nicht problematisiert, dass der ORF im gegebenen Sachzusammenhang nicht objektiv berichtet hätte; sie habe auch nicht die Weisungsbefugnis und Verantwortlichkeit eines Chefredakteurs in Frage gestellt, sondern sich mit den Grenzen dieser Befugnis im konkreten Fall befasst. Der ORF habe nicht näher ausgeführt, warum die bis zur Versendung der Rundmail erfolgte Berichterstattung Anlass gegeben hätte, auf eine dem Objektivitätsgebot entsprechende Ausgestaltung der Berichterstattung besonders hinzuweisen.

3.3. Der ORF übersehe, dass Verstöße gegen die aus dem ORF-G abgeleiteten Regeln auch dann aufgegriffen werden könnten, wenn sie so qualifiziert seien, dass sie eine Gesetzesverletzung darstellen würden. Der ORF lasse aber offen, warum diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt wäre, sondern beschränke sich auf systematische Überlegungen über den angeblichen Vorrang des Redakteursstatuts. Bei §33 ORF-G handle es sich aber um keinen Ersatz für die Regelungen des §32 iVm §36 ORF-G, sondern um einen Zusatz im Sinne eines Auftrags zur Präzisierung durch Selbstbeschränkung. Schon nach den Vorgängerregelungen der §§32 und 33 ORF-G habe die Regulierungsbehörde wegen eines Verstoßes angerufen werden können.

3.4. Soweit der ORF die Freiheit der journalistischen Berufsausübung des Chefredakteurs bedroht sehe, würden die vom ORF zitierten Vorschriften des Redakteursstatuts für solche Fälle genauso wenig Abhilfe schaffen. Vielmehr würden die Grundsätze des §32 ORF-G eine sinnvolle Grenzziehung dergestalt ermöglichen, dass Anweisungen eines Chefredakteurs insoweit nicht zu beanstanden seien, als es sich um Anleitungen handle, die zur Sicherstellung einer den inhaltlichen Anforderungen insbesondere der §4 Abs5 und §10 Abs5 ORF-G verpflichteten Berichterstattung dienen würden.

3.5. Die belangte Behörde könne nicht erkennen, dass die Bestimmung des §32 ORF-G nur im Falle einer konkret festgestellten Beeinflussung verletzt sein könnte; diese sei schon verletzt, wenn eine verpönte Einflussnahme versucht werde. Der zeitliche Anknüpfungspunkt setze nicht bei dem Ergebnis der Sendungsgestaltung an, sondern umfasse bereits den Entstehungsprozess der journalistischen Arbeit. Der letzte Satz in §32 Abs1 ORF-G ergänze das Verbot der Einflussnahme; für eine Verletzung des §32 Abs1 ORF-G sei es nicht erforderlich, dass dem Mitarbeiter aufgrund seiner Weigerung ein Nachteil erwachse.

3.6. Der belangten Behörde erschließe sich nicht, warum mit dieser Auslegung die gesetzlichen Bestimmungen zum Redakteursstatut als Präzisierung der wechselseitigen Rechte und Pflichten in Form genereller, im Vorhinein festgelegter "Richtlinien" obsolet werden würden. Der ORF lege nicht weiter dar, warum die direkte Berufung auf §32 Abs1 ORF-G ausgeschlossen sein solle. Vielmehr handle es sich um zentrale Grundsätze, an denen die vom ORF genannten Instrumentarien in letzter Konsequenz zu messen seien. Schon deswegen sei es kein Argument, dass wegen des Vorhandenseins dieser Instrumentarien gegen die Grundsatzbestimmung in §32 ORF-G nicht verstoßen werden könne.

3.7. Die belangte Behörde sei nicht der Meinung, dass Weisungen dieser oder ähnlicher Art schon deswegen im Lichte des §32 ORF-G unproblematisch seien, weil die davon betroffenen Personen sich ohnehin weigern könnten, dem jeweiligen Bericht ihren Namen anzufügen. Eine derartige Auslegung würde unterstellen, dass zur Absicherung der Unabhängigkeit schon die Regelung des §3 MedienG ausreiche und der Gesetzgeber insoweit mit §32 Abs1 Satz 1 und 2 ORF-G Überflüssiges angeordnet habe.

II. Vorbringen

1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde behauptet die beschwerdeführende Partei die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsäußerungsfreiheit sowie auf Gleichheit vor dem Gesetz.

1.1. Soweit die belangte Behörde davon ausgehe, dass mit der Versendung der E-Mail gegen §32 ORF-G verstoßen worden sei, werde das Gesetz in denkunmöglicher Weise ausgelegt bzw. diesem ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt.

1.2. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass der "inneren Medienfreiheit" maßgebliche Bedeutung im Gesamtkontext der Meinungsfreiheit zukomme. Es handle sich aber nicht um ein subjektives Freiheitsrecht der Rundfunkmitarbeiter, sondern um die Gewährung autonomer Handlungsfreiräume. Selbst wenn man weitergehende Gewährleistungspflichten annehme, bleibe die Notwendigkeit, die jeweiligen Freiheitsansprüche in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen.

1.3. Es gehe hier um die Frage, wie weit unter Anerkennung des Modells der Rahmenweisungskompetenz die Freiheit der journalistischen Mitarbeiter in der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung gehe, dh. welche Art von Anleitung durch die Vorgesetzten von jenen hinzunehmen sei. Die Kernaussage der belangten Behörde bestehe darin, dass das "deutliche Verlangen, gerade eine bestimmte Konnotation zu 'vermeiden', der durch §32 ORF-G normierten Unabhängigkeitsgarantie" widerspreche. Dabei unterliege die belangte Behörde aber einem Missverständnis darüber, was der Inhalt der journalistischen Freiheit sei. Der Schutz der journalistischen Berufsausübung sei ein zentraler Pfeiler der gesellschaftlichen Aufgabe der Medien. Die Freiheit der journalistischen Berufsausübung werde aber dadurch begrenzt, dass zwar die Überzeugung des Journalisten geschützt sei, dieser aber kein Recht habe, dass seine Überzeugung vom Medieninhaber transportiert werde. Die Entscheidung, ob und wann ein Beitrag gesendet werde, liege trotz §32 ORF-G weiterhin beim Medieninhaber. Das werde in §4 MedienG, der für alle Medienmitarbeiter gelte, ausdrücklich angeordnet und habe schon der Lehre zu §17 RFG entsprochen. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolge nach diesem Verständnis daher dahingehend, dass der journalistische Mitarbeiter nichts verantworten müsse, was seiner Freiheit der Berufsausübung widerspreche, die beschwerdeführende Partei im Gegenzug aber auch nicht gezwungen sei, etwas auszustrahlen, was ihrer Programmhoheit widerspreche.

1.4. Nach dem Wortlaut des §32 ORF-G gehe es im Rahmen der journalistischen Freiheit um den Schutz der Überzeugung bzw. des Gewissens des Journalisten (vgl. die Regierungsvorlage zu §17 RFG). Diesem dürften keine Überzeugungen, Einstellungen, Meinungen usw. zugeschrieben werden, zu denen er nicht stehe. Er habe aber keinen Anspruch darauf, dass seine persönlichen Überzeugungen, Einstellungen, Meinungen vom Medieninhaber transportiert würden. Insofern handle es sich bei §4 MedienG um eine authentische Interpretation der §§2 und 3 MedienG. Eine Veröffentlichungspflicht für den Verleger (Medieninhaber) bestehe nur im Rahmen eines Verlagsvertrages. Im Gesamtkomplex der §§2 ff. MedienG, §32 ORF-G werde nicht bestritten, dass der Programm-, Sendungs- bzw. Inhaltsverantwortliche (auch ohne vorhergehendes Einvernehmen mit dem Gestalter eines Beitrages) berechtigt sei, einen Beitrag redaktionell zu bearbeiten. Wie bei einem Meinungskonflikt vorzugehen sei, werde vom Redakteursstatut besonders geregelt; das Prinzip sei, dass der Beitrag auf Sendung gehen bzw. gedruckt werde könne, der Mitarbeiter allerdings das Recht habe, die Nennung seines Namens zurückzuziehen und insofern keine Verantwortung für den Beitrag zu übernehmen.

Die belangte Behörde unterstelle aber dem ORF-G einen der Meinungsäußerungsfreiheit der beschwerdeführenden Partei widersprechenden Inhalt, da dieser eine Veröffentlichung vorgeschrieben werde, die ihrer Meinung nicht entspreche. Demgemäß spiele es auch keine Rolle, ob die E-Mail zur Einhaltung des Objektivitätsgebotes erforderlich gewesen sei. Es existiere keine Norm, die die beschwerdeführende Partei dazu verpflichten würde, einen Sendungsinhalt, der der Anschauung des verfassenden Journalisten entspreche, auch zu senden.

1.5. Es sei darauf hinzuweisen, dass es medienübergreifend bislang Usus gewesen sei, innerhalb von Redaktionen durchaus berufliche Hierarchien zu bilden, womit nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten bzw. Verantwortlichkeiten einhergehen würden. Dies werfe die Frage auf, warum sich die Medien diese (zum Teil hochbezahlten) Mitarbeiter leisten würden, wenn diese nunmehr gar nichts zu reden hätten. Die belangte Behörde verwechsle (die im konkreten Fall gewahrte) Selbstverantwortung im Sinne von Überzeugungsfreiheit mit Selbstverwirklichung, die durch keine Rechtsgrundlage geschützt werde.

1.6. Es sei richtig, dass (dienstrechtliche) Weisungen nicht als solche bezeichnet werden müssten, um als solche zu gelten. Nur ein einer dienstrechtlichen Weisung gleichkommendes Verhalten sei allerdings auch tatbestandsmäßig, ein Ersuchen, eine Anregung usw. nicht. Die Aufsichtsbehörden würden aber der E-Mail auf Grund der Übermittlung auch an den Landesdirektor und der Verwendung der "Wir"-Form einen "pseudoautoritären Charakter" unterstellen. Tatsächlich entspreche es der Gewährleistung von unternehmensinterner Informationsdurchlässigkeit, sämtliche relevanten Proponenten in den Verteiler aufzunehmen. Gleiches gelte für die Verwendung der "Wir"-Form in einem (kleinen) Kreis von etwa 35 Journalisten. Für das Erreichen jener Intensität an Einflussnahme, die für eine Verletzung des §32 ORF-G erforderlich wäre, bestünden lediglich der modernen Unternehmenskommunikation widersprechende und auch sonst nicht weiter bewiesene Behauptungen der belangten Behörde.

1.7. Zusätzlich sei noch zu beachten, dass die belangte Behörde die Beschwerdelegitimation in einer die Verfassungswidrigkeit begründenden Weise bejaht habe: Es sei nicht festgestellt worden, dass auch nur einer der Beschwerdeführer ein programmgestaltender oder journalistischer Mitarbeiter und somit Adressat der E-Mail gewesen wäre. §32 Abs1 ORF-G schütze aber Überzeugung und Gewissen dieser Mitarbeiter und sei damit letztlich eine unmittelbar die Persönlichkeit schützende Norm. Eine Geltendmachung der Verletzung dieser Individualrechte stehe nur der jeweils betroffenen Person zu.

Exemplarisch sei hier auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11. März 2008, 4 Ob 20/08g, verwiesen. Die Zivilrechtsprechung gehe davon aus, dass eine Durchsetzung von behaupteten Verletzungen persönlichkeitsrechtlich geprägter Rechtspositionen durch Dritte nicht zulässig sei. Dem §32 Abs1 ORF-G (bzw. früher §17 Abs1 RFG) scheine ein vergleichbares Verständnis zugrunde zu liegen (vgl. die Erläuterungen zu §17 Abs1 RFG):

"Im Zusammenhang mit der Eigenverantwortlichkeit der programmgestaltenden Mitglieder sprechen die Mat zu §17 RFG daher davon, dass 'dem Betroffenen der Rechtszug an die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes offen' stünde […]. Die Mat nehmen hier also explizit auf die Antragslegitimation des Betroffenen Bezug, obwohl schon das RFG einen 'Popularantrag' kannte, der allgemein auf Verletzungen 'dieses Bundesgesetzes' (d.h. des RFG) bezogen war (vgl. §27 Abs1 RFG). Das alleine könnte man allenfalls noch als wenig aussagekräftig abtun, weil der Gesetzgeber eben nur auf den 'Grundfall' abstellt. Bedeutsamer ist allerdings, wenn man auf die Ausführungen betreffend die journalistischen Mitarbeiter blickt. Denn hier äußert der Gesetzgeber Zweifel, ob diesen überhaupt die Anrufung der Kommission möglich sein soll, zumal hier ja vom Gesetz noch die Zwischenschaltung des Redakteursstatuts vorgesehen ist. Gleichwohl sagen die Mat, dass 'auch dieser Kreis zur Anrufung der Kommission berechtigt sein' wird […].

Nun dürfte einleuchten, dass für den Fall, dass das Gesetz bei Verletzung der Freiheit der journalistischen Mitarbeiter zwingend den 'Rechtszug' nach dem Redakteursstatut vorgesehen hätte, ungeachtet jeder Formulierung in §27 Abs1 RFG für einen Popularantrag an die Kommission trotz allfälliger 'Verletzung dieses Bundesgesetzes' kein Raum geblieben wäre. Aber schon die Zweifel, die der Gesetzgeber hatte, ob der betroffene Journalist selbst überhaupt zur Anrufung der Kommission berechtigt ist, zeigen, dass der Gesetzgeber – von obigem Verständnis des 'Drittdurchsetzungsverbots' ausgehend – einfach nicht bedacht hat, dass für die Fälle des §17 RFG bzw. heute §32 ORF-G die Antragslegitimation in §27 RFG bzw. §36 ORF-G schlicht überschießend formuliert ist."

Grundsätzlich sei dies eine Frage der Auslegung des einfachen Gesetzes. Indem die belangte Behörde es allerdings Dritten gestatte, darüber zu prozessieren, ob die beschwerdeführende Partei die journalistische Freiheit ihrer Mitarbeiter verletzt habe, und somit über fremde Persönlichkeitsrechte zu disponieren, habe sie das Gesetz in verfassungswidriger Weise unzutreffend ausgelegt. Dass §36 Abs1 ORF-G dies scheinbar gestatte, sei nur dem Umstand zu verdanken, dass diese Bestimmung zu weit formuliert sei und aus teleologischen wie aus systematischen Gründen der Reduktion bedürfe. Die Beschwerde wäre daher schon mangels Legitimation abzuweisen gewesen.

2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

III. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des ORF-G lauten:

"Öffentlich-rechtlicher Kernauftrag

§4. (1) Der Österreichische Rundfunk hat durch die Gesamtheit seiner gemäß §3 verbreiteten Programme und Angebote zu sorgen für:

1. die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen;

2. [- 19. …]

[…]

(2) [- (4) …]

(5) Der Österreichische Rundfunk hat bei Gestaltung seiner Sendungen und Angebote weiters für

1. eine objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen;

2. die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen;

3. eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität

zu sorgen.

(5a) […]

(6) Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht. Unabhängigkeit bedeutet Unabhängigkeit von Staats- und Parteieinfluss, aber auch Unabhängigkeit von anderen Medien, seien es elektronische oder Printmedien, oder seien es politische oder wirtschaftliche Lobbys.

(7) Die Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks sind den Zielen des Programmauftrags verpflichtet und haben an dessen Erfüllung aktiv mitzuwirken.

(8) Der Generaldirektor hat im Einvernehmen mit dem Redakteursausschuss (§33 Abs7) unter Wahrung der in §32 Abs1 genannten Grundsätze einen Verhaltenskodex für journalistische Tätigkeit bei der Gestaltung des Inhalteangebots zu erstellen. Dabei ist insbesondere auf die vorstehenden Absätze sowie die Bestimmungen des §10 Abs1 bis 12 unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung Bedacht zu nehmen. Der Verhaltenskodex ist regelmäßig auf seine Eignung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Der Verhaltenskodex bedarf der Zustimmung des Publikumsrates und des Stiftungsrates und ist auf der Website des Österreichischen Rundfunks zu veröffentlichen. Der Österreichische Rundfunk hat darüber hinaus nähere Verfahren einschließlich Anlaufstellen für die Sicherung der Einhaltung des Verhaltenskodex vorzusehen.

[…]

2. Abschnitt

Programmgrundsätze

Inhaltliche Grundsätze

§10. (1) Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.

(2) Die Sendungen dürfen nicht zu Hass auf Grund von Rasse, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion und Nationalität aufreizen.

(3) Das Gesamtangebot hat sich um Qualität, Innovation, Integration, Gleichberechtigung und Verständigung zu bemühen.

(4) Die umfassende Information soll zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung im Dienste des mündigen Bürgers und damit zum demokratischen Diskurs der Allgemeinheit beitragen.

(5) Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.

(6) [- (14) …]

[…]

7. Abschnitt

Stellung der programmgestaltenden Mitarbeiter

Unabhängigkeit

§32. (1) Der Österreichische Rundfunk und seine Tochtergesellschaften haben die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit aller programmgestaltenden Mitarbeiter sowie die Freiheit der journalistischen Berufsausübung aller journalistischen Mitarbeiter bei Besorgung aller ihnen übertragenen Aufgaben im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu beachten. Die journalistischen Mitarbeiter dürfen in Ausübung ihrer Tätigkeit insbesondere nicht verhalten werden, etwas abzufassen oder zu verantworten, was der Freiheit der journalistischen Berufsausübung widerspricht. Aus einer gerechtfertigten Weigerung darf ihnen kein Nachteil erwachsen.

(2) Programmgestaltende Mitarbeiter im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die an der inhaltlichen Gestaltung von Online-Angeboten und Hörfunk- und Fernsehsendungen mitwirken.

(3) Journalistische Mitarbeiter im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die an der journalistischen Gestaltung von Online-Angeboten und Programmen im Hörfunk und Fernsehen mitwirken, insbesondere Redakteure, Reporter, Korrespondenten und Gestalter.

(4) [- (8) …]

Redakteurstatut

§33. (1) Zur Sicherstellung der im §32 Abs1 für die journalistischen Mitarbeiter niedergelegten Grundsätze ist zwischen dem Österreichischen Rundfunk (einer Tochtergesellschaft) einerseits und einer nach den Grundsätzen des gleichen, unmittelbaren und geheimen Verhältniswahlrechtes gewählten Vertretung der journalistischen Mitarbeiter andererseits ein Redakteurstatut abzuschließen. An den Verhandlungen über den Abschluss eines Redakteurstatuts sind auch zwei Vertreter der für die journalistischen Mitarbeiter zuständigen Gewerkschaft sowie zwei Vertreter des Zentralbetriebsrates, im Falle einer Tochtergesellschaft zwei Vertreter des Betriebsrates dieser Gesellschaft zu beteiligen.

(2) […]

(3) Das Redakteurstatut hat insbesondere nähere Bestimmungen zu enthalten über

1. die Sicherstellung der Eigenverantwortlichkeit und der Freiheit der journalistischen Berufsausübung aller journalistischen Mitarbeiter bei der Besorgung der ihnen übertragenen Aufgaben;

2. den Schutz der journalistischen Mitarbeiter gegen jede Verletzung ihrer Rechte;

3. die Mitwirkung an personellen und sachlichen Entscheidungen, welche die journalistischen Mitarbeiter betreffen;

4. die Schaffung einer Schiedsinstanz zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Redakteurstatut.

(4) Durch das Redakteurstatut dürfen die Rechte der Betriebsräte, überdies durch die Schaffung der vorstehend erwähnten Schiedsinstanz eine gesetzlich vorgesehene Anrufung von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nicht berührt werden.

(5) Die Wahrnehmung der sich aus dem Redakteurstatut ergebenden Rechte der journalistischen Mitarbeiter obliegt den Redakteurssprechern, dem Redakteursausschuss bzw. dem Redakteursrat, die nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen für eine Funktionsperiode von zwei Jahren gewählt werden. In jedem Betriebsbereich des Österreichischen Rundfunks (Landesstudios, Hauptabteilungen) und einer Tochtergesellschaft wählt eine Versammlung aller journalistischen Mitarbeiter aus ihrer Mitte nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes in geheimer Wahl einen Redakteurssprecher. Umfasst der betreffende Betriebsbereich mehr als zehn journalistische Mitarbeiter, so ist für je angefangene weitere zehn journalistische Mitarbeiter ein weiterer Redakteurssprecher zu wählen.

(6) [- (14) …]

[…]

Rechtsaufsicht

§36. (1) Die Regulierungsbehörde entscheidet neben den anderen in diesem Bundesgesetz und im KommAustria-Gesetz genannten Fällen – soweit dafür nicht eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist – über die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit Ausnahme der Bestimmungen des 5a. Abschnittes oder über die Verletzung des Umfangs eines Angebotskonzepts einschließlich allfälliger nach §6b Abs2 erteilten Auflagen

1. auf Grund von Beschwerden

a. einer Person, die durch eine Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein behauptet;

b. eines die Rundfunkgebühr entrichtenden oder von dieser befreiten Rundfunkteilnehmers im Sinne des Rundfunkgebührengesetzes, sofern die Beschwerde von mindestens 120 solchen Personen oder Personen, die mit einem die Rundfunkgebühr entrichtenden oder mit einem von dieser Gebühr befreiten Rundfunkteilnehmer im gemeinsamen Haushalt wohnen, unterstützt wird sowie

c. eines Unternehmens, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch die behauptete Verletzung berührt werden.

2. auf Antrag

a. [- e. …]

3. von Amts wegen

a. [- b. …]

(2) Die Unterstützung einer Beschwerde gemäß Abs1 Z1 litb ist durch eine Unterschriftenliste nachzuweisen, aus der die Identität der Personen, die die Beschwerde unterstützen, festgestellt werden kann.

(3) Beschwerden sind innerhalb von sechs Wochen, Anträge sind innerhalb von sechs Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der behaupteten Verletzung dieses Bundesgesetzes, einzubringen. Offensichtlich unbegründete Beschwerden und Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

(4) […]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des ORF-Redakteurstatuts lauten:

"ORF-Redakteurstatut

vom 29.6.1976 in der Fassung des Schiedsspruchs vom 30.6.1989 und der vom Redakteursausschuss und der Generaldirektorin einvernehmlich vorgenommenen Wiederverlautbarung vom 10.10.2002

Präambel

Ziel dieses Statuts ist es, auf der Basis des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks vom 10. Juni 1974, BGBI. Nr 396 (BGV-Rundfunk), und im Rahmen der Bestimmungen des ORF-Gesetzes in der Fassung BGBI. I Nr 83/2001 (ORF-G), die Unabhängigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Freiheit der journalistischen Berufsausübung aller journalistischen Mitarbeiter bei der Besorgung der ihnen übertragenen Aufgaben sicherzustellen, den Schutz der journalistischen Mitarbeiter gegen jede Verletzung ihrer Rechte zu gewährleisten und die Mitwirkung an personellen und sachlichen Entscheidungen, welche die journalistischen Mitarbeiter betreffen, zu regeln.

Die Freiheit der journalistischen Berufsausübung besteht darin, ausschließlich aufgrund der nach bestem Wissen und Gewissen erhobenen Tatsachenlage zu handeln; diese Freiheit ist vor rechtswidrigen Eingriffen von innen und von außen, insbesondere des Staates, parteipolitischer, wirtschaftlicher sowie gesellschaftlicher Interessengruppen zu, schützen. Die besondere Verantwortung und die besonderen Pflichten, die den Redakteuren des Österreichischen Rundfunks (in der Folge ORF genannt) durch das ORF-G übertragen werden, rechtfertigen die Sicherung der Freiheit der journalistischen Berufsausübung und die Verankerung der Eigenverantwortlichkeit der Redakteure durch dieses Statut. Sämtliche in diesem Statut verwendeten personenbezogenen Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.

Geltungsbereich

§1. Dieses Redakteurstatut gilt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen für alle journalistischen Mitarbeiter des ORF (§32 Abs3 ORF-G). Es sind dies alle Personen, die ständig, unabhängig und eigenverantwortlich in Erfüllung des Programmauftrags des §4 Abs1 und 5 ORF-G tätig sind, also zu sorgen haben für die umfassende und auf das aktuelle Tagesgeschehen Bezug habende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen (Bildung, Kunst, Wissenschaft und Unterhaltung) und sportlichen Fragen durch

a) objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen,

b) Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen,

c) eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität,

sofern ihre Tätigkeit mindestens je ein Merkmal jeder der im Folgenden unter A) und B) aufgezählten Merkmalgruppen aufzuweisen hat.

A) Inhaltliche Produktion

1. Verfassung oder Gestaltung von Programmelementen,

2. direkte, akustische oder optische Darbietung von Programmelementen, soweit diese das Ergebnis eigener oder gemeinsam mit anderen journalistischen Mitarbeitern zustande gekommener recherchierender oder redaktioneller Tätigkeit ist,

3. redaktionelle Zusammenstellung einzelner Programmelemente zu Gesamtsendungen,

4. Ermittlung, Sammlung und Sichtung von Informationen, die als Vormaterial zur Verwendung bei der inhaltlichen Produktion bestimmt sind,

5. koordinierende und leitende Tätigkeit in den vorerwähnten Tätigkeits-
bereichen (z.B. Chefredakteur, dessen Stellvertreter, Leitender Redakteur,
Ressortleiter).

B) Berufsmäßige Wirkung

Als ständig in Erfüllung des Programmauftrags gemäß §4 Abs1 und 5 ORF-G tätig gelten Angestellte und freie Mitarbeiter (§32 Abs4 ORF-G), wenn

1. ihre journalistische Tätigkeit im ORF zumindest im Durchschnitt

a) der letzten drei Kalendermonate die Hälfte oder

b) von sechs Kalendermonaten des letzten Jahres zwei Fünftel des 4,3 fachen der durch Gesetz oder Kollektivvertrag vorgesehenen wöchentlichen Normalarbeitszeit erreicht und

2. sie in keinem sonstigen Beschäftigungsverhältnis stehen, das das Ausmaß einer wirtschaftlich unbedeutenden Nebentätigkeit übersteigt.

Unabhängigkeit

§2. Jeder Redakteur des ORF ist im Rahmen der Bestimmungen des ORF-G in Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit unabhängig. Er hat seine Funktion im Sinne des §4 Abs1 und 5 ORF-G auszuüben. Die Inhalte der allgemeinen Programmrichtlinien vom 1.7.1976 gelten als Bestandteil dieses Redakteurstatuts.

Eigenverantwortlichkeit und Freiheit der journalistischen Berufsausübung

§3. (1) Kein Redakteur darf verhalten werden, in Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit etwas abzufassen oder zu verantworten, was der Freiheit der journalistischen Berufausübung widerspricht. Aus einer gerechtfertigten Weigerung darf ihm kein Nachteil erwachsen (§32 Abs1 ORF-G).

(2) Die vom Rundfunk geforderte Erfüllung des Programmauftrags nach §4 Abs1 und 5 ORF-G verpflichtet die Redakteure bei der selbständigen Gestaltung von Sendungen auch solche Beiträge aufzunehmen, die ihrer persönlichen Meinung widersprechen.

(3) Die Eigenverantwortlichkeit des Redakteurs bezieht sich auf die selbständige Gestaltung von Sendungen, Beiträgen und besonderen Nachrichtensendungen im Rahmen der Bestimmungen des ORF-G und der Programmrichtlinien.

(4) Bei eigenen Sendungen und eigenen Beiträgen wird der Name des Verfassers genannt. Bei den besonderen Nachrichtensendungen wird der Name des verantwortlichen Redakteurs genannt.

(5) Redakteure, zu deren Aufgabe es gehört, Sendungen zusammenzustellen, und die deshalb das Recht haben. Beiträge abzulehnen oder zu verändern, müssen versuchen, über wesentliche inhaltliche Eingriffe Einvernehmen mit dem betroffenen Redakteur herbeizuführen. Kein wesentlicher inhaltlicher Eingriff liegt vor, wenn es sich um die technisch-redaktionelle Bearbeitung von Beiträgen handelt. Wird keine Einigung erzielt, soll der Beitrag nach Möglichkeit zurückgestellt werden. Ist dies unmöglich, hat der betroffene Redakteur das Recht, seinen Namen schriftlich zurückzuziehen und zu begründen, warum er für den Beitrag die Verantwortung verweigert. Diese Äußerung muss vom Vorgesetzten entgegengenommen werden.

(6) Die Weigerung des Redakteurs, in Ausübung seiner journalistische Tätigkeit etwas abzufassen oder zu verantworten, muss auf Wunsch des Vorgesetzten schriftlich formuliert und begründet werden. In diesem Fall hat auch der Vorgesetzte seine Entscheidung (seinen Auftrag) schriftlich zu formulieren und zu begründen.

(7) Sowohl der Redakteur als auch der Vorgesetzte können binnen einer Woche nach Bekanntgabe der strittigen Entscheidung (Erteilung des strittigen Auftrags) und der Zustellung der Weigerung die Redakteursversammlung mit dem Fall befassen.

(8) Wird eine gütliche Einigung binnen drei Wochen ab Befassung der Redakteursversammlung nicht erzielt, so können sowohl die vom Streitfall betroffenen Redakteure über den Redakteursrat als auch ein legitimierter Unternehmensvertreter als Schiedsgericht anrufen. Das Schiedsgericht hat auszusprechen, ob die Weigerung, etwas abzufassen oder zu verantworten, im Rahmen des Redakteurstatuts gerechtfertigt war. Die Entscheidung ist zu begründen. Der Redakteursrat sowie die Geschäftsführung sind berechtigt, die Entscheidung des Schiedsgerichts öffentlich mitzuteilen.

Einflussnahme von außen

§4. (1) Die Geschäftsführung des ORF hat gemäß den Bestimmungen des BVG-Rundfunk und des ORF-G die Unabhängigkeit des ORF und insbesondere die seiner Redakteure gegen Einflussnahme von außen zu verteidigen und den Redakteuren Schutz zu gewähren.

(2) Bei ungerechtfertigten, schwerwiegenden Angriffen, die öffentlich gegen Redaktionen oder gegen einzelne Redakteure gerichtet werden, hat der Redakteursrat eine Stellungnahme zu veröffentlichen.

[…]"

3. Die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Vorschriften des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1981 über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz – MedienG), BGBl 314/1981 idF BGBl I 50/2012, lauten:

"Zweiter Abschnitt

Schutz der journalistischen Berufsausübung; Redaktionsstatuten

Überzeugungsschutz

§2. (1) Jeder Medienmitarbeiter hat das Recht, seine Mitarbeit an der inhaltlichen Gestaltung von Beiträgen oder Darbietungen, die seiner Überzeugung in grundsätzlichen Fragen oder den Grundsätzen des journalistischen Berufes widersprechen, zu verweigern, es sei denn, daß seine Überzeugung der im Sinn des §25 veröffentlichten grundlegenden Richtung des Mediums widerspricht. Die technisch-redaktionelle Bearbeitung von Beiträgen oder Darbietungen anderer und die Bearbeitung von Nachrichten dürfen nicht verweigert werden.

(2) Aus einer gerechtfertigten Weigerung darf dem Medienmitarbeiter kein Nachteil erwachsen.

Schutz namentlich gezeichneter Beiträge

§3. Wird ein Beitrag oder eine Darbietung in einer den Sinngehalt betreffenden Weise geändert, so darf die Veröffentlichung unter dem Namen des Medienmitarbeiters nur mit seiner Zustimmung geschehen. Der Angabe des Namens des Verfassers ist die Bezeichnung mit einem von ihm bekanntermaßen gebrauchten Decknamen oder Zeichen gleichzuhalten.

Kein Veröffentlichungszwang

§4. Die vorstehenden Bestimmungen räumen dem Medienmitarbeiter nicht das Recht ein, die Veröffentlichung eines von ihm verfaßten Beitrages oder einer Darbietung, an deren inhaltlichen Gestaltung er mitgewirkt hat, zu erzwingen.

Redaktionsstatuten

§5. (1) Für die Medienunternehmen und Mediendienste können Redaktionsstatuten abgeschlossen werden, die die Zusammenarbeit in publizistischen Angelegenheiten regeln.

(2) Ein Redaktionsstatut wird zwischen dem Medieninhaber und einer Redaktionsvertretung vereinbart, die von der Redaktionsversammlung nach dem Grundsatz der Verhältniswahl zu wählen ist. Die Vereinbarung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Redaktionsversammlung, die diese mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Angehörigen erteilt. Der Redaktionsversammlung gehören alle fest angestellten Medienmitarbeiter an.

(3) Durch die Bestimmungen eines Redaktionsstatuts dürfen die Rechte der Betriebsräte nicht berührt werden.

(4) Allgemeine Grundsätze von Redaktionsstatuten können von den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der im Medienwesen tätigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden."

IV. Erwägungen

1. Die beschwerdeführende Partei macht eine Verletzung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit geltend.

2. Nach Art10 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfasst. Art10 Abs1 EMRK schützt, wie sich aus Art10 Abs1 3. Satz EMRK ergibt, auch die Rundfunkfreiheit.

Der ORF ist (als Stiftung öffentlichen Rechts) Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit. Ebenso wie die Gestaltung von Sendungsinhalten durch einzelne journalistische Mitarbeiter fällt auch die Einflussnahme auf den Inhalt der Berichterstattung durch leitende programmgestaltende Mitarbeiter in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des ORF. Im Beschwerdefall hat ein Chefredakteur eine E-Mail an journalistische Mitarbeiter geschickt, die zumindest vertretbarerweise als eine solche Einflussnahme gewertet werden kann (siehe unten 6.). Die Feststellung der belangten Behörde, dass die beschwerdeführende Partei dadurch das ORF-G verletzt hat, bildet daher einen Eingriff in deren Rundfunkfreiheit.

3. Art10 Abs2 EMRK sieht im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind. Art10 Abs2 EMRK enthält sohin verfassungsrechtliche Schranken für die gesetzliche Begrenzung der Ausübung der Rechte nach Art10 Abs1 EMRK (VfSlg 12.086/1989, 16.468/2002, 19.586/2011).

Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muss sohin, wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen hat (s. zB EGMR 26.4.1979, Fall Sunday Times, EuGRZ1979, 390; 25.3.1985, Fall Barthold, EuGRZ1985, 173), gesetzlich vorgesehen sein, einen oder mehrere der in Art10 Abs2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein (vgl. VfSlg 12.886/1991, 14.218/1995, 14.899/1997, 16.267/2001 und 16.555/2002).

4. Ein Eingriff in das durch Art10 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art10 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides u.a. einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsgrundlage fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, durch Art10 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat.

5. Der angefochtene Bescheid betrifft die u.a. durch Art10 EMRK geschützte Rechtssphäre des ORF und bildet daher einen Eingriff in dessen Rundfunkfreiheit. Er stützt sich auf Vorschriften des ORF-G, deren Verfassungsmäßigkeit die beschwerdeführende Partei selbst nicht in Zweifel zieht. Auch der Verfassungsgerichtshof hegt aus Sicht dieses Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die angewendeten Rechtsvorschriften.

6. Die belangte Behörde ging auf der Grundlage des Wortlauts der E-Mail denkmöglich davon aus, dass die in Rede stehende E-Mail eine – mit der Erwartung der Einhaltung verbundene – Anweisung an die mit der betreffenden Berichterstattung befassten journalistischen Mitarbeiter und nicht lediglich ein Ersuchen oder eine Anregung darstellt. Entgegen dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei konnte die belangte Behörde daher annehmen, dass die E-Mail eine solche Intensität der Einflussnahme aufwies, die Voraussetzung dafür ist, dass eine Verletzung des §32 ORF-G in Betracht kommt. Insofern ist der belangten Behörde kein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsfehler vorzuwerfen.

7. Soweit die belangte Behörde aber von einem Verstoß gegen die Freiheit der journalistischen Berufsausübung nach §32 Abs1 ORF-G ausgeht, unterstellt sie dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen Inhalt:

7.1. ArtI Abs2 Bundesverfassungsgesetz vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks (in der Folge: BVG Rundfunk) gewährleistet die Unabhängigkeit der mit der Besorgung der öffentlichen Aufgabe Rundfunk betrauten Personen und Organe. Der Unabhängigkeitsgarantie des BVG Rundfunk kommt im Besonderen die Funktion zu, die Überzeugung journalistischer Mitarbeiter zu schützen.

Journalistische Mitarbeiter des ORF (zu diesem Begriff Korn, Der Begriff des programmgestaltenden und journalistischen Mitarbeiters des ORF [§17 Abs2 und 3 RFG 1974], RfR 1981, 1) genießen die aus Art10 EMRK abzuleitende Freiheit der journalistischen Berufsausübung, die durch das BVG Rundfunk konkretisiert wird (vgl. Holoubek, Innere Rundfunkfreiheit, in: Berka/Grabenwarter/Holoubek [Hrsg.], Unabhängigkeit der Medien, 2011, 133 [142]). Insofern besteht auch eine staatliche Schutzpflicht in den Rechtsbeziehungen zwischen dem Journalisten und dem Rundfunkveranstalter, bei dem er beschäftigt und für den er tätig ist (EGMR 17.9.2009, Fall Manole ua., Appl. 13.936/02, Z95 ff., 107).

Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend sieht §32 Abs1 ORF-G vor, dass journalistische Mitarbeiter in Ausübung ihrer Tätigkeit insbesondere nicht dazu verhalten werden dürfen, etwas abzufassen oder zu verantworten, was der Freiheit der journalistischen Berufsausübung widerspricht. Ein Recht der journalistischen Mitarbeiter auf uneingeschränkte Veröffentlichung von Sendungen mit bestimmten Inhalten ist aber weder dem ArtI Abs2 BVG Rundfunk noch der Bestimmung des §32 Abs1 ORF-G zu entnehmen, anders gewendet: der ORF ist nicht dazu verpflichtet, die von den journalistischen Mitarbeitern gestalteten, ihrer jeweiligen Überzeugung entsprechenden Sendungsinhalte zu veröffentlichen.

1.1. Die Freiheit der journalistischen Berufsausübung ist nicht schrankenlos, sondern ihrerseits durch die Rundfunkfreiheit des ORF und insbesondere das Objektivitätsgebot begrenzt (vgl. VfSlg 12.086/1989). Die Kollision zwischen der individuellen Freiheit der einzelnen journalistischen Mitarbeiter und der ihr insoweit entsprechenden Schutzpflicht einerseits und der Rundfunkfreiheit des ORF andererseits ist durch Abwägung der Interessen im Rahmen von Art10 Abs2 EMRK zum Ausgleich zu bringen. Auf einfachgesetzlicher Ebene treffen §33 ORF-G und das auf seiner Grundlage ergangene Redakteursstatut, die insbesondere auch Regelungen darüber enthalten, wie bei einem Konflikt zwischen der Medienfreiheit des einzelnen Mitarbeiters und der Pflicht zur Wahrung des Objektivitätsgebots im Fall der redaktionellen Bearbeitung des Beitrags eines journalistischen Mitarbeiters vorzugehen ist, Vorkehrungen dafür, dass die Medienfreiheit des einzelnen journalistischen Mitarbeiters gewahrt wird.

1.2. Gestützt auf seine Rundfunkfreiheit ist der ORF unter Wahrung der Meinungsfreiheit des einzelnen journalistischen Mitarbeiters jedenfalls berechtigt, auf Sendungsinhalte Einfluss zu nehmen, soweit dies zur Einhaltung der dem ORF verfassungsgesetzlich aufgegebenen Verpflichtung zur Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung und zur Berücksichtigung der Meinungsvielfalt erforderlich ist, wie sich aus ArtI Abs2 BVG Rundfunk ergibt. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einflussnahme auf Sendungsinhalte durch den ORF (dh. durch das eine Anweisung gebende Organ) ist jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt, steht dem ORF doch das von Art10 EMRK iVm dem BVG Rundfunk geschützte Recht zu, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben seine Sendungen zu gestalten. Dabei hat der ORF, wenn es wie hier um den Ausgleich kollidierender Ansprüche zweier Grundrechtsträger geht, einen Beurteilungsspielraum, der seine Grenze in der individuellen Freiheit des einzelnen journalistischen Mitarbeiters findet.

1.3. Der ORF und die dem einzelnen Mitarbeiter vorgesetzten Organe dürfen – jenseits der Entscheidung, ob ein bestimmter von einem journalistischen Mitarbeiter gestalteter Beitrag überhaupt gesendet wird – auf den Inhalt der Sendung nicht dergestalt Einfluss nehmen, dass Tatsachenmitteilungen in Nachrichtensendungen unterdrückt werden müssen, bestimmte Quellen, wie zB Agenturmeldungen, nicht ausgewertet werden dürfen oder bereits recherchierte Fakten unberücksichtigt bleiben müssen. Den Organen des ORF ist im Rahmen der Rundfunkfreiheit aber nicht jede Möglichkeit genommen, gegenüber journalistischen Mitarbeitern auf Bewertungen Einfluss zu nehmen, die – zumal bei unsicherer Tatsachenlage – eine Berichterstattung zur Folge haben könnten, die in Konflikt mit den gesetzlichen Vorgaben geraten könnte.

Dabei muss der ORF zur Abwendung der Feststellung einer Gesetzesverletzung nicht nachweisen, dass eine solche Einflussnahme tatsächlich erfolgen muss, damit der ORF die Verletzung des Objektivitätsgebots oder anderer gesetzlicher Vorgaben vermeiden kann. Vielmehr muss als Voraussetzung für die Feststellung einer Verletzung des ORF-G begründbar sein, dass die Freiheit der journalistischen Berufsausübung in unverhältnismäßiger Weise beschränkt wurde, etwa dadurch, dass die Annahme zutrifft, eine anweisende Person habe aus dem Motiv gehandelt, Informationen über bestimmte Tatsachen zu unterdrücken.

1.4. Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht.

1.4.1. Die belangte Behörde führt aus, dass Anleitungen des redaktionell Vorgesetzten im Lichte von §32 Abs1 ORF-G zulässig und sachlich zu rechtfertigen seien, wenn sie zur Effektuierung einer dem Objektivitätsgebot entsprechenden Berichterstattung notwendig seien. Davon ausgehend hat die belangte Behörde die Bestimmung des §32 Abs1 ORF-G aber so angewandt, dass die gegenüber den journalistischen Mitarbeitern geäußerte Empfehlung des die inhaltliche Verantwortung für die in seine Zuständigkeit fallenden gesendeten Berichte tragenden Chefredakteurs – welcher im Übrigen ebenfalls Träger des Grundrechts der Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit ist – einen Verstoß gegen die Bestimmungen des ORF-G darstellt.

1.4.2. Die vom stellvertretenden Chefredakteur des Landesstudios Niederösterreich versandte E-Mail enthält nicht eine bestimmte einzelne Anordnung, sondern umfasst drei Aussagen, die miteinander in Zusammenhang stehen und auch in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind. Zunächst wird ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der E-Mail ("jetzt") in den Agenturmeldungen die Bezeichnung des Attentäters als "christlichen Fundamentalisten" aufgekommen sei; gleichzeitig wird auf die Unsicherheit der Tatsachenlage hingewiesen. Dementsprechend hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch ausdrücklich festgehalten, dass zum Zeitpunkt der Versendung der E-Mail "jedenfalls kein gesichertes Wissen über die Motivation und die Gesinnung des Attentäters herrschte". Dem folgt die Bewertung der Bezeichnung mit den Worten "deutlicher Widerspruch". Damit stellen die ersten beiden Absätze der E-Mail die Begründung für den anschließend ausgesprochenen Vorschlag dar, nämlich die im dritten Absatz ausgesprochene – zurückhaltend formulierte – Empfehlung der Verwendung bestimmter (anderer) Bezeichnungen. Der Verfasser der E-Mail hat somit auf Grundlage der Annahme einer unsicheren Tatsachenlage eine Empfehlung abgegeben, die im Zusammenhang mit der vorangehenden Begründung nachvollziehbar ist.

1.4.3. In der Bewertung dieser Aussagen stützt die belangte Behörde ihre Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung, dass die Faktenlage nicht ausreichend gesichert gewesen sei, um eine verlässliche Aussage über die Motivation und die Einstellung des Täters zu treffen, und dass dahingestellt bleiben könne, ob die Formulierung Niederschlag in der Medienwelt gefunden habe. Die E-Mail interpretiert sie dahingehend, dass die Adressaten dazu verhalten werden sollten, "einen bestimmten Hintergrund aus den Überlegungen und damit der Berichterstattung auszuschließen".

1.4.4. Die beschwerdeführende Partei hat in ihrer Berufung

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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