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16 MedienrechtNorm
StGG Art2Leitsatz
Keine willkürliche oder denkunmögliche Abweisung einer Beschwerde an die Rundfunkkommission wegen behaupteter Verletzung des Objektivitätsgebotes durch einen Bericht über Zahlungsschwierigkeiten der beschwerdeführende Gesellschaft in zwei FernsehsendungenSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid nicht in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist schuldig, den beteiligten Parteien Prof. Dr. P T, Dr. R S, W P, Mag. K A und I J, zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 22.500,- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft wandte sich an die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im folgenden: RFK) mit einer Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 lita Rundfunkgesetz (im folgenden: RFG) gegen die Berichterstattung des Österreichischen Rundfunks (im folgenden: ORF).
Sie beantragte darin, daß die RFK gemäß §29 Abs1 RFG feststellen möge, daß durch die in Beschwerde gezogenen Sendungen die Bestimmungen des §2 RFG über die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattungen verletzt worden seien sowie dem ORF gemäß §29 Abs4 RFG aufzutragen, diese Entscheidung zu veröffentlichen.
Die an die Kommission gerichtete Beschwerde bezog sich auf zwei im wesentlichen gleichlautende Berichte in den Sendungen "Wien heute" bzw. "Niederösterreich heute", die im Programm ORF 2 am 22. November 1996 um 19 Uhr ausgestrahlt worden waren. In diesen Sendungen wurde folgende Meldung gebracht:
"Zahlungsschwierigkeit:
Die rund 500 Wiener/Niederösterreicher, die mit der Kapitalanlagefirma B Verträge abgeschlossen haben, fürchten weiter um ihr Geld. Nach Angaben der NÖ AK warten Aktionäre seit August auf die vertraglich zugesicherte Rückzahlung ihrer Ersparnisse so wie auf die versprochenen Zinsen. Jene Anleger, die ihren Vertrag nach dem März 1994 abgeschlossen haben, können davon zurücktreten, sagt die AK. Die B AG soll nämlich doppelt so viele Anteilscheine verkauft haben, wie von Rechts wegen erlaubt gewesen wäre."
In ihrer Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 lita RFG brachte die beschwerdeführende Gesellschaft zur Begründung folgendes vor:
"Nach der Veröffentlichung der gegen sie erhobenen schweren Vorwürfe hat die Beschwerdeführerin beträchtliche Mühe, ihr dadurch beeinträchtigtes Ansehen wiederherzustellen und insbesondere das erschütterte Vertrauen der Anleger wiederherzustellen. Sie betont immer wieder, daß ihre Vorgangsweise rechtlich und wirtschaftlich korrekt sei.
Dies war dem ORF zum Zeitpunkt der beschwerdegegenständlichen Sendung bekannt. Dennoch wurden in den beschwerdegegenständlichen Sendungen die neuen Vorwürfe der Arbeiterkammer einfach wiedergegeben, ohne eine Stellungnahme der derart Beschuldigten einzuholen und darüber ebenfalls zu berichten.
Der ORF hat damit gegen das gesetzliche Gebot der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung gem. §2 Abs2 RFG verstoßen.
Es ist nicht zulässig, in einer bedeutsamen strittigen Angelegenheit lediglich den Standpunkt einer Partei wiederzugeben. Ebenso dürfen Vorwürfe gegen eine Person - also auch eine Firma - nicht verlautbart werden, ohne deren Standpunkt zu berücksichtigen. In dieser Sache hat sich der ORF wie ein Verlautbarungsorgan der Arbeiterkammer verhalten, nicht aber wie eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die den Gesetzesauftrag hat, die Allgemeinheit umfassend zu informieren (§2 Abs1 Z1 RFG).
Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine derart schwerwiegende Kritik an eine(r) Firma - wie hier der Zahlungsunwilligkeit oder gar Zahlungsunfähigkeit - beträchtlichen Schaden für das Unternehmen und die zahlreichen Geldanleger sowie für die Arbeitsplätze auszulösen geeignet ist.
Dem Objektivitätsgebot widerspricht aber auch die Aussage, daß 'die rund 500 Wiener' bzw. 'die rund 500 Niederösterreicher', die Kapitaleinlagen getätigt haben, 'um ihr Geld fürchten'. Ein solches subjektives Gefühl, welches angeblich 1000 Menschen haben, könnte nur dann Gegenstand einer objektiven Berichterstattung sein, wenn der ORF dieses Empfinden bei allen diesen genannten Personen erhoben hätte. Die B AG wendet demgegenüber ein, daß es ihr gelungen ist, bei den allermeisten ihrer Anleger das Vertrauen wiederherzustellen.
Die Ursache für diese Fehlleistung dürfte beim ORF - ebenso wie bei den anderen Medien - darin liegen, daß man eine Äußerung der Arbeiterkammer in Konsumentenschutzangelegenheiten wie ein(e) authentische Feststellung oder rechtsgültige Verurteilung wertet, die keinen weiteren Zweifeln mehr unterzogen werden darf. Eine solche Qualifikation kommt aber den 'cum ira et studio' öffentlich getätigten Aussagen von Angestellten einer Landesarbeiterkammer keineswegs zu. Dazu dürfte überdies eine Deckung durch die verantwortlichen Organe der Kammer - also vor allem des Vorstandes - gar nicht existieren bzw. besteht für solche Äußerungen überhaupt keine Kompetenz, soweit nicht niederösterreichische Arbeitnehmer als Konsumenten zu schützen sind. Konsumenten sind aber hier allenfalls die künftigen Mieter der von der Beschwerdeführerin zu errichtenden Objekte, nicht aber die unternehmerisch tätigen Geldanleger. Dies hätte auch der ORF bedenken müssen.
Für den unbefangenen Beobachter entsteht der Eindruck, daß sich die derart tätig gewordenen Angestellten der Arbeiterkammer Niederösterreich in die Rolle einer allgemein zuständigen Wirtschaftsbehörde versetzen wollen, welche über die Bonität von Veranlagungen und Firmen unanfechtbar zu entscheiden vermag. Es ist keinesfalls zulässig, daß sich der ORF zum Sprachrohr solcher Aktionen macht, indem er sie ungeprüft und ohne Einholung und Wiedergabe einer Stellungnahme des Betroffenen veröffentlicht.
Es entspricht nun der ständigen Entscheidungspraxis der Kommission, daß die Objektivität und Ausgewogenheit auch dadurch hergestellt werden können, daß einem Gegenstandpunkt in einer anderen Sendung gleichwertig Raum gegeben wird. Wie in der Schilderung des Sachverhaltes bereits ausgeführt, hat der ORF allerdings dem Vorschlag nicht entsprochen, die B in einer anderen Sendung mit ihren Argumenten zu Wort kommen zu lassen.
Die Unausgewogenheit der Berichterstattung in den beschwerdegegenständlichen Sendungen kann auch nicht dadurch als saniert betrachtet werden, daß in einer Hörfunksendung vom gleichen Tag (NÖ Journal, 16.45 Uhr) erwähnt wurde, daß die B 'bekanntlich sämtliche Vorwürfe bestreitet'. Es gibt ja viele Menschen, die ihre Information ausschließlich aus den Abendsendungen des Fernsehens beziehen. Überdies wendet sich das Niederösterreichjournal an die Bewohner dieses Bundeslandes, während die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Fernsehsendungen für die Wiener und Niederösterreicher ausgestrahlt wurden. Für die '500 Wiener', die ihr Geld bei der Beschwerdeführerin veranlagt haben, gab es jedenfalls keine Gelegenheit, davon zu erfahren, daß sich die B die gegen die von den Kammerangestellten erhobenen Vorwürfe wehrt."
2. Die RFK gab der Beschwerde mit Bescheid vom 28. Jänner 1997 nicht Folge. Diese Entscheidung wurde folgendermaßen begründet:
"Die Niederösterreichische Arbeiterkammer veranstaltete tatsächlich am 22. November 1996 eine Pressekonferenz, an der auch Medienmitarbeiter des ORF teilnahmen. Diesen stand eine von den Aussendern zur Verfügung gestellte schriftliche Presseinformation mit dem Titel 'Die Causa 'B AG' und die Folgen für die Anleger' zur Verfügung. Überdies wurde den Medienmitarbeitern eine vom selben Tag datierte Presseaussendung überreicht.
In diesen Unterlagen hieß es unter anderem: 'Seit 1992 wurden mehr als 600.000 Aktien der 'B AG' verkauft. 300.000 zuviel, wie heute die Konsumentenschützer der AKNÖ im Rahmen einer Pressekonferenz feststellten. Rund 1.300 Anleger, die ab März 1994 B-Aktien gekauft haben, können nach Rechtsmeinung der AKNÖ-Experten von den Verträgen zurücktreten. Die 'B AG' wurde 1991 gegründet. Ihr Ziel war es, Immobilien zu erwerben, zu sanieren und wieder zu verkaufen. Das nötige Kapital sollte durch den Verkauf von Aktien aufgebracht werden. ... Aufgrund der 400 schriftlichen Sachverhaltsdarstellungen von Anlegern, die der AKNÖ mittlerweile vorliegen, liegt die Vermutung nahe, daß diese Aktien oft mit irreführenden Argumenten verkauft wurden. ... Mittlerweile haben sich auch fünf Anleger in der Konsumentenberatung der AKNÖ gemeldet, die im Sommer 1996 nach Ablauf der dreijährigen Behaltefrist ihr Kapital ausbezahlt haben wollten. Sie warten bis heute auf ihr Geld. 'Sie wurden mehrmals vertröstet, bis ihnen nun der Auszahlungstermin Mitte Dezember in Aussicht gestellt wurde.' so G L G, Konsumentenschützer der AKNÖ.
... Als die Vermutung auftaucht, daß die 'B AG' wesentlich mehr
Aktien verkauft hat, als rechtlich gedeckt ist, prüft die AKNÖ
auch diesen Sachverhalt. Nach Rechtsauffassung der AKNÖ können
Anleger, die ab dem Zeitraum September 1994 B-Aktien gekauft
haben von den Verträgen zurücktreten. ... Insgesamt dürften
1.300 Anleger mitbetroffen sein ...'
Daran anknüpfend hieß es in der APA-Aussendung: 'Der Grund:
'B' habe doppelt so viele Aktien verkauft wie erlaubt. Ob die
1.300 Anleger ... ihr Geld bekommen werden, steht allerdings in den Sternen ...'
Der Beschwerde zuwider wurde in der inkriminierten Sendung nicht mehr und nichts anderes berichtet als in den (schriftlichen und im wesentlichen deckungsgleichen mündlichen) Informationen seitens der Funktionäre der Niederösterreichischen Arbeiterkammer enthalten war. Daß die wesentlich umfangreicheren schriftlichen Informationen der Arbeiterkammer von den ORF-Mitarbeitern in eine konzise und prägnante Form gefaßt wurden, entspricht im Hinblick auf den Charakter einer Nachrichtensendung einem allgemein einsichtigen Gebot und vernünftiger Übung.
Der einleitende Satz, daß 'rund 500 Niederösterreicher (bzw. Wiener), die mit der Kapitalanlagefirma 'B' Verträge abgeschlossen haben, weiter um ihr Geld fürchten', will bei der gegebenen Fallkonstellation nichts anderes ausdrücken, als daß bei dieser (ungefähren) Anzahl von Vertragspartnern der rechtmäßige Rückfluß des Geldes an sie in Frage gestellt sei; dies kam aber in der Information seitens der Arbeiterkammerfunktionäre, wonach doppelt so viele Anteilscheine als von Gesetzes wegen zulässig, verkauft wurden und weiters ein Vertragsrücktritt für eine erhebliche Anzahl von Anlegern - allerdings mit ungewissen Folgen - aktuell sei, im Verständnis eines - juristisch gewiß nicht fundierten - Durchschnittskonsumenten zum Ausdruck. Der Einleitungssatz dieser Nachrichtenmeldung ist demnach nicht als Ausfluß einer eigenständigen Analyse durch ORF-Mitarbeiter, die durch ihnen verfügbare Informationen nicht gedeckt gewesen sei, zu werten, sondern als resümeehaftes Substrat der erhaltenen Informationen.
Auch und gerade der letzte Satz dieser Nachricht, wonach die 'B AG' nämlich doppelt so viele Anteilscheine verkauft haben soll, wie von Rechts wegen erlaubt gewesen wäre,' - ebenfalls von der Beschwerdeführerin in Kritik gezogen - findet sich mit diesem Inhalt explizit in den Presseaussendungen (bzw. in der Pressemitteilung).
Transportierte aber der ORF in seiner Nachrichtensendung substantiell nichts anderes und qualitativ nichts Belastenderes als das, was ihm an Information von dritter Seite - zudem von ihm nicht veranlaßt - zuteil wurde, war er im Hinblick auf den tagesaktuellen Nachrichtenwert des Berichtsstoffs nicht gehalten, zuvor - also vor der Berichterstattung - Organe der 'B AG' um eine Äußerung zu diesen Behauptungen zu ersuchen (Twaroch-Buchner, Rundfunkrecht4, §2 E 95, 96 und 98). Gerade durch den Umstand, daß die Information auf einer Pressekonferenz - begleitet von einer über die Austria Presse Agentur verbreiteten Presseaussendung - gegeben worden war, war zu erwarten, daß sich andere (diesfalls Print-)Medien bereits am nächsten Tag dieser Thematik annehmen würden. Dies hätte den Wert einer erst danach erfolgten Nachrichtensendung des ORF über dieselbe Thematik weitgehend reduziert. Nicht nur das: Um seinen Vorteil als elektronisches Medium, das am Tag mehrere Nachrichtensendungen ausstrahlt, zu wahren, war er umso weniger verpflichtet, über die erhaltenen Informationen zusätzliche Recherchen - sei es auch in Form des Versuchs, von der 'B AG' eine Stellungnahme zu erlangen - anzustellen. Beachtung verdient ja auch, daß der ORF innerhalb dieser ohnedies kurzen Meldung zweimal die Quelle der Information preisgab. Der Eindruck, es handle sich um das Ergebnis eigenständiger Recherchen von ORF-Mitarbeitern, wird nicht erweckt. In diesem Licht identifiziert sich der ORF nicht mit den von dritter Seite gegebenen Informationen.
Darauf, ob die für den Sendungsinhalt verantwortlichen und zuständigen ORF-Mitarbeiter aus früheren Recherchen oder Sendungen davon wußten, daß die Beschwerdeführerin eine zu den Vorwürfen der Niederösterreichischen Arbeiterkammer konträre Position einnehme, kann es angesichts der Tagesaktualität der auf einer Pressekonferenz erhaltenen Informationen nicht ankommen. Berichtet wurde eben über den Inhalt einer Pressekonferenz, die nicht vom ORF veranlaßt war. Dazu kommt, daß selbst nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin die Arbeiterkammer bei dieser Pressekonferenz 'neue Vorwürfe' (Seite 3 der Beschwerdeschrift) erhob (was im übrigen mit den Bekundungen der gestaltenden Redakteurin übereinstimmt). Umso weniger konnte es auf einen früheren Informationsstand der ORF-Mitarbeiter ankommen.
Da eine rundfunkgesetzlich relevante Verletzung der inkriminierten Sendung nicht anhaftet, mußte die Beschwerde erfolglos bleiben."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Meinungsfreiheit (Art10 EMRK), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die beschwerdeführende Gesellschaft bringt vor, daß die RFK die Vorschriften des §2 Abs2 RFG hinsichtlich der Objektivität, Ausgewogenheit und Unparteilichkeit der Berichterstattung in einer Art10 EMRK bzw. Art6 EMRK widersprechenden Weise ausgelegt und bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hätte.
Die beschwerdeführende Gesellschaft habe bereits gegenüber der RFK vorgebracht, daß es unzulässig gewesen sei, gegen sie erhobene Vorwürfe ungeprüft und ohne Einholung bzw. Wiedergabe einer Stellungnahme der Betroffenen zu senden. Der vorliegende Fall sei vergleichbar mit der Entscheidung VfSlg. 12491/1990, in der der Verfassungsgerichtshof einen Bescheid der RFK wegen objektiver Willkür aufhob. In einer Sendung, die sich mit einem hochrangigen Politiker befaßt hätte, seien ausschließlich Personen aufgetreten, welche Vorwürfe gegen ihn erhoben hätten, ohne daß man ihn aber zu Wort hätte kommen lassen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft hält der belangten Behörde entgegen, daß es durchaus möglich gewesen wäre, eine Erwiderung der beschwerdeführenden Gesellschaft auf die gegen sie erhobenen Vorwürfe einzuholen. Die Pressekonferenz der Arbeiterkammer, über die die streitverfangenen Sendungen berichtet hätten, habe am Vormittag stattgefunden, also hätte man bis zum Sendetermin um 19 Uhr bei der beschwerdeführenden Gesellschaft zumindest anrufen können. Durch die Berichterstattung sei der wirtschaftliche Ruf der beschwerdeführenden Gesellschaft gefährdet, und darüber hinaus implizierten die gegen die beschwerdeführende Gesellschaft erhobenen Vorwürfe strafrechtliches Verhalten. Der ORF hätte nicht nur eine Gegenrecherche durchführen, sondern auch alles vermeiden müssen, was einer Vorverurteilung gleichkomme.
Es gebe keinen "Wettlauf" mit den Printmedien, der es rechtfertigen würde, die Einholung einer Stellungnahme mit der Begründung zu unterlassen, daß sich die Printmedien bereits "am nächsten Tag dieser Thematik annehmen würden".
4. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
5. Demgegenüber brachten die für die streitverfangenen Sendungen verantwortlichen Bediensteten des ORF, und zwar die Landesintendanten für die Landesstudios Niederösterreich und Wien, Prof. Dr. P T und Dr. R S, die Chefredakteure dieser Landesstudios, W P und Mag. K A, sowie die gestaltende Redakteurin I J als Beteiligte des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eine gemeinsame Äußerung ein, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentreten und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug im Sinne des Art144 Abs1, zweiter Satz, B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. VfSlg. 12795/1991, 12969/1992, 13509/1993 uvam.).
1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 7716/1975, 7717/1975, 7718/1975 und 8320/1978 darlegte, ist es nicht ausgeschlossen, daß eine (natürliche oder juristische) Person, die eine auf §27 Abs1 Z1 RFG gestützte Beschwerde an die RFK gerichtet hat, durch den ihren Antrag ablehnenden Bescheid der Kommission in (irgend-)einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wird. Sie ist daher legitimiert, gegen den Bescheid der Kommission gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.
1.3. Die Prozeßvoraussetzungen treffen (insgesamt) zu (vgl. VfSlg. 12491/1990, 12795/1991, 13338/1993, 13510/1993), die Beschwerde ist daher zulässig.
2.1. Zunächst ist zu bemerken, daß hier eine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK schon allein deswegen nicht in Betracht kommt, weil es im Administrativverfahren vor der RFK nicht um "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" oder um die Stichhaltigkeit einer "strafrechtlichen Anklage" geht, sondern um die der RFK (als der die Rechtsaufsicht über den ORF ausübenden Behörde) gesetzlich übertragene Nachprüfung der behaupteten Verletzung des RFG (s. VfSlg. 7897/1976, 8579/1979, 8581/1979, 13513/1993, 14221/1995, B598/97 vom 26. Februar 1998).
2.2. Soweit sich die beschwerdeführende Gesellschaft auf Art10 EMRK und Art2 StGG beruft, ist festzuhalten, daß der im Verfassungsrang stehende Art10 EMRK nach der gefestigten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe
VfSlg. 12035/1989; vgl. auch VfSlg. 9909/1983, 10948/1986, 11572/1987, 12822/1991, 13338/1993) als Bestandteil des Anspruchs auf freie Meinungsäußerung ua. ein Recht auf Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen verbürgt. Der verfassungsgesetzliche Schutzbereich erstreckt sich dabei auch auf die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen mit Hilfe von Fernseh-Rundfunkanlagen (sogenannte "Rundfunkfreiheit").
Diese grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen sind jedoch in zweifacher Weise eingeschränkt. Zum einen ermächtigt Art10 Abs1 letzter Satz EMRK den Staat, Rundfunk- und Fernsehbetriebe einem Genehmigungsverfahren zu unterziehen, zum anderen kann gemäß Art10 Abs2 EMRK die Ausübung der Rundfunkfreiheit bestimmten gesetzlichen Beschränkungen unterworfen werden (VfSlg. 9909/1983, 11572/1987, 12035/1989); die Rundfunkfreiheit ist in dem durch das RFG geschaffenen System freilich nur dann gewährleistet, wenn die Möglichkeit zum Empfang und zur Mitteilung (von Nachrichten) angesichts der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme im Rahmen des ORF wirklich besteht (VfSlg. 10948/1986, 12822/1991):
Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde, so auch der Rundfunkkommission, kann dieses nach dem Gesagten unter Gesetzesvorbehalt stehende verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Rundfunkfreiheit gemäß Art10 EMRK nach ständiger Rechtsprechung nur dann verletzen, wenn er ohne jede gesetzliche Grundlage erging oder auf einer verfassungswidrigen Norm beruht oder wenn bei seiner Erlassung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage denkunmöglich angewendet, so etwa dem Gesetz ein der Bundesverfassung widersprechender Inhalt fälschlicherweise unterstellt wurde (vgl. zB VfSlg. 9909/1983).
Der angefochtene Bescheid stützt sich nun auf Vorschriften des RFG, deren Verfassungsmäßigkeit die beschwerdeführende Gesellschaft selbst nicht in Zweifel zieht und gegen die auch der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht dieses Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken hegt.
Demgemäß bleibt nur zu prüfen, ob der belangten Behörde eine denkunmögliche Gesetzeshandhabung zur Last fällt.
Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet dies, desgleichen eine - Art2 StGG verletzende - willkürliche Gesetzesanwendung, ist jedoch damit nicht im Recht, wie die folgenden Überlegungen zeigen:
2.3. Zunächst ist zu bemerken, daß der der Entscheidung zu VfSlg. 12491/1990 zugrundegelegene Sachverhalt mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist. Im damals vorliegenden Sachverhalt ging es um eine Sendung, die sich ausschließlich mit der Person eines Politikers befaßte, wobei es diesem verwehrt war, zu den getätigten Äußerungen Stellung zu nehmen. Dabei handelte es sich um eine Reportage, die jedenfalls längerfristiger vorbereitet worden war als eine Sendung, die sich mit dem Tagesgeschehen befaßt, weshalb es in jenem Fall geboten gewesen wäre, dem damaligen Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Erwiderung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu gewähren.
Im nunmehr vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine Kurzmeldung, in der zum Tagesgeschehen über eine Pressekonferenz der Arbeiterkammer berichtet wurde.
Darüber hinaus war der Inhalt des gesendeten Berichtes - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt wird - eine kurze Zusammenfassung einer Pressekonferenz, die nicht vom ORF veranlaßt war. Es wurde durch zweimalige Angabe der Quelle der Information ("Nach Angaben der nö. AK ..." bzw. "... sagt die AK.") auch nicht der Eindruck erweckt, daß es sich um das Ergebnis eigenständiger Recherchen von ORF-Mitarbeitern gehandelt habe.
Die Befürchtung, daß die Einholung einer Stellungnahme der beschwerdeführenden Gesellschaft die Sendung unter Umständen verzögert hätte und der Bericht erst später hätte gesendet werden können, erscheint durchaus gerechtfertigt. Der belangten Behörde ist auch zuzustimmen, wenn sie davon ausgeht, daß sich der Wert einer Nachrichtensendung reduziert, wenn über Themen berichtet wird, mit denen sich bereits die Printmedien beschäftigen.
Zum Vorwurf der Beschwerde, der wiedergegebene Wortlaut 500 Wiener/Niederösterreicher "... fürchten weiter um ihr Geld."
impliziere ein strafrechtliches Verhalten, ist zu bemerken, daß diese Äußerung unterschiedlich gedeutet werden kann. Gegen die von der RFK vorgenommene Beurteilung als resümeehaftes Substrat der erhaltenen Informationen bestehen keine Bedenken.
Auch der letzte Satz des Berichtes "Die B AG soll nämlich doppelt so viele Anteilscheine verkauft haben, wie von rechts wegen erlaubt gewesen wäre." enthält keine Wertung darüber, ob diese - von der Arbeiterkammer aufgestellte Behauptung - richtig ist oder nicht.
2.4. Ob das in den hier präjudiziellen Bestimmungen auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes stehende RFG von der RFK richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu entscheiden, woran nichts ändert, daß es sich bei der RFK um eine Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG handelt (vgl. VfSlg. 10659/1985, 11065/1986, 13192/1992).
3. Diese Erwägungen führen zu dem Ergebnis, daß die beschwerdeführende Gesellschaft nicht in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf freie Meinungsäußerung, ein faires Verfahren oder Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden ist.
Die RFK hat die Vorschrift des §2 Abs2 RFK hinsichtlich der Objektivität, Ausgewogenheit und Unparteilichkeit der Berichterstattung nicht in willkürlicher oder denkunmöglicher Weise angewendet.
4. Das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren ergab aber auch nicht, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.
5. Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung
zugunsten der als Streitgenossen auftretenden Beteiligten stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Streitgenossenzuschlag in der Höhe von S 3.750,- und Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.750,- enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rundfunk, Beschwerdeverfahren (Rundfunk), Objektivitätsgebot (Rundfunk)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B890.1997Dokumentnummer
JFT_10019392_97B00890_00