Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Thomas Adrian S*****, geboren am 9. Juni 2000, vertreten durch das Land Niederösterreich als Jugendwohlfahrtsträger (Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Preinsbacher Straße 11, 3300 Amstetten), über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 8. Juli 2009, GZ 23 R 162/09k-U-119, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Haag vom 7. Mai 2009, GZ 1 P 131/01p-U-111, ersatzlos aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Vater des Minderjährigen wurde mit einstweiliger Verfügung vom 7. Dezember 2001 (ON 2) gemäß § 382a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts in der Höhe von monatlich 1.450 ATS (= 105,38 EUR) ab 7. Dezember 2001 verpflichtet (ON 2). Im Hinblick auf diesen Unterhaltstitel gewährte das Erstgericht dem Minderjährigen mit Beschluss vom 10. Jänner 2005 (ON 42) Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 105,38 EUR für die Zeit vom 1. Jänner 2005 bis 31. Dezember 2007. Mit Beschluss vom 11. März 2008 (ON U-89) wurden die Vorschüsse für den Zeitraum vom 1. Jänner 2008 bis 31. Dezember 2010 in Höhe von 105,38 EUR weitergewährt.
Im Vergleich vom 9. April 2009 (ON U-106) verpflichtete sich der Vater zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags an seinen Sohn in Höhe von 110 EUR ab Geburt des Kindes (ON U-106).
Diesen Vergleich nahm das Erstgericht zum Anlass, die dem Kind gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2005 auf monatlich 110 EUR zu erhöhen (ON U-106).
Über Rekurs des Bundes hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Erhöhungsbeschluss ersatzlos auf. Nach der überwiegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei eine Erhöhung eines auf der Basis eines Titels gemäß § 382a EO gewährten Vorschusses auf die endgültige Titelhöhe nicht möglich.
Der Revisionsrekurs sei im Hinblick auf offenkundige Divergenzen in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Die übrigen Verfahrensparteien haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.
Das Kind verweist in seinem Rechtsmittel darauf, dass der Gesetzgeber ganz offensichtlich den Inhalt der Entscheidung 4 Ob 155/07h teile und daher im FamRÄG die Rechtsansicht bestätige, dass eine Erhöhung eines auf der Basis eines Titels gemäß § 382a EO gewährten Vorschusses auf die endgültige Titelhöhe möglich sei.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Ausführungen kommt keine Berechtigung zu.
Abgesehen von der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 4 Ob 155/07h, die auf eine Gleichbehandlung von einstweiligen Verfügungen und endgültigen Unterhaltstiteln abzielt, entspricht es ganz herrschender Meinung und Judikatur, dass die auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO gewährten Vorschüsse nicht rückwirkend auf die Höhe des endgültigen Titels erhöht werden können (RIS-Justiz RS0122465; zuletzt ausführlich 10 Ob 52/09h mit ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung 4 Ob 155/07h).
Die dem Revisionsrekurs zugrunde liegenden Ansicht, der Gesetzgeber habe mit der Einführung des neuen § 19 Abs 3 UVG mit dem Familienrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 2009/75, letztlich nur eine schon geltende (und der Entscheidung 4 Ob 155/07h entsprechende) Rechtslage klarstellen wollen, ist deshalb nicht zielführend, weil sie die Bestimmung des § 37 Abs 10 UVG außer Betracht lässt, wonach die Neuregelung erst auf Verfahren anzuwenden ist, in denen der Antrag auf Vorschussgewährung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach dem 31. Dezember 2009 bei Gericht eingelangt ist. Eine Übergangsbestimmung dieser Art wäre bei einer bloßen Klarstellung der Gesetzeslage nicht erforderlich (ausführlich 10 Ob 52/09h; ebenso zuletzt 10 Ob 79/09d).
Im Übrigen ist der mit dem FamRÄG 2009 eingeführte § 19 Abs 3 UVG vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels zu sehen, die Vorschussgewährung auf einen früheren Zeitpunkt als nach der aktuellen Rechtslage vorzuziehen, und zwar gegebenenfalls durch Ermöglichung einer Nachzahlung der Differenz zwischen dem vorläufigen und dem „endgültig" festgesetzten Unterhalt, um den „Ausfall" von Unterhaltsleistungen ex post auszugleichen (673/A BlgNR 24. GP 39 und 44). Um das Ziel einer solchen „frühen" Bevorschussung des Geldunterhalts zu erreichen, nimmt der Gesetzgeber in Zukunft bewusst eine Begünstigung von Vorschüssen in Kauf, die auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO in verhältnismäßig einfacher Weise erlangt und erhöht werden können.
Ausgehend von der dargelegten, auf den vorliegenden Fall noch anzuwendenden Gesetzeslage kommt dem Revisionsrekurs des Kindes daher keine Berechtigung zu.
Textnummer
E93314European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0100OB00082.09W.0119.000Im RIS seit
29.04.2010Zuletzt aktualisiert am
21.03.2012