TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/21 2000/01/0057

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Veröffentlicht am 21.12.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §63 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des IB in G, geboren am 19. Jänner 1947, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Jänner 2000, Zl. 208.074/22- IV/10/00, betreffend Behebung eines Bescheides in einer Asylsache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid behob der unabhängige Bundesasylsenat den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, vom 19. April 1993, Zl. BAG-138/1993, ersatzlos. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt liegt dem angefochtenen Bescheid zu Grunde:

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, reiste am 30. März 1993 nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. April 1993 abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers vom 30. April 1993 wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1993 abgewiesen. Auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 93/01/1494, diesen Bescheid auf. Im zweiten Rechtsgang wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 9. Jänner 1997 die Berufung gegen den erwähnten Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. April 1993 abermals ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Jänner 1998, Zl. 97/01/0180, zurück, weil das Verfahren betreffend den Bescheid nach dem Asylgesetz 1991, der beim Verwaltungsgerichtshof angefochten war, nicht aus anderen Gründen zurückzuweisen war und mit dem Inkrafttreten des Asylgesetzes 1997 in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurückgetreten ist (§ 44 Abs. 2 AsylG 1997).

Der danach zuständige unabhängige Bundesasylsenat hatte nach mündlichen Verhandlungen am 1. Juli 1999 und am 30. September 1999 eine weitere mündliche Verhandlung am 16. Dezember 1999 abgeführt. Das Verhandlungsprotokoll über die letzterwähnte Verhandlung enthält den Satz:

"Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage und ergänzender Information des AW auf Grund langjährigen Aufenthaltes und besonderer Sozialsituation auch einen Antrag auf allfällige humanitäre Aufenthaltserlaubnis stellen zu können, erklärt der AW sowohl zur gegebenen Zeit bei der zuständigen Fremdenbehörde einen Antrag auf Non-Refoulement als auch eine Antragstellung auf humanitäre Aufenthaltserlaubnis einzubringen und zwar jeweils bei der zuständigen Behörde angesichts der Erörterung des Beweisverfahrens, jedoch hiemit den Asylantrag zurückzuziehen."

Dieser letzte Satz der Niederschrift wurde vom Beschwerdeführer unterschrieben. Eine weitere Unterschrift scheint als Bestätigung über den Erhalt einer unberichtigten Kopie der Niederschrift auf.

Im angefochtenen Bescheid geht die belangte Behörde von einem Zurückziehen des seinerzeitigen Asylantrags vom 30. März 1993 aus und begründet dies wie folgt:

"Im Laufe des Verfahrens gibt der Asylwerber in der mündlichen Verhandlung vom 16.12.1999 zu OZ 20 des Berufungsverfahrens zu Protokoll, die Zurückziehung des Asylantrages bekannt."

Nach den Rechtsausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es in dieser Begründung weiter:

"Mit dem Schriftsatz des Asylwerbers ist ohne jeglichen Zweifel eine gänzliche Antragsrückziehung des Asylverfahrens gemeint, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Beschwerde unterstellt der belangten Behörde mangelhafte Verfahrensführung in der mündlichen Verhandlung vom 14.1.1999 (gemeint wohl: vom 16.1.1999) und den Versuch, den in der letzten mündlichen Verhandlung anwaltlich nicht mehr vertretenen Beschwerdeführer durch Versprechungen, eine Aufenthaltsbewilligung vor der Fremdenbehörde erlangen zu können, zum Zurückziehen des Asylantrages wegen Aussichtslosigkeit des Asylverfahrens zu bewegen. Zum Zurückziehen des Asylantrages spricht die Beschwerde unklar das eine Mal von der fehlenden Absicht eines Zurückziehens, das andere Mal von einem Zurückziehen mit Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis (also einer Art Zurückziehung unter der aufschiebenden Bedingung des Erhalts einer Aufenthaltsbewilligung) und schließlich von einer Art Absichtserklärung, wenn der Beschwerdeführer die Aufenthaltsbewilligung erlangt hätte, den Asylantrag zurückziehen zu wollen. Jedenfalls stellt die Beschwerde in Abrede, der Beschwerdeführer hätte den Asylantrag unbedingt zurückgezogen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Streitgegenstand ist, ob der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 30. März 1993 wirksam zurückgezogen worden ist und die belangte Behörde demnach den diesen Antrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. April 1993 ersatzlos beheben durfte.

Ein Parteiantrag kann in Ermangelung einer entgegenstehenden speziellen gesetzlichen Regelung in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Eine solche Zurückziehung eines Antrags ist auch noch im Berufungsverfahren zulässig (siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 70 und E 71 zu § 13 AVG zitierte Rechtsprechung).

Das AVG sieht für die Zurückziehung eines Antrags keine besonderen Formerfordernisse vor. Sie muss nur ausdrücklich ausgesprochen werden (vgl. zur Zurückziehung von Rechtsmitteln etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 97/05/0302).

Die belangte Behörde geht davon aus, dass in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 1999 der Asylantrag mündlich zurückgezogen wurde. (Soweit die belangte Behörde in der Begründung auch ausführt, dass mit dem (in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthaltenen) Schriftsatz des Asylwerbers ohne jeglichen Zweifel eine gänzliche Antragsrückziehung gemeint sei, kann dieser offensichtliche Irrtum auf sich beruhen, denn der Beschwerdeführer und die belangte Behöre gehen in der Folge (in der Beschwerde und in der Gegenschrift) ausschließlich von mündlichen Aussagen des Beschwerdeführers aus.)

Parteienerklärungen im Verfahren sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen; es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei der Annahme eines Verzichts der Partei auf eine Rechtsposition ist besondere Vorsicht geboten; diese Annahme ist nur zulässig, wenn die entsprechenden Erklärungen der Partei keinen Zweifel offen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1994, Zl. 93/10/0192).

Dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 1999 die in der Niederschrift wiedergegebene Erklärung abgegeben hat, wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Der objektive Erklärungswert der Aussage lässt aber keine Zweifel an der Rückziehung des Asylantrags offen. Der Beschwerdeführer erklärte, zur gegebenen Zeit einen Antrag auf humanitäre Aufenthaltserlaubnis einzubringen, jedoch hiemit den Asylantrag zurückzuziehen. Die Worte "jedoch hiemit" verdeutlichen, dass die Rückziehung des Asylantrags nicht aufschiebend bedingt oder bezogen auf den späteren Zeitpunkt der Antragstellung auf humanitäre Aufenthaltserlaubnis, sondern im Gegensatz dazu "hiemit", also im Zeitpunkt der Aussage, erfolgte. Die belangte Behörde musste aus dem Erklärungswortlaut demnach keine Zweifel an der Rückziehung des Asylantrags hegen.

Soweit die Beschwerde einen Irrtum des Beschwerdeführers bei der Rückziehung des Asylantrags vorbringt, ist darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für die Rechtswirksamkeit einer Prozesshandlung nur die Erklärung des Willens maßgebend ist; auf die ihr zu Grunde gelegenen Absichten und Beweggründe kommt es nicht an (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 1995, Zl. 95/03/0310, und vom 18. Juni 1996, Zl. 94/04/0183). Aus diesen Gründen erübrigt es sich auch auf das Beschwerdevorbringen einzugehen, worauf sich der Beschwerdeführer bei der Erklärung der Rückziehung des Asylantrags gestützt haben will. Im Übrigen sei zu der vom Beschwerdeführer vorgeworfenen Erfolglosigkeit eines Antrags auf Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen bemerkt, dass der dann wieder anwaltlich vertretene Beschwerdeführer dazu an eine dafür unzuständige Behörde herangetreten ist, wie sich aus dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Zurückweisungsbescheid des Bundesministers für Inneres ergibt.

Ist der Asylantrag im Berufungsverfahren aber rechtswirksam zurückgezogen worden, dann hatte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes ersatzlos aufzuheben (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 77 zu § 13 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 2000

Schlagworte

FormerfordernisseSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des ParteiwillensIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000010057.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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