Index
10 VerfassungsrechtNorm
EMRK Art11 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf Versammlungsfreiheit durch vollständige Untersagung aller vom Beschwerdeführer angezeigten Versammlungen während des Staatsbesuches des Regierungschefs der Volksrepublik ChinaSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. In der Zeit vom 29. Juni bis 3. Juli 1994 stattete der Ministerpräsident der Volksrepublik China, Li Peng, Österreich einen offiziellen Besuch ab.
Am 30. Juni 1994 standen in der Zeit von 08.45 Uhr bis etwa 12.00 Uhr Besuche beim Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg und beim Bundeskanzler am Ballhausplatz sowie Delegationsgespräche und die Unterzeichnung von Abkommen im Bundeskanzleramt auf dem Programm.
Nach einem Aufenthalt in der "Residenz" des Ministerpräsidenten in einem an der Ecke Kärntner Ring/Kärntnerstraße gelegenen Hotel in der Zeit von etwa 12.00 Uhr bis kurz vor 16.00 Uhr, während dessen auch ein Treffen mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten vorgesehen war, waren von 16.00 Uhr bis etwa 16.30 Uhr ein Besuch im Wiener Rathaus und von 16.50 Uhr bis 17.40 Uhr eine Besichtigung des Schlosses Schönbrunn geplant.
Ab 20.00 Uhr sollte zu Ehren des Staatsgastes im Kuppelsaal der österreichischen Nationalbibliothek ein vom Bundeskanzler namens der Bundesregierung gegebenes Abendessen stattfinden.
Am 1. Juli 1994 stand in der Zeit von 10.00 Uhr bis 10.30 Uhr ein Besuch im Parlament auf dem Programm.
2.a) Dr. M.L. (er ist Obmann des "Vereines der Freunde Tibets") zeigte am 24. Juni 1994 der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien folgende, in Zusammenhang mit diesem Besuch stehende Kundgebungen zum Thema "Menschenrechtsverletzungen in China und in Tibet" an:
"Für Donnerstag, 30.6.1994:
Mahnwache 08.30 - 12.00 Uhr Ballhausplatz Protestmarsch 12.00 - 14.30 Uhr vom Ballhausplatz
über Kärntnerring
zum Graben
Mahnwache 12.00 - 15.00 Uhr Kärntner Straße/Graben
Mahnwache 15.00 - 16.00 Uhr Rathaus, Haupteingang
Mahnwache 16.00 - 18.00 Uhr Schloß Schönbrunn
Mahnwache 19.00 - 21.00 Uhr Nationalbibliothek/
Josefsplatz
Für Freitag, 1.7.1994:
Mahnwache 09.30 - 12.00 Uhr Parlament"
Ziel dieser Kundgebungen sollte es sein,
"in absolut gewaltfreier und friedlicher Weise auf die Verantwortung des Herrn Li Peng für das Massaker am Tien-an-Men-Platz im Jahre 1989, die Unterdrückung der Freiheit und Menschenrechte in der VR China im allgemeinen und des tibetischen Volkes im besonderen aufmerksam zu machen".
An "Kundgebungsaktivitäten" sollten Flugblätter, Transparente und Infostände zum Einsatz kommen. Der Veranstalter erwartete jeweils 20 bis 50 Teilnehmer.
b)aa) Die BPD Wien wertete alle Kundgebungen als allgemein zugängliche Versammlungen iS des §2 Versammlungsgesetz 1953 (VersG). Mit Bescheid vom 28. Juni 1994 untersagte sie gemäß §6 VersG alle angemeldeten Versammlungen.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (SID Wien) wies mit Bescheid vom 2. Dezember 1994 die dagegen von Dr. M.L. erhobene Berufung ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres (BMI) mangels Zuständigkeit mit Bescheid vom 29. Oktober 1996 zurück.
Daraufhin erhob Dr. M.L. beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG Beschwerde, und zwar sowohl gegen den Zurückweisungsbescheid des BMI als auch (verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag) gegen den Bescheid der SID Wien vom 2. Dezember 1994.
Der Verfassungsgerichthsof hob mit Erkenntnis vom 14. März 1997, B4230/96, B61/97, den Zurückweisungsbescheid des BMI auf (der BMI sei - ungeachtet des Art71 Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201 - zur Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde zuständig) und wies die gegen den Bescheid der SID Wien gerichtete Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurück.
bb) Im fortgesetzten Verfahren entschied der BMI mit Bescheid vom 31. Juli 1997 über die von Dr. M.L. gegen den Bescheid der SID Wien vom 2. Dezember 1994 erhobene Berufung. Er gab diesem Rechtsmittel keine Folge und bestätigte gemäß §66 Abs4 AVG iV mit den §§6 und 18 VersG (idF vor der Novelle BGBl. 201/1996) sowie mit Art11 Abs2 EMRK den bekämpften Bescheid.
In der Begründung des Bescheides des BMI wird nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens und nach Wiedergabe des Bescheides erster und zweiter Instanz sowie der Berufung gegen den zweitinstanzlichen Bescheid u.a. ausgeführt:
"Am 23. Juni 1994 erging von '(Verein der) Freunde Tibets' (dessen Obmann der Berufungswerber nach eigenen Angaben ist), von 'SAVE TIBET - Österreichische Gesellschaft zur Hilfe an das Tibetische Volk', von 'Amnesty International', von der 'Gesellschaft für bedrohte Völker' und von weiteren Organisationen mit Bezug auf den von 30. Juni bis 1. Juli 1994 erwarteten Wienbesuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng ein Aufruf zu einer SOLIDARITÄTSMAHNWACHE. Es wurde jedermann aufgerufen, 'im Namen des unterdrückten chinesischen und tibetischen Volkes, denen Rede- und Gedankenfreiheit nicht gestattet sind, sich unserer Mahnwache anzuschließen, um Li Peng vor Augen zu führen, daß nicht die ganze Welt zuschaut und vergißt'.
Das Flugblatt enthielt - optisch hervorgehoben - unter anderem folgende Schlagzeilen:
'LI PENG (1.000e unschuldige Menschen auf dem Gewissen)
AUF STAATSBESUCH IN WIEN'
'LI PENG - Verantwortlich für das Tienanmen-Massaker'
'LI PENG - Mitschuldig an den gravierenden Menschenrechtsverletzungen in China'
'LI PENG - Hauptverantwortlich für den offenkundig vorsätzlichen Völkermord am tibetischen Volk'
'Wer bezahlt den Staatsbesuch einer 150-köpfigen chinesischen Delegation, wenn nicht die österreichische Bevölkerung?"
Nach Wiedergabe verschiedener Medienberichte über kritische Reaktionen zum geplanten Besuch und über aus dessen Anlaß geplante Aktionen heißt es im Bescheid:
"Österreich ist aufgrund des Übereinkommens über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten (wozu insbesondere Staatsoberhäupter und Regierungschefs fremder Staaten gehören), BGBl 1977/488, verpflichtet, alle durchführbaren Maßnahmen zu treffen, um Angriffe auf Person oder Freiheit einer völkerrechtlich geschützten Person zu verhüten (Artikel 4 lita; siehe auch die Präambel und Artikel 1 Z1 lita sowie Artikel 2 Abs1).
Gemäß Artikel 2 Abs2 berühren die Absätze 1 und 2 nicht die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Vertragsstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um sonstige Angriffe auf die Person, Freiheit oder Würde einer völkerrechtlich geschützten Person zu verhindern.
Entsprechende völkerrechtliche Verpflichtungen enthält etwa
Artikel 29 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (Wiener Diplomatenrechts-Konvention, WDK), BGBl 1966/66 und Artikel 40 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (Wiener Konsularrechts-Konvention, WKK), BGBl 1969/318.
Im Zusammenhang siehe VfSlg 10443/1985 und 11761/1988 betreffend Artikel 4 Staatsvertrag von Wien 1955, der ebenso eine völkerrechtliche Verpflichtung enthält und damit in gleicher Weise eine Grundlage (vereins- und)versammlungsrechtlicher Maßnahmen darstellt.
Ort und Zeit der untersagten Kundgebungen waren so gewählt, daß die Versammlungen unter Bedachtnahme auf das Besuchsprogramm in unmittelbarer Nähe des Staatsgastes stattgefunden hätten.
Nach Auffassung der Berufungsbehörde birgt jeder Staatsbesuch aufgrund der exponierten Stellung der handelnden Personen ein gewisses Sicherheitsrisiko, das einen entsprechenden Mindeststandard an Sicherheitsvorkehrungen erfordert. Den gebotenen Erwägungen zur Gefährdung der Sicherheit eines Staatsgastes kommt eine umso größere Bedeutung zu, je umstrittener die betreffende Person und/oder die Politik des durch sie repräsentierten Staates ist. In diesem Zusammenhang muß auch eine besondere Rolle spielen, inwieweit Repression und Gewalt im jeweiligen Staat herrschen und inwieweit daher entsprechend gewalttätige Reaktionen gegenüber seinen Repräsentanten von Steinwürfen bis hin zu Attentaten in die vorsichtige Bewertung des Sicherheitsfaktors einzufließen haben. Je höher das Gefährdungspotential anzusehen ist, desto strenger werden die Sicherheitsvorkehrungen sein müssen. Bei der Einschätzung des Sicherheitsrisikos anläßlich eines Staatsbesuches kommt selbstverständlich dem dadurch hervorgerufenen Echo (mit)entscheidende Bedeutung zu.
Die untersagten Kundgebungen wurden zwar als 'absolut gewaltfreie und friedliche' Versammlungen von etwa je zwanzig bis fünfzig Personen unter Verwendung von Flugblättern, Transparenten und Infoständen angezeigt. Insoferne ist einzuräumen, daß derartige Protestaktionen für sich allein betrachtet wahrscheinlich keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, des öffentlichen Wohles oder der persönlichen Sicherheit des Staatsgastes dargestellt hätten.
Gerade von dieser Einschätzung war aber unter den gegebenen Umständen nicht auszugehen. So liegt es schon in der Natur einer allgemein zugänglichen (öffentlichen) Versammlung, daß sie auf einen kleinen Kreis von Teilnehmern weder beschränkt sein kann noch soll. Dies gilt umso mehr bei einem äußerst umstrittenen politischen Ereignis mit umfassender Medienpräsenz als Anlaß. So zielte der oben erwähnte, an die Allgemeinheit gerichtete Aufruf mittels Flugblatt vom 23. Juni 1994 ja gerade darauf ab, möglichst viele Menschen anzusprechen, als Teilnehmer zu gewinnen und das ohne Zweifel vorhandene Protestpotential zu bündeln. Im vorliegenden Fall war von vornherein klar, daß auch der Veranstalter der gegenständlichen Protestveranstaltungen damit stellvertretend für viele, mehr oder weniger (un)duldsame Gleichgesinnte in den Vordergrund trat. Außerdem war von vornherein mit einem großen, überwiegend negativ gestimmten Publikumsinteresse zu rechnen, als dessen Kristallisationspunkte die angezeigten Kundgebungen an den Orten des "Geschehens" anläßlich des Staatsbesuches gewirkt hätten und von dem sich die beabsichtigten Kundgebungen auch nicht hätten abgrenzen können. Der chinesischen Regierung und vor allem dem Ministerpräsidenten der Volksrepublik China, Li Peng, werden insbesondere seit den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking (Tien'anmen) vom 4. Juni 1989 von verschiedenen Seiten massivste Menschenrechtsverletzungen mit tausenden Opfern vorgeworfen. In Österreich erreichten diese Vorwürfe zuletzt im Vorfeld seines Besuches (aber auch währenddessen und unmittelbar danach) einen Höhepunkt.
Das Ausmaß des oben auszugsweise dargestellten Medienechos und die überaus vehemente, sich aufschaukelnde Kritik am Besuch Li Pengs hatten kurz vor Beginn des Staatsbesuches eine aufgeheizte und durchaus aggressive Atmosphäre erzeugt. Es war daher von großen Menschenansammlungen an den beabsichtigten Versammlungsorten, einem überdurchschnittlichen Konfliktpotential und einer erheblichen Gefährdung sowohl des Gastes als auch der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles auszugehen, zumal dem Gast anläßlich der untersagten Versammlungen die Kritik ja an 'symbolischen' Orten, wo vor allem auch durch die örtliche Nähe ein Bezug zu Herrn Li Peng hergestellt werden kann, buchstäblich 'vor Augen geführt' werden hätte sollen (siehe den Aufruf vom 23. Juni 1994 und die vorliegende Berufung) und die medial vermittelten Intentionen der angekündigten Protestaktionen insgesamt offenkundig darauf gerichtet waren, letztlich den Empfang des Gastes in Hofburg, Bundeskanzleramt, Rathaus und Parlament überhaupt zu verhindern.
Mit der Einladung des chinesischen Ministerpräsidenten und seinem Empfang im Bundesgebiet hatte Österreich die Verpflichtung übernommen, die körperliche Sicherheit (und Würde) des Gastes und insoferne den ungestörten Ablauf des Staatsbesuches durch angemessene Sicherheitsvorkehrungen zu gewährleisten. Unter den gegebenen Umständen mußte der physische Schutzraum jeweils entsprechend weit gezogen und großräumig abgesperrt werden. Die gebotene Interessenabwägung mußte - auch mit Rücksicht auf das durchaus verständliche, ja in der Natur der Sache liegende Bedürfnis an der Veranstaltung von Protestaktionen an in einem Kontext zu politischem Inhalt bzw Ziel stehenden Orten sowie an größtmöglicher Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Medien - hier zuungunsten des Versammlungsveranstalters ausfallen. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhütung von Angriffen gegen den Staatsgast sowie zum Schutz des Ansehens der Republik Österreich im Ausland und insbesondere in ihrem Verhältnis zur Volksrepublik China wurde der in der Untersagung der Kundgebungen gelegene schwerwiegende Eingriff in die Versammlungsfreiheit als (auch) in einer demokratischen Gesellschaft notwendig - weil ohne Zweifel einem zwingenden gesellschaftlichen Bedürfnis entsprechend und infolge Beharrens des Veranstalters auf den angezeigten Modalitäten der Versammlungen das zur Erreichung des verfolgten Zweckes einzig verbleibende Mittel darstellend - zu Recht vorgenommen.
Im Hinblick darauf, daß das VersG kein Konzessionssystem, sondern ein Anmeldesystem normiert, erscheint auch der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung rechtens, weil im Interesse des öffentlichen Wohles wegen der Gefahr einer Vereitelung des mit der Untersagung verfolgten Zweckes dringend geboten.
Da die Behörde ihrer Entscheidung eine gesamthafte, über die in den gegenständlichen Versammlungsanzeigen erklärte Absicht hinausgehende Prognose über die Auswirkungen der Versammlungen zugrunde zu legen hatte, war eine vergleichsweise beschränkte, hypothetische nähere Auseinandersetzung mit den versammlungsrechtlichen Implikationen 'absolut gewaltfreier und friedlicher Kundgebungen' aus der subjektiven Sicht des Veranstalters in jedem Stadium des Verfahrens entbehrlich. Die vom Berufungswerber ins Treffen geführten, friedlich verlaufenen Versammlungen (Mahnwachen) des 'Vereins der Freunde Tibets' vor der chinesischen Botschaft in Wien sind mit den gegenständlichen Versammlungen weder hinsichtlich deren Einbettung in ein umfassendes 'Protestmaßnahmenpaket' und des weiter oben umschriebenen Gefahrenpotentials noch hinsichtlich Umfang und Qualität des erforderlichen Schutzes des Staatsgastes vergleichbar. Daß der Berufungswerber selbstverständlich damit einverstanden gewesen wäre, die Mahnwachen an den angezeigten Orten - die derart groß seien, sodaß die Versammlungen am einen Ende des Ballhaus- oder Rathausplatzes oder im Bereich des Schlosses Schönbrunn hätten stattfinden und Herr Li Peng in ausreichend geschützter Distanz seinen Weg hätte gehen können - in einer gewissen räumlichen Distanz zu Herrn Li Peng abzuhalten, ist den Akten nicht zu entnehmen. Hiezu ist auf den oben (...) wiedergegebenen Inhalt der von ihm als 'gelesen und genehmigt' unterfertigten Niederschrift vom 27. Juni 1994 zu verweisen. Aus diesen Gründen konnte auch von einer Aufnahme der in der (den) Berufung(en) angebotenen Beweise abgesehen werden. Die Behörde erster Instanz hat ihre Bedenken geäußert und eine Alternative zu den angezeigten Versammlungsorten vorgeschlagen. Der Berufungswerber hat diese nicht akzeptiert und um Entscheidung über seine Anzeigen ersucht. Er hat die Anzeigen weder modifiziert noch seine nun behauptete Bereitschaft überhaupt zum Ausdruck gebracht. Er hat auch später keine modifizierten Anzeigen eingebracht. ..."
3.a) In der von Dr. M.L. gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf freie Meinungsäußerung (Art10 EMRK) und auf Versammlungsfreiheit (Art12 StGG, Art11 EMRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
b) In der Beschwerde wird - nach einer Schilderung des Sachverhaltes - u.a. ausgeführt, es sei richtig,
"daß die gegenständlichen Kundgebungen erklärtermaßen in Zusammenhang mit dem Staatsbesuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng in der Zeit vom 29. Juni bis 3. Juli 1994 standen".
Richtig sei auch,
"daß Ort und Zeit der untersagten Kundgebungen so gewählt waren, daß die Versammlungen unter Bedachtnahme auf das Besuchsprogramm in unmittelbarer Nähe des Staatsgastes stattgefunden hätten".
Der Beschwerdeführer meint jedoch, die Behörde sei von der - unrichtigen - Annahme ausgegangen,
"daß gewalttätige Reaktionen gegenüber Repräsentanten fremder Staaten (oder auch nur die Gefahr derartiger gewalttätiger Reaktionen) direkt proportional zu Repression und Gewalt im jeweiligen Staat sind. ...
Selbst wenn aber das Ausmaß von Repression und Gewalt in einem dritten Staat unmittelbaren Einfluß auf das Gefährdungspotential für seine Repräsentanten in Österreich hat, darf dies keinesfalls dazu führen, daß Kundgebungen gegen solcherart 'gefährdete' Repräsentanten 'in unmittelbarer Nähe des Staatsgastes' dann umso eher untersagt werden, je eher in diesem Staat Repression und Gewalt herrschen. ...
Die belangte Behörde räumt aber selbst ein, daß die angemeldete Kundgebung, für sich allein betrachtet, wahrscheinlich keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, des öffentlichen Wohles oder der persönlichen Sicherheit des Staatsgastes dargestellt hätten. Sie führt aber das breite (negative) Medienecho auf diesen Staatsbesuch in's Treffen sowie die Tatsache, daß der 'an die Allgemeinheit gerichtete Aufruf mittels Flugblatt vom 23. Juni 1994 ja gerade darauf ab(zielte), möglichst viele Menschen anzusprechen, als Teilnehmer zu gewinnen und das ohne Zweifel vorhandene Protestpotential zu bündeln.'
Diese Formulierung unterstellt freilich dem im angefochtenen Bescheid (Seite 17) wiedergegebenen Flugblatt in äußerst suggestiver Weise einen falschen Inhalt. Aufgerufen war in diesem Flugblatt zu einer 'Mahnwache'. Es handelt sich hiebei um einen insbesondere in der kritischen Öffenlichkeit seit langem bekannten und in seinem Inhalt weitestgehend festgeschriebenen Begriff. 'Mahnwache' beschreibt eine Veranstaltung, die im Gegensatz zu einer sogenannten 'Demonstration' oder einem 'Demonstrationszug' auf jeden Fall ortsgebunden, in aller Regel nicht dem Ausrufen von Parolen verbunden, ja in überwiegendem Verständnis der kritischen Öffentlichkeit mit schweigendem Protest verknüpft ist.
Die belangte Behörde ignoriert diese Tatsache (die ihr wohl aus jahrzehntelangem Umgang mit den verschiedensten Ausformungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit bestens bekannt sein sollte) beharrlich, wenn sie in der Bescheidbegründung fortfährt:
'Im vorliegenden Fall war von vornherein klar, daß auch der Veranstalter der gegenständlichen Protestveranstaltungen damit stellvertretend für viele, mehr oder weniger (un)duldsame Gleichgesinnte in den Vordergrund trat. Außerdem war von vornherein mit einem großen, überwiegend negativ gestimmten Publikumsinteresse zu rechnen, als dessen Kristallisationspunkte die angezeigten Kundgebungen an den Orten des "Geschehens" anläßlich des Staatsbesuches gewirkt hätten und von dem sich die beabsichtigten Kundgebungen auch nicht hätten abgrenzen können'. Wegen der massiven Medienkritik wäre eine aufgeheizte und durchaus aggressive Athmosphäre entstanden, es wäre 'daher von großen Menschenansammlungen an den beabsichtigten Versammlungsorten, einem überdurchschnittlichen Konfliktpotential und einer erheblichen Gefährdung sowohl des Gastes als auch der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohls auszugehen' gewesen, 'zumal dem Gast anläßlich der untersagten Versammlungen die Kritik ja an "symbolischen" Orten, wo vor allem auch durch die örtliche Nähe ein Bezug zu Herrn Li Peng hergestellt werden kann, buchstäblich "vor Augen geführt" werden hätte sollen'.
...
Die belangte Behörde kommt jedenfalls zum Schluß, daß unter den gegebenen Umständen 'der physische Schutzraum jeweils entsprechend weit gezogen und großräumig abgesperrt werden' mußte und daher 'die gebotene Interessensabwägung (...) hier zuungunsten des Versammlungsveranstalters ausfallen' hätte müssen.
...
Dieses Ergebnis scheint nicht nur politisch absurd, es widerspricht auch eklatant der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und der Straßburger Instanzen zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12.10.1990, B20/89 aus Art11 EMRK die aktive Verpflichtung staatlicher Organe abgeleitet, 'die zum Schutz erlaubter Versammlungen (im erwähnten weiten Sinn) erforderlichen Maßnahmen zu treffen, also deren Abhaltung zu garantieren' (mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). 'Artikel 11 EMRK verpflichtet demnach den Staat jedenfalls dann, wenn es darum geht, die dort verankerten Freiheiten gegenüber verfassungsgesetzlich gewährleisteten Freiheiten anderer Personen zu bewahren, zu einem positiven Tun, also nicht bloß dazu, selbst Grundrechtseingriffe zu unterlassen, dies gebietet Artikel 11 EMRK, denn ohne staatlichen Schutz wäre das - gegen Störungen von dritter Seite besonders empfindliche - Recht auf Versammlungsfreiheit entweder faktisch überhaupt wirkungslos, oder aber die Versammlungsteilnehmer müßten ihr Recht durch Selbsthilfe durchsetzen' (mit zahlreichen Literaturhinweisen) 'die Annahme aber, die Bundesverfassung verhalte vom Grundsatz her den einzelnen zur Selbsthilfe, weil der Staat nicht einzuschreiten habe, ist mit der Friedens- und Ordnungsfunktion des Staates schlechterdings unvereinbar'.
Der BF (= Beschwerdeführer) hatte zu einer 'Mahnwache' (siehe oben!) aufgerufen und wollte erklärtermaßen 'in absolut gewaltfreier und friedlicher Weise (...) aufmerksam machen'. Es wäre die positive Verpflichtung der staatlichen Organe gewesen, diese gewaltfreie und friedliche Versammlung zu garantieren, zu schützen. Wenn tatsächlich die Gefahr bestanden hat, daß diese gewaltfreie und friedliche Versammlung Kristallisationspunkt für möglicherweise gewaltgeneigte ('(un)duldsame Gleichgesinnte') Personen war, dann
-
wäre es Verpflichtung der staatlichen Organe gewesen, diese 'unduldsamen' Personen von den friedlichen und gewaltfreien TeilnehmerInnen der angemeldeten Veranstaltung zu trennen (und sie allenfalls vom Ort des Geschehens zu entfernen, um den Staatsgast, den Verpflichtungen der Republik Österreich entsprechend, zu schützen),
-
war es jedenfalls in einer demokratischen Gesellschaft keinesfalls notwendig, (Art11 Abs2 EMRK), diese Veranstaltung selbst zu untersagen.
Friedliche Versammlungen fallen in den Schutzbereich von Art11 EMRK. Nicht friedlich sind solche Versammlungen, die von Anfang an von ihren Organisatoren zur gewaltsamen Durchsetzung von Zielen geplant sind (Frowein/Peukert, EMRK2, RZ 4 zu Art11). 'Es genügt aber nicht, daß Extremisten die Versammlung unterlaufen können, um sie dem Schutzbereich von Art11 zu entziehen' (a.a.O. mit Hinweis auf EuGRZ 1980, 36; EuGRZ 1989, 216, 217).
In eben diesem Argument mündet aber die gesamte Bescheidbegründung: Es wäre möglich gewesen, daß Extremisten die fragliche Versammlung unterlaufen könnten. Wenn es aber, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem die 'Plattform Ärzte für das Leben' betreffenden Urteil vom 21.6.1988 (EuGRZ 1989, 522 ff) ausgeführt hat, einen Anspruch auf staatlichen Schutz von Demonstrationen vor Gegendemonstrationen gibt, um die wirksame Ausübung des Demonstrationsrechtes zu sichern, dann ist aus Art11 ebenso folgerichtig ein Anspruch selbst völlig gewaltfreier und friedlicher Veranstaltungen auf Schutz vor Unterlaufung durch 'Extremisten' abzuleiten. Dies, und nicht die Untersagung der Veranstaltung wäre die Verpflichtung der Behörden gewesen."
Schließlich meint der Beschwerdeführer:
"Indem die Behörden mit Versagung der Veranstaltung vorgegangen sind und die Berufungsinstanzen diese Versagung bestätigt haben, haben sie den BF aber auch in seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Meinungsfreiheit verletzt. Die Meinungsäußerungsfreiheit im engeren Sinn ist nach der EMRK das Recht, Informationen und Ideen anderen ohne Behinderung durch Behörden mitzuteilen (Frowein/Peukert2, RZ 5 zu Art10). Der Presse bzw. allgemeiner formuliert den Massenmedien (Printmedien, Funk und Fernsehen) kommt dabei in einer Demokratie am Ende des 20. Jahrhunderts nicht nur die Rolle als 'public watchdog' (vgl. die bei Frowein/Peukert, RZ 15, FN 48 zitierte Judikatur) zu, sondern auch die eines Mediums, über welches Mitteilung von Informationen und Ideen an andere überhaupt erst möglich wird. Diese Freiheit der Mitteilung wird auch dort beschränkt, wo der Zugang zu den Medien ungerechtfertigter Weise behindert, eingeschränkt oder gar gänzlich verhindert wird. Genau dies war auch im gegenständlichen Fall wenn nicht unmittelbare Intention, so doch jedenfalls in Kauf genommene unmittelbare Folge der Vorgangsweise der Behörden.
Gerade eine 'Mahnwache' ist eine Meinungsäußerungsform, die qua definitionem an bestimmte, symbolische Orte gebunden ist. Gerade deshalb hat der BF ja Ort und Zeit der untersagten Kundgebungen so gewählt, daß die Versammlungen unter Bedachtnahme auf das Besuchsprogramm in unmittelbarer Nähe des Staatsgastes stattgefunden hätten. Die Orte selbst waren dabei Teil jener Aussage, die anderen - und zwar selbstverständlich auch über den Weg der genau dort anwesenden Massenmedien - mitgeteilt hätte werden sollen, nämlich: dem Staatsgast Li Peng selbst 'vor Augen zu führen, daß nicht die ganze Welt zuschaut und vergißt'.
Wenn aber durch das Vorgehen der Behörden jeder Sichtkontakt mit Li Peng verhindert wurde, dann wurde damit die (angekündigte, mit einem völlig friedlichen und passiven Mittel umzusetzende) Aussage selbst verhindert. Wo kein Sichtkontakt herrscht, kann nichts 'vor Augen geführt' werden.
Ob dieses 'vor Augen führen' den Staatsgast gleichgültig gelassen oder etwa verärgert, gar schockiert hätte, kann dabei dahingestellt bleiben: Gerade Politiker (und das muß wohl auch für Repräsentanten gewalttätiger und repressiver Regime gelten ... ) müssen sich nach ständiger Rechtssprechung der Straßburger Instanzen und auch des Verfassungsgerichtshofes Kritik gefallen lassen, die ihrerseits durchaus auch schockierend sein darf.
Indem die belangte Behörde all dies verkannte, hat sie den (...) genannten Bestimmungen, insbesondere aber Art10 und 11 EMRK einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt und den angefochtenen Bescheid selbst mit Verfassungswidrigkeit behaftet."
4. Der BMI als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 12257/1990 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur sowie VfGH v. 4.3.1998, B1947/95) ist jede Verletzung des VersG, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechtes betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten. So verletzt etwa jeder Bescheid, mit dem österreichischen Staatsbürgern gegenüber die Abhaltung einer Versammlung untersagt wird, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit schon dann, wenn das Gesetz unrichtig angewendet wurde.
b) Die belangte Behörde hat den Bescheid, mit dem sie alle vom Beschwerdeführer angezeigten Versammlungen zur Gänze untersagte, auf §6 VersG gestützt. Diese Bestimmung lautet:
"Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen."
Diese Bestimmung ist angesichts des materiellen Gesetzesvorbehaltes in Art11 Abs2 EMRK im Einklang mit dieser Verfassungsnorm zu interpretieren. Die Behörde ist daher zur Untersagung nur dann ermächtigt, wenn dies aus einem der im Art11 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist (s. VfSlg. 10443/1985, 12155/1989, 12257/1990).
Dabei hat sie bei ihrer Entscheidung die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die im Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen (vgl. z.B. VfSlg. 10443/1985, 12257/1990). Diese Entscheidung ist eine Prognoseentscheidung, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfaßbaren Umstände (vgl. z.B. VfSlg. 12257/1990 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur) in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutzgut der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hat.
2.a) Im vorliegenden Fall kam der Bundesminister zur Annahme, die vom Beschwerdeführer als Veranstalter angezeigten Versammlungen stellten ein Risiko für den ungestörten Ablauf des Besuchs des chinesischen Ministerpräsidenten und für die körperliche Sicherheit des Staatsgastes und seiner Begleitung dar. Diese Versammlungen würden daher die in Art11 Abs2 EMRK genannten Schutzgüter gefährden.
b) Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß sie bei der zu treffenden Entscheidung besondere Sicherheitsrisken zu bedenken und alles vorzukehren hatte, damit die Gefahr unterbunden wird, daß es dem Staatsgast gegenüber zu Bedrohungen, Handgreiflichkeiten oder gar noch weitergehenden Gefährdungen seiner Person oder der Begleitung kommt. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß es im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit (Art11 Abs2 EMRK) liegt, einen Staatsgast vor derartigen Attacken zu schützen.
Dazu sind die österreichischen Behörden schon aufgrund des Übereinkommens über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen, BGBl. 488/1977, dem sowohl Österreich als auch die Volksrepublik China beigetreten sind, völkerrechtlich verpflichtet; denn Österreich hat nach diesem Vertrag u.a. auch alle durchführbaren Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, daß Straftaten, die sich gegen einen ausländischen Regierungschef, der sich in Österreich aufhält (s. Art1 Z1 lita conv.cit.), vorbereitet werden (Art4 lita iVm Art2 conv.cit.).
Die besonderen Sicherheitsrisken, die mit dem Besuch des Regierungschefs der Volksrepublik China verbunden waren, das öffentliche Interesse an einem ungefährdeten Aufenthalt des Staatsgastes und seiner Begleitung und die genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen rechtfertigen in der Tat auch eine relativ weitgehende Einschränkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit. Diese Einschränkung darf aber nicht so weit gehen, daß mit der gänzlichen Untersagung den Veranstaltern der geplanten Versammlungen jede Möglichkeit genommen wird, das an sich nicht zu beanstandende Ziel der Versammlung, dem Gast gegenüber mit friedlichen Mitteln die Kritik und Ablehnung gegenüber der Haltung der Verantwortlichen der Volksrepublik China zu den Menschenrechten zum Ausdruck zu bringen, zu erreichen, ohne daß sich die Behörde mit den konkreten, an den einzelnen in Aussicht genommenen Versammlungsorten bestehenden (unterschiedlichen) Sicherheitsrisken ausreichend auseinandergesetzt hätte.
Die vollständige Untersagung aller angezeigten Versammlungen führte jedoch zu einem derartigen unverhältnismäßigen Eingriff. Sie war offensichtlich vom Bestreben getragen, den Gästen auch den Anblick demonstrierender Menschengruppen zu ersparen und sie dadurch vor einer Konfrontation mit politischen Meinungen zu bewahren, die den politischen Ansichten und Praktiken der Gäste kritisch gegenüberstehen. Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß die erstinstanzliche Behörde in der der Erlassung des Untersagungsbescheides vorausgehenden Besprechung nach dem im Berufungsbescheid und in der Gegenschrift unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers erklärt hat, daß jede Art von Manifestation in einer räumlichen Nähe bzw. in Sichtweite von Li Peng jedenfalls untersagt werde.
Zu einer so weit gehenden Einschränkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit ermächtigt aber §6 VersG in der durch Art11 Abs2 EMRK gebotenen verfassungskonformen Interpretation nicht. Er gestattet die Untersagung einer Versammlung u.a., soweit Grund zur Besorgnis besteht, daß die angemeldete Versammlung Ausgangspunkt von Aktivitäten sein würde, die gegen die körperliche Sicherheit des Staatsgastes und seiner Begleitung gerichtet sein würden, nicht aber rechtfertigt die Befürchtung, daß dem Staatsgast demonstrativ Meinungen zur Kenntnis gebracht würden, die die Politik seines Landes mißbilligen und ablehnen, eine Untersagung.
c) Der bekämpfte Bescheid war daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG; im zugesprochenen Kostenersatz ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 3.000,-- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Versammlungsrecht, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B2322.1997Dokumentnummer
JFT_10019390_97B02322_00