TE OGH 2011/2/2 12Rs13/11k

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Veröffentlicht am 02.02.2011
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Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Dr. Elisabeth Nagele als Vorsitzende, Dr. Klaus Henhofer und Dr. Barbara Jäger in der Sozialrechtssache des Klägers L***** M*****, ***** gegen die Beklagte Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch ihren Angestellten Dr. Friedrich Stolz, Landesstelle Salzburg, wegen Invaliditätspension über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Dezember 2010, 32 Cgs 262/09d-13, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass die Gebühren des Sachverständigen Dr. Wolf-Dietrich Kammeringer für das Gutachten vom 18. Juli 2010 (ON 7) mit gerundet EUR 758,20 (anstatt EUR 944,90) bestimmt werden, davon mit EUR 155,50 (anstatt EUR 311,04) zuzüglich 20 % USt für die MRT- und CT-Befundung (Punkte 5. und 6. des Gebührenbeschlusses).

Die Änderung der Auszahlungsanordnung wird gemäß § 527 Abs 1 ZPO dem Erstgericht übertragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

begründung:

Der mit der Erstellung eines zusammenfassenden orthopädischen Fachgutachtens beauftragte Sachverständige Dr. Kammeringer hat im Rahmen der Befundaufnahme die vom Kläger beigebrachten MRT-Schnittbilder der HWS (84 Aufnahmen vom 5. Oktober 2007) und CT-Schnittbilder der LWS (84 Aufnahmen vom 5. September 2007) eingesehen und selbst beurteilt (ON 7, S. 6 oben bzw. S. 7 Mitte). Für diese Leistungen verzeichnete der Sachverständige - zusätzlich zur Gebühr für Mühewaltung nach § 43 Abs 1 Z 1 GebAG - jeweils eine Pauschale von EUR 155,52 netto gemäß § 43 Abs 1 Z 12 GebAG unter Hinweis auf die E OLG Wien 25.1.1993, 32 Rs 183/92.

Die Beklagte sprach sich in ihrer Äußerung zum Gebührenanspruch des Sachverständigen (ON 10) gegen eine EUR 77,75 netto jeweils übersteigende Honorierung der MRT- bzw. CT-Befundung aus; die dafür verzeichneten Pauschalbeträge gebührten dem Sachverständigen nur zur Hälfte, weil er die MRT- bzw. CT-Bilder nicht selbst hergestellt, sondern bloß beurteilt habe.

In der ihm daraufhin vom Erstgericht eingeräumten Gegenäußerung (ON 12) führte der Sachverständige aus, sich an die vom OLG Wien festgehaltene Gebühr von damals ATS 2.100,00 gehalten zu haben. Das OLG Linz habe in der E 28.8.2001, 11 Rs 190/01t für die Befundung von MRT-Bildern ATS 1.500,00 pro Körperregion als angemessen erachtet, wobei nach so langer Zeit eine Inflationsanpassung vorzunehmen sei. In den Autonomen Honorarrichtlinien der österreichischen Ärztekammer für gutachterliche Tätigkeiten sei schließlich für das Jahr 2010 ein Honorar von EUR 371,00 für die Durchführung einer Computertomographie und von EUR 581,00 für eine MRT-Untersuchung festgehalten; von diesen Ansätzen sei, weil der Sachverständige die Bilder nicht selbst angefertigt, sondern bloß befundet habe, jeweils der Hälftebetrag - wie bei der Befundung von Röntenbildern - dem Gebührenanspruch zugrunde zu legen.

Das Erstgericht hat die Gebühren des Sachverständigen - abgesehen von einer im Rechtsmittelverfahren nicht mehr relevanten Korrektur beim Aktenstudium - antragsgemäß mit (gerundet) EUR 944,90 bestimmt. Die im Sinne der E 11 Rs 190/01t des OLG Linz nicht nach § 43 Abs 1 Z 12 GebAG, sondern richtigerweise nach § 34 Abs 1 und 2 GebAG auszumittelnde Gebühr für die MRT- und CT-Befundung sei im Hinblick auf die vom Gesetz für diese Leistung vorgesehene weitgehende Annäherung an die außergerichtlichen Einkünfte des Sachverständigen in Höhe der geltend gemachten Pauschale angemessen. Die von der Beklagten angestrebte Halbierung dieser Pauschale sei im Hinblick auf die weit höheren Ansätze in den Autonomen Honorarrichtlinien der Ärztekammer auch unter Bedachtnahme auf die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohl der Allgemeinheit nicht geboten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, den Gebührenanspruch des Sachverständigen um EUR 155,54 netto (zuzüglich 20 % USt) zu kürzen.

Der Rekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte verweist zur Angemessenheit des Honorars für die (bloße) Befundung der vom Versicherten beigebrachten MRT- bzw. CT-Bilder auf die Kostennoten einschlägiger Institute für die Durchführung kompletter MRT- oder CT-Untersuchungen (einschließlich der Herstellung der Aufnahmen); demnach würden die Gesamtkosten einer CT-Untersuchung samt Befund im Durchschnitt nicht mehr als EUR 110,00 netto und die Kosten für eine MRT-Untersuchung samt Befund durchschnittlich EUR 165,00 bis EUR 207,12 netto betragen. Die vom Sachverständigen hier für die bloße Befundung der Bilder begehrte Pauschalgebühr von jeweils EUR 155,52 netto sei daher überhöht. Schließlich könne auch nicht auf die Autonomen Honorarrichtlinien der österreichischen Ärztekammer zurückgegriffen werden, weil auf dieser Grundlage im sozialgerichtlichen Verfahren die Finanzierbarkeit der Sachverständigengebühren nicht mehr gegeben wäre.

Dieser Einwand ist insoweit berechtigt, als mit dem Berufsrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/111, die Mühewaltungsgebühr des § 34 GebAG ab 1. Jänner 2008 grundlegend neu gestaltet und dabei insbesondere der Berücksichtigung von Gebührenordnungen oder Honorarempfehlungen autonomer, berufsständischer Einrichtungen der Boden entzogen wurde (vgl Krammer, Aktuelles aus dem Gebührenanspruchsrecht, SV 2009, 1 mwN). Wenn gesetzlich vorgesehene Gebührenordnungen im Sinne des § 34 Abs 4 GebAG für gleiche oder ähnliche außergerichtliche Tätigkeiten - wie hier - fehlen, ist nunmehr bei der Bestimmung der Mühewaltungsgebühr auf die in § 34 Abs 3 GebAG neu festgelegten Rahmensätze zurückzugreifen, soweit der Sachverständige keine anderen (höheren) Einkünfte für die entsprechende Tätigkeit im außergerichtlichen Erwerbsleben nachweist. Mit diesen Rahmensätzen soll den Gerichten nach dem Wegfall der früher in Abs 4 zitierten (gesetzlich nicht vorgesehenen) Gebührenordnungen, Richtlinien oder Empfehlungen eine Handhabe geboten werden, das außergerichtliche Durchschnittseinkommen der Sachverständigen einfach und verlässlich zu ermitteln (Schmidt, Novelle zum Gebührenanspruchsgesetz, SV 2008, 6).

Für Tätigkeiten, die besonders hohe fachliche Kenntnisse erfordern, welche durch ein Universitätsstudium oder eine gleichwertige Vorbildung vermittelt werden, ist die Gebühr für Mühewaltung - je nach Schwierigkeit des aufgetragenen Befundes und der Ausführlichkeit der notwendigen Begründung - mit EUR 80,00 bis EUR 150,00 für jede, wenn auch nur begonnene Stunde zu bestimmen (§ 34 Abs 3 Z 3 GebAG idgF). Ein mit der Befundung von CT- und MRT-Bildern in seinem Fachgebiet versierter Sachverständiger - und nur ein solcher ist neben dem Facharzt für Radiologie in der Lage, die Schnittbilder eigenständig zu beurteilen - benötigt für die Durchsicht auch einer größeren Anzahl von Schnittbildern einer bestimmten Körperregion zweifelsfrei nicht mehr als 10 bis höchstens 15 Minuten. Im vorliegenden Fall hat der gerichtliche Sachverständige zwei Körperregionen (Hals- und Lendenwirbelsäule) beurteilt, wofür insgesamt ein Zeitaufwand von keinesfalls mehr als einer Stunde gerechtfertigt ist. Dies ergibt sich auch schlüssig aus dem geringen Umfang der im Gutachten dargestellten Befunde (11 Zeilen MRT der HWS, 6 Zeilen CT der LWS).

Die - nach ständiger Rechtsprechung zusätzlich zur Mühewaltungsgebühr nach § 43 Abs 1 Z 1 GebAG zustehende - Gebühr für die Befundung fremder CT- und MRT-Aufnahmen beträgt für eine (begonnene) Stunde höchstens EUR 150,00, wovon im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 34 Abs 2 GebAG idgF ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist. Die Heranziehung der demnach möglichen Höchstgebühr von EUR 120,00 netto entspricht der Schwierigkeit der Tätigkeit und steht der Höhe nach im Einklang mit der bisherigen - wenn auch zur alten Rechtslage ergangenen - Judikatur des OLG Linz, wonach die Beurteilung nicht selbst hergestellter CT- bzw. MRT-Bilder pauschal mit ATS 1.500,00 (EUR 109,00) netto zu entlohnen ist.

Diese Pauschalgebühr kann allerdings nach der nunmehr maßgebenden neuen Rechtslage nicht mehr für die Befundung jeder einzelnen Bildserie (pro Körperregion) und daher für mehrere CT- oder MRT-Beurteilungen kumulativ, sondern nur noch nach dem dafür tatsächlich erforderlichen Zeitaufwand für jede, wenn auch nur begonnene Stunde veranschlagt werden.

Dass eine Honorierung der hier strittigen Tätigkeit nach § 43 Abs 1 Z 12 GebAG (für jede einzelne Röntgenaufnahme) nicht in Betracht kommt, wurde bereits in der Leitentscheidung 11 Rs 190/01t des OLG Linz ausführlich dargelegt; daran hat sich durch die Novelle BGBl I 2007/111 nichts geändert. Die Beurteilung von Serien-Röntgenbildern in der Computertomographie (und genauso von vergleichbaren Schnittbildern in der Magnetresonanztomographie) ist mit der Befundung herkömmlicher Röntgenbilder nicht zu vergleichen, weil die Tätigkeit auf ganz andere Weise erfolgt und gerade nicht die Beurteilung jedes einzelnen Bildes, sondern die gesamthafte Beurteilung des Datensatzes zum Ziel hat, sodass die Heranziehung der in § 43 Abs 1 Z 12 GebAG normierten - am Einzelbild orientierten - Mühewaltungsgebühr bei der Befundung von Serienbildern zu einer völlig unangemessenen - zur Mühewaltungsgebühr für die Erstellung des Gutachtens in keiner Relation stehenden - Entlohnung führen würde. Insoweit kann auf die ständige Judikatur des Rekursgerichtes uneingeschränkt zurückgegriffen werden.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte lediglich einen Gebührenzuspruch des Erstgerichtes im Ausmaß von EUR 155,54 netto bekämpft. Davon hat das Rekursgericht auszugehen, auch wenn die dem Sachverständigen nach § 34 GebAG in der geltenden Neufassung zustehende Gebühr (EUR 120,00 netto) unter der von der Rekurswerberin zugestandenen Entlohnung von EUR 155,50 liegt.

Der Rekurs erweist sich demnach im Umfang des Abänderungsbegehrens jedenfalls als berechtigt, sodass der Gebührenbeschluss des Erstgerichtes spruchgemäß abzuändern ist.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO jedenfalls unzulässig.

Textnummer

EL0000129

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2011:0120RS00013.11K.0202.000

Im RIS seit

18.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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