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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31985L0384 Diplomanerkennungs-RL Architektur Art1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. D L in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 6. November 2000, Zl. 91514/616-III/7/00, betreffend die Feststellung des Erlöschens der Befugnis eines Architekten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des (damaligen) Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 2. Oktober 1998 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 des Ziviltechnikergesetzes 1993, BGBl. Nr. 156/1994, iVm der EWR-Architektenverordnung, BGBl. Nr. 694/1995, die Befugnis für das Fachgebiet Architektur verliehen (den damaligen Antragsunterlagen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer unter Hinweis auf eine notariell beglaubigte Kopie eines Reisepasses vorgebracht hatte, er sei niederländischer Staatsangehöriger; in einer damaligen Meldebestätigung wird er allerdings als Österreicher bezeichnet).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 17 Abs. 3 ZTG festgestellt, dass die dem Beschwerdeführer verliehene Befugnis eines Architekten mit Wirksamkeit vom 30. Oktober 2000 erloschen sei. Dies wurde damit begründet, dass gemäß § 17 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. die Befugnis eines Ziviltechnikers durch die Eröffnung des Konkurses oder deren Abweisung mangels hinreichenden Vermögens erlösche. Laut einem näher bezeichneten gerichtlichen Edikt sei über das Vermögen des Beschwerdeführers der Konkurs eröffnet worden, womit das Erlöschen der Befugnis festzustellen gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in dem gesetzlich gewährleisteten Recht entgegen den Bestimmungen des § 17 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 3 ZTG 1993 i.V.m. den Vorschriften der Europäischen Union insbesondere den Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit in der geltenden Fassung, nicht festgestellt zu erhalten, dass die verliehene Befugnis zur Ausübung des Berufes eines Architekten erloschen" sei, verletzt.
Im Beschwerdefall ist das Ziviltechnikergesetz 1993, BGBl. Nr. 156/1994 (ZTG), anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 ZTG ist die Befugnis eines Ziviltechnikers österreichischen Staatsbürgern und -innen und ihnen durch zwischenstaatliche Vereinbarungen gleichgestellten Personen zu verleihen, wenn die für die Ausübung erforderliche fachliche Befähigung (§ 6) nachgewiesen wurde und kein Ausschließungsgrund vorliegt. Gemäß § 5 Abs. 2 ZTG sind von der Verleihung einer Befugnis u.a. Personen ausgeschlossen, über deren Vermögen der Konkurs anhängig ist oder innerhalb der letzten fünf Jahre eröffnet oder mangels hinreichenden Vermögens nicht eröffnet worden ist (Z. 2).
Gemäß § 17 Abs. 1 Z. 4 ZTG erlischt die Befugnis eines Ziviltechnikers durch die Eröffnung des Konkurses oder dessen Abweisung mangels hinreichenden Vermögens. Gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. ist das Erlöschen der Befugnis durch Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten festzustellen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Bescheid stütze sich im Wesentlichen auf § 17 Abs. 1 Z. 4 ZTG. Der Wortlaut dieser Bestimmung scheine nur vordergründig die Rechtmäßigkeit des Bescheides "allenfalls zu bestätigen", jedoch sei zu berücksichtigen, dass sowohl der Wortlaut, "als auch die gesamten Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes 1993 (insbesondere in diesem Fall auch § 5 Abs. 2 Z. 2), wie im Übrigen auch die gesamte Rechtslage in Österreich, mit den Bestimmungen des Europarechtes in Einklang zu stehen haben, womit jede Bestimmung europarechtskonform auszulegen" sei. Die von der belangten Behörde genannte Bestimmung sei nach den gegebenen Bestimmungen für die Grundfreiheiten der Europäischen Union, insbesondere auf Grund der Dienstleitungsfreiheit, unanwendbar. Wenn auch zu berücksichtigen sei, dass die Grundfreiheiten grundsätzlich staatenübergreifende Sachverhalte beträfen, so habe der Europäische Gerichtshof jedoch schon in mehreren Entscheidungen innerstaatliche Sachverhalte überprüft und die Vorschriften der Europäischen Union in Anwendung gebracht, insbesondere dann, wenn die Anwendung von innerstaatlichen Bestimmungen geeignet sei, ohne entsprechende Rechtfertigung die gegebenen Freiheiten, hier insbesondere die Dienstleistungsfreiheit, in der Weise einzuschränken, dass Staatsbürger anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Anwendung dieser Bestimmungen bei der Absicht ihre Dienstleistung in Österreich anzubieten, potenziell behindert werden könnten. Vorliegendenfalls sei festzustellen, dass "sich in einer Vielzahl von Staaten der Europäischen Union eine ähnliche Bestimmung des § 17 (1) Z. 4 Ziviltechnikergesetz" nicht finde. Nach dieser werde in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. die Ausübung einer Dienstleistung auf Grund "einer rein formellen Verfahrenseröffnung" für fünf Jahre untersagt. Sofern also dieser Staatsbürger von Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Grund einer Tätigkeit in Österreich den Bestimmungen des ZTG unterlägen, seien sie insoweit benachteiligt, als sie nicht unter den gleichen Bedingungen ihr Gewerbe in ihrem Ursprungsland ausüben dürften, insbesondere dann, wenn sie dort das Gewerbe (weiterhin) ausüben dürften, auch wenn über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet worden sei. Diese Bestimmung des § 17 Abs. 1 Z. 4 ZTG sei nicht geeignet, irgendwelche europarechtlich anerkannten, schützenswerten Interessen des Mitgliedstaates Österreich durchzusetzen und stelle somit eine Maßnahme dar, welche - europarechtswidrig - die Grundfreiheiten und den freien Dienstleistungsverkehr behindere. Diese Bestimmung sei daher unanwendbar.
Diese Gesetzesstelle sei (auch) deshalb keine zulässige Beschränkung im Sinne der Freiheiten der Europäischen Union, weil allein die Eröffnung des Konkurses "über die wirtschaftliche Standfestigkeit und die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers (im konkreten) keinerlei ausreichende Aussagekraft besitzt, zumal die Eröffnung des Konkurses maßgeblich von rein formellen Umständen abhängt, ohne dass im konkreten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers überprüft werden" könne. Die Bestimmung sei also viel zu weitgreifend um etwa Verbraucherschutzinteressen zu gewährleisten. Diese rein formale Bestimmung sei nicht das europarechtlich geforderte "gelindeste Mittel" (im Original unter Anführungszeichen), um anerkannte Interessen Österreichs durchzusetzen. Auf Grund der in keiner Weise eingegrenzten Reichweite des Wortlautes sei aus dem Gesetz überhaupt kein Rechtsschutzziel ableitbar, welches die Anwendbarkeit gegenüber den Vorschriften Europäischen Union rechtfertigen könnte.
Dass Gläubiger bzw. die potenziellen Kunden durch diese Bestimmung im Sinn eines Verbraucherschutzes nicht geschützt würden, zeige sich schon allein darin, dass im gegenständlichen Konkursverfahren aller Voraussicht nach ein Zwangsausgleich erfolgen werde, sodass daraus ersichtlich sei, dass eine das Konkursverfahren beendende ausreichende wirtschaftliche Liquidität vorhanden sei. Wirtschaftlich sei dies einem stillen Ausgleich gleichzuhalten, welcher nicht "- mangels eines Formalaktes -" die im angefochtenen Bescheid festgestellte Rechtsfolge habe. Allein daran zeige sich die Untauglichkeit und das Regelungsübermaß der bekämpften Bestimmung. Die zitierte Bestimmung sei daher nur geeignet, einen nichtberechtigten Vorteil für Mitbewerber zu schaffen.
Gegebenenfalls werde die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof beantragt.
Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift insbesondere entgegen, die Ausführungen des Beschwerdeführers ließen sich dahin zusammenfassen, dass er die EU-Rechtskonformität der hier maßgeblichen Bestimmung des ZTG in Frage stelle. Die Argumente des Beschwerdeführers seien unzutreffend. Wie u.a. der Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Juli 1997 (zur Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1984 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnis und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr - im Folgenden kurz: Architekturrichtlinie) ergebe, erfolge die rechtliche Regelung des Architektenberufes durch die nationale Gesetzgebung des Aufnahmestaates. Infolge dessen entspreche die Rechtsstellung des Migranten derjenigen der Berufsangehörigen, die ihre Befähigung im Aufnahmestaat (hier: Österreich) erworben hätte. Die Regelung der Berufsausbildung, des Berufsantritts und der Berufsausübung sei eine Angelegenheit der nationalen Gesetzgebung.
Wie dem Art. 24 Abs. 1 der Architekturrichtlinie zu entnehmen sei, finde die Forderung nach Vorlage eines Nachweises über die Konkursfreiheit Berücksichtigung. Dementsprechend fänden sich entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers in vielen EU-Staaten gesetzliche Regelungen, welche der in Rede stehenden österreichischen Bestimmung analog seien. Art. 5 Abs. 2 des Bayrischen Architektengesetzes sehe die Untersagung der Eintragung in die Architektenliste vor, wenn innerhalb der letzten fünf Jahre über das Vermögen des Eintragungswerbers das Konkursverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden sei. Eine idente Regelung finde sich in dem Berliner Architekten- und Baukammergesetz, wie auch im Sächsischen Architektengesetz.
Wenn nun der Berufszugang - wie in Europa weitgehend üblich - unter der gesetzlichen Bedingung der Konkursfreiheit stehe, so müsse doch der diesbezüglichen Bestimmung eine reziproke Bestimmung für jene Fälle gegenüberstehen, in denen der Betreffende den Beruf bereits ausübe.
Eine Regelung im ZTG, die Personen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet worden sei, den Zugang zum Beruf des Architekten untersagen würde, jenen aber, die den Beruf bereits ausübten und in dessen Verlauf in Konkurs gerieten, die Berufsausübung weitergestatten würde, wäre verfassungswidrig. Würde die Konkurseröffnung nicht zum Erlöschen der Befugnis führen, so hätte dies unter Umständen zur Folge, dass Ziviltechnikern, denen infolge der Konkurseröffnung die Dispositionsfähigkeit über ihr eigenes Vermögens entzogen worden sei, die Dispositionsfähigkeit über fremdes Vermögen als Treuhänder erhalten bliebe. Ziviltechniker seien nämlich nicht nur "Urkundspersonen" und als solche zur Errichtung öffentlicher Urkunden berechtigt, sondern sie seien auch Treuhänder und Parteienvertreter. Gemäß § 4 Abs. 1 ZTG seien Ziviltechniker nämlich u.a. zur Erbringung treuhänderischer Leistungen, sowie zur berufsmäßigen Vertretung vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts berechtigt. Es bestehe kein Zweifel, dass ein derartiges Ergebnis (gemeint: das Nichterlöschen der Befugnis) nicht im Sinne der Rechtsordnung gelegen sein könne.
Überdies lasse die Eröffnung des Konkurses ein sorgfaltswidriges Verhalten erkennen, welches geeignet sei, die bei der Führung der Geschäfte erforderliche Vertrauenswürdigkeit (§ 14 Abs. 1 ZTG) als nicht gegeben anzunehmen. Demzufolge diene die Rechtsfolge des Erlöschens der Befugnis, insbesondere bei Eröffnung des Konkurses, auch dem Schutz der beteiligten Verkehrskreise, die im Vertrauen auf das Vorliegen eines hohen Maßes an Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit, staatlich befugte und beeidete Ziviltechniker zur Besorgung von Aufgaben der "vorsorgenden Rechtspflege" (Errichtung öffentlicher Urkunden, Grenzberichtigungen, uam.) heranzögen. Die "sachliche Rechtfertigung" einer derartigen Regelung (Erlöschen der Befugnis bei Konkurseröffnung) sei vom Gesetzgeber nicht nur beim ZTG, sondern auch bei einer Vielzahl anderer "Berufsrechte" als gegeben erachtet worden (es folgen Beispiele).
Zusammenfassend könne festgestellt werden, dass das im ZTG normierte Erlöschen der Befugnis auf Grund der Eröffnung des Konkurses zum Schutz der auf das Vorliegen einer besonderen Zuverlässigkeit vertrauenden Öffentlichkeit, insbesondere im Hinblick auf die von den Ziviltechnikern als "verlängerter Arm des Staates" im Rahmen einer "vorsorgenden Rechtspflege" wahrzunehmenden Aufgaben, sowie zur Sicherstellung einer von Interessenskollisionen unbeeinträchtigten Berufsausübung, sachlich gerechtfertigt und daher europarechtskonform sei.
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Das Faktum der Konkurseröffnung führt gemäß § 17 Abs. 1 Z. 4 ZTG kraft Gesetzes zum Erlöschen der erteilten Bewilligung, was der Verwaltungsgerichtshof bereits anerkannt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. September 1997, Zl. 97/06/0123, und vom 22. Jänner 1998, Zl. 97/06/0256, wobei die hier relevante europarechtliche Problematik allerdings keine Rolle spielte). Der Beschwerdefall gibt keinen Anlass, von dieser Beurteilung abzugehen. Art. 24 Abs. 1 der Architekturrichtlinie trifft nähere Regelungen für den Fall, dass in dem Aufnahmemitgliedstaat für die Aufnahme der Ausübung einer der Tätigkeiten im Sinne des Art. 1 (das sind Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur) der Nachweis verlangt wird, dass die betreffenden Personen "in der Vergangenheit nicht in Konkurs gegangen sind". Daraus ergibt sich, dass ein solches "In-Konkurs-Gehen" in der Vergangenheit europarechtlich rechtens als Hindernis für die Aufnahme oder Ausübung solcher Tätigkeiten vorgesehen werden kann. Im Übrigen gilt § 17 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. in gleicher Weise für österreichische Staatsangehörige wie für Angehörige anderer EU-Staaten.
Vor diesem Hintergrund teilt der Verwaltungsgerichtshof die (in der Gegenschrift näher dargelegte) Auffassung der belangten Behörde, dass § 17 Abs. 1 Z. 4 ZTG aus europarechtlicher Sicht unbedenklich ist, und ist daher der Auffassung, dass die Annahme des Beschwerdeführers, diese Norm stehe mit europarechtlichen Bestimmungen im Widerspruch und sei daher unanwendbar, unzutreffend ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Februar 2001
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000060210.X00Im RIS seit
02.05.2001