TE Vwgh Erkenntnis 2011/5/17 2008/01/0605

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Veröffentlicht am 17.05.2011
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
MRK Art8;
VwGG §33a;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des A H in I, geboren 1988, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. April 2008, Zl. 257.732/0/7E-V/15/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Marokkos, beantragte am 15. Oktober 2004 Asyl.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. April 2008 wies die belangte Behörde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Jänner 2005 - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko aus.

Begründend führte die belangte Behörde zur Ausweisung im Wesentlichen aus, dem Bundesasylamt könne nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgehe, dass Art. 8 EMRK der zwingend vorzunehmenden Ausweisung nach § 8 Abs. 2 AsylG nicht entgegenstehe. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine "familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte", die Ausweisung stelle keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar. Es liege auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass durch die Ausweisung in relevanter Weise in das Recht auf Privatleben eingegriffen würde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.:

Der Beschwerdeführer bringt im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unter anderem vor, er unterhalte seit dem Jahr 2005 eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin, lebe mit dieser zusammen und habe mit ihr eine am 18. Juni 2006 geborene gemeinsame Tochter.

Im Hinblick auf den seit der Vernehmung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am 24. Jänner 2005 bis zur Erlassung der angefochtenen Entscheidung vergangenen Zeitraum von mehr als drei Jahren konnte die Asylbehörde nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sich die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers mittlerweile nicht verändert haben. Es wäre daher geboten gewesen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur allfälligen Geltendmachung von unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK relevanten Umständen zu geben. Da die belangte Behörde dies unterließ, unterliegt das oben wiedergegebene (neue) Vorbringen nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, Zl. 2008/23/0114, vom 15. Oktober 2009, Zl. 2006/20/0746, vom 19. Dezember 2007, Zl. 2006/20/0425, vom 5. Oktober 2007, Zl. 2007/20/1043, und vom 26. März 2007, Zl. 2006/01/0595).

Es ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der neu vorgebrachten Umstände zu einer anderen - für den Beschwerdeführer günstigeren - Entscheidung hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der verfügten Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG in Verbindung mit Art. 129c Abs. 1 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich nicht auf die Ausweisungsentscheidung des angefochtenen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im Übrigen abzulehnen.

Wien, am 17. Mai 2011

Schlagworte

Sachverhalt Neuerungsverbot Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2011:2008010605.X00

Im RIS seit

14.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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