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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §129 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des WB in W, vertreten durch Dr. HE, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Juni 1997, Zl. UVS- 04/A/30/00220/96, betreffend eine Baustrafe (weitere Partei gemäß § 21 Abs. 1 VwGG: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 14. November 1995 erstattete der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, gegen den Beschwerdeführer als Mieter der Garage auf der Liegenschaft in W, A-Gasse 24, eine Strafanzeige, da der Beschwerdeführer entgegen den Bestimmungen des § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien dem Auftrag zur Einstellung der konsenswidrigen Benützung der Garage als Werkstätte nicht entsprochen hätte. Der Anzeige wurde ein Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 22. Mai 1991 angeschlossen, aus dem sich ergibt, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Magistratsabteilung 37 vom 21. Dezember 1990 aufgetragen worden war, die bewilligungswidrige Benützung der Garage im Erdgeschoss der genannten Liegenschaft als Kfz-Werkstätte binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides aufzulassen. In der genannten Anzeige wurde weiters ausgeführt, durch ein Organ der Magistratsabteilung 37 sei am 14. November 1995 festgestellt worden sei, dass die Anordnungen jenes Bescheides nicht erfüllt worden seien.
Der Magistrat der Stadt Wien forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 zu einer Rechtfertigung auf, weil ihm zur Last gelegt wurde, er hätte als Mieter diese Garage in der Zeit vom 16. März 1995 bis 14. November 1995 bewilligungswidrig als KFZ-Werkstätte benützt, obwohl er vom Eigentümer über die bewilligte Benutzungsart in Kenntnis gesetzt worden sei. Daher hätte er § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien verletzt. In seiner Äußerung bestritt der Beschwerdeführer nicht, dass er diese Garage als KFZ-Werkstätte benütze; er gab aber an, er sei vom Eigentümer "bis heute" nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, dass er diese Räumlichkeiten nicht als KFZ-Werkstätte benützen dürfe. In der Folge legte der Beschwerdeführer einen Bestandvertrag vor, wonach vom Hauseigentümer S. als Bestandgeber das gegenständliche Objekt der Firma J.S., KFZ-Reparaturwerkstätte, und dem Beschwerdeführer als Bestandnehmer vermietet wurde. Als Zweck des Bestandvertrages (Punkt VII) wird dort vereinbart:
"Der Bestandnehmer hat die Absicht, den Bestandgegenstand zu Geschäftszwecken - im Rahmen der Wahrung des Garagencharakters - zu verwenden. Eine entsprechende widmungsbezogene Benützungsänderung oder eine allfällige gänzliche oder teilweise Weitervergabe - in welcher Form auch immer - bedarf der Zustimmung des Bestandgebers.
Hinsichtlich einer bestimmten Verwendbarkeit - insbesondere zum Zwecke des Gebrauchtwagenhandels oder zum Betrieb einer KFZ-Werkstätte - hat der Bestandnehmer, besonders im Sinne der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften (beispielsweise hinsichtlich der gewerberechtlichen Bestimmungen u.dgl.), selbst Sorge zu tragen."
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 2. Mai 1996 wurde der Beschwerdeführer der oben beschriebenen Tat schuldig erkannt und es wurde über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage) verhängt. Verwiesen wurde auf den Bestandvertrag, wonach das Objekt zweifelsfrei als Garage vermietet worden wäre und dass sich der Mieter um eine Änderung der Benützungsart selbst zu kümmern habe.
In seiner dagegen erstatteten Berufung wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, dass er vom Eigentümer nie davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass er dieses Objekt nicht als KFZ-Werkstätte verwenden dürfe. Er räumte ein, dass im Laufe der Verhandlungen zur Betriebsanlagengenehmigung bekannt geworden sei, dass dieses Objekt mit einer Servitut für 12 Abstellplätze belastet sei. Darauf hätte ihn der Eigentümer nie aufmerksam gemacht.
Gegenstand des Berufungsbescheides der belangten Behörde vom 23. Juni 1995 war die Berufung des Beschwerdeführers gegen ein Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 9. März 1995, gleichfalls betreffend eine Übertretung des § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien hinsichtlich des gegenständlichen Objektes, allerdings hinsichtlich des Zeitraumes vom 10. März 1994 bis 9. Februar 1995.
Die belangte Behörde führte Erhebungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers durch. Mit dem angefochtenen Bescheid, in dessen Kopf auf die erstinstanzliche Entscheidung vom 2. Mai 1996 verwiesen wurde, gab sie der Berufung insoferne Folge, als die Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- auf S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) herabgesetzt wurde und die Kosten neu festgesetzt wurden. Eingangs der Begründung des angefochtenen Bescheides wird Folgendes ausgeführt:
"Mit Straferkenntnis vom 9. März 1995 war dem Berufungswerber Folgendes vorgeworfen worden:
Sie haben als Mieter der Garage im Erdgeschoß auf der Liegenschaft in W, A-Gasse 24, diese Garage in der Zeit vom 10.3.1994 bis 9.2.1995 bewilligungspflichtig als KFZ-Werkstätte benützt, obwohl Sie vom Eigentümer über die bewilligte Benützungsart in Kenntnis gesetzt wurden.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien, LGBl. 11/1930 idgF."
Weiters verwies die belangte Behörde in der Begründung darauf, dass das Vorliegen einer aufrechten Betriebsanlagengenehmigung den Betreiber nicht von der Verpflichtung enthebe, auch um eine baurechtliche Benützungsgenehmigung einzukommen. Die Voraussetzungen der Haftung gemäß § 129 Abs. 1 BO seien gegeben, weil der Beschwerdeführer in seiner Berufung selbst vorgebracht habe, dass er im Laufe der Verhandlungen zur Betriebsanlagengenehmigung darauf aufmerksam geworden sei, dass das Gebäude als KFZ-Abstellplatz gewidmet sei. Damit habe er eingestanden, dass er vor Beginn der widmungswidrigen Benützung über die wahre Widmung des Objekts in Kenntnis gesetzt worden sei. Somit liege sein Verschulden in Form der wissentlichen Tatbegehung vor. Die Geldstrafe wurde im Hinblick auf die schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers herabgesetzt.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der ursprünglich an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 24. Februar 1998, B 2891/97, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Der Beschwerdeführer hat in seiner Ergänzung beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Durch die Wendung im Spruch des angefochtenen Bescheides, "gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als die Geldstrafe ... herabgesetzt wird", brachte die belangte Behörde zum Ausdruck, dass hinsichtlich des davon nicht erfassten Schuldspruches der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt wurde. Welcher Schuldspruch bestätigt wurde, sollte aus der Begründung hervorgehen; allerdings wurde in der Begründung nicht der hier gegenständliche erstinstanzliche Bescheid wiedergegeben, sondern ein früherer Bescheid, der sich vom hier gegenständlichen nicht nur durch sein Datum, sondern insbesondere durch den Tatzeitraum unterschied. Damit wurde aber klargelegt, dass die Berufungsbehörde von einer als erwiesen angenommener Tat (§ 44a Z. 1 VStG) in der Zeit vom 10. März 1994 bis 9. Februar 1995 ausgegangen ist. Zu Recht wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass insoferne bereits eine Bestrafung vorlag, er dafür aber nicht neuerlich bestraft werden dürfe.
Die belangte Behörde räumte in ihrer Gegenschrift ein, dass bedauerlicherweise bei der Zitierung des bekämpften Straferkenntnisses ein Zitierfehler unterlaufen sei, der offensichtlich bei der Zusammenstellung des Berufungsbescheides auf die angewendete elektronische Datenverarbeitung zurückzuführen sei. Von der Möglichkeit einer Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG hat die belangten Behörde jedoch nicht Gebrauch gemacht, obwohl dies auch noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich gewesen wäre (siehe die Nachweise aus der hg. Judikatur bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1136 f). Es ist daher allein der vorliegende Bescheid der verwaltungsgerichtlichen Prüfung zu Grunde zu legen.
Dieser Bescheid nennt nur einen einzigen Tatzeitraum, nämlich den vom 10. März 1994 bis 9. Februar 1995. Wegen einer bewilligungslosen Benützung zu dieser Zeit wurde der Beschwerdeführer aber bereits bestraft, weshalb die durch den angefochtenen Bescheid bewirkte neuerliche Bestrafung diesen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. zum Verbot des "ne bis idem" Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, 651, da § 68 Abs. 1 AVG gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet).
Dass die Strafnorm des § 135 BauO für Wien nicht angeführt wurde (§ 44a Z. 2 VStG) spielt somit keine Rolle mehr.
Aus prozessökonomischen Gründen wird für das fortgesetzte Verfahren auf Folgendes hingewiesen.
§ 129 Abs. 1 BauO für Wien lautet:
"Für die bewilligungsgemäße Benützung der Räume ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage verantwortlich. Im Falle der Benützung der Räume durch einen anderen geht die Haftung auf diesen über, wenn er vom Eigentümer über die bewilligte Benützungsart in Kenntnis gesetzt worden ist. Im Falle der Benützung von Räumen als Heim oder wie Unterkunftsräume in einem Heim haftet jedenfalls nur der Eigentümer."
Diese Bestimmung normiert somit die primäre Verantwortlichkeit des Eigentümers; wenn er nicht für die bewilligungsgemäße Benützung verantwortlich ist, dient sie dem Schutz des Hauseigentümers (hg. Erkenntnis vom 9. Jänner 1967, VwSlg. Nr. 7.048/A). Im Erkenntnis vom 19. Juni 1950, VwSlg. Nr. 1547/A, hat der Verwaltungsgerichtshof betont, dass die Haftung des Mieters für die bewilligungsgemäße Benützung keine unbedingte ist und nur besteht, soweit der Vermieter ihn von der bewilligten Benützungsart in Kenntnis gesetzt und zu einer bewilligungswidrigen Benützung nicht beigetragen hat; ansonsten haftet der Hauseigentümer für die bewilligungsgemäße Benützung der vermieteten Räume durch den Mieter.
Im vorliegenden Fall wäre nach dem sich aus dem Akt ergebenden Sachverhalt - wenn auch die belangte Behörde diese Umstände nicht herangezogen hat - wohl unzweifelhaft davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von der bewilligungslosen Benützung wusste, war dieses Verhalten doch schon Gegenstand eines Bauauftrages und einer früheren Bestrafung. Der Tatbestand erfordert aber nicht nur das Wissen um die Konsenslosigkeit, sondern auch ausdrücklich die Mitteilung durch den Vermieter, weil eben der Vermieter primär für die Einhaltung dieser Bestimmung haftet. Nur wenn er den Mieter entsprechend informiert, tritt die subsidiäre Haftung des Mieters ein.
Allerdings bestehen Indizien dafür, dass der Eigentümer seine Verantwortung im Sinne dieser Gesetzesbestimmung tatsächlich auf den Beschwerdeführer abgewälzt hat: Einerseits hat der Beschwerdeführer selbst, wie sich aus dem Akt ergibt, einen Bescheid der Baubehörde vom 16. Juli 1959 vorgelegt, aus dem sich die konsentierte Verwendung ergibt, wobei wohl angenommen werden kann, dass er diesen Bescheid vom Hauseigentümer bekommen hat. Andererseits wird im zweiten Absatz des Punktes VII des Mietvertrages vereinbart, dass der Bestandnehmer bei Verwendung zum Betriebe einer KFZ-Werkstätte selbst für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen Sorge zu tragen hat.
Jedenfalls war der angefochtene Bescheid aus dem oben angeführten Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für den Ersatz der Barauslagen einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde bieten diese Bestimmungen keine Grundlage.
Wien, am 6. März 2001
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998050087.X00Im RIS seit
03.05.2001