TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/01 D6 223908-5/2011

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Veröffentlicht am 01.04.2011
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Spruch

D6 223908-5/2011/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.1.2011, Zl. 09 16.223-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsangehöriger, reiste am 6.5.2001 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen (ersten) Antrag auf Gewährung von Asyl. Er ist der Lebensgefährte der (nunmehrigen) Beschwerdeführerin zu D6 246004-3/2011 und Vater der minderjährigen Beschwerdeführerin zu D6 258195-3/2011.

 

1. In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.7.2001 gab der Beschwerdeführer anlässlich seiner Befragung zu seinem Fluchtweg und zu seiner aktuellen Situation in Österreich u.a. an, seine Zeit in Österreich damit zu verbringen, "Gelegenheitsjobs" zu suchen, wobei er sich in Anbetracht der ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bestimmungen bewusst sei, Verwaltungsübertretungen zu begehen. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, sowohl von der XXXX als auch von der XXXX aus politisch-ideologischen Gründen verwiesen worden zu sein, nachdem bekannt geworden sei, dass sein Großvater während des zweiten Weltkrieges bei der ukrainischen Befreiungsbewegung des ukrainischen Nationalistenführers Stepan Bandera gewesen sein soll. Auch während der Ableistung des Militärdienstes sei ihm dies zum Vorwurf gemacht worden. In der Folge sei der Beschwerdeführer mehrmals vom ukrainischen Sicherheitsdienst verhaftet und gefoltert worden. Nach einer kurzen Anhaltung im Jahr 1990 sei er im selben Jahr drei oder vier Tage lang von Angehörigen des Sicherheitsdienstes festgehalten worden. Sodann sei er im Jahr 1993 für die Dauer von etwa zwei Wochen und ein weiteres Mal gemeinsam mit seinem Vater vier Monate lang inhaftiert gewesen; während dieser Anhaltung seien ihm auch die "Papiere" abgenommen worden. Sein Vater sei nach einem halben Jahr in einem sehr schlechten Zustand zurückgekehrt und bald darauf - ebenso wie seine Mutter - verstorben. Im März 2001 sei er neuerlich zwei Wochen lang inhaftiert gewesen. Ihm sei jedoch nicht genau mitgeteilt worden, was ihm vorgeworfen werde. Seine Dokumente habe er nicht mehr erhalten. Die Frage, ob er in irgendeiner Weise politisch aktiv gewesen sei, verneinte der Beschwerdeführer. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass es "so weiter wie bisher" gehen werde und dass er keine Papiere bekommen würde, nicht arbeiten könne und nicht in Ruhe gelassen werde. Er könnte - so der Beschwerdeführer - sogar vom Geheimdienst im Gefängnis umgebracht werden. In Österreich wolle er "in Ruhe arbeiten" und "nützlich für die österreichische Gesellschaft sein".

 

2. Am 16.7.2001 richtete das Bundesasylamt an die Österreichische Botschaft in Kiew eine Anfrage über die heutige Situation von Sympathisanten des Politikers Stepan Bandera in der Ukraine. Am 10.8.2001 langte eine Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Kiew ein, in der u.a. die Bedeutung Banderas erläutert und über die Aktivitäten nationalistischer Organisationen im politischen Leben berichtet wurde.

 

3. Mit Bescheid vom 23.8.2001 wies das Bundesasylamt den Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76, ab (Spruchpunkt I.) und erklärte gemäß § 8 leg. cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine für zulässig. In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Situation in der Ukraine und stellte die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, nicht jedoch seine Identität fest. Beweiswürdigend vertrat das Bundesasylamt - neben allgemeinen Erwägungen zur Glaubhaftmachung eines Vorbringens - die Ansicht, dass insbesondere die vom Beschwerdeführer geschilderte Verhaftung im März 2001 als unplausibel zu werten sei. Es sei - so das Bundesasylamt - nicht erklärbar, weshalb die Sicherheitsbehörden den Beschwerdeführer als politisch inaktive Person acht Jahre nach den letzten vorgebrachten Verfolgungshandlungen plötzlich neuerlich zwei Wochen lang ohne Erklärung festhalten sollten. Bedeutung komme überdies dem Umstand zu, dass der Beschwerdeführer weder die aktuelle Adresse der Direktion des Sicherheitsdienstes noch jene des Gefängnisses nennen habe können. Daraus lasse sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ableiten, dass ihm die betreffenden (früheren) Straßenbezeichnungen zwar von Ereignissen zu Beginn der 1990er-Jahre vertraut seien, er jedoch (mangels Anwesenheit in jüngerer Vergangenheit) keine Kenntnis hinsichtlich deren Umbenennung gehabt habe. In dieses Bild mangelnder Glaubhaftigkeit der Ausführungen hinsichtlich der Verhaftung im März 2001 füge sich auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe die ihm ausgehändigte Bestätigung über seine Entlassung aus dem Gefängnis möglicherweise "verloren": Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer im Hinblick auf ein derartiges Dokument, welches zur Untermauerung der eigenen Aussagen im Ausland nützlich wäre, angesichts des Umstandes, dass alle anderen Dokumente angeblich zurückbehalten worden seien, keine genaueren Angaben über dessen Verbleib machen habe können. Widersprüchlich seien auch die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des Zeitpunktes der Abnahme seiner sowjetischen Personaldokumente: So habe er zunächst erklärt, die Dokumente seien ihm anlässlich der Verhaftung im Jahr 1993 abgenommen worden; später habe er jedoch ausgeführt, anlässlich seiner Verhaftung im Jahr 2001 die Dokumente zurückverlangt zu haben. Dass der Beschwerdeführer acht Jahre lang keine Dokumente besessen und keinerlei Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden gehabt habe, während er durch Chauffeurtätigkeiten seinen Lebensunterhalt verdient habe, erscheine nicht nachvollziehbar. Den Angaben des Beschwerdeführers sei daher die Glaubwürdigkeit zu versagen.

 

4. In der dagegen erhobenen Berufung beteuerte der Beschwerdeführer, in seiner Heimat seit dem Jahr 1984 vom ukrainischen Sicherheitsdienst verfolgt zu werden, der ihm die "Unterstützung einer Banditenbewegung" vorwerfe. Während des zweiten Weltkrieges sei sein Vater aktives Mitglied der Organisation der ukrainischen Nationalisten (OUN) gewesen. Nach den Erzählungen seiner Großmutter habe sich sein Vater ständig im Ausland aufgehalten; von dort aus habe er "die verbrecherische Übernahme" der Ukraine durch die Russen aktiv bekämpft. Der Beschwerdeführer selbst habe damit jedoch "gar nichts zu tun" gehabt. Der ukrainische Sicherheitsdienst habe ihn und seinen Vater mehrmals festgenommen; sein Vater sei schlussendlich "aufgrund der in den Folterkammern des Gefängnisses des Sicherheitsdienstes ruinierten Gesundheit" verstorben. Der Beschwerdeführer sei unmenschlichen Erniedrigungen sowie heftigen Schlägen und Verletzungen ausgesetzt gewesen. Auch seine Ehefrau und seine Tochter seien "Opfer diese Ausschreitung" gewesen.

 

5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon acht Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

 

6. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

7. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je EUR 2,--, sohin EUR 60,--, im Nichteinbringungsfall zu 15 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

 

8. Am 17.3.2004 stellte der Unabhängige Bundesasylsenat das Berufungsverfahren gemäß § 30 Abs. 1 Asylgesetz 1997 ein, da eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit des Beschwerdeführers nicht möglich war.

 

9. Mit Schriftsatz vom 16.11.2004 beantragte der Beschwerdeführer die Fortsetzung des Asylverfahrens.

 

10. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15, 127, 130 erster Satz erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon neun Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt und die Probezeit zu XXXX auf fünf Jahre verlängert.

 

11. Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat - nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 14.9.2005 - mit Bescheid vom 20.9.2005, 223.908/15-VI/18/04, gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76 idF BGBl. I 101/2003 (im Folgenden: AsylG 1997) ab. Begründend verwies der Unabhängige Bundesasylsenat insbesondere auf den Umstand, dass sich der Beschwerdeführer während der Dauer seines Verfahrens nicht um die Beischaffung irgendeines Beweises für sein Vorbringen bemüht habe. Auch sei er detailliert zu jenen Dokumenten befragt worden, welche er in der Ukraine besessen habe und welche ihm angeblich vom ukrainischen Sicherheitsdienst abgenommen worden sein sollen. In diesem Zusammenhang habe der Beschwerdeführer einen im Jahre 1982 ausgestellten sowjetischen Reisepass sowie einen Führerschein aus dem Jahre 1984 und eine Geburtsurkunde erwähnt. Im Rahmen der Berufungsverhandlung habe der Beschwerdeführer dagegen einen ukrainischen Pass aus dem Jahre 1999 oder 2000 genannt, welcher ebenfalls vom ukrainischen Sicherheitsdienst beschlagnahmt worden sein soll. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer behauptet, sich an die Frage, ob er auch ein solches Dokument besessen habe, erinnern zu können, was mit dem Akteninhalt klar in Widerspruch stehe. Aus welchem Grund der Beschwerdeführer diesen Inlandspass durchaus bei der Bundespolizeidirektion XXXX erwähnte und überdies angab, dass ihm dieses Dokument vor der Ausreise aus der Ukraine gestohlen worden sei, habe er - so der Unabhängige Bundesasylsenat - nicht erklären können.

 

Weiters wies der Bundesasylsenat auf verschiedene Widersprüche im Fluchtvorbringen hin: Während der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt noch von einer "Untersuchungshaft" gesprochen habe, habe er im Rahmen der Berufungsverhandlung geschildert, dass er "nur mehrmals geladen und wieder freigelassen" worden sei, was wiederum in Widerspruch mit den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er vom Sicherheitsdienst gefoltert, in eine Zelle gesteckt und unter Druck gesetzt worden sein soll, nicht plausibel in Einklang zu bringen gewesen sei. Unerklärlich sei ferner, dass der Beschwerdeführer bezüglich seiner letzten Inhaftierung erwähnt habe, einen "Entlassungsschein" erhalten zu haben, wohingegen er im Rahmen der Berufungsverhandlung darauf beharrt habe, niemals einen Entlassungsschein bekommen zu haben, sondern nur geladen und befragt worden zu sein. Zudem sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, konkrete Angaben über den Nationalistenführer Bandera sowie die Hintergründe des politischen Interesses der Ukraine bzw. der Machthaber im Jahre 2001 an dieser Bewegung zu machen. Nicht glaubhaft sei weiters, dass der Beschwerdeführer in einer Militärschule sowie als Sporttrainer in den Staatsdienst aufgenommen worden sein soll. Auch habe der Beschwerdeführer nicht darlegen können, weshalb der ukrainische Sicherheitsdienst nach so vielen Jahren bzw. Jahrzehnten ohne konkreten Anlass begonnen haben soll, nach dem Beschwerdeführer zu suchen bzw. ihn zu befragen oder einzusperren. Das unbewiesene und durch keinerlei Bescheinigungsmittel belegte Vorbringen des Beschwerdeführers sei somit genauso stereotyp in den Raum gestellt wie die in der Berufungsverhandlung aufgestellte Behauptung, dass "der ukrainische Sicherheitsdienst ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt habe", wobei auch dieses Vorbringen letztlich nur aus einer Behauptung bestehe und der Beschwerdeführer nicht habe darlegen können, weshalb der ukrainische Sicherheitsdienst in der Lage sein sollte, Staatsbürgerschaften zu- bzw. abzuerkennen. Wegen dieser Widersprüchlichkeiten sowie aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers sei zu folgern, dass der Beschwerdeführer aus völlig asylfremden Motiven in das Bundesgebiet eingereist sei, um unter wirtschaftlich besseren Verhältnissen zu leben oder sich anderweitig zu bereichern.

 

12. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX, wurde gegen den Beschwerdeführer neuerlich ein Aufenthaltsverbot verhängt.

 

13. Die Behandlung der gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23.3.2006, 2006/19/0657-6, ab.

 

14. Aus dem Stande der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 19.11.2005 einen (zweiten) Antrag auf Gewährung von Asyl. Zuvor war er am 18.11.2005 vor der Bundespolizeidirektion XXXX einvernommen worden und hatte sich mit der Beantragung eines Heimreisezertifikates bei der zuständigen Vertretungsbehörde einverstanden erklärt.

 

15. In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 24.11.2005 gab der Beschwerdeführer insbesondere an, keinen anderen Ausweg gesehen zu haben, als neuerlich einen Asylantrag zu stellen, da ihm seine Staatsbürgerschaft in der Ukraine aberkannt worden sei und er dort auch keine Familie und keine Wohnung mehr habe. Von einem "Burschen aus der Ukraine", den er getroffen habe, habe er erfahren, dass in seiner Wohnung "fremde Leute" wohnen und ihn die Polizei sowie "Banditen" suchen würden.

 

16. In seiner Einvernahme am 5.7.2006 begründete der Beschwerdeführer seine neuerliche Asylantragstellung damit, dass er andernfalls abgeschoben worden wäre. Er habe hier eine "Ehefrau" sowie eine Tochter und wolle "arbeiten und nützlich sein". Auf entsprechende Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, bereits all seine Fluchtgründe vorgebracht zu haben; Probleme mit der Polizei habe er in der Ukraine nicht gehabt: Vielmehr habe er als Trainer gearbeitet und dabei auch Polizeibeamten Unterricht erteilt. Für den Fall seiner Rückkehr befürchte er, umgebracht zu werden. Sein Vater sei verhaftet worden und infolge starker Verletzungen durch die Sicherheitsbehörden verstorben. Seine Dokumente seien ihm abgenommen worden, um eine Reise ins Ausland zu verhindern. Von einem Landsmann habe er erfahren, dass er nicht in seine Wohnung in der Ukraine zurückkehren dürfe, da er dort bereits gesucht worden sei. Als er die Ukraine verlassen habe wollen, sei ihm von den Sicherheitsbehörden mitgeteilt worden, dass ihm die ukrainische Staatsbürgerschaft aberkannt worden sei. Im Fall einer Rückkehr erwarte er sein Todesurteil.

 

17. Mit Bescheid vom 7.7.2006 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. I 51 idgF (im Folgenden: AVG), wegen entschiedener Sache zurück. In seiner Begründung vertrat das Bundesasylamt die Ansicht, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden könne: Die nunmehrigen Angaben des Beschwerdeführers seien nicht geeignet, die bereits im Erstverfahren als unglaubwürdig bewerteten Fluchtgründe glaubhaft erscheinen zu lassen, da sich das anlässlich des zweiten Antrages erstattete Vorbringen in keiner Weise von dem im Erstverfahren Vorgebrachten unterscheide. Insoweit habe sich weder der maßgebliche Sachverhalt noch die Rechtslage in den entscheidungswesentlichen Punkten geändert, sodass auch keine neue Sache vorliege, die von der Rechtskraft des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates umfasst sei.

 

18. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 11.9.2006, 223.908/30-VI/18/06, - unter Hinweis auf das anhängige Berufungsverfahren der minderjährigen Tochter des Beschwerdeführers sowie auf den Umstand, dass der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers im Familienverfahren mit dem Antrag seiner Tochter zu führen sei - gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 10 AsylG 1997 statt und behob den bekämpften Bescheid ersatzlos.

 

19. Mit Bescheid vom 12.10.2006 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine aus (Spruchpunkt III.). In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Ukraine und stellte die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, nicht jedoch seine Identität fest. Dass der Beschwerdeführer begründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung zu gewärtigen habe, konnte das Bundesasylamt nicht feststellen. Beweiswürdigend wies die Behörde insbesondere auf die Aussage des Beschwerdeführers hin, wonach er bereits alle seine Fluchtgründe im ersten Asylverfahren dargelegt habe. Nachdem sich das im ersten Asylverfahren erstattete Vorbringen aufgrund zahlreicher unaufgeklärter Widersprüche als unglaubwürdig erwiesen habe, seien die Angaben des Beschwerdeführers - so das Bundesasylamt - im zweiten Verfahren ebenso unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe neuerlich eine Verfolgung seiner Person wegen der seinerzeitigen Unterstützung Stepan Banderas durch seinen Großvater ins Treffen geführt, dazu aber weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren konkrete Angaben machen können. Dass ihm die Staatsbürgerschaft in der Ukraine aberkannt worden sei, stelle eine stereotype Behauptung dar, die er nicht plausibel habe erklären können. Der Beschwerdeführer habe zudem keine konkrete Bedrohungssituation schildern können, sondern nur angegeben, dass nach ihm in seiner früheren Wohnung gesucht werde. In einer Gesamtschau gelange das Bundesasylamt zu dem Schluss, dass der vom Beschwerdeführer selbst bzw. seiner Lebensgefährtin behauptete Sachverhalt nicht den Tatsachen entspreche.

 

20. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 7.7.2009 - mit Erkenntnis vom 22.10.2009, D8 223908-31/2008/42E, hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 AsylG 1997 als unbegründet ab, gab der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. statt und behob Spruchpunkt III. ersatzlos. In seiner Begründung traf der Gerichtshof umfangreiche Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Ukraine und stellte insbesondere die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, nicht jedoch seine Identität fest. Dass der Beschwerdeführer in der Ukraine einer (drohenden) privaten oder staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, konnte der Asylgerichtshof nicht feststellen. Der Gerichtshof konnte ferner nicht feststellen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Ukraine aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Der Beschwerdeführer leide - so der Asylgerichtshof weiter - an keiner Krankheit; er habe seinen Lebensunterhalt bis zu seiner Ausreise bestreiten können. Seine Tochter aus erster Ehe lebe in der Ukraine, zudem habe er dort mehrere Tanten und Onkel.

 

Beweiswürdigend wies der zuständige Senat des Asylgerichtshofes darauf hin, dass der Beschwerdeführer zum Verbleib seiner Identitätsdokumente vor österreichischen Behörden und Gerichten vollkommen unterschiedliche Angaben getätigt habe. Auch sei es aufgrund divergierender Angaben nicht möglich gewesen, die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers hinlänglich aufzuklären. Der Beschwerdeführer habe auch keinerlei Beweismittel vorgelegt. Er habe lediglich behauptet, ein Landsmann habe ihm berichtet, dass ihn die Polizei und "Banditen" suchen würden. In der Beschwerdeverhandlung sei er näher zur Person dieses Landsmannes und dem Inhalt des Gespräches befragt worden; der Beschwerdeführer habe jedoch keine detaillierten Antworten geben können. Vielmehr habe er lediglich ausgesagt, den Landsmann "irgendwann im Jahr 2005" zufällig in XXXX am Schwedenplatz und in weiterer Folge zwei Mal zufällig im XXXX auf einem Spaziergang getroffen zu haben; die Adresse und Telefonnummer des Mannes habe der Beschwerdeführer nicht angeben können. Im Falle einer tatsächlichen Angst des Beschwerdeführers vor Übergriffen in der Ukraine wäre - so der Gerichtshof - davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seinem Landsmann gesucht und ihn nach Vorkommnissen in der Ukraine befragt hätte, ohne es auf zufällige Begegnungen ankommen zu lassen. Der Beschwerdeführer habe zudem vorgebracht, dass ihm seine Staatsbürgerschaft vom ukrainischen Sicherheitsdienst aberkannt worden sei, was bereits vom Unabhängigen Bundesasylsenat als stereotype Behauptung gewertet worden sei und auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung selbst nach mehrmaliger Nachfrage vom Beschwerdeführer nicht konkret und substantiiert erläutert habe werden können.

 

Unter Hinweis darauf, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsbescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates bereits als unglaubwürdig qualifiziert und die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnt wurde, hielt der Asylgerichtshof fest, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im nunmehrigen Verfahren vor dem Asylgerichtshof auch mit seinen Angaben vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat nicht übereinstimme, weshalb sich im zweiten Asylverfahren umso mehr der Schluss aufdränge, dass seine Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Die Frage in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, welche rechtlichen Schritte er gegen die Aberkennung der Staatsbürgerschaft unternommen habe, habe der Beschwerdeführer lediglich mit der Gegenfrage, wohin er gehen hätte sollen, beantwortet. Auf die weitere Frage, wer das Dokument über die Aberkennung der Staatsbürgerschaft ausgestellt habe, habe der Beschwerdeführer bloß erwidert, sich nicht erinnern zu können. Wäre die behauptete Ausbürgerung tatsächlich erfolgt, so wäre der Beschwerdeführer, der diesen Vorfall immerhin als Grund für seine Ausreise benannt habe, nach Ansicht des Asylgerichtshofes in der Lage gewesen, exakte und detaillierte Angaben zu machen. In der Beschwerdeverhandlung habe der Beschwerdeführer zudem angegeben, nichts Neues vorbringen zu können und alle Fluchtgründe bereits im ersten Verfahren geltend gemacht zu haben: Den zweiten Asylantrag habe der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge nur wegen seiner Tochter gestellt. Der Beschwerdeführer habe nicht die Abhaltung eines eigenen Asylverfahrens angestrebt, sondern seinen Antrag im Familienverfahren behandelt wissen wollen und sich zudem ausschließlich auf das Vorbringen seiner Lebensgefährtin im Verfahren der gemeinsamen Tochter bezogen.

 

Insgesamt sei es dem Beschwerdeführer - so der Gerichtshof abschließend - nicht gelungen, individuelle und konkrete Verfolgungsgründe glaubhaft zu machen, zumal er weder in seinem ersten (rechtskräftig abgeschlossenen), noch in seinem zweiten Asylverfahren eine schlüssige und nachvollziehbare Verfolgungssituation geschildert habe. Auch eine nachvollziehbare Schilderung seiner Rückkehrbefürchtungen sei dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen. Die massiven Unstimmigkeiten in seinen Angaben, die schon im ersten rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren als unglaubwürdig qualifiziert wurden, würden den Schluss nahe legen, das Fluchtvorbringen lediglich als gedankliches Konstrukt anzusehen.

 

21. Gegen dieses Erkenntnis des Asylgerichtshofes erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 30.3.2010, U 2909/09, abgelehnt wurde.

 

22. Am 29.12.2009 stellte der Beschwerdeführer den vorliegenden (dritten) Antrag auf internationalen Schutz und gab in seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag im Wesentlichen an, in der Ukraine Probleme mit der Mafia sowie mit den für die Sicherheit des Landes zuständigen Organisationen zu haben. Er habe einen Bekannten getroffen, der ihm mitgeteilt habe, dass er nach wie vor gesucht werde. Im Falle der Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

 

23. Am 7.1.2010 wurde dem Beschwerdeführer eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 (im Folgenden: AsylG 2005), ausgefolgt, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen.

 

24. In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26.1.2010 gab der Beschwerdeführer auf entsprechende Nachfrage an, "schwarz am Bau" zu arbeiten. Nach Vorhalt der geplanten Vorgangsweise des Bundesasylamtes hinsichtlich einer Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache führte der Beschwerdeführer aus, "Änderungen" in seinem Vorbringen zu haben und diese nunmehr vorbringen zu wollen:

Er sei am 27.12.2009 in der ukrainischen Kirche gewesen, wo er einen (namentlich bereits im vorangegangenen Verfahren genannten) Freund getroffen habe. Dieser Freund komme drei Mal im Monat aus der Ukraine nach Österreich und habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er, der Beschwerdeführer, "derzeit große Probleme in der Ukraine habe". Die Verfolger des Beschwerdeführers seien laut Aussage seines Freundes nach Polen und in die Slowakei gefahren, um nach dem Beschwerdeführer zu suchen. Überdies habe sein Freund die Angst geäußert, überhaupt mit ihm zu sprechen. Sein Freund habe ihm mitgeteilt, dass er bei einer Rückkehr in die Ukraine "große Probleme" bekommen werde. Auf die Frage, welche Leute ihn suchen würden, gab der Beschwerdeführer an, dass es ehemals der KGB und nunmehr der SBO (gemeint wohl: SBU) sei. Auf die Frage, ob er nach wie vor aus den gleichen Gründen gesucht werde, wie im ersten und zweiten Verfahren geschildert, entgegnete der Beschwerdeführer, keine anderen oder neuen Gründe zu haben. Im Falle einer Rückkehr in die Ukraine werde er keine Arbeit finden und neuerlich "mit dieser Organisation Probleme haben"; er würde bestimmt vernichtet werden. Zudem gab er an, eine "psychische Behandlung" zu benötigen, da er seit etwa fünf Jahren an psychischen Problemen leide. Er sei zwischenzeitlich bei einem praktischen Arzt gewesen, der ihm Beruhigungsmittel, Schlaftabletten und sehr starke Tropfen verschrieben habe. Behandlungsberichte könne er keine vorlegen, diese würden sich beim Arzt befinden.

 

25. Mit Schreiben vom 13.2.2010 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den in der Einvernahme zur Kenntnis gebrachten Länderberichten. In dieser Äußerung tritt der Beschwerdeführer den Berichten u.a. insofern entgegen, als er etwa die angeführte Arbeitslosenrate von 6,4 % in der Ukraine als "geschönt" sowie die Angaben über eine Lohnniveausteigerung sowie die Erhöhung der Durchschnittspensionen in jüngerer Zeit als nicht nachvollziehbar kritisiert; angesichts der in den Länderberichten konstatierten kostenlosen medizinischen Behandlung in der Ukraine äußert der Beschwerdeführer den Verdacht, dass ohne "Zusatzleistungen der Patienten" eine weitaus schlechtere medizinische Behandlung in der Ukraine zu erwarten sei. Den Länderberichten sei nicht zu entnehmen, ob der Beschwerdeführer "Chancen auf einen konkreten Arbeitsplatz" habe oder ob er jahrelang "bestenfalls Almosenempfänger" bleiben müsse.

 

26. Mit Bescheid vom 4.3.2010 wies das Bundesasylamt den Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine aus. In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Situation in der Ukraine, stellte jedoch die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Im Verfahren - so das Bundesasylamt - hätten sich keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer an einer schweren körperlichen Krankheit oder einer schweren psychischen Störung leide. Zudem sei kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt feststellbar. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt insbesondere aus, dass der Beschwerdeführer seine angeblichen psychischen Probleme nicht belegen habe können und keine Arztbestätigungen vorgelegt habe. Er habe zwar behauptet, schon seit fünf Jahren derartige Probleme zu haben, diesen Umstand jedoch bislang nicht erwähnt. Vielmehr habe er ausdrücklich vorgebracht, dass die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates nach wie vor dieselben seien.

 

27. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 18.3.2010, D8 223908-4/2010/2E, gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 statt und behob den bekämpften Bescheid. Begründend verwies der Gerichtshof darauf, dass das Bundesasylamt jegliche Ermittlungstätigkeit zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers unterlassen habe. Das Bundesasylamt habe in der Begründung zudem lediglich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Beweismittel vorgelegt und in seinem Vorverfahren nie von psychischen Problemen berichtet habe, was jedoch nicht als schlüssige, einer nachprüfenden Kontrolle durch den Asylgerichtshof standhaltende Beurteilung zu bezeichnen sei. Vielmehr wäre eine Begutachtung bzw. die Einholung der Behandlungsberichte beim behandelnden Arzt mit Zustimmung des Beschwerdeführers erforderlich gewesen. Weiters habe das Bundesasylamt auch keine ausreichenden Ermittlungen und Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers getätigt.

 

28. Mit Bescheid vom 6.5.2010 bestellte das Bundesasylamt Dr. XXXX zur nichtamtlichen Sachverständigen im gegenständlichen Verfahren zwecks Begutachtung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers aus psychologischer bzw. psychiatrischer Sicht sowie zwecks Ermittlung von allfälligen Überstellungshindernissen.

 

29. In ihrem klinisch-psychologischen Gutachten vom 31.10.2010 kam die Sachverständige zu dem Schluss, dass beim Beschwerdeführer keine psychische Störung vorliege: Insgesamt sprächen die Ergebnisse der klinisch-psychologischen Untersuchung des Beschwerdeführers für eine natürliche erlebnisreaktive Entwicklung im Rahmen einer besonders ungünstigen Lebenssituation, wie sie bei Migration oder Flucht häufig anzutreffen sei (ICD-10: Z65.5 "Betroffensein von Katastrophen, Krieg und sonstigen Feindseligkeiten"). Derzeit bestehe weder subjektiv noch objektiv zwingender (psychiatrischer oder psychologischer) Behandlungsbedarf. Im Hinblick auf den aktuellen Status psychicus sei der Beschwerdeführer sehr gut in der Lage, sich an Daten und Fakten in Bezug auf sein Vorbringen zu erinnern. Er sei sowohl einvernahme- als auch geschäftsfähig.

 

30. In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 7.12.2010 gab der Beschwerdeführer insbesondere an, keine gesundheitlichen Probleme zu haben. Er wisse nicht, ob sich seine in der Ukraine lebende Ehefrau von ihm habe scheiden lassen, er habe jedenfalls keinen Kontakt mehr mit ihr. In Österreich habe er viele Freunde und lebe mit seiner Tochter und seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt. Zudem wolle er arbeiten und auf die Sozialhilfe verzichten. Ein (namentlich genanntes) Unternehmen sei überdies bereit, ihn anzustellen, sollte er über die erforderliche Arbeitserlaubnis verfügen. Zur Frage, weshalb er neuerlich einen Asylantrag gestellt hat, obwohl er bereits zwei rechtskräftig abgewiesene Anträge gestellt hatte, verwies er auf seinen bereits 10-jährigen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet, seine Familiengründung sowie auf seinen Wunsch, Österreich nützlich zu sein und einer legalen Erwerbstätigkeit in Österreich nachzugehen, ohne Sozialhilfe zur Bestreitung seines Unterhalts beziehen zu müssen. Auf weitere Nachfrage führte der Beschwerdeführer aus, über seine Fluchtgründe "bereits mehrmals berichtet" zu haben und dazu "nichts mehr sagen" zu wollen: Er wolle Österreich nicht mehr verlassen, weil er hier schon seit 10 Jahren lebe. Die Frage, was ihm bei einer Rückkehr in die Ukraine passieren würde, beantwortete er dahingehend, dies nicht zu wissen: Er werde "große Probleme haben"; wegen seiner Probleme habe er seine "erste" Familie verloren; im Falle einer Rückkehr befürchte er eine "Beeinträchtigung" für seine nunmehrige Familie.

 

31. Mit Bescheid vom 17.1.2011 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt III.). In seiner Begründung traf das Bundesasylamt neuerlich Länderfeststellungen zur Situation in der Ukraine und stellte die ukrainische Staatsangehörigkeit, nicht jedoch die Identität des Beschwerdeführers fest. Weiters stellte es fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat gearbeitet habe, weshalb es ihm zumutbar sei, im Falle einer Rückkehr in die Ukraine einer Tätigkeit nachzugehen. In der Ukraine würden zudem die geschiedene Ehefrau sowie eine Tochter des Beschwerdeführers leben. Der Beschwerdeführer besuche in Österreich keine Schulen, keine Vereine, keine Universität sowie keine sonstige Bildungseinrichtung; er gehe keiner legalen Tätigkeit nach. Wie bereits in den vorangegangenen Verfahren festgestellt, müsse dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Es könne somit nicht festgestellt werden, dass er Verfolgungshandlungen in seiner Heimat ausgesetzt gewesen sei.

 

Beweiswürdigend wies das Bundesasylamt insbesondere darauf hin, dass den vom Beschwerdeführer geschilderten Fluchtgründen bereits in den vorangegangenen Verfahren die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden sei; nach Ansicht des Bundesasylamtes seien neue Gründe im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht worden. Über die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe sei bereits entschieden worden, sodass auf diese nicht mehr einzugehen sei. Da dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe und er über Anknüpfungspunkte in der Heimat verfüge, gehe das Bundesasylamt davon aus, dass ihm im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, welche die Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

 

Rechtlich folgerte das Bundesasylamt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz aufgrund des Fehlens der Flüchtlingseigenschaft abzuweisen gewesen sei. Zudem bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr laufe, in der Ukraine einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung festzustellen gewesen sei. Die Ausweisungsentscheidung begründete das Bundesasylamt mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung.

 

32. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde, in der die Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Darin führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, eine Bedrohung seitens "eindeutig mafiöser Personen" bereits vorgebracht zu haben. Es ergebe sich nunmehr jedoch ein besonderes Gefahrenmoment, da man ihn "offensichtlich in XXXX ausfindig gemacht" habe und er "neuerdings unter schweren Angstzuständen leide". Dies habe sich erst "nach der ominösen Psychountersuchung ereignet", weshalb er davon ausgehe, dass diese "nicht mehr aktuell" sei. Er, der Beschwerdeführer, könne - so die Beschwerde wörtlich - "diese Symptome so beschreiben: A Plötzliche Panik, B Nachhaltiger Durchfall, C Ständiges Grübeln, D Eklatante Störungen des Sexuallebens (!!!:)". Bezüglich seiner Integration verwies der Beschwerdeführer insbesondere auf den Umstand, dass ihm demnächst ein auf längere Zeit garantierter Arbeitsplatz im Baugewerbe eingeräumt werde, was von der belangten Behörde übersehen worden sei. Zudem hätte das Bundesasylamt "die wenigen Tage" abwarten "können", bis er im Besitz der entsprechenden Bestätigung über seine Einstellungszusage sei. Hinsichtlich der Länderfeststellungen verwies die Beschwerde lediglich auf den Schriftsatz vom 13.2.2010.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1.1 Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer in mehreren Einvernahmen die Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe darzulegen. Der aufgrund dieser Befragungen festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid. In der Beschwerde wurde die Verfahrensrüge nicht konkret und substantiiert begründet. Auch von Amts wegen vermag der erkennende Senat keinen Verfahrensfehler zu erkennen. Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, dass die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung nicht zugewartet habe, bis der Beschwerdeführer eine Arbeitseinstellungszusage vorlegt, ist zu erwidern, dass dem Beschwerdeführer anlässlich des Ländervorhalts eine Frist von einer Woche zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden war (AS 369), die der Beschwerdeführer zur Vorlage der erwähnten Bestätigung offensichtlich ungenützt verstreichen hat lassen, ohne dass im Verwaltungsakt ein Hinweis auf die Ankündigung einer nachträgliche Vorlage oder ein Antrag auf Fristerstreckung in diesem Belang ersichtlich wäre (zur Bedeutung einer solchen Bestätigung vgl. unten 3.6.3).

 

Da die von der belangten Behörde herangezogenen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, von einander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht eingedenk des vorliegenden Falles und unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen für den erkennenden Senat (auch angesichts der gerichtsbekannten gegenwärtigen Situation in der Ukraine) kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen der belangten Behörde zu zweifeln. Der Beschwerdeführer ist den Länderfeststellungen in seiner Stellungnahme vom 13.2.2010 lediglich unsubstantiiert und nicht überzeugend entgegen getreten. Unverständlich ist auch seine Einschätzung, wonach die Ermittlung der Lage im Herkunftsstaat auf einem "oberflächlichen Niveau" erfolgt sei (vgl. dazu auch unten 3.4.1).

 

1.2 In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts ihrer diesbezüglichen Beweiswürdigung hat der Asylgerichtshof - unter Bedachtnahme auf die Beschwerdeausführungen - auch keine Bedenken gegen die im vorliegenden Bescheid getroffenen individuellen Feststellungen zum Sachverhalt hinsichtlich der geltend gemachten Fluchtgründe: Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer wie immer gearteten Verfolgung in seiner Heimat ausgesetzt war bzw. im Falle einer Rückkehr ausgesetzt wäre.

 

Ergänzend wird ferner festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer, dessen minderjährige Tochter, die Beschwerdeführerin zu D6 258195-3/2011, die Schule besucht, in einer Lebensgemeinschaft mit der Beschwerdeführerin zu D 246004-3/2011, einer ukrainischen Staatsangehörigen, befindet. Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen.

 

2.1 Hinsichtlich der vorgebrachten Fluchtgründe ist die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides nicht zu beanstanden:

 

Im vorliegenden Verfahren ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe bereits in zwei Asylverfahren und damit im Rahmen mehrerer Einvernahmen vor dem Bundesasylamt ausführlich vorbringen konnte und seinen Schilderungen auch nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat sowie einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof keine Glaubwürdigkeit zuerkannt und keine Verfolgung des Beschwerdeführers in seiner Heimat festgestellt wurde. Der Beschwerdeführer hat im vorliegenden Verfahren lediglich auf seine Fluchtgründe, über die bereits rechtskräftig abgesprochen wurde, verwiesen. Wenn daher der Unabhängige Bundesasylsenat im ersten bzw. der Asylgerichtshof im zweiten Verfahren die geltend gemachten Ausreisegründe als unglaubwürdig erachtete, so ist nicht ersichtlich, weshalb der Asylgerichtshof nunmehr im gegenständlichen Verfahren zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 7.12.2010 ausdrücklich betonte, keine weiteren Aussagen zu seinen Fluchtgründen machen zu wollen (AS 367: "Über meine Fluchtgründe habe ich bereits mehrmals berichtet, dazu möchte ich nichts mehr sagen. Ich möchte Österreich nicht mehr verlassen, weil ich hier schon seit 10 Jahren lebe."). Dabei ist zu bedenken, dass in den vorangegangenen Entscheidungen des Unabhängigen Bundesasylsenates und des Asylgerichtshofes massive und eklatante Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers hervorgehoben und diese Entscheidungsgründe vom Beschwerdeführer somit gänzlich unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurden (vgl. z. B. den vom Unabhängigen Bundesasylsenat erwähnten Widerspruch zwischen der Schilderung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt hinsichtlich einer zwei-wöchigen "Untersuchungshaft" im Jahr 2001 und der Aussage in der Berufungsverhandlung, wonach er "nur mehrmals geladen und wieder freigelassen" worden sei: S. 5f. des Berufungsbescheides vom 20.9.2005; vgl. ferner S. 30ff. des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 22.10.2009; hinsichtlich der - bereits in den ersten beiden Verfahren gemachten - Behauptung des Beschwerdeführers, ihm sei die ukrainische Staatsbürgerschaft aberkannt worden, ist obiter auf die Beschwerde hinzuweisen, in welcher der Beschwerdeführer seine ukrainische Staatsangehörigkeit anführt [AS 543]; siehe dazu überdies die Erwägungen im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.10.2009 auf S. 32f.). Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass seine vormals als unglaubwürdig angesehenen Fluchtschilderungen nunmehr in einem völlig neuen bzw. anderen Licht zu betrachten wären oder ihnen zumindest ein glaubhafter Kern attestiert werden könnte.

 

Der Beschwerdeführer hat daher im vorliegenden Verfahren keine Angaben gemacht, die nunmehr zur Annahme der Glaubwürdigkeit der bereits mit den ersten beiden Asylanträgen geltend gemachten Verfolgungsgefahr führen könnten. Obwohl sich der Beschwerdeführer der Glaubwürdigkeitsproblematik in Anbetracht der für ihn negativ abgeschlossenen ersten beiden Verfahren bewusst sein musste, hat er es unterlassen, seine Fluchtgründe umfassend und allfällige neue Sachverhaltselemente substantiiert, glaubwürdig und konkret darzulegen.

 

2.2 Was die ergänzenden Ausführungen über die familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers anbelangt (oben unter 1.2), folgte der erkennende Senat den diesbezüglich übereinstimmenden und glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin.

 

Dass der Beschwerdeführer an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet, resultiert aus folgenden Erwägungen: Nachdem der Beschwerdeführer - von einem in weiterer Folge nicht mehr erwähnten und durch keinerlei medizinische Unterlagen belegten "Leberschaden" abgesehen (AS 29 zum ersten Asylverfahren) - weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren psychische oder gesundheitliche Probleme vorgebracht hatte, gab er im vorliegenden dritten Verfahren in seiner Einvernahme am 26.1.2010 erstmals an, "eine psychische Behandlung" zu benötigen, da er seit etwa fünf Jahren psychische Probleme habe (AS 53; vgl. noch die Aussage des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung vom 7.7.2009, wonach er gesund sei und an keinen Krankheiten leide [S. 3 der Verhandlungsniederschrift]); mit dem aufgrund dieser Äußerungen des Beschwerdeführers in der Folge eingeholten klinisch-psychologischen Gutachten vom 31.10.2010 trat zutage, dass beim Beschwerdeführer keine psychische Störung vorliegt und die Ergebnisse der klinisch-psychologischen Untersuchung des Beschwerdeführers insgesamt für eine natürliche erlebnisreaktive Entwicklung im Rahmen einer besonders ungünstigen Lebenssituation, wie sie bei Migration oder Flucht häufig anzutreffen ist, sprechen (ICD-10: Z65.5 "Betroffensein von Katastrophen, Krieg und sonstigen Feindseligkeiten"), weshalb nach Auffassung der Sachverständigen derzeit weder subjektiv noch objektiv zwingender (psychiatrischer oder psychologischer) Behandlungsbedarf bestehe. Das Gutachten ist ausführlich, widerspruchsfrei und schlüssig sowie nachvollziehbar aufgebaut, sodass keine Zweifel an seiner Richtigkeit entstanden sind, zumal der Beschwerdeführer - ebenso wie sein Beschwerdevertreter - der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens nicht entgegen getreten ist; zuletzt bezeichnete sich der Beschwerdeführer selbst als gesund (AS 363). Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid nunmehr überraschend neuerlich psychische Probleme behauptet, ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer diese Behauptungen erst wenige Wochen nach Erstattung des Sachverständigengutachtens und nach seiner eigenen Bekundung in der Einvernahme vom 7.12.2010, wonach er keine gesundheitlichen Probleme habe (AS 363), aufgestellt hat. Darauf, dass es sich bei diesem Beschwerdevorbringen lediglich um ein prozesstaktisch motiviertes Vorbringen ohne Wahrheitsgehalt in Reaktion auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides handelt, deutet nicht nur die zeitliche Nähe zwischen der Aussage des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 7.12.2010 und dem Vorbringen in der Beschwerde vom 26.1.2011 hin: Der erkennende Senat bemerkt, dass der Beschwerdeführer die plötzlich aufgetretenen psychischen Probleme ausdrücklich mit seinen als unglaubwürdig qualifizierten Fluchtgründen erklärt bzw. als Ursache des Auftretens psychischer Probleme die Ausforschung seines Aufenthaltes in Österreich durch seine angeblichen Verfolger nennt (siehe S. 2 der Beschwerdeschrift: "Was nun meine besonderen Gründe anlangt, die Bedrohung seitens eindeutig mafioser Personen, habe ich diese zwar bereits vorgebracht, jedoch ergibt sich neuerlich ein besonderes Gefahrenmoment daraus, dass man mich offensichtlich in XXXX ausfindig gemacht hat und ich neuerdings unter schweren Angstzuständen leide"). Wenn daher die behauptete Verfolgung des Beschwerdeführers als völlig unglaubwürdig angesehen werden muss, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese (unglaubwürdige) Verfolgung bzw. Handlungen der Verfolger psychische Probleme beim Beschwerdeführer ausgelöst hat bzw. haben. Davon abgesehen ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer keinen einzigen Befund und keine einzige Bestätigung durch einen behandelnden Arzt - weder mit der Beschwerde noch danach - vorgelegt hat. Dieser Umstand fällt umso schwerer ins Gewicht, als der Beschwerdeführer durch einen langjährig aktiven Flüchtlingsberater vertreten wurde und sich der Beschwerdeführer somit der Notwendigkeit der Vorlage ärztlicher Bestätigungen zur Bescheinigung seines Vorbringens bewusst gewesen sein muss.

 

Doch auch dann, wenn man dem Beschwerdeführer gewisse psychische Probleme konzedieren würde, ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen jedenfalls keine unmittelbar lebensbedrohende Erkrankung dargetan hat. Der - überdies vertretene - Beschwerdeführer hat auch weder eine ärztliche Konsultation behauptet noch etwa vorgebracht, sich in stationärer Behandlung zu befinden. Schon allein aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer offensichtlich keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, muss angenommen werden, dass die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde vorgebrachten psychischen Probleme jedenfalls nicht lebensbedrohlich sind, andernfalls er sich einer stationären Behandlung unterzogen oder zumindest ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hätte.

 

3. Rechtlich folgt daraus:

 

3.1 Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008 idF BGBl. I 147/2008; im Folgenden: AsylGHG) sind - soweit sich aus dem AsylG 2005 nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

3.2 Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 auf alle Verfahren anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

3.3 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Mangels Glaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe ist es dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht gelungen, objektive Furcht vor aktueller und landesweiter Verfolgung in gewisser Intensität glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, liegen daher nicht vor.

 

3.4 Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.).

 

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

 

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FremdenG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

3.4.1 Im vorliegenden Fall liegt die vorgebrachte Bedrohung iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 schon deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer seinen behaupteten Fluchtgrund nicht glaubhaft machen konnte. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden. Es sind keine Umstände gerichtsbekannt, dass in der Ukraine eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Überdies ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine aufgewachsen ist, die ukrainische Sprache sowie Russisch nach wie vor beherrscht und in seiner Heimat jahrelang einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist (AS 21, 365), sodass davon ausgegangen werden kann, dass er - mangels ersichtlicher Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit - auch bei einer Rückkehr in die Ukraine seinen Unterhalt durch entsprechende Arbeitsaufnahme gewährleisten könnte (vor diesem Hintergrund - insbesondere angesichts der jahrelangen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise - erscheinen auch die Länderfeststellungen, gegen die in der Beschwerde vorgebracht wird, aus ihnen seien die "Chancen" des Beschwerdeführers nach seiner Heimkehr auf einen konkreten Arbeitsplatz nicht ableitbar, unbedenklich). Der Beschwerdeführer könnte bei seinen Reintegrations- und Resozialisierungsbemühungen auch auf die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, die vor Ort tätig sind, zurückgreifen. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung iSd § 57 FrG abgeleitet werden (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2001/01/0021; vgl. auch VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059, wonach z.B. die Situation einer in einem beheizbaren Zelt von neun Quadratmetern untergebrachten fünfköpfigen Familie zwar als prekär, aber unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK als noch erträglich zu beurteilen sei).

 

3.4.2 Es ist angesichts der Länderfeststellungen auch nicht ersichtlich, dass allfällige Erkrankungen des Beschwerdeführers in der Ukraine nicht behandelt werden könnten:

 

Der erkennende Senat übersieht nicht, dass die medizinische Versorgung in der Ukraine nicht österreichischen Standards entspricht und die Kosten einer weitergehenden medizinischen Behandlung häufig von den Patienten selbst zu tragen sind. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat jedoch - aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfGH 6.3.2008, B 2004/07).

 

Allfällige (finanzielle) Schwierigkeiten bei der Gewährleistung einer entsprechenden medizinischen Behandlung in der Ukraine erreichen im vorliegenden Fall (angesichts der uneingeschränkten Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers und einer wie immer gearteten Unterstützungsmöglichkeit durch seine Lebensgefährtin) die unbestreitbar "hohe Schwelle" des Art. 3 EMRK, wie sie von der erwähnten Judikatur festgesetzt wird, nicht (vgl. etwa EGMR 2.5.1997, 30.240/96, Fall D. v. Vereinigtes Königreich, wo die Abschiebung eines an AIDS im Endstadium erkrankten Staatsangehörigen von St. Kitts nicht bloß wegen dessen Krankheit, sondern aufgrund des Risikos eine

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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