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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art120bLeitsatz
Keine Verletzung einer Rechtsanwaltskammer im Recht aufSelbstverwaltung durch teilweise Versagung der aufsichtsbehördlichenGenehmigung einer Satzung der Versorgungseinrichtung; keinegrundsätzliche Untersagung der Erlassung einer solchen VerordnungSpruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Mit Beschluss der Plenarversammlung der Salzburger Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: RAK Salzburg) vom 12. Oktober 2009 wurden Teil A und Teil B der Satzung der Versorgungseinrichtung der RAK Salzburg (im Folgenden: Satzung) geändert. Gemäß §18 Abs1 Teil A der Satzung tritt dieser Teil A mit 1. Jänner 2009 in Kraft. Gemäß §27 Abs5 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868 idF BGBl. I 111/2007 (im Folgenden: RAO), legte die RAK Salzburg der Bundesministerin für Justiz als Aufsichtsbehörde die Satzung zur Genehmigung vor.
2. Mit Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 11. Dezember 2009 wurde die Genehmigung im Hinblick auf Teil A der Satzung versagt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass §18 Abs1 Teil A der Satzung ein rückwirkendes In-Kraft-Treten mit 1. Jänner 2009 vorsehe. Ein rückwirkendes In-Kraft-Treten von Verordnungen sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aber nur dann zulässig, wenn dies gesetzlich vorgesehen sei. Die RAO sehe kein rückwirkendes In-Kraft-Treten der Satzung der Versorgungseinrichtung vor. Da §18 Abs1 Teil A der Satzung somit nicht dem Gesetz entspreche, sei dem gesamten Teil A der Satzung die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu versagen. Dies deshalb, weil eine Beschränkung der Versagung auf §18 Abs1 Teil A der Satzung dazu führe, dass die Bestimmung vor der Änderung durch den Beschluss der Plenarversammlung vom 12. Oktober 2009 wieder in Kraft trete, was eine Rückwirkung bis zum 1. Jänner 2004 bewirke. Darüber hinaus sei die Frist zur Beantragung des Nachkaufes von Versicherungsmonaten gemäß §18 Abs16 Teil A der Satzung (30. November 2009) im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits abgelaufen, weshalb auch diese Bestimmung nicht genehmigt werden könne.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung gemäß Art120b B-VG" behauptet wird. Die beschwerdeführende Partei führt aus, dass die Aufsichtsbehörde durch Art120b B-VG darauf beschränkt sei, Satzungen auf "materielle Gesetzwidrigkeiten" hin zu überprüfen. Die Zustimmung sei aber aus "formalrechtlichen" Gründen versagt worden. Die beschwerdeführende Partei sei daher in ihrem Recht auf Selbstverwaltung verletzt worden.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegen tritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Rechtslage
1. §27 RAO, RGBl. 96/1868 idF BGBl. I 111/2007, lautet auszugsweise:
"§27.
(1) Der Plenarversammlung sind folgende Angelegenheiten zugewiesen:
a) die Festsetzung ihrer Geschäftsordnung und der des Ausschusses sowie der Satzung der Versorgungseinrichtung;
b) - g) ...
(2) - (4) ...
(5) Die Geschäftsordnungen der Rechtsanwaltskammern und der Ausschüsse sowie die Satzungen der Versorgungseinrichtungen bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung durch den Bundesminister für Justiz. Sie sind diesem innerhalb eines Monats nach der Beschlußfassung vorzulegen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Geschäftsordnungen und die Satzungen dem Gesetz entsprechen. Wird die Genehmigung nicht innerhalb von drei Monaten versagt, so gilt sie als erteilt."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Gegen die dem Bescheid zu Grunde liegenden Bestimmungen sind aus Anlass dieser Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden und wurden von der beschwerdeführenden Partei auch nicht vorgebracht.
Die beschwerdeführende Partei ist daher nicht durch die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.
1.2. Zur behaupteten Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten:
1.2.1. Die beschwerdeführende Partei behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung" verletzt zu sein.
1.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung (Art116 Abs1 B-VG) ausgesprochen, dass dieses durch den Bescheid der Aufsichtsbehörde nur dann verletzt wird, wenn das Recht auf Besorgung einer bestimmten Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich schlechthin verneint wird (vgl. beginnend mit VfSlg. 7459/1974; auch VfSlg. 16.822/2003 mwN). Diese Festlegung gilt auch für die sonstige Selbstverwaltung nach Art120a - 120c B-VG.
1.2.3. Durch den angefochtenen Bescheid wird der RAK Salzburg nicht untersagt, Satzungen der Versorgungseinrichtung zu erlassen. Die aufsichtsbehördliche Genehmigung wurde vielmehr deshalb nicht erteilt, weil aus Sicht der belangten Behörde das rückwirkende In-Kraft-Treten einer Verordnung unzulässig ist. Da der beschwerdeführenden Partei somit die Besorgung einer Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich nicht schlechthin untersagt wird, ist diese nicht in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung verletzt.
Es ist auch nicht hervorgekommen, dass die beschwerdeführende Partei in anderen als dem von ihr geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.
1.3. Die beschwerdeführende Partei ist daher durch den angefochtenen Bescheid weder in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm noch in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt.
2. Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwaltskammer, Rechtsanwälte Versorgung, Selbstverwaltung,AufsichtsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2011:B147.2010Zuletzt aktualisiert am
21.05.2012