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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §936;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der R GenmbH in J, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann und Dr. Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 30. November 1999, Zl. RV 515/1-T6/99, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien trat einen Akt, in dem sich die angezeigte, zwischen der S GmbH als Verkäuferin und der beschwerdeführenden Bank als Käuferin geschlossene Vereinbarung vom 30. November 1997 über den Wiederkauf einer Liegenschaft befand, dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck (in der Folge: Finanzamt Innsbruck) "zuständigkeitshalber" ab. Diese Vereinbarung lautet auszugsweise:
"I.
Die Verkäuferin ist aufgrund des zwischen den
Vertragsparteien abgeschlossenen Kaufvertrages vom
28.12./29.12.1995, angezeigt beim Finanzamt für Gebühren und
Verkehrsteuern in Wien am 05.01.1996 ... außerbücherliche
Eigentümerin der Liegenschaft ... samt darauf errichtetem Gebäude
(im Folgenden Kaufgegenstand).
Gemäß Punkt IV des o.a. Kaufvertrages wurde der Käuferin ein Wiederkaufsrecht bis längstens 31.12.1998 eingeräumt, nach dem die Käuferin berechtigt ist, die Rückübereignung des Kaufgegenstandes zu begehren.
Die Käuferin übt nunmehr das ihr eingeräumte Wiederkaufsrecht
aus.
...
VI
Die Vertragsparteien vereinbaren zugleich die Auflösung des zwischen ihnen abgeschlossenen Fruchtgenussrechtsvertrages über die vertragsgegenständliche Liegenschaft samt Gebäude zum 30.11.1997."
Das Finanzamt Innsbruck forderte die Beschwerdeführerin auf, den im Punkt VI der Vereinbarung vom 30. November 1997 genannten Fruchtgenussrechtsvertrag vorzulegen.
Der von der Beschwerdeführerin übermittelte, von den Vertragsparteien am 28.12./29.12.1995 unterfertigte Vertrag lautet auszugsweise:
"Einräumung eines Fruchtgenussrechtes
Vorvertrag
Die S ... GmbH ... im Folgenden kurz Eigentümer genannt, und
die (die Beschwerdeführerin) ... im Folgenden kurz
Fruchtgenussberechtigte genannt, beabsichtigen, bis zum 28.02.1996 einen Fruchtgenussvertrag folgenden Inhalts abzuschließen:
...
II
Beginn und Dauer des Fruchtgenussvertrages, Übergabe des Vertragsgegenstandes
1. Der Fruchtgenussvertrag beginnt mit Abschluss des Vertrages und wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. ...
...
3. Die Übergabe des Vertragsgegenstandes erfolgt mit Abschluss dieses Vertrages.
...
VII
Fruchtgenussentgelt
1. Ab Übernahme des Vertragsgegenstandes wird der Fruchtgenussberechtigte an den Eigentümer für den Vertragsgegenstand ein vorläufiges Fruchtgenussentgelt in Höhe von
S 50.986,-- p.m. zuzüglich allfälliger Umsatzsteuer leisten.
...
VIII
Zahlungen vor Übernahme des Vertragsgegenstandes
1. Für die vom Eigentümer im Zusammenhang mit der Vertragserstellung erbrachten Leistungen entrichtet der Fruchtgenussberechtigte eine einmalige Zahlung in der Höhe von
S 77,000,-- ...
...
XIX
Steuern und Lasten
Alle bei Abschluss, Änderung und Durchführung dieses Vertrages anfallenden Kosten und Gebühren trägt der Fruchtgenussberechtigte.
..."
Mit Bescheid vom 27. März 1998 setzte das Finanzamt Innsbruck für die mit der "Vereinbarung vom 30. November 1997" erfolgten Einräumung des Fruchtgenussrechtes die Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG von S 159.924,00 und gemäß § 9 Abs. 2 GebG eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 100 % von S 159.924,00 fest.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, bei dem der Finanzbehörde auf Grund eines Vorhaltes übermittelten Schriftstückes handle es sich um den Vorvertrag zum Fruchtgenussrechtsvertrag. Dieser Vertrag selbst sei mündlich abgeschlossen worden, sodass es zu keinem gebührenpflichtigen Rechtsgeschäft gekommen sei. Da das ursprüngliche Rechtsgeschäft nicht beurkundet worden und somit keine Rechtsgeschäftsgebühr angefallen sei, könne auch keine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 2 GebG vorgeschrieben werden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 16. Februar 1999 gab das Finanzamt Innsbruck der Berufung statt und hob den Bescheid vom 27. März 1998 auf. Dies mit der Begründung, das Finanzamt habe irrtümlich im Betreff des angefochtenen Bescheides eine unrichtige Urkundenbezeichnung vorgenommen. Die Festsetzung der Gebühr betreffe nicht die Urkunde vom 30. November 1997, sondern die Urkunde (Fruchtgenussvertrag) vom 29. Dezember 1995.
Mit weiterem Bescheid vom 16. Februar 1999 setzte das Finanzamt Innsbruck für die Einräumung eines Fruchtgenussrechtes - "Vorvertrag vom 28.12.1995 bzw. 29.12.1995" - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 7.996.186,00 und 2% Gebührensatz die Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG von S 159.924,00 und gemäß § 9 Abs. 2 GebG eine Gebührenerhöhung von 100 % von S 159.924,00 fest. Dies mit der Begründung, die Bezeichnung des Fruchtgenussvertrages als Vorvertrag habe auf die Gebührenschuld keinen Einfluss, weil für die Festsetzung der Gebühren nach § 17 Abs. 1 GebG nur der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend sei. Da die Beschwerdeführerin nach Punkt XIX des Vertrages die Gebühren zu übernehmen habe, sei das Erkennen der Gebührenschuld zumutbar und daher eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 100 % gerechtfertigt, insbesondere auch deshalb, weil der Vertrag dem Finanzamt nicht verspätet, sondern überhaupt nicht angezeigt worden sei.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, ein Vorvertrag sei die Vereinbarung der Parteien, künftig einen bestimmten Vertrag, den Hauptvertrag, abschließen zu wollen. Er begründe keinerlei, auch nicht bedingte, Ansprüche aus dem Hauptvertrag, sondern nur den Anspruch auf dessen Abschluss. Unabhängig davon, auf welchen Hauptvertrag der Vorvertrag gerichtet sei, sei der Vorvertrag, weil in § 33 GebG nicht genannt, gebührenfrei. Ein Vorvertrag müsse alle wesentlichen Inhalte des Hauptvertrages bestimmen, nicht anderes sei in der vorliegenden Urkunde geschehen. Diese sei eindeutig ein Vertrag, der lediglich auf den Abschluss eines Hauptvertrages hinziele und sich an die Vorgaben des § 936 ABGB halte. Bei dem der Finanzbehörde übermittelten Schriftstück handle es sich daher um den Vorvertrag zum Fruchtgenussrechtsvertrag. Der Fruchtgenussrechtsvertrag selbst sei mündlich abgeschlossen worden, so dass es zu keinem gebührenpflichtigen Rechtsgeschäft gekommen sei. Da das ursprüngliche Rechtsgeschäft nicht beurkundet worden und daher keine Rechtsgeschäftsgebühr angefallen sei, sei auch keine Gebührenerhöhung gem. § 9 Abs. 2 GebG möglich. Bei Punkt XIX des Vertrages handle es sich um eine Bestimmung des erst abzuschließenden Hauptvertrages und nicht des Vorvertrages.
Das Finanzamt Innsbruck wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 12. Mai 1999 ab.
Die Beschwerdeführerin stellte fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie brachte vor, aus Punkt II der Vereinbarung vom 29. Dezember 1995 ergebe sich eindeutig, dass es sich bei diesem Vertrag nicht um den Hauptvertrag, sondern lediglich um einen Vorvertrag handle. Nach Punkt II beginne der Fruchtgenussrechtsvertrag mit Abschluss des Vertrages. Dies bedeute, dass es mit der Unterzeichnung des Vorvertrages noch gar nicht zum Abschluss des Fruchtgenussrechtsvertrages kommen könne. Die in der Berufungsvorentscheidung zitierte Judikatur sei auf Grund der besonderen Tatbestandsmerkmale des Grunderwerbsteuergesetzes nicht auf das Gebührenrecht übertragbar. Ganz wesentlich für die Unterscheidung zwischen Punktation und Vorvertrag sei, ob der Anspruch auf Abschluss eines Hauptvertrages gehe, oder ob die Ansprüche direkt auf die Leistung gingen. Im zweiten Fall würde eine Punktation, im ersten Fall jedoch ein Vorvertrag vorliegen. Das Argument, bei Konsensualverträgen sei eine Abrede im Zweifel als Hauptvertrag und nicht als Vorvertrag anzusehen, gehe ins Leere, weil eine solche Vereinbarung zwischen rechtlichen Laien abgeschlossen werden müsse, was bei einer Bank und einer Immobilien-Leasing GmbH als Vertragsparteien nicht zutreffe. Eine Urkunde mit dem rechtlichen Inhalt eines Fruchtgenussvertrages läge nicht vor. Bei einem Vorvertrag handle es sich nur um einen Vertrag, in Zukunft einen Vertrag entsprechenden Inhalts zu errichten.
In Bezug auf die Gebührenerhöhung brachte die Beschwerdeführerin vor, ihre Geschäftsleitung habe sorgfältig gehandelt, weil Vorverträge nicht gebührenpflichtig seien und es Aufgabe eines Geschäftsleiters sei, Kosten einzusparen, was durch den mündlichen Abschluss des Fruchtgenussvertrages erfolgt sei. Es sei verständlich, dass in Einzelfällen die Rechtsmeinung vertreten werden könne, ein Vorvertrag sei bereits der abgeschlossene Hauptvertrag. Dies könne allenfalls zur Festsetzung einer Abgabe, jedoch nicht zur Festsetzung einer Abgabenerhöhung im Ausmaß von 100 % führen.
Mit Schreiben vom 11. August 1999 gab das Finanzamtes Innsbruck bekannt, aus einem Schreiben der S GmbH betreffend Mietenaufrollung für den Zeitraum 1. Jänner 1995 bis 31. Oktober 1996 gehe hervor, dass das Rechtsverhältnis am 1. Jänner 1996 begonnen habe und die Übergabe des Vertragsgegenstandes praktisch gleichzeitig mit dem Abschluss des Vorvertrages erfolgt sei. Wenn nach Punkt II Z. 3 des Vorvertrages die Übergabe mit Abschluss "dieses" Vertrages erfolge, dann sei mit "diesem" Vertrag offenkundig nicht ein zukünftiger Hauptvertrag, sondern der Vorvertrag vom 29. Dezember 1995 angesprochen.
Die Beschwerdeführerin erklärte in Beantwortung dieses Schreibens, die von der Behörde unterstellte reibungslose zeitliche Abfolge lasse sich aus den tatsächlichen Zahlungen nicht ableiten. Vielmehr sei der Vertrag tatsächlich erst später mündlich abgeschlossen worden, allerdings sei für die Nutzungen ein Nutzungsentgelt nachverrechnet worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid betreffend die Gebühr als unbegründet ab und gab der Berufung gegen den Bescheid über die Gebührenerhöhung teilweise statt, wobei sie die Gebührenerhöhung mit 30 % von S 159.924,00, das sind S 47.977,00, festsetzte. Die belangte Behörde vertrat unter Wiederholung ihres Rechtsstandpunktes in der Begründung die Ansicht, der angeblich später erfolgte mündliche Vertragsabschluss ändere nichts daran, dass die Übergabe des Vertragsgegenstandes zur Nutzung im Wege eines Fruchtgenusses praktisch gleichzeitig mit dem Abschluss des so genannten Vorvertrages erfolgt und nach Vertragspunkt VII Z. 1 ab der Übergabe auch das Fruchtgenussentgelt zu leisten gewesen sei. Der Vorvertrag sei daher sofort und ohne Verzug wirtschaftlich umgesetzt worden. Es sei mit diesem Vertrag daher kein echter Vorvertrag nach § 936 ABGB abgeschlossen, sondern bereits das Fruchtgenussrecht eingeräumt worden. Die detaillierten Regelungen des Vorvertrages und die Übergabe des Vertragsgegenstandes bereits mit Abschluss des Vorvertrages ließen den sofortigen Abschluss des Hauptvertrages nahe liegend erscheinen. Mit der Vereinbarung "Einräumung eines Fruchtgenussrechtes, Vorvertrag" vom 28./29. Dezember 1995 und dem augenscheinlich wirtschaftlich korrespondierenden, zwischen denselben Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag vom 28./29. Dezember 1995, finde der formelle Abschluss bloß eines "Vorvertrages" und nicht bereits eines (schriftlichen) Fruchtgenussrechtsvertrages seine Erklärung wohl nur in der beabsichtigten Vermeidung der Gebührenpflicht, weshalb auch § 22 BAO bei der Beurteilung des "Vorvertrages" zum Tragen käme. Hinsichtlich der Gebührenerhöhung sei zu bedenken, dass die Beschwerdeführerin als Bank das Erkennen der Gebührenpflicht zugemutet werden könne. Dies müsse auch gelten, wenn die rechtliche Beurteilung schwieriger sei oder wenn das Rechtsgeschäft kein typisches Bankgeschäft darstelle. Wenn die Beschwerdeführerin schon die Ansicht vertrete, es bestehe keine Gebührenpflicht, hätte sie sich diese Rechtsansicht vorsichtshalber vom Gebührenfinanzamt bestätigen lassen können. Es liege kein Fall einer bloß verspäteten Gebührenanzeige, sondern eine Nichtanzeige des Rechtsgeschäfts vor, was zu einer rund dreijährigen Verspätung der Kenntnis des nachforschenden Gebührenfinanzamtes von diesem Vorgang geführt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erledigung durch die örtlich zuständige Behörde, Berücksichtigung des Grundsatzes der entschiedenen Sache, Nichtvorschreibung einer Rechtsgebühr nach § 33 TP 9 GebG und einer Gebührenerhöhung nach § 9 GebG verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird zunächst die Unzuständigkeit der belangten Behörde gerügt. Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien habe als erstes Finanzamt von dem abgabepflichtigen Tatbestand Kenntnis erlangt und dieses sei daher für diese Gebührenfrage örtlich zuständig. Daraus ergebe sich die örtliche Unzuständigkeit des Finanzamtes Innsbruck und der belangten Behörde.
Gem. § 66 Abs. 1 BAO ist für die Erhebung der Stempel- und Rechtsgebühren sowie der Kapitalverkehrsteuern mit Ausnahme der Gesellschaftsteuer das Finanzamt örtlich zuständig, das zuerst von dem abgabepflichtigen Tatbestand Kenntnis erlangt.
Dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien war der Vertrag vom 30. November 1997 über den Wiederkauf einer Liegenschaft samt Gebäude angezeigt worden. In diesem Vertrag wurde auch die Auflösung eines von den Vertragsparteien abgeschlossenen "Fruchtgenussrechtsvertrages" vereinbart. Welchen Inhalt dieser als "Fruchtgenussrechtsvertrag" bezeichnete Vertrag tatsächlich hatte und ob dieser einen bzw. allenfalls auch welchen Tatbestand des Gebührengesetzes verwirklichte, war dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien nicht bekannt. Allein auf Grund des angezeigten Vertrages vom 30. November 1997 konnte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien nicht davon ausgehen, ob und in welcher Höhe eine Gebührenschuld entstanden war. Erst nach den vom Finanzamt Innsbruck durchgeführten Ermittlungen und der Kenntnis vom Inhalt des als "Vorvertrag" bezeichneten Vertrages über die Einräumung eines Fruchtgenussrechtes hatte dieses Finanzamt Kenntnis von dem von der Beschwerdeführerin bestrittenen abgabepflichtigen Tatbestand erlangt. Das Finanzamt Innsbruck und im Instanzenzug die belangte Behörde waren daher entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin zur Durchführung dieses Gebührenverfahrens zuständig.
Die Beschwerdeführerin rügt weiters, die Zustellung des angefochtenen Bescheides sei an den Vertreter der Beschwerdeführerin erfolgt, obwohl keine wirksame Zustellbevollmächtigung bestanden habe, und somit sei der angefochtene Bescheid nicht rechtswirksam ergangen.
Der angefochtene Bescheid nannte als Bescheidadressatin die Beschwerdeführerin, die Zustellung erfolgte aber nicht unmittelbar an diese, sondern zu Handen des Raiffeisenverbandes Tirol. Dies offensichtlich deshalb, weil die Berufung und der Vorlageantrag jeweils vom Raiffeisenverband Tirol als Vertreterin der Beschwerdeführerin in deren Auftrag eingebracht wurden. Eine ausdrückliche Bevollmächtigung oder Zustellbevollmächtigung bzw. der Hinweis oder die Berufung auf solche Bevollmächtigungen des Raiffeisenverbandes Tirol durch die Beschwerdeführerin befinden sich im vorgelegten Verwaltungsakt nicht. Die Beschwerdeführerin vermag mit ihrem Vorbringen weder die nicht gegebene Unzulässigkeit der eingebrachten Berufung und des Vorlageantrages noch das Nichtvorliegen eines rechtswirksamen Bescheides aufzuzeigen. Soweit es um die Frage der wirksamen Zustellung geht, mag im Beschwerdefall zwar ein Zustellmangel vorliegen, der jedoch gemäß § 7 Zustellgesetz saniert ist.
Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt nach § 7 Zustellgesetz sie als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Ist der Bescheid von der Behörde an die Beschwerdeführerin zu Handen des Raiffeisenverbandes adressiert worden, dann ist davon auszugehen, dass der Bescheid auch für die Beschwerdeführerin und nicht nur für den Raiffeisenverband bestimmt ist. Kommt der Bescheid der Beschwerdeführerin tatsächlich zu und hat sie nicht bloß Kenntnis von seinem Inhalt erlangt, dann wird ein allfälliger Zustellmangel saniert (vgl. hg. Erkenntnis vom 25. März 1996, Zl. 95/10/0052).
Die Beschwerdeführerin hat fristgerecht Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und den angefochten Bescheid mit der Beschwerde vorgelegt. Daraus folgt, dass ihr der angefochtene Bescheid - wann auch immer und auf welchem Weg - vor der Beschwerdeerhebung zugekommen ist. In der Beschwerde wird auch nur die fehlende Zustellbevollmächtigung, nicht aber das Nichtzukommen des Bescheides behauptet. Im Beschwerdefall kann somit von einer Sanierung des Zustellmangels und einer rechtswirksamen Zustellung des angefochtenen Bescheides ausgegangen werden.
Auch der Einwand der entschiedenen Sache ist nicht berechtigt. Es lag vor dem Gebührenbescheid vom 16. Februar 1999 keine rechtskräftige Entscheidung in dieser Sache oder mit dem Ausspruch vor, die eine Vorschreibung der Gebühr hinderte. Die Aufhebung des Bescheides vom 27. März 1998 mit der Berufungsvorentscheidung vom 16. Februar 1999 betraf eine andere Urkunde als Grundlage für die Gebührenvorschreibung, sodass nicht dieselbe Sache vorlag und schon deswegen von einer entschiedenen Sache keine Rede sein kann.
Auch in der Sache selbst kommt der Beschwerde kein Erfolg zu.
Gemäß § 33 TP 9 GebG unterliegen Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird, einer Rechtsgebühr in Höhe von 2 v.H. von dem Werte des bedungenen Entgeltes.
Mangels eines entsprechenden Tatbestandes im Gebührengesetz unterliegt der Vorvertrag keiner Rechtsgebühr (vgl. Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren6, Rz 42 zu § 15).
Ein Vorvertrag im Sinn des § 936 ABGB ist eine verbindliche Vereinbarung, in Zukunft einen Vertrag mit einem bestimmten Inhalt abzuschließen. Zentrales Begriffsmerkmal des Vorvertrages ist der korrespondierende Wille der Parteien, nicht schon den Hauptvertrag abzuschließen, sondern seinen Abschluss erst zu vereinbaren, nämlich ein Hinausschieben der endgültigen Verpflichtungen, weil die Zeit noch nicht reif sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 94/16/0234).
Ungeachtet der Bezeichnung der Vertragsurkunde vom 29. Dezember 1995 ("Einräumung eines Fruchtgenussrechtes, Vorvertrag"), die für die Entscheidung, welches Rechtsgeschäft nach dem Urkundeninhalt vorliegt, nicht entscheidend ist, kann darin keine Vereinbarung, erst in Zukunft einen Fruchtgenussrechtsvertrag abschließen zu wollen, gesehen werden. Mit dem Abschluss des Vertrages entstanden nämlich für die Vertragsparteien sofortige Leistungsansprüche und Leistungsverbindlichkeiten (Punkte II Z. 3, VII Z. 1 und VIII Z. 1 der Vereinbarung). Von einem Hinausschieben der endgültigen Verpflichtung der Beschwerdeführerin kann somit keine Rede sein (vgl. insbesondere das zum GebG ergangene hg Erkenntnis vom 10. Juni 1991, Zl. 90/15/0129). Die Übergabe des Vertragsgegenstandes und die Verpflichtung zur Leistung des Fruchtgenussentgeltes erfolgen bereits auf Grund der Vereinbarung selbst und nicht erst auf Grund eines weiteren erst später abzuschließenden Vertrages. Die Beschwerdeführerin behauptet, die Vertreter der Vertragsparteien hätten erst nach dem Abschluss des "Vorvertrages" einen mündlichen, nicht der Gebühr unterliegenden Vertrag am 29. Dezember 1995 geschlossen. Der behauptete Abschluss dieses mündlichen Vertrages erfolgte somit nach dem Beschwerdevorbringen am Tag des "Vorvertrages". Schon daraus ist zu ersehen, dass eine wesentliche Voraussetzung des Vorvertrages als eine Vereinbarung, in Zukunft einen Vertrag abschließen zu wollen, weil die Zeit für die endgültige Verpflichtung noch nicht reif gewesen ist, in Wahrheit gar nicht zugetroffen hat. Der belangten Behörde kann eine Rechtswidrigkeit ihrer Entscheidung nicht angelastet werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass die Vereinbarung vom 28./29. Dezember 1995 ein endgültiger Dienstbarkeitsvertrag und kein Vorvertrag war. Der Inhalt dieses schriftlichen Vertrages sowie die sofortige Umsetzung der Vereinbarung lassen keine andere Beurteilung zu. Der Beschwerdeführerin wurde mit dem schriftlichen Vertrag vom 28./29. Dezember 1995 der Titel zur entgeltlichen Erwerbung der Dienstbarkeit eingeräumt, womit der Tatbestand nach § 33 TP 9 GebG verwirklicht war.
Die Beschwerde bekämpft weiters die Festsetzung der Gebührenerhöhung nach § 9 Abs. 2 GebG.
Das Finanzamt kann gemäß § 9 Abs. 2 GebG zur Sicherung der Einhaltung der Gebührenvorschriften bei nicht ordnungsgemäßer Entrichtung oder nicht ordnungsgemäßer Gebührenanzeige bei den im Abs. 1 genannten Gebühren zusätzlich eine Erhöhung bis zu 50 v.H., bei den anderen Gebühren eine Erhöhung bis zum Ausmaß der verkürzten (gesetzmäßigen) Gebühr erheben. Bei Festsetzung dieser Gebührenerhöhung ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht einer Schrift oder eines Rechtsgeschäftes zugemutet werden konnte, ob eine Gebührenanzeige geringfügig oder beträchtlich verspätet erstattet wurde sowie ob eine Verletzung der Gebührenbestimmungen erstmalig oder wiederholt erfolgt ist.
Im vorliegenden Fall erfolgte überhaupt keine Gebührenanzeige durch die Beschwerdeführerin. Dass die beschwerdeführende Bank gebührenpflichtige Rechtsgeschäfte als "Massengeschäft" (routinemäßig) abwickelt, spricht dafür, dass ihr das Erkennen der Gebührenpflicht zugemutet werden kann (vgl. Fellner, a.a.O. Rz 41 zu § 9 GebG).
Da entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin eine zweifelhafte Rechtsfrage hinsichtlich ihrer Gebührenpflicht tatsächlich nicht vorlag, wäre es für den Fall, dass die Beschwerdeführerin einen zur bisherigen Rechtslage unterschiedlichen Rechtsstandpunkt eingenommen hätte, ihre Obliegenheit gewesen, eine entsprechende Gebührenanzeige unter ausdrücklichem Vorbehalt ihres Rechtsstandpunktes zu erstatten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 92/16/0135 mit weiteren Hinweisen). Da die Gebührenanzeige unterblieben ist, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf das "Gesamtbild des Falles" im Rahmen ihres Ermessens gemäß § 20 BAO die Gebührenerhöhung im Ausmaß von 30 % festgesetzt hat.
Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Mit Rücksicht auf die durch die hg. Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. März 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000160115.X00Im RIS seit
25.07.2001Zuletzt aktualisiert am
19.04.2011