TE Vfgh Beschluss 2009/2/26 V448/08

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Veröffentlicht am 26.02.2009
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Halte- und ParkverbotsV der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Innsbruck vom 16.11.06
StVO 1960 §43 Abs1 litb, §44

Leitsatz

Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfungeiner Halte- und Parkverbotsverordnung mangels Präjudizialität imAnlassfall

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Begründung

Begründung:

I. Die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Innsbruck hat am

16. November 2006 eine Verordnung folgenden Inhalts erlassen (Hervorhebungen im Original):

"VERORDNUNG

Aufgrund der §§43 Abs1 litb und 94d StVO 1960, BGBl. Nr. 159, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 152/2006, wird im Interesse der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs folgende Verkehrsregelung verfügt:

'Halten und Parken verboten' (§52 Z. 13b StVO)

-

ausgenommen Haltestelle für 'Christkindlzug' -

-

Abschleppzone (§54 Z. 5 litj StVO) -

Maria-Theresien-Straße: ostseitig, im Bereich des Sporthauses 'Okay', auf eine Länge von 25 m

Diese Verkehrsmaßnahme gilt vom 20.11.2006 bis zum 23.12.2006, jeweils von 11.00 Uhr bis 20.00 Uhr.

Dieser Verordnung entgegenstehende Verkehrsregelungen werden hierdurch zwischenzeitlich außer Kraft gesetzt.

Aus zeitlichen Gründen ist eine Verfügung gemäß §33 des Innsbrucker Stadtrechtes erforderlich.

Für den Bürgermeister:

..."

Die das Halte- und Parkverbot betreffenden mobilen Straßenverkehrszeichen wurden am 17. November 2006 aufgestellt und am 27. Dezember 2006 entfernt.

II. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B978/07 eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 26. April 2007 anhängig, mit dem der Berufung gegen die Vorschreibung von Abschleppkosten für ein im Halte- und Parkverbot in der Maria-Theresien-Straße (Haus Nr. 45) abgestelltes Kraftfahrzeug keine Folge gegeben wurde.

Der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens übermittelte dem Gerichtshof außerdem den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (im Folgenden: UVS Tirol) vom 26. März 2007, mit dem der Berufung gegen die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Abstellens seines Kraftfahrzeuges im Halte- und Parkverbot, Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass das Kraftfahrzeug außerhalb des Halte- und Parkverbots abgestellt worden sei. Dem Beschwerdeführer des Anlassverfahrens könne nicht angelastet werden, dass das Straßenverkehrszeichen in der Folge verschoben und damit das Parken allenfalls rechtswidrig geworden sei. Er habe sich darauf verlassen dürfen, dass er nicht gegen das Halte- und Parkverbot verstößt, wenn er sein Kraftfahrzeug außerhalb des durch die mobilen Straßenverkehrszeichen abgegrenzten Bereiches abstellt.

2. Aus Anlass des zu B978/07 protokollierten Beschwerdeverfahrens betreffend die Vorschreibung von Abschleppkosten sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Innsbruck vom 16. November 2006 entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluss vom 8. Oktober 2008 von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung eingeleitet.

Der Verfassungsgerichtshof begründete seine Bedenken wie folgt:

"2.1. Mit Verordnung der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Innsbruck vom 16. November 2006 wurde ein 25 m langes Halte- und Parkverbot auf der östlichen Seite der Maria-Theresien-Straße vor dem Sporthaus 'Okay' verfügt.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass das Halte- und Parkverbot zum Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeuges nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sein dürfte.

Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 leg.cit. bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen (VwGH 3.7.1986, 86/02/0038, 25.1.2002, 99/02/0014, 22.2.2006, 2003/17/0138 bis 0193, 24.11.2006, 2006/02/0232) zur Kundmachung von Verordnungen mittels Straßenverkehrszeichen gemäß §44 Abs1 StVO 1960 ausgesprochen hat, liegt ein Kundmachungsmangel vor, wenn die die verkehrsbeschränkende Verordnung betreffenden Straßenverkehrszeichen nicht dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet.

Der Verfassungsgerichtshof geht - ebenso wie die verordnungserlassende Behörde - davon aus, dass sich das Sporthaus 'Okay' (Haus Nr. 47) mittig von dem vom Halte- und Parkverbot erfassten Bereich in der Maria-Theresien-Straße zu befinden hatte. Unter Zugrundelegung der Sachverhaltsfeststellungen im Bescheid des UVS Tirol vom 26. März 2007 ist der Verfassungsgerichtshof jedoch vorläufig der Auffassung, dass die Straßenverkehrszeichen, die der Kundmachung des Halte- und Parkverbotes in der Maria-Theresien-Straße dienen sollten, nicht dort angebracht waren, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung begonnen und geendet hat. Der Verfassungsgerichtshof hegt daher das Bedenken, dass die in Rede stehende generelle Norm zum Zeitpunkt des Abstellens des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers nicht in einer dem §44 Abs1 StVO 1960 entsprechenden Weise kundgemacht war."

3. Die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Innsbruck erstattete eine Äußerung, in der sie in Bezug auf das vom Verfassungsgerichtshof gehegte Bedenken u.a. ausführt:

"... Kundmachung der Verordnung:

Die in §43 StVO 1960 idgF bezeichneten Verordnungen sind gemäß §44 leg. cit. grundsätzlich durch die Aufstellung entsprechender Straßenverkehrszeichen kundzumachen und treten mit der Errichtung derselben in Kraft (vgl VwGH 14.2.1964, 121/63, ua), so auch Halte- und Parkverbote. Für die normative Kraft eines solchen Verbotes sind sohin eine Verordnung der zuständigen Behörde und die StVO-konforme Verwendung der Verkehrszeichen konstitutiv und hinreichend. Selbst wenn ein ordnungsgemäß aufgestelltes Verkehrszeichen ohne Zutun der Behörde in der Folge durch äußere Gewalteinwirkung beschädigt oder beseitigt wird, tritt die der Aufstellung zugrunde liegende Verordnung nicht außer Kraft (vgl. OGH 14.10.1982, 8 Ob 218/82; OLG Wien 17.9.1975, 13 Bs 363/75 ua).

Das durch die Verordnung der Bürgermeisterin der

Landeshauptstadt Innsbruck ... verfügte Halte- und Parkverbot,

ausgenommen Haltestelle für 'Christkindlzug', auf einer Länge von 25 Metern, im Bereich des Sporthauses 'Okay', auf der östlichen Straßenseite der Maria-Theresien-Straße, war durch entsprechende Verkehrszeichen ordnungsgemäß kundgemacht, welche in schweren Betonringen steckten und ein hohes Eigengewicht aufgewiesen haben. Die betreffenden Verkehrszeichen wurden nachweislich am 17.11.2006 aufgestellt und am 27.12.2006 durch die Magistratsabteilung III, Tiefbau-Verkehrseinrichtungen, wieder eingeholt. Entsprechend dem Verordnungstext 'Halten und Parken verboten' (§52 Z13b StVO 1960 idgF), ausgenommen Haltestelle für 'Christkindlzug, Abschleppzone (§54 Z5 litj leg. cit.)' wurde die zeitliche Gültigkeit der Maßnahme ('vom 20.11.2006 bis 23.12.2006, jeweils von 11.00 - 20.00 Uhr') mit entsprechenden Zusatztafeln an den Verkehrszeichen kundgemacht. Gegenständlich hat sich eine, den betreffenden Halte- und Parkverbotsbereich begrenzende Verbotstafel nördlich des Sporthauses 'Okay', im Bereich der südwestlichen Gebäudeecke des Tiroler Landhauses, beim westlichen Zugang zur Fuggergasse, befunden, eine weitere Verbotstafel war entsprechend dem Verordnungstext am südlichen Ende des Halte- und Parkverbotsbereichs, südlich des Sporthauses 'Okay' situiert.

        Die ordnungsgemäße Kundmachung der Verordnung - sohin die

ordnungsgemäße Begrenzung des von der Verordnung verfügten 25 Meter

langen Halte- und Parkverbotsbereiches vor dem Sporthaus 'Okay' -

bestätigen auch die Angaben der Beamten des Stadtpolizeikommandos

Innsbruck in der entsprechenden Stellungnahme vom 30.12.2006 und der

Abschleppbericht ... vom 25.11.2006. Wie aus dem Lichtbild ... vom

25.11.2006 und der Stellungnahme des Stadtpolizeikommandos Innsbruck

vom 30.12.2006 hervorgeht, haben sich die betreffenden

Verkehrsschilder jedenfalls genau an jenen Stellen befunden, welche

dem Inhalt der Verordnung ... entsprochen haben.

        Der von der Verordnung umfasste Bereich von 25 Metern vor dem

Sporthaus 'Okay' war sohin ordnungsgemäß mit den Verkehrszeichen

'Halte und Parkverbot, Abschleppzone, ausgenommen Christkindlzug'

beschildert. Die Gültigkeit der Maßnahme vom 20.11.2006 bis

23.12.2006, jeweils von 11.00 - 20.00 Uhr, war entsprechend dem

Inhalt der Verordnung ... auf entsprechenden Zusatztafeln

kundgemacht. Nach Ansicht der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde

Innsbruck ist es im zeitlichen Geltungsbereich der gegenständlichen

Verordnung für jedermann möglich gewesen, zu erkennen, welcher

räumliche Bereich von der Verordnung ... umfasst war und wie er sich

als der Straßenverkehrsordnung 1960 idgF unterworfener Verkehrsteilnehmer in der konkreten Situation zu verhalten hatte. Eine allfällige Unklarheit bezüglich des räumlichen oder zeitlichen Geltungsbereiches der gegenständlichen Verordnung hat nach Ansicht der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck zu keinem Zeitpunkt bestanden. Ein Kundmachungsmangel hat nach ha. Ansicht nicht vorgelegen.

Ingesamt ist aus ha. Sicht festzustellen, dass die Verordnung der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16.11.2006 ... jedenfalls den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen entspricht, sie das an derartige Verordnungen gestellte Maß der Bestimmtheit hinsichtlich ihres zeitlichen und räumlichen Geltungsbereiches aufweist und die Verordnung im Sinne der StVO 1960 idgF gehörig kundgemacht wurde."

4. Die Tiroler Landesregierung erstattete keine Äußerung.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verfassungsgerichtshof hält seine im Prüfungsbeschluss vorläufig geäußerte Ansicht, dass er die in Prüfung gezogene Verordnung der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Innsbruck vom 16. November 2006 bei seiner Entscheidung über die zugrunde liegende Beschwerde anzuwenden hätte, aus folgenden Gründen nicht mehr aufrecht:

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Judikatur (VfSlg. 5373/1966, 8999/1980, 11.644/1988, 11.945/1989) die Auffassung, dass eine generelle Norm in einer Beschwerdesache nur dann präjudiziell ist, wenn sie die belangte Behörde im Anlassfall tatsächlich angewendet hat und wenn ihre faktische Anwendung durch die Behörde denkmöglich war, wenn sohin der Sachverhalt der angewendeten Norm zumindest denkmöglich subsumierbar ist (vgl. VfSlg. 4625/1963, 5373/1966), oder wenn sie - unabhängig von der tatsächlichen Anwendung durch die Behörde - jedenfalls anzuwenden war.

Die Überprüfung der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes im Einleitungsbeschluss hinsichtlich der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Norm ergibt, dass die belangte Behörde in dem zu B978/07 angefochtenen Bescheid ihre Entscheidung nicht - jedenfalls nicht in denkmöglicher Weise - auch auf die in Prüfung gezogene Verordnung gestützt hat.

        Im vorliegenden Zusammenhang ist nämlich auf Grund der - nach

Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in der Begründung des

Bescheides des UVS Tirol vom 26. März 2007 getroffenen

Sachverhaltsfeststellung davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer

im Anlassverfahren seinen PKW "so geparkt [hatte], dass sich dieser

zur Gänze außerhalb des durch die ... mobilen Straßenverkehrszeichen

abgegrenzten Halte- und Parkverbotsbereiches befunden hat" und erst

nach "dem Abstellen des Fahrzeuges ... das mobile Verkehrszeichen am

Beginn des Halte- und Parkverbotsbereiches ... [so] verschoben ...

[wurde, dass] der Standort des PKW ... nunmehr zumindest teilweise

innerhalb des Verbotsbereiches war."

Daraus folgt aber, dass die in Prüfung gezogene Verordnung in der Beschwerdesache, die den Anlass für das vorliegende Verordnungsprüfungsverfahren bildet, nicht präjudiziell ist und daher das Verordnungsprüfungsverfahren schon aus diesem Grund unzulässig ist. Es war daher einzustellen.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Straßenpolizei, Halte(Park-)verbot,Straßenverkehrszeichen, VfGH / Anlassverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2009:V448.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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