C2 230348-2/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Einzelrichter über die Berufung des D. C., geb. 1970, StA. VR China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.06.2008, FZ. 08 04.052-EAST Ost, zu Recht erkannt:
In Erledigung der Berufung wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang
Die berufende Partei hatte am 10.1.2002, Zahl: 02 00.896-BAW einen Asylantrag gestellt, der vom Bundesasylamt gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen wurde; unter einem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach China zulässig sei. Zu einer Ausweisung ist es in diesem Verfahren nicht gekommen. Dieser Bescheid wurde am 22.7.2002 zugestellt. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.6.2007, Zahl:
230.348/0/5E-IV/11/02, wurde die Berufung gegen den eben genannten Bescheid des Bundesasylamtes abgewiesen und abermals festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach China zulässig sei. Dieser Bescheid wurde am 20.6.2007 zugestellt. Im Folgenden wird das gesamte Verfahren über oben genannten Asylantrag und die sich darauf beziehende Berufung als "Erstverfahren" bezeichnet.
Am 06.05.2008 wurde vom nunmehrigen Berufungswerber ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Rahmen des neuen Verfahrens vor dem Bundesasylamt brachte der Berufungswerber durch seine gewillkürte Rechtsvertretung in der Stellungnahme vom 26. Mai 2008 unter anderem vor, dass der Berufungswerber aufgrund des sechs jährigen andauernden Schwebezustandes seines Verfahrens und der Angst, durch Ausweisung und Abschiebung wiederum als Opfer von Gewalt gefoltert oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt zu werden, an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) leide, welche sich u.a. durch das Krankheitsbild der Magersucht ausbilde (siehe Punkt 4. der Stellungnahme). Ein den Sachverhalt klärendes (als auch beantragtes) Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie - Neurologie, welches das Vorbringen des Berufungswerbers bestätigen bzw. nicht bestätigen hätte können, wurde vom Bundesasylamt nicht eingeholt, was in der Berufung als Verfahrensmangel angeführt wurde.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
II.1. Festgestellt wird:
Das Bundesasylamt hat den Sachverhalt mangelhaft ermittelt, so dass eine abschließende Beurteilung des Verfahrens durch den Asylgerichtshof nicht möglich war.
Das Vorbringen des Berufungswerbers unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) und unter dem u.a daraus resultierenden Krankheitsbild der Magersucht zu leiden, insbesondere der Antrag des Berufungswerbers auf Einholung eines diesbezüglich klärenden Sachverständigengutachtens wurde seitens des Bundesasylamtes mit der Begründung abgelehnt, dass der Berufungswerber bei den Einvernahmen angegeben hat, dass es ihm "gut gehe" und er darüber hinaus nie angegeben hat unter einer Krankheit zu leiden, so dass das Vorhandensein einer Magersucht und die sich daraus abzuleitende PTSD für das Bundesasylamt nicht nachvollziehbar sei.
Zum einen ist festzuhalten, dass keinem psychisch kranken Menschen - egal an welcher Art psychischer oder psychosomatischer Störung er leidet - vorgehalten werden kann, selbst erkennen zu müssen, dass es sich hierbei um ein Krankheitsbild handelt. Gerade psychisch kranken Menschen kann eine derartige Selbstdiagnose - noch dazu im Falle der PTSD, wo die Symptome Wochen, Monate oder erst Jahre nach dem auslösenden Moment auftreten können - nicht erwartet werden.
Zum anderen kann aus der eigenen Beurteilung des Berufungswerbers, dass es ihm "gut gehe", (noch dazu wenn er tatsächlich unter PTSD leidet), keinesfalls allein aufgrund seiner subjektiven Aussage - noch dazu von einem Nichtmediziner wie dem Bundesasylamt - abgeleitet werden, dass das Krankheitsbild auch objektiv auszuschließen ist.
Die Feststellung des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung und in weiterer Folge einer sich daraus resultierende Magersucht des Berufungswerber kann einzig und allein der Beurteilung eines geeigneten medizinischen Sachverständigen obliegen.
II.2. Rechtlich folgt daraus:
Anzuwenden war das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im folgenden: "AsylG"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.
Gemäß § 66 Abs 1 AVG hat der Asylgerichtshof notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde - hier das Bundesasylamt - durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat der Asylgerichtshof, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. etwa VwSlg. 14.945/A und dazu Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f). Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverweisen, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann der Asylgerichtshof die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist. Bei der Auslegung des § 66 Abs. 3 kommt es nicht auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die konkrete Amtshandlung an. So wird vor allem auch auf den Wohnort des Berufungswerbers bedacht zu nehmen sein (in diesem Sinne etwa VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084). Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass ein Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zum Asylgerichtshof als unparteiliches und unabhängiges Gericht als besonderen Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. VwGH 16.4.2002, 1999/20/0430 zum unabhängigen Bundesasylsenat als Vorgängerbehörde). Die verfassungsrechtlich normierte Funktion des Asylgerichtshofs als Gericht zur Sicherung der Kontrolle der Verwaltung wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor dem Asylgerichtshof nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in das Verfahren einzuführen (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).
Was die Ausübung des dem Asylgerichtshof durch § 66 Abs. 2 AVG eingeräumten Ermessens angeht, ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet hat, in welchem es dem Asylgerichtshof zukommt, die Rechtmäßigkeit der Verwaltung zu sichern (Art. 129 B-VG), wobei in diesem Verfahren bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln hat, da es nicht im Sinne des Gesetzes ist, wenn das Berufungsgericht, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jenes Organ ist, das erstmals den entscheidungsrelevanten Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es das Bundesasylamt unterlässt, sich in alle entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente einzulassen und ohne - wie dies dem Normzweck des § 18 AsylG entspräche - darauf hinzuwirken, dass alle für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrags geltend gemachten Umstände vervollständigt werden oder die zur Begründung des Antrags notwendigen Bescheinigungsmittel bezeichnet, vervollständigt oder von Amts wegen beigeschafft werden.
Das Bundesasylamt hat richtig erkannt, das hinsichtlich des Hauptantrages auf Gewährung des Status des Asylberechtigten eine entschiedene Sache vorliegt, da der Berufungswerber keinerlei Fluchtgründe vorgebracht hatte, die sich nicht auf die bereits rechtskräftig abgewiesenen Fluchtgründe aus dem Hauptverfahren beziehen. Allerdings hat es das Bundesasylamt unterlassen, zu ermitteln, ob hinsichtlich des Eventualantrages auf Gewährung des Status des Subsidiär Schutzberechtigten, der im Gegensatz zur Rechtslage im Regime des AsylG 1997 ebenfalls zu prüfen ist, eine neue Sache vorliegt. Wenn der Berufungswerber wirklich an den behaupteten Erkrankungen leiden sollte, wäre im Rahmen einer inhaltlichen Überprüfung des Eventualantrags festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde, zumal im gesamten Erstverfahren - mangels damaliger Relevanz - keine Feststellungen zur Krankenversorgung in China vorgenommen wurden.
Das Bundesasylamt wird daher festzustellen haben, ob eine solch schwere Erkrankung vorliegt, die - so sie unbehandelt bliebe - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers im Hinblick auf die Judikatur des EGMR mit einer Verletzung von Art. 3 EMRK belasten würde, da der Berufungswerber diesfalls in eine hoffnungslose Lage kommen könnte. Nur wenn dies der Fall wäre, wäre im Rahmen eines inhaltlichen Verfahrens über den Eventualantrag die Frage zu prüfen, ob ein reales Risiko besteht, dass der Berufungswerber in China in eine solche hoffnungslose Lage kommen würde oder ob eine entsprechende Krankenbehandlung erfolgen könne.
Da der Spruch des Bundesasylamtes den Antrag jedoch gänzlich zurückweist und nicht zwischen Haupt- und Eventualantrag unterscheidet, musste der gesamte Bescheid behoben werden, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.