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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der MN in G, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Mai 2000, Zl. 2-11.N/160-99/12, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben auf das minderjährige Kind der Beschwerdeführerin, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 3. Mai 2000 wies die Steiermärkische Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie Erstreckung derselben auf ihr minderjähriges Kind Beatrice L. gemäß den §§ 10 Abs. 1, 11, 17 Abs. 1 Z 1 und 18 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) i.V.m. § 39 leg. cit. ab. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin - eine am 9. Juni 1963 geborene ugandische Staatsangehörige - sei erstmals am 15. März 1988 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt und erfülle damit das Erfordernis der zehnjährigen Wohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG. Das Arbeitsmarktservice habe in seiner Stellungnahme mitgeteilt, dass das Ansuchen aus der Sicht des Arbeitsmarktes nicht befürwortet werde. Aus der Versicherungszeitenbestätigung sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin zwar seit 1988 in Österreich lebe, jedoch erst seit Jänner 1999 ununterbrochen beschäftigt sei. Davor könne sie lediglich für drei Monate, nämlich von Mai bis Juli 1994, eine Beschäftigung nachweisen; von August 1994 bis Jänner 1999 sei die Beschwerdeführerin keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen.
Im Verwaltungsstrafregister der Bundespolizeidirektion Graz scheine folgende Verwaltungsübertretung auf:
"1997: § 8 Abs. 1 iVm § 1 d. VO d. GR Graz S 3.000,--/14 Tage"
Zur Stellungnahme aufgefordert habe die Beschwerdeführerin repliziert, dass sie nach wie vor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sei und nunmehr auch die "Arbeitsbewilligung" erhalten habe. Auf Grund der Behinderung ihrer (am 18. Mai 1993 in Graz geborenen) Tochter sei eine Vollbeschäftigung erst möglich gewesen, als die Tochter in einem speziellen Kindergarten habe untergebracht werden können.
Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ein behindertes Kind habe und somit in den Möglichkeiten, einer Beschäftigung nachzugehen, "eingeschränkt sein mag", sei - so die belangte Behörde weiter - berücksichtigt worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch auch vor der Geburt ihrer Tochter im Jahr 1993 keine Versicherungszeiten nachweisen können. Bei der Ermessensausübung gemäß § 11 StbG habe die Behörde die Persönlichkeit des Einbürgerungswerbers und sein gesamtes bisheriges Verhalten unter Berücksichtigung auch schon getilgter Vorstrafen zu beurteilen. Auf Grund des oben angeführten Sachverhaltes, "insbesondere" auf Grund der geringen Beschäftigungsdauer, sei zu erkennen, dass die persönliche und insbesondere die berufliche Integration der Beschwerdeführerin noch nicht in ausreichendem Maß gegeben bzw. abgeschlossen sei, sodass die Ermessensentscheidung nicht zu ihren Gunsten habe getroffen werden können. Davon ausgehend sei auch der Antrag auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 18 StbG abzuweisen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG ausdrücklich Bezug genommen. Sie erachtete diese Verleihungsvoraussetzung im Hinblick auf die (durchgehende) Meldung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seit 15. März 1988 als erfüllt. Implizit ging sie erkennbar weiter davon aus, dass auch die Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 leg. cit. gegeben seien. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass sie das ihr bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen im Hinblick auf § 11 StbG nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin üben könne.
§ 11 StbG idF der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, hat folgenden Wortlaut:
"§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."
Die belangte Behörde hat ihre Ermessensentscheidung ausschließlich damit begründet, dass die persönliche und insbesondere die berufliche Integration der Beschwerdeführerin "noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen" sei. Zwar hat sie in der Begründung ihres Bescheides auch wiedergegeben, dass im Verwaltungsstrafregister der Bundespolizeidirektion Graz eine - offenkundig nur unvollständig wiedergegebene - Verwaltungsübertretung aufscheine, doch ist nicht ersichtlich, dass sie im Rahmen ihrer Abwägung auf diesen Umstand zurückgekommen wäre.
Indem die belangte Behörde auf die persönliche und berufliche Integration der Beschwerdeführerin abstellte, ist sie den jedenfalls seit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 das StbG prägenden Ordnungsvorstellungen grundsätzlich gerecht geworden. Die Bedeutung der in § 11 StbG ausdrücklich angesprochenen Integration des Fremden unterstreicht die Regierungsvorlage an mehreren Stellen (vgl. 1283 BlgNR 20. GP 5, 6 und 9). Für die Annahme der belangten Behörde, die persönliche und insbesondere die berufliche Integration der Beschwerdeführerin sei noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen, fehlt im angefochtenen Bescheid jedoch eine tragfähige Grundlage. Die belangte Behörde schloss dies nämlich allein daraus, dass die Beschwerdeführerin erst seit Anfang 1999 ununterbrochen beschäftigt sei. Zwar räumte sie ein, dass die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihr 1993 geborenes behindertes Kind in den Möglichkeiten, einer Beschäftigung nachzugehen, "eingeschränkt sein mag", doch hielt sie dem entgegen, dass die Beschwerdeführerin auch vor Geburt des Kindes im Jahr 1993 keine Versicherungszeiten aufzuweisen habe. Wenn die belangte Behörde auf den Zeitraum vor 1993 abstellt, so ist ihr freilich zu erwidern, dass es auf das Ausmaß der Integration im Entscheidungszeitpunkt ankommt. Zwar wohnt dem Kriterium der Integration insoweit ein zeitdauerbezogenes Moment inne, als sie regelmäßig nicht plötzlich und unvermittelt eintritt, sondern üblicher Weise Ergebnis eines Entwicklungsprozesses ist, doch ist bei der Beurteilung nach § 11 StbG auf den derzeitigen Stand dieses Entwicklungsprozesses Bedacht zu nehmen. Zeiten, die mehr als sieben Jahre zurückliegen, fallen bei einer darauf abzielenden Beurteilung nicht mehr maßgeblich ins Gewicht. Eine Betrachtungsweise dergestalt, die Beschäftigungszeiten eines Fremden seiner Gesamtaufenthaltsdauer im Inland gegenüberzustellen, erweist sich jedenfalls als verfehlt.
Dass die Beschwerdeführerin, wie schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht und von der Behörde offenkundig zu Grunde gelegt, bis 1999 ihr behindertes Kind betreut hat, steht einer Integration (auch in "beruflicher" Hinsicht; es kann nicht angenommen werden, dass sich das StbG ausschließlich am Typus des erwerbstätigen Fremden orientiert) gleichfalls nicht im Wege. Im Übrigen ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, inwieweit eine "geringe Beschäftigungsdauer" Rückschlüsse auf die - neben der beruflichen Integration gesondert erwähnte - persönliche Integration der Beschwerdeführerin erlauben soll. Die im Verleihungsantrag behauptete Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift sowie die Geburt der Tochter in Österreich deuten vielmehr in die gegenteilige Richtung.
Nach dem Gesagten vermögen die behördlichen Feststellungen eine auf mangelnde Integration der Beschwerdeführerin gegründete Ermessensübung zu deren Lasten nicht zu rechtfertigen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. April 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000010258.X00Im RIS seit
07.06.2001