TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/09 S6 401295-1/2008

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Spruch

S6 401.295-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Singer als Einzelrichterin über die Beschwerde des S.F., geb. 00.00.1990 alias 00.00.1980, StA. Somalia, vertreten durch Mag. Petra LIMBERGER, Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, Schottengasse 3a/1/59, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.08.2008, Zahl:

08 01.568 - EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Bescheiderlassung ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.08.2008, Zl: 08 01 568-EAST Ost, den Asylantrag des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 16 Abs 1 lit e der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Irland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Irland ausgewiesen und gemäß § 10 Abs 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Irland zulässig sei.

 

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 26.08.2008 Beschwerde erhoben. Darin wird zunächst thematisiert, dass das Verfahren des Beschwerdeführers zugelassen wurde, eine explizite Begründung allerdings fehlen würde. Des Weiteren hätte der gesetzliche Vertreter den Antrag gestellt, einen anderen Arzt als den vorgesehenen Dr. K. mit der ärztlichen Untersuchung zwecks Altersfeststellung zu beauftragen, dieser wäre jedoch unbeachtet geblieben. Aufgrund der fragwürdigen medizinischen Methoden, stelle die Mangelhaftigkeit des Gutachtens selbst einen Verfahrensfehler dar. Zudem hätte es die belangte Behörde unterlassen, sich mit der familiären Beziehung auseinanderzusetzen. Zu diesem Zweck wäre es jedenfalls erforderlich gewesen, Herrn S.H., der Bruder des Beschwerdeführers, zu dieser Frage einzuvernehmen und die Gerichtsakten des BG Floridsdorf in der gegenständlichen Pflegschaftssache anzufordern. Eine Zurückweisung nach Irland würde jedenfalls eine Verletzung der in Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers bedeuten. Im Falle einer Zurückschiebung nach Irland würde dem im Betreff Genannten eine mögliche Kettenabschiebung und somit die Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK drohen. Somit wäre aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittrecht zwingend auszuüben.

 

In der Beschwerde wurde in weiterer Folge die Vielzahl unrichtiger Feststellungen seitens der Erstinstanz kritisiert. Offensichtlich handle es sich im angefochtenen Bescheid teilweise um Auszüge aus einem völlig anderen Akt. Einen wesentlichen Verfahrensmangel hätte die belangte Behörde in Bezug auf die Vertretung des Beschwerdeführers gesetzt, da eine Rechtsberaterin als gesetzliche Vertreterin anstatt des obsorgeberechtigten Bruders geladen wurde und somit der Obsorgebeschluss des BG Wien Floridsdorf ignoriert worden wäre.

 

Ebenfalls einen Verfahrensmangel stelle die erfolgte Zurückweisung trotz vorangegangener Zulassung dar.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständige Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs 1 Z1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

Hier ist entscheidungsrelevant, ob der Beschwerdeführer tatsächlich volljährig ist, da andernfalls jedenfalls eine Zuständigkeit Österreichs gemäß Art. 6 VO 343/2003 bestünde.

 

Die Erstbehörde hat hiezu ein Sachverständigengutachten von Dr. K. (As. 197 ff) veranlasst. Das Gutachten ist kursorisch gehalten, Angaben über die Qualifikation des Gutachters und die Verlässlichkeit der von ihm verwendeten Methoden, sowie die Gewichtung der verschiedenen Methoden untereinander fehlen. Unter dieser Prämisse kann aber der Kritik in der Beschwerde hinsichtlich vermeintlicher Unschlüssigkeit des Gutachtens und Ungeeignetheit der Untersuchungsergebnisse auf Basis der Aktenlage nicht hinreichend begegnet werden. Es muss von Amts wegen Aufgabe der Erstbehörde sein, gerade in einem sensiblen und wissenschaftlich notorischerweise sensiblen Bereich wie den der "Altersfeststellung" vor Befassung eines Gutachters Erhebungen zu dessen Untersuchungsmethodik und Reputation (sofern diese nicht als notorische anzusehen ist) zu machen. Offensichtlich ist die Erstinstanz von den vor der irischen Asylbehörde angegebenen Daten des Beschwerdeführers ausgegangen. Weder aufgrund der Aktenlage noch des Bescheides wurde jedoch ersichtlich, dass sich die Erstinstanz damit ausreichend auseinandergesetzt hat, ob und wie sich Irland mit dieser Altersfeststellung befasst hat.

 

Im fortgesetzten Verfahren wird die Erstbehörde ebenso eine explizite, nachvollziehbare Begründung hinsichtlich der Zulassung des Verfahrens des Beschwerdeführers abzugeben haben. Aufgrund des bisherigen Verfahrens ist nicht ersichtlich, ob das Verfahren nun wegen der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zugelassen wurde oder ob möglicherweise eine andere Grundlage für die Zulassung des Verfahrens des im Betreff Genannten herangezogen wurde. Die Erstbehörde hat es verabsäumt den Zurückweisungstatbestand, der erst nach dem Zulassungsverfahren zu Tage getreten ist und der die Voraussetzung für eine Zurückweisung trotz vorheriger Zulassung bildet, zu benennen.

 

Überdies hat die Erstinstanz den vorliegenden Obsorgebeschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 00.00.2008 den Beschwerdeführer betreffend völlig negiert, dieser wird im gegenständlichen Bescheid nicht einmal erwähnt.

 

Da die Erstbehörde ein in mehrerer Hinsicht mangelhaftes Verfahren durchgeführt hat, war gemäß § 41 Abs 3 AsylG vorzugehen.

 

Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte nunmehr angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Volljährigkeit, Zulassungsverfahren, Zurückweisungstatbestand
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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