TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/24 S6 401551-1/2008

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Veröffentlicht am 24.09.2008
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Spruch

S6 401.551-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Singer als Einzelrichterin über die Beschwerde des S.O., 00.00.1988 geb., StA. Türkei, vertreten durch KOCHER und BUCHER Rechtsanwälte, Sackstraße 36, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.09.2008, Zahl 08 04.246, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 und 10 AsylG idF BGBL. I Nr 100/2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Der Beschwerdeführer S.O., ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 14.05.2008 illegal, schlepperunterstützt per LKW in Österreich ein und stellte noch am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Da der Beschwerdeführer keinerlei nähere Angaben zu seiner Reiseroute tätigte, wurden am 20.05.2008 seitens des Bundesasylamtes Informationsersuchen gem. Art. 21 der Dublin II VO an Bulgarien, Rumänien und Ungarn auf Grundlage des Halbjahresberichtes 2007 des Bundeskriminalamtes - Organisierte Schlepperkriminalität, gestellt.

 

Am 21.05.2008 wurde dem Beschwerdeführer gem. Art. 28 AsylG 2005 nachweislich zur Kenntnis gebracht, dass Konsultationen gemäß der Dublin II Verordnung geführt werden, und die in Art. 28 AsylG 2005 normierte 20-Tages-Frist nicht gilt.

 

Die bulgarischen Behörden teilten am 27.05.2008 mit, dass keine Daten über den Beschwerdeführer vorliegen würden.

 

Ebenso wurde am 03.06.2008 seitens der ungarischen Behörden mitgeteilt, dass keine Daten den Beschwerdeführer betreffend, vorliegen würden.

 

Am 02.06.2008 teilten die rumänischen Behörden mit, dass der Beschwerdeführer in Besitz eines rumänischen Visums, gültig von 00.00.2008 bis zum 00.00.2008, sei und sei der im Betreff Genannte mit diesem am 05.05.2008 über den bulgarisch-türkischen Grenzübergang Vama Veche nach Rumänien eingereist.

 

Daher wurde am 04.06.2008 seitens des Bundesasylamtes ein Aufnahmeersuchen betreffend den Beschwerdeführer gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates an Rumänien gestellt.

 

Über die Führung von Konsultationen mit Rumänien, wurde der Beschwerdeführer am 05.06.2008 gemäß § 29 Abs. 3 AsylG informiert.

 

Mit Erklärung vom 18.06.2008 übermittelte Rumänien die Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers gem. Art. 9 Abs. 4 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).

 

Im Rahmen seiner Einvernahmen gab der im Betreff Genannte an, deshalb nicht nach Rumänien zu wollen, da er dort nicht eingereist sei. Des Weiteren behauptete er beharrlich, nie einen Reisepass besessen zu haben, und willigte er ein, in der Türkei Nachforschungen anzustellen, ob ein Reisepass für ihn ausgestellt worden sei.

 

Daraufhin wurde am 16.07.2008 eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesasylamtes gestellt, ob dem Beschwerdeführer seitens den türkischen Behörden ein Reisedokument ausgestellt wurde und falls ja, nach Möglichkeit die Angabe der Zahl und des Datums erbeten.

 

Die Beantwortung der Anfrage langte am 25.07.2008 beim Bundesasylamt ein und ergab diese, dass der Beschwerdeführer in Besitz eines türkischen Reisepasses ausgestellt am 00.00.2008 in Istanbul, gültig bis 00.00.2009, sei.

 

Selbst nach Konfrontation mit diesen Beweisergebnissen, behauptete der Beschwerdeführer wiederholt, er habe keinen Reisepass ausstellen lassen und wären seine Angaben richtig gewesen.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz des S.O. wurde seitens der Erstinstanz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen und wurde Rumänien gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen und wurde seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in letztgenannten Mitgliedstaat gemäß § 10 Abs. 4 AsylG für zulässig erklärt.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zum rumänischen Asylverfahren, zur Praxis des Non-Refoulement-Schutzes sowie zur Versorgung von Asylwerbern in Rumänien.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die Erstinstanz in der Gesamtbetrachtung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse zu der Ansicht gelangt, dass der Beschwerdeführer durch Falschangaben, mangelnde bzw. Nicht-Mitwirkung und Leugnen des rumänischen Visums, des Reisepasses und des Reiseweges, die materielle Führung seines Asylverfahrens in Österreich erzwingen wollte. Weiters konnten keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Rumänien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte.

 

Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftstück vom 15.09.2008 fristgerecht Beschwerde. Darin wird zunächst der Sachverhalt und bisherige Verfahrensgang wiedergegeben. In weiterer Folge wird im Beschwerdeschriftstück behauptet, dass die Voraussetzungen für die Einleitung eines "info-request"-Verfahrens nach Art. 21 Dublin II VO nicht gegeben gewesen wären und hätten sich im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für das Führen eines "info-request"-Verfahrens mit Rumänien, Bulgarien und Ungarn ergeben. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb nicht auch Informationsersuchen etwa an Tschechien oder die Slowakei ergangen wären. Auch hätte nach Ablauf von zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz eine zurückweisende Entscheidung des Bundesasylamtes als erstinstanzlicher Behörde nicht mehr ergehen dürfen, da ein "info-request"-Verfahren kein Konsultationsverfahren iSd § 28 AsylG 2005 darstelle. Aus diesem Grund habe der Asylgerichtshof bei der Entscheidung über gegenständliche Beschwerde fiktiv zu unterstellen, dass das Verfahren zugelassen worden sei, da die willkürliche Unterlassung der Zulassung des Verfahrens durch das Bundesasylamt in der momentanen Situation, dem Beschwerdeführer einen Rechtsnachteil zufügen würde, gegen den sich dieser nicht effektiv zur Wehr setzen könne. Thematisiert wurde ebenso, dass sich die belangte Behörde nicht mit den näheren Umständen der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich auseinandergesetzt hätte. Es gäbe keinerlei Beleg dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aufgrund des von den rumänischen Behörden vermeintlich ausgestellten Visums nach Rumänien eingereist sei. Beispielsweise würde der Nachweis über einen entsprechenden Vermerk im vermeintlichen Reisepass des im Betreff Genannten fehlen. Aus diesem Grund hätte die Erstbehörde nachvollziehbar begründen müssen, ob und warum sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer mit dem von Rumänien ausgestellten Visum auch tatsächlich nach Rumänien eingereist ist. Sofern eine andere Person mit dem Visum des Beschwerdeführers nach Rumänien eingereist sei, beruhe dieser Umstand auf betrügerischen Handlungen, die dem Beschwerdeführer nicht vorwerfbar seien und mit denen er nichts zu tun hätte. Eine solche Handlung vermöge die Zuständigkeit Rumäniens zur Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers nicht zu begründen. Zudem sei die Kontaktaufnahme des Bundesasylamtes mit den Behörden des Verfolgerstaates des Beschwerdeführers eine gravierende Rechtsverletzung.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Am 01. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt seine Anfrage an Bulgarien, Rumänien und Ungarn aufgrund des ihm vorliegenden Schlepperberichts des Bundeskriminalamtes aus dem Jahr 2007 gestellt. Aufgrund der Mitteilung Rumäniens, dass der Beschwerdeführer ein rumänisches Visum besitze und nachdem Bulgarien und Ungarn mitteilten, dass bei ihnen jeweils über den Beschwerdeführer keine Daten aufliegen würden, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über Rumänien und von dort aus illegal innerhalb der Mitgliedstaaten nach Östereich weiter reiste.

 

In den Art. 5ff der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.

 

Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates lautet, wie folgt:

 

"Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlichter Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde. In diesem Fall ist der letztgenannte Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Konsultiert ein Mitgliedstaat insbesondere aus Sicherheitsgründen zuvor die zentralen Behörden eines anderen Mitgliedstaats, so ist dessen Antwort auf die Konsultation nicht gleich bedeutend mit einer schriftlichen Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung."

 

Art. 9 Abs. 4, 1. Satz lautet, wie folgt:

 

"Besitzt der Asylbewerber nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat."

 

Im vorliegenden Fall erklärte sich Rumänien gemäß Art. 9 Abs. 4 und 2 Dublin II VO (EG) Nr. 343/2005 des Rates zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers bereit. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Rumäniens gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin II VO besteht.

 

Der in der Beschwerde geübten Kritik am Vorgehen der Erstinstanz, wird mit folgenden Argumenten entgegengetreten:

 

1. § 28 AsylG 2005 lautet:

 

§ 28. (1) Ist der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen, ist das Verfahren zuzulassen, soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entschieden wird. Die Zulassung erfolgt durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§51); eines Bescheides bedarf es dann nicht. Die Zulassung steht einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen.

 

(2) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz, dass der Antrag zurückzuweisen ist, ist der Antrag zuzulassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit der Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Dies gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

(3) Eine Stattgebung oder Abweisung des Antrags im Zulassungsverfahren ersetzt die Zulassungsentscheidung (Abs. 1). Wird der Antrag im Zulassungsverfahren abgewiesen, gilt dieser Antrag als zugelassen, wenn oder sobald der Berufung gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

 

(4) Dem Asylwerber in der Erstaufnahmestelle ist eine ärztliche Untersuchung zu ermöglichen.

 

Gemäß Abs. 2 leg.cit ist ein Asylantrag zuzulassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin Verordnung oder ... geführt. Dazu gehören die im vorliegenden Fall genannten Informationsersuchen gemäß Art. 21 Dublin II Verordnung. Denn sowohl Konsultationen als auch Informationsersuchen dienen demselben Zweck, nämlich den einen und einzigen Signatarstaat zu finden, der für die Prüfung eines Asylantrages eines Drittstaatsangehörigen zuständig ist (so genanntes "One-Chance-Only-Prinzip"). Die Bestimmung des zuständigen Staates soll vermeiden, dass Asylbewerber von einem Mitgliedsstaat zum anderen abgeschoben werden, ohne, dass einer der Staaten sich für die Prüfung des Asylantrages zuständig erklärt. Andererseits soll Asylbewerbern auch die unkontrollierte Weiterwanderung, insbesondere das Betreiben paralleler oder sukzessiver Asylverfahren innerhalb des Vertragsgebietes verwehrt werden. Um die so genannte Umsetzung der Dublin II VO effizient zu erzielen, wurden in der Dublin II VO Regelungen über die zu führenden Konsultationsverfahren normiert. Eine solche Normierung ist in Art. 21 Dublin II VO zu sehen, welcher den Austausch personenbezogener Informationen zwischen den Mitgliedstaaten in Form der Informations-Übermittlungsersuchen regelt.

 

Es steht den Mitgliedsstaaten dabei rechtlich frei (etwa: bei vermuteter Ausstellung eines Visums), zunächst ein Informationsersuchen zu stellen, und nach dessen positiver Beantwortung ein Aufnahmeersuchen, gestützt auf diese Informationen, oder sogleich ein Aufnahmeersuchen zu übermitteln (mit dem Risiko der Ablehnung, wenn etwa kein Visum ausgestellt worden ist), sofern es sich nicht um bloße "Verdachtsanfragen" handelt. (Filzwieser/Liebminger, Dublin II Verordnung, Art. 21, K2).

 

Die bisherige Rechtssprechung des VwGH, dass auch ein Informationsersuchen gemäß Art. 21 Dublin II VO als Konsultation im Sinne des AsylG 1997 zu werten sei (VwGH Zahl 2006/01/0088 vom 26.03.2007), welche zur Vorgängerbestimmung § 24 a AsylG 1997 ergangen ist, muss schlüssigerweise genauso für § 28 AsylG 2005 gelten.

 

In nahezu wörtlicher Übereinstimmung mit § 24 a Abs. 8 AsylG 1997 sieht § 28 Abs. 2 1. Satz AsylG 2005 vor, dass der Antrag nach Fristablauf zuzulassen ist, "es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin VO oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt".

 

Die in der Beschwerdeschrift erwähnte Frage, ob die Einleitung eines Konsultationsverfahren bloß eine Hemmung des Fristenlaufes bewirke oder wie dies nun in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 festgelegt wurde, die 20-Tages-Frist gänzlich wegfalle, ist in keinster Weise in irgendeinem Zusammenhang zur hier relevanten Frage, ob ein Informationsersuchen als Konsultation zu werten sei, zu sehen. Es besteht daher zusammenfassend kein Zweifel, die bisherige Rechtssprechung des VwGH zu § 24 a Abs. 8 AsylG 1997 auch für dessen Nachfolgerbestimmung § 28 Abs. 2 AsylG 2005 für beachtlich zu erklären.

 

Zur Frage der Begründung des Info-request-Verfahrens ist folgendes festzuhalten:

 

Art. 21 Abs. 4 Dublin II VO lautet:

 

Jedes Informationsersuchen ist zu begründen und sofern es darauf abzielt, ein Kriterium zu überprüfen, das die Zuständigkeit des um Auskunft ersuchten Mitgliedstaats nach sich ziehen kann, ist anzugeben, auf welches Indiz - auch einschlägige Informationen aus zuverlässigen Quellen über die Modalitäten der Einreise von Asylbewerbern in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten - oder auf welchen einschlägigen und nachprüfbaren Sachverhalt der Erklärungen des Asylwerbers es sich stützt. Es besteht Einverständnis darüber, dass solche einschlägigen Informationen aus zuverlässigen Quellen für sich genommen nicht ausreichen, um die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats gemäß dieser Verordnung zu bestimmen, dass sie aber bei der Bewertung anderer Hinweise zu dem einzelnen Asylbewerber hilfreich sein können.

 

Es ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass Informationsersuchen zu begründen sind und konkrete, individuell mit der Person in Zusammenhang stehende Indizien darzulegen haben. Als solche Indizien gelten auch einschlägige Informationen aus zuverlässigen Quellen über die Modalitäten der Einreise von Asylbewerbern in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten. Auf diese Indizien hat sich das gegenständliche Informationsersuchen der Erstinstanz vom 20.05.2008 an Rumänien bezogen. Ausdrücklich wurde auf den Halbjahresbericht 2007 vom Bundeskriminalamt über die organisierte Schlepperkriminalität sowie auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers verwiesen. ("The statement of the asylum seeker for his travel route is incredible. The request is founded of Austrian Federal Criminal Police Office semi-annual report - Organised refugee - crime 2007, dated on September 2007 which declaired that the most Turkey applicants Austria travelled in illegally via Bulgaria, Romania or Hungaria to Austria.")

 

Im Übrigen wurde die Zuständigkeit Rumäniens zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers nicht mit dem erwähnten Bericht des Bundeskriminalamts begründet, sondern war dieser nur hilfreich, um letztlich nachzuweisen, dass der Beschwerdeführer in Rumänien bereits ein Visum besessen hatte.

 

Damit liegt ein in der Person des Beschwerdeführers liegender Grund vor, dass Rumänien gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin II VO zur Führung des Asylverfahrens zuständig ist.

 

§ 21 Abs. 4 letzter Satz wurde daher von der erstinstanzlichen Behörde entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde nicht unrichtig angewandt.

 

In der Einvernahme vom 30.06.2008 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West wurden dem Beschwerdeführer sein türkischer Reisepass und sein rumänisches Visum vorgehalten. Auf die Frage, warum er zum Besitz eines Visums und auch zum Reiseweg falsche Angaben gemacht hätte, antwortete dieser, dass er keine falschen Angaben gemacht habe, dass alles richtig sei, was er bisher ausgesagt habe; er brachte mit keinem Wort vor, dass eine andere Person ein Visum mit seinem Namen beantragt hätte oder eine andere Person mit diesem Visum in Rumänien eingereist wäre. Selbst wenn man dieses Vorbringen in der Beschwerdeschrift als nicht dem Neuerungverbot unterliegend erachtet, muss es als bloße Behauptung , die in keinster Weise substantiiert vorgebracht wurde, gewertet werden.

 

Im Übrigen wurde das Informationsersuchen an Rumänien mit einem Fingerabdruck des Beschwerdeführers versendet und wurde seitens Rumänien aufgrund dieser Anfrage der Beschwerdeführer als jener identifiziert, der bereits in Rumänien ein Visum erlangt hatte und in Vama Veche am 05.05.2008 die Grenze nach Rumänien passiert hat. Es ist davon auszugehen, dass die rumänische Behörde die Angaben Österreichs hinreichend verifiziert oder falsifiziert hat und den Fingerabdruck erkennungsdienstlich verarbeitet hat. Es gibt jedenfalls keinen wie immer gearteten Anhaltspunkt, der Gegenteiliges indizieren würde oder Willkür seitens einer Behörde ersichtlich machen würde. Fest steht, dass die rumänische Dublin Behörde mit Schreiben vom 18.06.2008 nach einem Zuständigkeitsprüfungsverfahren aufgrund des Aufnahmeersuchens Österreichs sich gemäß Art. 9 Abs. 4 und 2 der Dublin II VO für zuständig erachtet hat.

 

Die weiteren Argumente der Beschwerdeschrift über eine mögliche Unzulässigkeit der Kontaktaufnahme mit den Behörden des Herkunftsstaates sind unbeachtlich, da gegenständlich es nur um die Anwendung der Dublin II VO geht, also um das Finden des einzig richtigen Staates, der für die Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers nach dem Dubliner Zuständigkeitsmodell zuständig ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nachforschungen rechtsrichtig zustande gekommen sind, da im vorliegenden Fall der Prüfungsgegenstand die Zuständigkeiten nach der Dublin II VO ist und nicht in die meritorische Prüfung des Asylantrages eingegangen wird. Prima facie ist jedoch überdies von der Rechtsrichtigkeit auszugehen, da die Nachforschungen aufgrund der ausdrücklichen Zustimmung des Beschwerdeführers angestellt wurden.

 

Was die unterschiedlichen Passnummern des Beschwerdeführers betrifft wird festgehalten, dass es sich hierbei um offensichtliche Tippfehler handelt. Gaben die rumänischen Behörden XY als Passnummer des im Betreff Genannten an, so übermittelten die türkischen Behörden die Nummer XX. Offensichtlich passierte ein Fehler bei der Übermittlung.

 

Aus folgenden Gründen kann nicht angenommen werden, dass Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Gebrauch zu machen:

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949). Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK:

 

Es leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Österreich. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl 1802, 1803/06-11). Dies wurde vom Beschwerdeführer von sich aus auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.

 

Kritik am ungarischen Asylwesen, mögliche Verletzung des Art. 3

EMRK:

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden.

 

Der Beschwerdeführer konnte keine besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Rumänien sprechen, glaubhaft machen, behauptete er doch wiederholt, nicht in Rumänien eingereist zu sein. Deshalb greift die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005, wonach ein Asylwerber in einem "Dublinstaat" Schutz vor Verfolgung findet.

 

Medizinische Aspekte:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Ungarn nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohen und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR zur Frage einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Zusammenhang mit Art. 3 EMRK zu verweisen:

 

GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06

 

AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05

 

PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03

 

RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03

 

HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05

 

OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04

 

AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04

 

NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2

 

004, Rs 17868/03

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei. Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht den selben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).

 

In besonderem Maße instruktiv für die Frage, ob eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere schwere psychische Erkrankungen einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegenstehen, sind die beiden erst jüngst ergangenen Entscheidungen AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05 und GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06.

 

Im ersteren Fall ging es um eine iranische Asylwerberin, bei der von zwei psychiatrischen Gutachtern unabhängig von einander schwere psychische Störungen in Gestalt von schweren Depressionen, akuten Selbstmordgedanken und ein multikausales Trauma infolge diverser Erlebnisse diagnostiziert worden war. Ein Gutachter war zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung in den Iran ein reales Risiko eines Selbstmordes bestand. Die gegen die Abschiebung der Beschwerdeführerin in deren Herkunftsstaat Iran erhobenen Beschwerde mit der Begründung eine solche verstoße infolge des schlechten Gesundheitszustandes der BW gegen Art. 3 EMRK, wies der EGMR ab.

 

Der Entscheidung GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06 lag ua. der Fall zugrunde, dass der Zweitbeschwerdeführer - ein russischer Asylwerber, der drei(!) Selbstmordversuche begangen bzw. mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich hatte und dem von Gutachern einhellig ein schwere psychische Erkrankung ua. in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine akute Selbstmordgefährdung bescheinigt worden war - seine Abschiebung nach Russland mit dem Hinweis auf seinen schlechten und infolge aktueller Suizidgefahr lebensbedrohlichen Gesundheitszustand in Beschwerde zog. Auch diese Beschwerde wies der EGMR mit einer über weite Strecken identen Begründung wie in der Entscheidung AYEGH gg. Schweden ab.

 

Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (siehe dazu nunmehr auch VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9).

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR leitet sich der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab ab. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Im vorliegenden Fall konnte seitens des Beschwerdeführers keine schwere psychische Krankheit belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes.

 

Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art 3 Abs 2 VO 343/2003 infolge drohender Verletzung von Art 3 oder Art 8 EMRK zu verpflichten.

 

Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Rumänien in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, medizinische Versorgung, real risk
Zuletzt aktualisiert am
26.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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