B1 257.773-0/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat gemäß gemäß §§ 61 Abs. 1, 75 Abs. 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 iVm § 66 Abs.4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Magele als Beisitzer über die Beschwerde von K.I., geb. 00.00.1974, Staatsangehörigkeit: Republik Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes 21.01.2005, Zahl: 04 25.967-EAST Ost, zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde vom 10.02.2005 wird Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheids gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Gang des Verfahrens und Sachverhalt
1.1 Der Beschwerdeführer, zum damaligen Zeitpunkt ein Staatsangehöriger der Republik Serbien und Montenegro albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo, beantragte am 28.12.2004 die Gewährung von Asyl.
In dem für die Begründung des Asylantrages vorgesehenen Abschnitt des Formblattes, mit welchem der Asylantrag gestellt wurde, führte der Beschwerdeführer durch handschriftliche Eintragung in albanischer Sprache gemäß der hergestellten Übersetzung aus, dass er gekommen sei, weil er kein Haus und keine Arbeit habe.
Bei den am 04.01.2005 und 11.01.2005 erfolgten niederschriftlichen Einvernahmen durch das Bundesasylamt belegte der Beschwerdeführer seine Identität durch einen am 00.04.2004 ausgestellten UNMIK-Personalausweis. Er brachte vor, dass er seine Heimat verlassen habe, weil er sich von seiner Familie wegen bestehender Spannungen getrennt habe und er keine Lebensgrundlage mehr gehabt habe.
1.2 Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I); weiters wurde mit diesem Bescheid die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Serbien und Montenegro gemäß § 8 Abs.1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II) und der Asylwerber laut (Spruchpunkt III) gemäß § 8 Abs.2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen .
1.3 Gegen diesen Bescheid wurde in einer standardisierten Eingabe vom 10.02.2005 das Rechtsmittel der Berufung erhoben, in der ohne konkreten Fallbezug und ohne nähere Begründung ausgeführt wird, dass das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen und die Zulässigkeit der Ausweisung nicht ordnungsgemäß geprüft worden sei.
1.4 Dem Beschwerdeführer wurde laut einer vom Asylgerichtshof eingeholten Auskunft durch die Bezirkshauptmannschaft Judenburg erstmals am 03.03.2006 eine Niederlassungsbewilligung mit unbeschränktem Aufenthaltzweck, zuletzt mit Gültigkeit vom 00.00.2008 bis 00.00.2009 erteilt. Der Beschwerdeführer wurde durch Schreiben des Asylgerichtshofs vom 22.09.2008 über das Ergebnis einer Beweisaufnahme zur allgemeinen (politischen, wirtschaftlichen und sozialen) Situation im Kosovo, zur Frage der (nunmehrigen) Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinen familiären und persönlichen Bindungen in Österreich in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit zu einer Stellungnahme eingeräumt. In diesem Schreiben wurde dem Beschwerdeführer auch zur Kenntnis gebracht, dass seitens des Asylgerichtshofes beabsichtigt sei, Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides (Verfügung der Ausweisung) im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer zuerkannte unbeschränkte Niederlassungsbewilligung ersatzlos zu beheben, sollte dieser seine Berufung hinsichtlich der Spruchpunkte I und II zurückziehen.
Am 26.09.2008 erklärte der Beschwerdeführer gegenüber dem Bundesasylamt schriftlich, das er seine Berufung zurückziehe, da er bereits eine unbeschränkte Niederlassungsbewilligung für Österreich besitze.
1.5 Diese Erklärung wurde durch das Bundesasylamt dem Asylgerichtshof vorgelegt und ist hier am 29.09.2008 eingelangt. Die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides sind damit in Rechtskraft erwachsen und es ist im vorliegenden Verfahren über die seinerzeitige Berufung nur mehr hinsichtlich der durch Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides verfügten Ausweisung zu entscheiden.
II. Rechtliche Beurteilung:
1.1 Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Nach Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG sind am 1. Juli "beim unabhängigen Bundesasylsenat" anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofs zuständigen Senat weiterzuführen. Das vorliegende Verfahren war seit 16.02.2005 (Einlangen der Berufungsvorlage) beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und es hat vor dem 1. Juli 2008 keine mündliche Verhandlung stattgefunden.
Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamts.
1.2 Gemäß § 23 AsylGHG (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Die mit Schreiben vom 10.02.2005 erhobene Berufung gegen den angefochtenen Bescheid gilt daher nunmehr als Beschwerde und es ist der Rechtmittelwerber als Beschwerdeführer zu bezeichnen.
1.3 Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Asylverfahren nach dem Asylgesetz 1997 (AsylG) zu Ende zu führen. § 44 AsylG gilt.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 sind Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen. Nach § 44 Abs 3 sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a idF BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Absatz 1 anzuwenden.
Nach § 44 Abs.2 AsylG werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt. Da der im vorliegenden Fall zu beurteilende Asylantrag nach dem 01.05.2004 gestellt wurde, wird das gegenständliche Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. Nr. 101/2003 geführt.
Gemäß § 23 AsylG (bzw. § 23 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003) ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
2. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und wenn die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden. Die Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers und die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat sind nach der am 26.09.2008 erfolgten Zurückziehung der Berufung in Rechtskraft erwachsen. Es wird davon ausgegangen, dass sich diese Zurückziehung im Sinne der Aufforderung im Schreiben des Asylgerichtshofs vom 22.09.2008 (nur) auf die Berufung gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids erstreckt.
Bei der Ausweisungsentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Art. 8 MRK zu berücksichtigen (VfSlg. 17.340/2004 [S 515]; VfGH 17.3.2005, G 78/04 ua. [S 48, 50]; vgl. auch die Erläut. zur RV der AsylGNov. 2003 [120 BlgNR 22. GP, 14], die davon ausgehen, dass "bei jeder Ausweisungsentscheidung im österreichischen Fremdenwesen [...] Art. 8 EMRK in die Entscheidungsfindung einzubeziehen" ist und die das offenbar auch für das Asylrecht annehmen). Dabei stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes 17.3.2005, G 78/04 ua., (S 47) beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen (VfGH 17.3.2005, G 78/04 ua., S 50): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."
Das Bundesasylamt hatte die durch Art. 8 Abs. 2 MRK vorgeschriebene Interessenabwägung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids mängelfrei vorgenommen. In diesem Zusammenhang sei zunächst darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bis zur erfolgten Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nur auf Grund eines Asylantrages zum Aufenthalt berechtigt war, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.12.1999, 99/18/0409;
17.12.2001, 2001/18/0234; 17.12.2001, 2001/18/0142; 17.12.2001, 2001/18/0162; 31.10.2002, 2002/18/0217; 27.2.2003, 2003/18/0020;
26.6.2003, 2003/18/0141; 10.9.2003, 2003/18/0147; 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257).
Da dem Beschwerdeführer nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach den Feststellungen jeweils eine Niederlassungsbewilligung mit unbeschränkten Aufenthaltszweck, zuletzt am 00.00.2008 mit Gültigkeit bis 00.00.2009 erteilt worden ist, ist davon auszugehen, dass diesbezüglich eine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist, die eine Ausweisung nicht zulässig erscheinen lässt. Wenngleich die anzuwendende Rechtslage (§ 8 Abs 2 AsylG 1997 in der Fassung der AsylG Novelle 2003 BGBL. I 2003/101) diesbezüglich nicht die vergleichsweise klare Regelung wie in § 10 Abs 2 Z1 AsylG 2005 getroffen hatte, wonach (asylrechtliche) Ausweisungen unzulässig sind, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukomme, kann dem Gesetzgeber dennoch nicht zugesonnen werden, dass hinsichtlich der Zulässigkeit der Ausweisung von Personen, denen Asyl und subsidärer Schutz nicht gewährt wird, ein unterschiedlicher Kalkül je nach anzuwendender Rechtsschicht angewendet werden solle.
Die in Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides (im Übrigen: nicht zielstaatsbezogen) verfügte Ausweisung war daher ersatzlos zu beheben.