TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/21 A3 318035-1/2008

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Veröffentlicht am 21.10.2008
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Spruch

A3 318.035-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Vorsitzende und den Richter Mag. Günther LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin LACHMAYER über die Beschwerde des D.D., geb. 00.00.1981, StA. Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.02.2008,

 

FZ. 05 13.838-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid bezüglich Spruchpunkt I behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Äthiopiens, reiste am 01.09.2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte in weiterer Folge noch am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Er wurde hiezu sowohl am 07.09.2005 und 11.01.2006 als auch am 16.11.2007 niederschriftlich einvernommen.

 

2. Zur Begründung seines Asylantrages brachte der Beschwerdeführer vor, aufgrund seiner Probleme mit der äthiopischen Regierung sein Heimatland verlassen zu haben. Konkret wären seit jeher sämtliche seiner Familienangehörigen, ebenso wie auch er selbst, aktive Mitglieder der OLF gewesen und habe man aus diesem Grund bereits in der Vergangenheit viele Schicksalsschläge ertragen müssen. So sei etwa sein Vater im Jahr 2000 einem Mordanschlag zum Opfer gefallen und "ist mein Bruder seit vier Jahren spurlos verschwunden (Seite 43 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Den Antragsteller habe man demgegenüber insgesamt dreimal verhaftet: Das erste Mal wäre er im September 2004 für einen Zeitraum von drei Tagen, nochmals vier Tage im Jänner 2004 und zuletzt schließlich im Juni 2005 sogar ein ganzes Monat lang aufgrund seiner politischen Aktivitäten inhaftiert worden. Während seiner Gefangenschaft hätte man den Asylwerber immer wieder psychisch und physisch unter Druck gesetzt, um ihn zur Bekanntgabe interner Organisationsstrukturen innerhalb der OLF zu bewegen. Nach seiner jüngsten Freilassung "war ich sogar in ärztlicher Behandlung (Seite 73 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Am Tag seiner Enthaftung habe man zudem den Beschwerdeführer auf seinem Heimweg angegriffen und so schwer verletzt, dass dieser ohne der Hilfe zufällig vorbeikommender OLF - Sympathisanten wohl nicht überlebt hätte. Bis zu seiner Ausreise habe sich der im Betreff Genannte dann in weiterer Folge in Addis Abeba versteckt gehalten. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er umgebracht zu werden. "Sie werden mich als Verräter bezeichnen, weil ich im Ausland um Asyl angesucht habe (Seite 73 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)."

 

3. Das Bundesasylamt wies in weiterer Folge den Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.02.2008 in Spruchteil I. unter Berufung auf § 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 ab; in Spruchteil

II. stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht zulässig sei und wurde dem im Betreff Genannten in Spruchpunkt III. gemäß §§ 8 Abs. 3 iVm 15 Abs. 2 leg. cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.02.2009 erteilt.

 

Die erstinstanzliche Behörde hat das Vorbringen des Asylwerbers als teilweise unglaubwürdig eingestuft, zumal dieser im Zuge seines Rechtsganges eine Geburtsurkunde vorgelegt habe, die als bedenklich eingestuft worden sei und nach einer Dokumentenprüfung samt Sachverhaltsdarstellung an das zuständige Bezirksgericht weitergeleitet worden wäre. Zudem sei es für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller wegen der behaupteten, ohne asylrelevante Folgen gebliebenen, Festnahmen samt Verhören einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen respektive eine solche zu befürchten gehabt haben soll.

 

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids erhob der im Betreff Genannte über seine rechtsfreundliche Vertreterin fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) und monierte in seinem Schriftsatz unter anderem, dass sich die belangte Behörde auf eine gänzlich veraltete Länderdokumentation gestützt und dem Beschwerdeführer zu einem Gutteil kein Parteiengehör eingeräumt habe. Zudem hätte sich das Bundesasylamt in nur unzureichender Weise mit dem Vorbringen rechtlich auseinandergesetzt, zumal die Regierung Äthiopiens die Aktivitäten der OLF als terroristisch einstufen würde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005) sind "[A]lle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) i. d. F. der AsylG-Nov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG in der jeweils geltenden Fassung, di. nunmehr die Fassung der AsylG - Nov. 2003, zu führen.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG i. d. F. der AsylG - Nov. 2003 ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden (vgl. auch Art. II Abs. 2 lit. D Z 43 a EGVG).

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Dem angefochtenen Bescheid liegt aus folgenden Gründen ein qualifiziert mangelhaftes Ermittlungsverfahren zugrunde:

 

Das Bundesasylamt qualifizierte die Angaben des Antragstellers aufgrund der Vorlage einer als bedenklich eingestuften Geburtsurkunde als teilweise unglaubwürdig. Warum die andern ebenfalls als Beweismittel vorgelegten Dokumente keiner sicherheitstechnischen Untersuchung zugeführt und einer Glaubwürdigkeitsbeurteilung zugrunde gelegt wurden, lässt der angefochtene Bescheid ebenso unbeantwortet, wie die Frage, weshalb keinerlei Versuche unternommen wurden, die ausgesprochen detaillierten Angaben des Asylwerbers einer geeigneten Überprüfung zu unterziehen. Um die Situation des Beschwerdeführers korrekt zu beurteilen, müssen nicht nur detaillierte Feststellungen über die gegenwärtigen Verhältnisse in Äthiopien eingeführt, sondern darüber hinaus auch die ins Treffen geführten Behauptungen einer eingehenden Prüfung, allenfalls durch geeignete Ermittlungen der Österreichischen Botschaft vor Ort, unterzogen werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der erstinstanzlichen Behörde zugrundezulegen sein.

 

Dass die Asylbehörden verpflichtet sind, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig und umfassend zu ermitteln, und die Ermittlungsergebnisse dem Akt anzuschließen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt. Dieser Verpflichtung ist das Bundesasylamt im konkreten Fall in keinster Weise nachgekommen, was an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben wird.

 

Des Weiteren hat es die belangte Behörde, in jenem offenbar als glaubwürdig eingestuften Teil des Vorbringens, als nicht asylrelevant erachtet, dass der im Betreff Genannte nach eigenem Vorbringen insgesamt dreimal aufgrund seiner politischen Aktivitäten festgenommen, inhaftiert und gefoltert wurde. Wie jedoch das Bundesasylamt zu diesem Ergebnis gelangt, kann anhand der begründenden Passagen des angefochtenen Bescheides ebenfalls nicht schlüssig nachvollzogen werden.

 

Da solcherart umfangreiche ergänzende Ermittlungen durchzuführen sind, hat der Asylgerichtshof von der durch § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, Abstand genommen und die Rechtssache gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
06.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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