TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/03 B8 402112-1/2008

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Veröffentlicht am 03.11.2008
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Spruch

B8 402.112-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (AsylG 2005) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Beisitzer über die Beschwerde des R.E., geb. 00.00.1986, StA. Republik Kosovo, vom 14.10.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.09.2008, Zahl: 07 10.493-BAT, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde des R.E. wird gemäß § 3 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

 

II. In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II. und III. behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer, damals Staatsangehöriger von Serbien - Provinz Kosovo - nunmehr Republik Kosovo, reiste am 12.11.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, brachte vor, der albanischen Volksgruppe anzugehören, am 00.00.1986 im Kosovo geboren worden zu sein und den im Kopf des Erkenntnisses genannten Namen zu führen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Befragung vor der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau am 13.11.2007 gab er an, das Herkunftsland verlassen zu haben, weil die wirtschaftliche Lage und die sozialen Bedingungen im Kosovo katastrophal seien.

 

Bei seiner Einvernahme am 07.01.2008 gab der Beschwerdeführer als Grund für das Verlassen seines Herkunftsstaates an, dass die Wirtschaftslage im Kosovo sehr schlecht sei. Es sei sehr schwierig, eine Arbeit zu bekommen und auch die politische Lage sei angespannt. Er habe auch gesundheitliche Probleme, und zwar habe er seit dem Krieg psychische Probleme. Er sei während des Kosovo-Krieges sehr klein gewesen und habe sehr viel gesehen, das er nicht vergessen könne. Er sei deswegen auch im Herkunftsstaat in ärztlicher Behandlung von 2001 bis 2006 gewesen. Er habe auch Nachweise seiner Behandlung., die er sich schicken lassen werde. Auch hier in Österreich habe er schon einen Psychiater-Termin. Der Beschwerdeführer gab an, im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zu befürchten, dass seine Krankheit im Kosovo nicht geheilt werden könne. Er sei schon so lange behandelt worden und habe aber nicht geheilt werden können. In Österreich würden sein Onkel, der ihn finanziell unterstützen könne und seine Tante leben, die beide schon österreichische Staatsbürger seien.

 

Nach Zulassung seines Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 17.03.2008 neuerlich einvernommen und gab als Fluchtgrund psychische Probleme an. Er leide an einem Kriegstrauma und sei auch schon in Österreich zweimal deshalb bei einem Arzt in Behandlung gewesen und habe Medikamente verschrieben bekommen, da er nicht schlafen könne. Er sei auch im Kosovo in Behandlung gewesen, aber diese Krankheit sei dort sehr problematisch, weil man sehr viel Geld brauche. Dies sei der einzige Grund gewesen, weshalb er nach Österreich gekommen sei. Er könne in der Nacht nicht schlafen. Er sei elf Jahre alt gewesen, als Krieg geherrscht habe. Die serbische Polizei habe seinen kleinen Bruder, als dieser zwei oder drei Jahre alt gewesen sei, vor den Augen des Beschwerdeführers und der ganzen Familie entführt. Er habe nur wegen seiner Krankheit den Kosovo verlassen. Er wolle wieder gesund werden, ohne Geld könne man im Kosovo nichts machen. Er habe in seiner Heimat Medikamente verschrieben bekommen und diese auch genommen, die ihm aber nicht geholfen hätten. Er habe viele tote Menschen gesehen, der Vorfall mit seiner Familie habe sich 1998 ereignet. Im Jahr 2007 habe er seine Heimat schließlich verlassen, da er es nicht mehr ausgehalten habe, er könne diese Plätze und Ortschaften nicht mehr sehen. Er habe versucht in seinem Heimatstaat gesund zu werden, habe es aber nicht geschafft.

 

Der Beschwerdeführer legte ein als "Fachbefund" bezeichnetes Schreiben einer Ordination der Neuropsychiatrie aus seinem Heimatstaat vor, aus dem sich nach Übersetzung ergibt, dass der Beschwerdeführer zwischen 21.06.2003 und 29.06.2007 in der Ordination in Behandlung gewesen sei, unter psychischen Problemen leide und mit verschiedenen Therapien behandelt worden sei. Eine Fortsetzung der Psychotherapie sei für den Zustand des Patienten notwendig.

 

Am 16.04.2008 erfolgte eine ärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Einholung eines fachärztlichen Gutachtens durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie zur Klärung der Frage, ob tatsächlich eine Traumatisierung und wenn ja, in welchem Ausmaß vorliege, welche Behandlungen erforderlich scheinen und, ob der Asylwerber trotz dieser Symptome imstande sei, die im Zuge der Einvernahme gemachten Äußerungen zu erfassen und richtig darzustellen.

 

Mit Schreiben vom 07.07.2008 urgierte das Bundesasylamt bei diesem Arzt die Erstattung des Gutachtens, das bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetroffen war.

 

Am 29.08.2008 erfolgte ein neuerliches Urgenzschreiben des Bundesasylamtes.

 

Am 23.09.2008 langte beim Bundesasylamt ein als "Psychiatrisch-psychotraumatologisches Sachverständigengutachten (Kurzform)" bezeichnetes Schreiben des beauftragten Facharztes, datiert mit 01.09.2008, ein. Darin wird ausgeführt, dass vorläufig diese Kurzform dem zuständigen Referenten übermittelt werde und um Übermittlung der niederschriftlichen Einvernahmen des Asylwerbers ersucht werde. Nach Exploration, strukturiertem Interview für PTSD, psychologischen Testverfahren und Beobachtung werde ein fachärztliches Gutachten in Kurzform erstattet. Die Untersuchung des Asylwerbers sei am 16.04.2008 erfolgt. Es wird festgestellt, dass die Frage, ob tatsächlich eine Traumatisierung bestehe, auf Grund der Befundergebnisse zu bejahen sei. Die Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung würden zumindest teilweise erfüllt. Die psychologischen Hilfsbefunde seien mit Traumaerfahrung und psychischer Belastung gut vereinbar. Diagnostisch sei von einer Belastungsstörung im Sinne einer Reaktion auf schwere Belastung F

43.8 ICD 10 auszugehen. Eine Behandlung der vorliegenden Störung sei erforderlich. Die Behandlung solle medikamentös, antidepressiv als auch in Form psychotherapeutischer Gespräche erfolgen. Auf Grund des Wissensstandes über die ärztliche Versorgung im Kosovo sei eine Behandlung in der Heimat des Asylwerbers möglich, wo er laut vorgelegtem Befund in fachärztlicher Behandlung gestanden sei. Der Asylwerber sei im Stande, seine Interessen im laufenden Verfahren ohne Gefahr eines Nachteiles wahrzunehmen, somit auch Fragen zu erfassen und richtig zu beantworten.

 

Am 23.09.2008 wurde auf dessen Ersuchen eine Niederschrift an den Gutachter übermittelt.

 

Am 29.09.2008 wurde der nun angefochtene Bescheid durch das Bundesasylamt erlassen und der Asylantrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Republik Kosovo abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gem. § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Darin wurde von der Behörde erster Instanz unter anderem festgestellt, dass es beim Beschwerdeführer keiner Behandlung wegen einer lebensbedrohenden Krankheit bedürfe. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat auf Grund wirtschaftlicher Probleme als auch auf Grund seines Gesundheitszustandes verlassen. Die von ihm benötigte Versorgung sei in seinem Heimatland gewährleistet.

 

Begründend wird zu Spruchpunkt II. im Hinblick auf die Erkrankung des Beschwerdeführers ausgeführt, dass sich aus der allgemeinen Lage im Heimatland des Beschwerdeführers alleine keine Gefährdung ergäbe. Der Beschwerdeführer habe keine Gefährdung oder lebensbedrohende Situation geltend gemacht, sondern lediglich, dass er ärztliche Hilfe in Österreich in Anspruch nehmen wolle. Es hätten sich keine in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Gründe, wie etwa eine lebensbedrohende Krankheit, ergeben. Bezüglich seiner psychischen Erkrankung sei vom Facharzt Primarius Dr. S. ein Sachverständigengutachten erstellt worden, aus dem sich ergeben habe, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Diese Erkrankung bedürfe einer Behandlung, sowohl medikamentös, als auch psychotherapeutischer Natur. Der Beschwerdeführer sei bereits in seiner Heimat von einem Facharzt behandelt worden. Auch aus den Länderfeststellungen sei ersichtlich, dass die erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland gegeben seien. Diese Punkte ließen nur den Schluss zu, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in sein Heimatland, auch im Hinblick auf seine psychische Erkrankung möglich und zuzumuten sei, zumal auch die erforderlichen Medikamente, wenn auch nicht die verordneten, aber doch adäquate Ersatzmedikamente, in seiner Heimat erhältlich seien.

 

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.10.2008 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Rechtsvertreter das zu Grunde gelegte Gutachten nie zur Kenntnis gelangt sei, weshalb auch nicht überprüft werden könne, ob es schlüssig sei. Weiters habe sich das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zwischen März 2008 und dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich verändert und sei dies nicht im Bescheid berücksichtigt worden..

 

Hinsichtlich der Behandlung von psychischen Erkrankungen und posttraumatischen Belastungsstörungen sei die medizinische Versorgung eingeschränkt. Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde eine Bestätigung der Direktion für Gesundheit und Wohlfahrt der Gemeinde R. vor, wonach die Krankenversicherung im Augenblick im gesamten Gebiet der Republik Kosovo nicht funktionieren würde. Im Sinne der Judikatur sei es notwendig gewesen, die Möglichkeiten von Behandlungen im Kosova zu prüfen. Das Argument des Beschwerdeführers, dass er, wenn er keine finanziellen Mittel habe, keine Hilfe in den psychiatrischen Zentren bekommen könne, habe die Behörde schlichtweg ignoriert.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Im vorliegenden Fall weist die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohungssituation keine asylrelevante Verfolgung auf. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers kann weder entnommen werden, dass er aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe verfolgt werde, noch, dass ihm die kosovarischen Behörden aus einem solchen Grund Schutz verweigern würden (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203 mit weiterem Nachweis). Das Bundesasylamt hat somit den Asylantrag des Beschwerdeführers - im Ergebnis - zu Recht abgewiesen.

 

Zu den Spruchpunkten II. und III.:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

 

der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragsstellers. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 ist ein Herkunftsstaat, der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

 

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Vorraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

 

Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg.cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es ist gemäß § 19 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt es nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde (Anm.: nunmehr der Asylgerichtshof) erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass sie ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann (vgl. z.B. das Erkenntnis des VwGH vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315).

 

Im vorliegenden Fall ist es auf Grund des vom Bundesasylamt durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht möglich, abschließend festzustellen, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Gewährung von subsidiärem Schutz relevant sein könnte:

 

Beweiswürdigend stellte das Bundesasylamt fest, dass der Beschwerdeführer psychische Probleme habe und stützte sich dabei offenbar auf das als "Kurzgutachten" bezeichnete Schreiben des Facharztes Prim. Dr. S. datiert mit 01.09.2008 (eine "Langfassung" ist dem vorliegenden Akt nicht zu entnehmen). Dieses Schreiben erfüllt jedoch nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht die Anforderungen, die ein Gutachten nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllen muss, um als Beweismittel der Entscheidung zu Grunde gelegt zu werden, und es wurde dem Beschwerdeführer offenbar auch nicht vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis gebracht.

 

Nach herrschender Lehre und Rechtssprechung des VwGH muss ein Sachverständigen-Gutachten einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besondere Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, das Gutachten im engeren Sinn. Der Sachverständige muss aber im Bereich der Tatsachen bleiben; Rechtsfragen zu lösen, ist der Behörde vorbehalten (Hinweis auf Walter-Mayer, Grundriß des österr. Verwaltungsverfahrensrechts2; S 115, Klecatsky, Der Sachverständigenbeweis im Verwaltungsverfahren, ÖJZ 1961, Seiten 310, 313, 314; Erkenntnisse des VwGH vom 2.12.1955, 3379/53, VwSlg 3906 A/1955, vom 22.1.1979, 0061/78 und vom 22.9.1980, 0367/80).

 

Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteils (eines Gutachtens im engeren Sinne) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrundelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht gerecht. (Hinweis auf Erkenntnisse des VwGH vom 12.10.1949, 1082/48, VwSlg 1019 A/1949, vom 25.4.1950, 1771/49, VwSlg 1389 A/1950, vom 16.2.1952, 0076/51, VwSlg 2453 A/1952, vom 26.1.1970, 0114/69, VwSlg 7714 A/1970, vom 22.1.1979, 0061/78). Der Sachverständige muss also auch darlegen, auf welchem Weg er zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist, damit eine Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens vorgenommen werden kann. (Hinweis auf E vom 1.12.1976, 0943/76 und vom 25.1.1979, 1647/77).

 

Im vorliegenden Beschwerdefall ist es dem Asylgerichthof vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung nicht möglich, allein auf Grundlage des vorliegenden "Kurzgutachtens" zu beurteilen, ob dem Beschwerdeführer auf Grund einer möglicherweise bestehenden psychischen Erkrankung subsidiärer Schutz zu gewähren ist, zumal das Bundesasylamt, wie sich aus dem Aktenvermerk vom 23.09.2008 im vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, durch den beauftragten Facharzt telefonisch ersucht worden war, zur Fertigstellung des Gutachtens die Niederschrift zu übermitteln, was mit Telefax noch am selben Tag seitens des Bundesasylamtes auch erfolgte, jedoch das endgültige Ermittlungsergebnis offenbar nicht abgewartet wurde und auch derzeit nicht im Akt aufliegt und somit eine Beurteilung des Sachverhaltes noch gar nicht möglich ist. Es wird daher im weiteren Verfahren die Einholung eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung erforderlich sein, aus dem sich nicht nur in nachvollziehbarer Weise die Art und Schwere der Erkrankung, sondern auch die notwendigen Behandlungen (siehe auch die Ausführungen zum nächsten Punkt) und eine schlüssige Einschätzung des Arztes hinsichtlich der Rückführbarkeit des Beschwerdeführers ergeben müssten.

 

Auch hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten enthält der angefochtene Bescheid lediglich die Feststellung, dass medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung erforderlich sei. Auch diese Feststellung wird offenbar auf das - jedenfalls in der vorliegenden Kurzform - nicht ausreichend schlüssige "Kurzgutachten" gestützt. Es wurde vom Bundesasylamt aber nicht abschließend festgestellt, welche Medikamente der Beschwerdeführer tatsächlich benötigt und in welcher Form er diese in seinem Herkunftsstaat tatsächlich erhalten könnte.

 

Es fehlen weiters Feststellungen im Hinblick auf den Einwand des Beschwerdeführers, dass ihm die im Kosovo zur Verfügung stehenden Einrichtungen zur Behandlung seiner psychischen Krankheit nur helfen würden, wenn er über finanzielle Mittel verfügen würde, insbesondere zumal es noch keine funktionierende Krankenversicherung gebe.

 

Auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführervertreters, dass die Verhältnisse betreffend das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung andere gewesen seien, wären im Zuge der Neueinvernahme auch diesbezüglich weitere Ermittlungen erforderlich.

 

Auch der Asylgerichtshof geht davon aus, dass nach dem amtsbekannten Ländermaterial grundsätzlich Behandlungsmöglichkeit psychischer Erkrankungen in der Republik Kosovo besteht. Auf Grund der angeführten fehlenden Ermittlungsergebnisse ist jedoch im gegenständlichen Fall nicht abschließend beurteilbar, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Rückführung des Beschwerdeführers in die Republik Kosovo eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde.

 

Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich daher hinsichtlich der Entscheidung über die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten insgesamt als so mangelhaft, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, wobei es für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG unerheblich ist, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine bloße Einvernahme erfolgt (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084 mwN; 21.11.2002, 2002/20/0315; VwGH 11.12.2003, 2003/07/0079).

 

Im Rahmen einer solchen Verhandlung bzw. Einvernahme wäre zur vollständigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes auch die Erörterung der Ermittlungsergebnisse mit dem Beschwerdeführer notwendig, um diesem das in § 43 Abs. 4 AVG verbürgte Recht zur Stellungnahme zu gewährleisten. Auf Grund der oben angestellten Erwägungen kann auch nicht gesagt werden, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch den Asylgerichtshof bei einer Gesamtbetrachtung zu einer Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abschiebungshindernis, gesundheitliche Beeinträchtigung, Kassation, mangelnde Asylrelevanz, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, medizinische Versorgung, Traumatisierung, wirtschaftliche Gründe
Zuletzt aktualisiert am
20.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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