S2 402.421-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde von E. H., geb. 00.00.1965, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.10.2008,
FZ 08 04.491-EAST West, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 21.05.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
1.2. Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin am 08.05.2008 in Polen (Lublin) einen Asylantrag gestellt hatte (AS 19).
1.3. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.05.2008 gab die Beschwerdeführerin in Anwesenheit eines Dolmetschers der Sprache Russisch im Wesentlichen an, sie sei am 00.00..1965 in G.Russland geboren und sei am 05.05.2008 mit einem PKW nach Moskau gefahren und von dort mit einem Taxi nach Polen. Dort seien ihr die Fingerabdrücke und ihr Reisepass abgenommen worden. Sie sei aber nie im Lager angekommen, sondern hätte sich bei einer alten Frau aufgehalten. Nach 3 Tagen sei sie über unbekannte Länder nach Österreich weitergereist, wo sie am 21.05.2008 angekommen sei. Als Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Ehemann am tschetschenischen Krieg teilgenommen hätte und sie danach Briefe bekommen hätten. Darin wären sie erpresst worden, dass man die russischen Behörden über die Kriegsbeteiligung ihres Mannes informieren würde. Im August 2004 sei sie mit ihrem Sohn nach Grozny zu Verwandten gegangen und bei ihrer Rückkehr wäre ihr Mann verschwunden gewesen. Sie wüsste bis heute nicht, wo er sich aufhalte. 2007 sei ihr Sohn von russischen Behörden unter Druck gesetzt worden, den Aufenthaltsort des Vaters bekannt zu geben. Diese hätten ihren Sohn auch geschlagen. Im März 2008 seien maskierte Männer zu ihr nach Hause gekommen und hätten ihren Sohn mitnehmen wollen. Dieser habe flüchten können. Seitdem würde die Beschwerdeführerin auch den Aufenthaltsort des Sohnes nicht kennen. Die maskierten Männer hätten sie mitgenommen, eingesperrt und geschlagen. Nachdem sie freigelassen worden sei, sei sie aus Angst aus ihrer Heimat geflüchtet. Auf die Frage, was gegen eine Abschiebung nach Polen spräche, brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei auf Grund ihres Gesundheitszustandes wegen einer Knochenkrankheit nicht transportfähig. In Bezug auf eine mögliche Rückkehr in ihre Heimat, teilte die Beschwerdeführerin mit, sie hätte große Angst zurückzukehren. Die Beschwerdeführerin legte einen Inlandsreisepass vor (AS 29ff).
1.4. Das Bundesasylamt richtete am 26.05.2008 ein dringendes Wiederaufnahmeersuchen bezüglich der Beschwerdeführerin gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: "Dublin II-VO") an Polen (AS 39ff).
1.5. Am 28.05.2008 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und dass seit 26.05.2008 Konsultationen mit Polen geführt würden (AS 53/55).
1.6. Mit Schreiben vom 27.05.2008, eingelangt am 29.05.2008, stimmte Polen dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zu (AS 79).
1.7. Laut Aktenvermerk des Bundesasylamtes über Krankenhausaufenthalte der Beschwerdeführerin vom 18.09.2008, war die Beschwerdeführerin vom 29.05.2008 bis 27.07.2008 in stationärer Behandlung - Schlussbericht AS 91 ff. Am 27.07.2008 wurde sie in einKrankenhaus in Linz verlegt. Mit 27.08.2008 wurde die Beschwerdeführerin wieder ins Krankenhaus rücküberstellt, wo sie laut telefonischer Auskunft am 08.09.2008 noch nicht entlassen gewesen sei (AS 125). Ein vorläufiger Arztbrief von Prim. Univ.-Doz. Dr. R. S., Leiter einer internen Abteilung , vom 27.08.2008 liegt dem Akt bei (AS 143f). Laut ärztlichem Schlussbericht von Prim. Dr. R. S., Leiter einer medizinischen Abteilung für innere Medizin vom 24.09.2008 wurde die Beschwerdeführerin am 24.09.2008 aus der stationären Behandlung entlassen (AS 159ff).
1.8. In der von der Erstbehörde eingeholten gutachterlichen Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin und für Psychotherapeutische Medizin vom 30.09.2008 (AS 173ff) sind hinsichtlich der Beschwerdeführerin folgende "aktuelle Diagnosen" angeführt: "a) Depressio, ggw. mittelschwer; b) Myeloproliferatives Syndrom (PV) ED 0/98; c) Budd Chiari Syndrom, Zn TIPS Operation 08/08; d) Refluxösophagitis (07/08)". Zusammmenfassend ist ausgeführt, die Untersuchte leide an einer depressiven Episode, gegenwärtig mittelschwer, die vor dem Hintergrund der bösartigen Bluterkrankung mit drohender Leberzirrhose einerseits und der unentschiedenen Asylsituation zu sehen ist. Diese vorliegende belastungsabhängige, krankheitswertige psychische Störung ist allerdings nicht so schwerwiegend, dass sie bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden und somit einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Polen entgegenstehen würde. Allerdings führt die Ärztin schlussfolgernd aus, dass die Beschwerdeführerin zum Untersuchungszeitpunkt zwar psychisch, aber nicht physisch kompensiert erscheint, sodass eine Überstellung nach Polen zur Weiterverfolgung des Asylverfahrens im Sinne einer Reisefähigkeit nicht möglich ist (AS 181; Fettdruck nicht im Original).
1.9. Am 14.10.2008 wurde die Beschwerdeführerin, nach erfolgter Rechtsberatung, vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, im Beisein eines Rechtsberaters sowie eines Dolmetschers der Sprache Russisch, niederschriflich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass sie in Polen zwar einen Asylantrag gestellt hätte, aber dort nicht bleiben wollte, weil es zu nahe an Russland sei und sie weit weg wollte von Tschetschenien. Die Beschwerdeführerin teilte mir, dass es in Polen keine Vorfälle gegeben hätte und sie keine Angaben zu ihrem polnischen Asylverfahren machen könne. In Österreich sei ein Neffe aufhältig, der für sie regelmäßig Lebensmittel einkaufen und sie besuchen würde. Die Beschwerdeführerin hätte aber nie mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt. Die Beschwerdeführerin teilte mit, dass sie weitere ärztliche Behandlungen benötige und die richtige Behandlung nur in Österreich bekommen würde. Befragt zu der gutachterlichen Stellungnahme brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie sich eine Behandlung in Polen nicht leisten könne und dort niemanden hätte der ihr helfen könne. Auf die Frage des Rechtsberaters, wie lange sie Behandlung benötige, führte die Beschwerdeführerin ein Jahr an. Des weiteren müsse sie alle sechs Tage zu einer Kontrolle und würde nur für jeweils 1 Woche Medikamente bekommen (AS 195 ff).
2. Am 16.10.2008 erklärte die Beschwerdeführerin , dass sie beabsichtige, freiwillig zurückzukehren und einverstanden sei, dass ihr Asylantrag nach erfolgter Ausreise als gegenstandslos abgelegt werde (AS 289).
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO zur Prüfung dieses Antrages zuständig sei, sowie II. die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei (AS 209ff).
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende fristgerechte Beschwerde, in der beantragt wird, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Des Weiteren wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass sich das Bundesasylamt mit der lebensbedrohlichen Erkrankung der Beschwerdeführerin und den daraus ergebenden Fragen nicht ausreichend auseinandergesetzt hätte und zu dem fälschlichen Schluss gekommen sei, dass die Transportfähigkeit der Beschwerdeführerin gegeben und eine medizinische Versorgung in Polen vorhanden sei. Dazu wird auf die ärztliche Stellungsnahme von Oberarzt Dr. K., medizinische Abteilung eines Krankenhauses, vom 20.10.2008 verwiesen. Daraus ergebe sich eindeutig die lebensbedrohliche Gefahr einer Unterbrechung der Behandlung durch eine Abschiebung nach Polen und es wird auf die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Betreuung durch eine spezialisierte Abteilung hingewiesen. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass das Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin ungenügend sei, da es nicht von einem Facharzt für innere Medizin erstellt wurde, was die komplizierte Erkrankung aus dem Bereich der inneren Medizin aber erfordert hätte. Auch hätte das Bundesasylamt von amtswegen überprüfen müssen, ob die Beschwerdeführerin in Polen eine kontinuierliche und adäquate medizinische Behandlung bekommen würde. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass es nicht ausreichen würde, wenn das Bundesasylamt diesbezüglich auf ihre allgemeinen Feststellungen zur medizinischen Lage für Asylwerber in Polen verweisen würde. Eine Abschiebung würde daher die Art. 2 und 3 EMRK verletzen. Des Weiteren würde der Beziehung zu dem in Österreich lebenden Neffen, durch die lebensbedrohende Erkrankung der Beschwerdeführerin, besondere Bedeutung zu kommen. Dieser hätte sie wiederholte Male besucht und finanziell und menschlich unterstützt. Eine Abschiebung nach Polen würde daher Art. 8 Abs. 1 EMRK verletzen (AS 303).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Zum Sachverhalt hinsichtlich Reiseweg der Beschwerdeführerin vom Herkunftsstaat kommend und Asylantragstellung in Polen sowie zum Verfahrensgang wird auf die obige Darstellung verwiesen (Punkt I.), diese Feststellungen ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin iZm der damit im Einklang stehenden Aktenlage und sind unbestritten geblieben.
Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin geht der Asylgerichtshof davon aus, dass die Beschwerdeführerin am 30.9.2008 an folgenden Erkrankungen litt: a) Depressio, ggw. mittelschwer; b) Myeloproliferatives Syndrom (PV) ED 0/98; c) Budd Chiari Syndrom, Zn TIPS Operation 08/08; d) Refluxösophagitis (07/08)" und sie zu diesem Zeitpunkt nicht reisefähig war.
2. Rechtlich ergibt sich folgendes:
2.1. Mit 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag im Mai 2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG idF BGBI. I Nr. 100/2005 zur Anwendung gelangt.
2.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.
Die Dublin II-VO sieht in den Art. 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
In Art. 16 sieht die Dublin II-VO zur Wiederaufnahme eines Asylwerbers in den hier relevanten Bestimmungen Folgendes vor:
"Art. 16 (1) Der Mitgliedstaat der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:
(...)
c) einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen.
(...)
(3) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erlöschen, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels."
Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes, wonach die Beschwerdeführerin zunächst in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, sowie sich vor Abschluss dieses Verfahrens nach Österreich begeben, das sie seither nicht verlassen hat, und sie auch keine "Familienangehörigen" (iSd Art 7 iVm Art 2 lit i Dublin II-VO) in Österreich hat, kommt nach der Rangfolge der Kriterien der Dublin II-VO deren Art 16 Abs. 1 lit. c (iVm Art 13) als zuständigkeitsbegründende Norm in Betracht. Polen hat auch auf Grundlage dieser Bestimmung seine Zuständigkeit bejaht und sich zur Übernahme der Beschwerdeführerin und Behandlung ihres Antrages bereit erklärt.
Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
b) Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05, festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II-VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II-VO).
aa) Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK: Es lebt laut Beschwerdeführerin ein Neffe mit seiner Familie in Österreich. Die Beschwerdeführerin lebte aber in ihrer Heimat und auch jetzt in Österreich mit dem Neffen nicht im gemeinsamen Haushalt. Sie befindet sich auch weder in einem finanziellen noch in einem sonstigen Abhängigkeitsverhältnis von ihrem Neffen (etwa als pflegebedürftige Angehörige). Eine gewisse finanzielle Unterstützung und regelmäßige Besuche des Neffen allein begründen kein ausreichend intensives Naheverhältnis, das bei einer Abschiebung nach Polen eine Verletzung von Art. 8 EMRK begründen würde. Die Beschwerdeführerin lebt in keiner sonstigen familienähnlichen Lebensgemeinschaft und es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl 1802, 1803/06-11). Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK ist durch die strikte Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs daher nicht zu befürchten.
bb) Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK: Im Hinblick auf die Beschwerdeführerin wurde eine mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK in Bezug auf eine Abschiebung trotz ihrer schwerwiegenden Erkrankung vorgebracht. Weiters, dass eine Unterbrechung der Behandlung der Beschwerdeführerin durch eine Abschiebung lebensbedrohlich wäre, sowie die Behandlung dieser schweren und komplizierten Krankheit in Polen nicht gewährleistet wäre. Deshalb wäre das Selbsteintrittsrecht auszuüben gewesen.
Diesbezüglich ist anzuführen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B 2400/07 unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR).
Im Beschwerdefall ist die Erstbehörde trotz diagnostizierter Krankheiten von einer Reisefähigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen. Sie stützt sich dabei auf das von ihr in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten von Dr. M. vom 30.09.2008. Es ist jedoch aktenwidrig, dass darin eine Reisefähigkeit der Beschwerdeführerin attestiert wurde. In diesem Gutachten wird zwar verneint, dass einer Überstellung nach Polen schwere psychische Störungen entgegenstehen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden. Doch ist zusammenfassend ausdrücklich ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin - jedenfalls zum Untersuchungszeitpunkt - psychisch aber nicht physisch kompensiert erscheint, sodass eine Überstellung nach Polen zur Weiterverfolgung des Asylverfahrens im Sinne einer Reisefähigkeit nicht möglich ist (AS 181). Diesen Aspekt hat die Erstbehörde in ihren Überlegungen gänzlich außer Acht gelassen. Auch die ärztliche Stellungnahme von Oberarzt Dr. K. vom 20.10.2008 besagt, dass eine Unterbrechung der Behandlung der Beschwerdeführerin als lebensbedrohlich zu erachten und die Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht nicht reisefähig sei. Die Erstbehörde hat es daher unterlassen, die angenommene Reisefähigkeit - allenfalls nach Durchführung ergänzender Ermittlungen - schlüssig zu begründen.
Im Beschwerdefall ist aber entscheidungsrelevant, ob die Beschwerdeführerin im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung an einer derart schweren Erkrankung leidet, ob es in Polen grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten gäbe bzw. ob im Beschwerdefall insgesamt derart außergewöhnlicher Umstände vorliegen, dass die Abschiebung zu einer Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem in Art 3 EMRK garantierten Recht führen würde.
In diesem Zusammenhang ist für das weitere Verfahren anzumerken, dass es sich beim Budd-Chiari-Syndrom um eine seltene Erkrankung handelt, die Behandlungsmöglichkeiten in Polen daher einzelfallbezogen zu prüfen sind und es jedenfalls nicht ausreicht, auf die allgemeinen Feststellungen zum Gesundheitssystem für Asylwerber in Polen zu verweisen.
2.3. Gemäß § 41 Abs. 3 erster Satz AsylG ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren gemäß § 41 Abs. 3 zweiter Satz AsylG zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist gemäß § 41 Abs. 3 letzter Satz AsylG auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Da die Erstbehörde - wie oben dargelegt - die entscheidungsrelevante Frage der Schwere der Erkrankung der Beschwerdeführerin sowie - nötigenfalls - die Behandlungsmöglichkeit in Polen zur Beurteilung der Verpflichtung, vom Selbsteintrittsrechtes Österreichs Gebrauch zu machen, bzw. (allenfalls) zur Beurteilung eines nötigen Durchführungsaufschubes der Ausweisung, nicht hinreichend geklärt hat, erweist sich der vorliegende Sachverhalt als so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Klärung dieser Frage hat in einem mängelfreien Verfahren, allenfalls durch Einholung detaillierterer Gutachten und gegebenenfalls näherer Beleuchtung der Behandlungsmöglichkeiten in Polen unter Einräumung des Parteiengehörs zu erfolgen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.