S4 216.610-2/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des M. K., geb. 00.00.1973, StA.
Iran, vertreten durch: Mag. Nadja Lorenz, RA, Kirchengasse 19, 1070
Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2008, Zahl:
08 05.609-BAE, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger des Iran und ist über die Türkei mittels eines am 11.6.2008 ausgestellten deutschen Visums am 12.6.2008 nach Deutschland gereist. In der Folge reiste der Asylwerber zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt ins Bundesgebiet ein, wo er am 30.6.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl. Aktenseite 5, 123 u. 165).
Der Asylwerber war bereits im Jahr 1999 mittels eines französischen Visums über Frankreich letztlich nach Österreich gelangt, wo er am 18.11.1999 einen Asylantrag gestellt hatte, diesen jedoch letztlich - während sein Asylverfahren im Stadium der Berufung anhängig war - am 1.5.2000 zurückgezogen hatte (vgl. den dem Verwaltungsakt angeschlossenen Vorakt).
Mit E-mail vom 4.7.2008 stellte Österreich zunächst an Frankreich ein Informationsersuchen gem. Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) (Aktenseite 147). Mit Schreiben vom 29.8.2008 teilten die französischen Behörden Österreich mit, dass dem Asylwerber am 11.6.2008 seitens der deutschen Behörden ein Visum ausgestellt wurde (Aktenseite 165).
Mit E-mail vom 23.9.2008 ersuchte Österreich Deutschland um Übernahme des Asylwerbers gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II). Deutschland hat sich mit Schreiben vom 15.10.2008 (Aktenseite 205 f.) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) zu übernehmen.
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 17.9.2008 erklärte der Asylwerber nach Vorhalt, dass Deutschland zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, wörtlich: "Ich habe keine Gründe, die gegen eine Ausweisung nach Deutschland sprechen." (Aktenseite 123).
Der Asylwerber legte erstinstanzlich eine Bestätigung der "Grace Church International Ministries" vom 10.9.2008 vor, welcher zu entnehmen ist, dass er am 7.9.2008 christlich getauft wurde (Aktenseite 143 f.).
Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2008, Zahl: 08 05.609-BAE, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber durch seine rechtliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde erhoben und hierbei im Wesentlichen geltend macht, dass er fürchte, im Falle einer Überstellung nach Deutschland in den Iran abgeschoben zu werden, da in Deutschland die Konversion zum Christentum überwiegend nicht als asylrelevant, konkret als ein Umstand, der eine religiöse Verfolgung iSd GFK indizieren könnte, angesehen würde. Würde er in den Iran abgeschoben, hätte er aufgrund des von ihm angenommenen christlichen Glaubens mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
Zunächst ist anzumerken, dass mangels einer entsprechenden Dokumentenvorlage seitens der deutschen Behörden die Gültigkeitsdauer des deutschen Visums, mit welchem der Beschwerdeführer vor seiner Asylantragstellung im Bundesgebiet in Deutschland eingereist war, nicht eruiert werden konnte, die Zustimmung der deutschen Behörden zur Übernahme des Beschwerdeführers auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) allerdings bereits indiziert, dass das erteilte Visum zum Zeitpunkt der Asylantragsstellung in Österreich jedenfalls weniger als 6 Monate abgelaufen war (vgl. Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II)). Der Umstand, dass der Asylwerber laut eigenen Angaben am 12.6.2008 in Deutschland eingereist ist (Aktenseite 123) und ihm sein deutsches Visum laut französischen Behörden am 11.6.2008 ausgestellt worden ist (Aktenseite 165), bestätigt letztlich vollends, dass das erteilte Visum zum Zeitpunkt der Asylantragsstellung in Österreich (30.6.2008) jedenfalls weniger als 6 Monate abgelaufen war und die Zuständigkeit Deutschlands zur Prüfung des vorliegenden Antrages auf internationalen Schutz sohin gegeben ist.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.
Gemäß der - mittlerweile ständigen - Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (VfGH vom 8.3.2001, G 117/00 u. a., VfSlG 16.122; VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2000/01/0498) ist auf Kriterien der Art. 3 und 8 EMRK bei Entscheidungen gemäß § 5 AsylG, ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen Anordnung in der Bestimmung selbst, Bedacht zu nehmen.
Sohin ist zu prüfen, ob der Asylwerber im Falle der Zurückweisung seines Asylantrages und seiner Ausweisung nach Deutschland gem. §§ 5 und 10 AsylG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gem. Art. 3 EMRK (eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 8 EMRK wurde seitens des Antragstellers nicht behauptet und liegen auch keinerlei Anhaltspunkte hiefür vor, da der Asylwerber keine Verwandtschaft in Österreich hat) verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.
Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Antragsteller in Deutschland selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Deutschland entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatstaat unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. hierzu insbesondere Seite 10 f. des angefochtenen Bescheides). Da der Asylwerber in Deutschland noch gar keinen Asylantrag gestellt hat, ihm solches im Falle seiner Überstellung nach Deutschland jedoch selbstverständlich freisteht, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über den Ausgang und die Erfolgsaussichten eines vom Beschwerdeführer im zuständigen Mitgliedstaat möglicherweise angestrebten Asylverfahrens. Soweit der Asylwerber geltend macht, dass ihm im Falle seiner Überstellung nach Deutschland gegebenenfalls seine Kettenabschiebung in den Iran drohe und begründend ausführt, dass eine Konversion zum Christentum in Deutschland überwiegend nicht als asylrelevant (konkret als ein eine Verfolgung im Iran aus religiösen Gründen indizierender Umstand) angesehen würde, ist einzuwenden, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Deutschland gegen seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen aus der Dublin-Verordnung qualifiziert verstoßen würde, sodass seine in der Beschwerde geäußerten Befürchtungen letztlich keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Deutschland darzutun vermögen. Hinweise, dass der Asylwerber im Falle seiner Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat in eine existentielle Notlage geraten müsste, liegen ausgehend davon, dass in Deutschland eine Versorgung von Asylwerbern bezüglich Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege wie auch Gebrauchs- und Verbrauchsgüter sowie eine medizinische Versorgung im notwendigen Ausmaß sichergestellt ist (vgl. hierzu Seite 12 u. 13 des angefochtenen Bescheides), nicht vor.
Schließlich ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Deutschland nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK seine Überstellung nach Deutschland nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK relevante Gravität erreicht.
Im Übrigen hat bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides Feststellungen zum deutschen Asylverfahren, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen sowie Erwägungen zu seiner Ausweisung gem. § 10 AsylG und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfragen rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.