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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des M S in G, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zedlitzgasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 14. Oktober 1998, Zl. K 38/02/98.005/1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 17. September 1998 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als Lenker eines Lastkraftfahrzeuges am 17. Juni 1998 um
12.30 Uhr an einer näher bezeichneten Örtlichkeit eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich durchgeführt, wobei er kein vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung der Ökopunkte (genannt Ökokarte) für die betreffende Fahrt mitgeführt habe, wobei die Fahrt mit dem nach dem Kennzeichen bestimmten Lkw, zugelassen in Deutschland, als Überstellungsfahrt von Deutschland kommend in Richtung Ungarn mit dem Bestimmungsland Rumänien durchgeführt worden sei. Der Beschwerdeführer habe hiedurch die Rechtsvorschriften des § 23 Abs. 1 Z. 7 Güterbeförderungsgesetz, BGBl. Nr. 593/1995, in Verbindung mit Art. 3 Z. 1 der Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Oktober 1998 wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Unbestritten wurde im vorliegenden Fall ein in Deutschland zugelassenes - gebrauchtes - unbeladenes Lastkraftfahrzeug von Deutschland kommend durch das Gebiet der Republik Österreich in Richtung Ungarn "durchgeführt", wobei im Spruch des Straferkenntnisses das höchste zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeuges nicht genannt ist, jedoch aus der Begründung des Straferkenntnisses der Erstbehörde zu erschließen ist, dass sie von einem solchen über 7,5 Tonnen ausgegangen ist (ohne dies jedoch durch in Ermittlungen gewonnene Feststellungen zu untermauern).
Zunächst wird, was die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Behauptung anlangt, das Vorliegen einer "Überstellungsfahrt" schließe die Annahme einer Transitfahrt aus, auf Folgendes hingewiesen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z 8 GüterbefG 1995 (in der hier, wie noch auszuführen ist, entgegen der Auffassung der belangten Behörde anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs die nachstehend unter lit. a bis lit. d im einzelnen genannten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen. Die Ausnahmen von diesem "Ökopunktesystem" sind gemäß Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in deren Anhang C im einzelnen angeführt. Gemäß Art. 12 dieser Verordnung müssen - unter den dort näher angeführten Voraussetzungen - für Transitfahrten, deren alleiniger Zweck die Auslieferung eines fabrikneuen Fahrzeuges bzw. einer fabrikneuen Fahrzeugkombination vom Hersteller zu einem Bestimmungsort in einem anderen Staat ist, keine Ökopunkte entrichtet werden.
Als Vorschriften der Europäischen Union im Sinne des vorgenannten § 23 Abs. 1 Z 8 GüterbefG 1995 kommen im Beschwerdefall - neben den Verordnungen (EG) Nr. 3298/94 und Nr. 1524/96 - die Regelungen in dem der EU-Beitrittsakte beigefügten Protokoll Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie kombinierten Verkehr in Österreich, BGBl Nr. 45/1995, mit dem die wesentlichen Regelungen des Transitabkommens BGBl. Nr. 823/1992, übernommen wurden, in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0164, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Nach Art. 1 lit. c dieses Protokolls gilt als "Transitverkehr durch Österreich" jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen. Nach Art. 1 lit. d des Protokolls gelten als "Lastkraftwagen" jedes zur Beförderung von Gütern oder zum Ziehen von Anhängern in einem Mitgliedstaat zugelassene Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen, einschließlich Sattelzugfahrzeuge, sowie Anhänger mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen, die von einem in einem Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen oder weniger gezogen werden. Nach Art. 1 lit. e des Protokolls gilt ferner als "Straßengütertransitverkehr durch Österreich" jeder Transitverkehr durch Österreich, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet, ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist daher nicht entscheidend, ob der Lastkraftwagen beladen oder unbeladen durch das Gebiet der Republik Österreich geführt wird, zumal es lediglich darauf ankommt, dass es sich um ein zur Beförderung von Gütern oder zum Ziehen von Anhängern in einem Mitgliedstaat zugelassenes Kraftfahrzeug - wie das vorliegende - handelt. Dass die Fahrt als "Überstellungsfahrt" vorgenommen wurde, hindert somit die Tatbildmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht, zumal auch keiner der Ausnahmefälle des Anhanges C der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 zum Tragen kommt und auch nicht die Auslieferung eines fabrikneuen Fahrzeuges im Sinne des Artikels 12 dieser Verordnung vorlag.
Die Beschwerde ist dennoch im Ergebnis berechtigt: Die belangte Behörde hat nämlich, wie bereits erwähnt, übersehen, dass im Tatzeitpunkt (17. Juni 1998) bereits die - oben dargestellte - durch BGBl. I Nr. 17/1998 erfolgte Änderung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 in Geltung gestanden ist. Daraus folgt, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. September 1998, Zlen. 98/03/0036, 0212, und vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0099, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird), dass an Stelle der im angefochtenen Straferkenntnis angewendeten Bestimmung der Verwaltungsvereinbarung ab 1. Jänner 1998 Artikel 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission, anzuwenden war. Die Anführung der genannten Norm der Verwaltungsvereinbarung in Verbindung mit § 23 Abs. 1 "Z. 7" des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (nunmehr anzuwenden "Z. 8") als durch die Tat verletzte Vorschriften im Sinne des § 44a Z. 2 VStG war daher rechtlich verfehlt.
Der Beschwerdeführer hat sich ferner hinsichtlich seines mangelnden Verschuldens auf einen von ihm namentlich im Verwaltungsstrafverfahren geltend gemachten Zeugen und darauf berufen, ihm komme entschuldbarer Rechtsirrtum zugute, weil er sich bei einem zuständigen Organ der Zollverwaltung in Fulda erkundigt habe, welche Vorschriften anlässlich der Überstellung des Lkw von Deutschland nach Rumänien über Österreich einzuhalten seien, und habe sich dort auch danach erkundigt, ob die Unterlagen vollständig seien. Die belangte Behörde habe jedoch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Einvernahme des Zeugen unterlassen.
Damit hat der Beschwerdeführer einen der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangel aufgezeigt, der auch relevant ist. Die erkennbare Auffassung der belangten Behörde, ein deutsches Zollamt könne nicht als eine berufene Stelle für Auskünfte der hier in Rede stehenden Art angesehen werden, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Dem Argument der belangten Behörde, im Sinne der Verwaltungsvereinbarung (BGBl. Nr. 879/1992) seien als zuständige Behörden nur die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesminister (für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, nunmehr die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie) anzusehen, ist zu entgegnen, dass die dort vorgenommene Nennung der das Abkommen schließenden Behörden nicht ausschließt, dass bei den in einem Mitgliedstaat mit einschlägigen Agenden befassten Behörden bzw. deren Organwaltern auch Auskunft über die um Transitverkehr durch einen anderen Mitgliedstaat auf Grund von gemeinschaftsrechtlichen Normen und im Konkreten über die vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall benötigten Unterlagen eingeholt werden kann. Bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers kann dieses nur dahin verstanden werden, er habe auf seine Anfrage eine negative Auskunft erhalten. Die Vermutungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, es seien außer zollrechtlichen Auskünften keine anderen gegeben worden, stellen eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung dar. Die Unterlassung der nach § 51e Abs. 1 VStG vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung, die die Gelegenheit geboten hätte, zur Entlastung des Beschwerdeführers dienliche Beweise aufzunehmen, belastet daher den angefochtenen Bescheid zusätzlich auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der angefochtene Bescheid war daher, da die ihn belastende Rechtswidrigkeit des Inhaltes vorgeht, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. April 2001
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998030322.X00Im RIS seit
22.06.2001