RS UVS Oberösterreich 1995/06/14 VwSen-230319/2/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 14.06.1995
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Rechtssatz

Gemäß § 3 Abs.1 O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten strafbaren Handlung, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

Nach § 3 Abs.2 O.ö. PolStG sind unter störendem Lärm alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretende Geräusche zu verstehen. Nach § 3 Abs.3 O.ö. PolStG ist störender Lärm dann als ungebührlicherweise erregt anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muß und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann.

Was die erste Auseinandersetzung zwischen dem Bw und dem Meldungsleger um 16.01 Uhr betrifft, erscheint nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates die Erregung störenden Lärms durch den Bw nicht hinreichend dokumentiert. Es mag zwar ein Streitgespräch stattgefunden haben, bei dem der Bw auf seine Wortwahl nicht besonders achtete und sich auch mit erhobener Stimme beim Meldungsleger beklagte. Eine für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretende Geräuschkulisse ist der Anzeige aber nicht zu entnehmen. Es gibt insofern jedenfalls keinen Hinweis, daß andere Personen das Verhalten des Bw als störenden Lärm empfunden haben. Diesbezüglich scheitert eine Bestrafung schon aus Mangel an Beweisen.

Erst die Schilderung des Meldungslegers vom Vorfall anläßlich der zweiten Beanstandung des Bw um 16.13 Uhr läßt darauf schließen, daß sich dieser nunmehr schon im Hinblick auf das wiederholte Einschreiten des Polizeibeamten innerhalb so kurzer Zeit als besonders unangemessen verfolgt empfand, was eine zornige und lautstarke Reaktion nahelegte. Die Erregung war sogar so tiefgreifend, daß sich der Bw unmittelbar nach dem Vorfall in zwei Wachzimmern über den Meldungsleger beschwerte. Der Meldungsleger hatte durch das Geschrei des Bw keine Möglichkeit mehr zu dessen Aufklärung und Passanten reagierten mit Unmutsäußerungen. Er mußte den Bw auch abmahnen. Für diesen Vorfall erscheint im Hinblick auf die geschilderten Umstände die ungebührliche Erregung störenden Lärms als überzeugend. Dennoch durfte die belangte Strafbehörde in rechtlicher Hinsicht nicht einfach von dieser Verwaltungsübertretung ausgehen.

Der § 3 Abs.1 O.ö. PolStG steht unter ausdrücklicher Subsidiaritätsklausel. Nach dieser Bestimmung liegt eine Verwaltungsübertretung nur vor, wenn durch das inkriminierte Verhalten keine andere Verwaltungsübertretung oder gerichtlich strafbare Handlung verwirklicht wurde. Dies ist im vorliegenden Fall aber mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Das mit 1. Mai 1993 in Kraft getretene Sicherheitspolizeigesetz - SPG (BGBl. Nr. 566/1991) enthält im § 81 Abs.1 eine Nachfolgebestimmung zur Störung der Ordnung an öffentlichen Orten nach dem durch die EGVG Novelle BGBl. Nr. 143/1992 aufgehobenen Art.IX Abs.1 Z1 EGVG. Nach der Vorschrift des § 81 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört. Bezeichnend ist, daß der Meldungsleger seine Anzeige unter dem Gesichtspunkt der Störung der öffentlichen Ordnung erstattet hat und auch ausdrücklich auf § 81 Abs.1 SPG Bezug nahm. Aufgrund seiner Schilderung wäre an ein besonders rücksichtloses Verhalten des Bw, mit dem er die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört hat, durchaus zu denken gewesen. Freilich hätte die belangte Strafbehörde im Interesse einer erschöpfenden rechtlichen Beurteilung zum Aspekt der besonderen Rücksichtslosigkeit noch gezielte ergänzende Erhebungen, etwa durch genauere Befragung des Meldungslegers oder unter Umständen auch anderer Zeugen, durchzuführen gehabt. Nach der Regierungsvorlage sollte durch die Wendung "besonders rücksichtsloses Verhalten" verstärkt auf die Intention des Täters abgestellt werden. Außerdem sollte der Gedanke der Rechtfertigung der Störung durch allfällige Ausübung von Grund- und Freiheitsrechten entscheidend sein (vgl Erl zur RV SPG, 148 BlgNR 18. GP, 52).

Die Ausübung solcher Rechte war nach der gegebenen Sachlage aber nicht anzunehmen, weil sich der Bw von vornherein im Unrecht befand. Er führte keine Ladetätigkeit durch und hatte daher seinen PKW entgegen § 24 Abs.1 lit.a) StVO verbotswidrig abgestellt. Die Zustellung von Urkunden ist keine Ladetätigkeit, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geringfügige Gegenstände, die eine Person in der Hand oder unter dem Arm leicht tragen kann, nicht Objekt einer Ladetätigkeit sein können (vgl etwa VwGH 28.10.1988, ZVR 1989/123; VwGH 13.11.1979, ZVR 1980/222). Er wurde daher von vornherein zu Recht beanstandet. Ebensowenig hatte er Anspruch auf eine bloße Organstrafverfügung (vgl zuletzt VwGH 24.2.1995, 94/02/0520, 95/02/0050). Dies umso weniger als er sich uneinsichtig zeigte und schon öfters gemäß § 21 Abs.2 VStG abgemahnt worden war. Da er trotz unbestrittenen Parkens in einer Kurzparkzone keine Parkscheibe anbrachte, hatte er auch die weitere Beanstandung durch den Meldungsleger sich selbst zuzuschreiben. Sein aufgebrachtes Geschrei infolge der Amtshandlung durch den Meldungsleger war durch nichts zu rechtfertigen. Da der Bw in seinem aufbrausenden Verhalten eskalierte und die Amtshandlung behinderte, mußte er auch abgemahnt werden. Die Hauptursache für die lautstarke Auseinandersetzung an einem öffentlichen Ort lag in den bedenklichen Charaktereigenschaften des Bw, die dem Meldungsleger schon aus früheren Begebenheiten einschlägig bekannt waren. Deshalb hätte die belangte Behörde wohl von einem die öffentliche Ordnung störenden, besonders rücksichtslosen Verhalten des Bw ausgehen müssen, das subjektiv und objektiv hinreichend zum Ausdruck kam.

Die belangte Strafbehörde hat dem Bw die Verwaltungsübertretung des § 81 Abs.1 SPG überhaupt nicht vorgeworfen. Die erste Verfolgungshandlung war die Strafverfügung vom 23.09.1993, hinterlegt am 04.10.1993, die mit dem Spruch des Straferkenntnisses gleichlautende Tatvorwürfe enthält. Diese stellen aber in unzureichender Weise nur auf die Lärmerregung durch lautes Schreien ab, ohne die Situation der Amtshandlungen näher zu konkretisieren. Eine taugliche Tatanlastung hätte sich am Wortlaut des Tatbestands der primären Verwaltungsübertretung des § 81 Abs.1 SPG orientieren und den subsumtionsrelevanten Sachverhalt darstellen müssen. Nur wenn eine Verwaltungsübertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz auszuschließen ist und wenn auch sonst keine strafbare Handlung durch dasselbe einheitliche Geschehen vorliegt, ist der subsidiäre Auffangtatbestand des § 3 Abs.1 O.ö. PolStG anwendbar. Da die Strafbehörde diese Rechtslage verkannte und keine ausreichende Verfolgungshandlung vornahm, ist Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG eingetreten. Die Strafverfahren waren daher gemäß § 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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