TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/27 97/08/0589

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2001
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §26 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §26 Abs3 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der P in S, vertreten durch Mag. Wolfgang Zinnhobler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 23. September 1997, Zl. 4/12897/Nr.963/97-1, betreffend Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist seit dem 11. Jänner 1993 mit einem Anteil von 25 % Gesellschafterin und Alleingeschäftsführerin der P GmbH, Frisiersalon und Kosmetik, mit Sitz in S. Ab dem 9. März 1993 übte die Beschwerdeführerin ihre Geschäftsführungstätigkeit im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Aufgrund einer Mutterschaft wurde der Beschwerdeführerin, die vom 12. März 1997 bis zum 3. Juli 1997 Wochengeld bezogen hatte, unter Aufrechterhaltung dieses Dienstverhältnisses ein Karenzurlaub für die Zeit vom 3. Juli 1997 bis zum 7. Mai 1999 gewährt.

Mit Bescheid vom 31. Juli 1997 wies das Arbeitsmarktservice Wels den Karenzurlaubsgeldantrag der Beschwerdeführerin vom 11. Juli 1997 - ohne Vornahme von Feststellungen über deren Einkommenssituation - mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin habe als Geschäftsführerin ein "ihrem Geschäftsanteil entsprechen(des)" Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen, für die Zeit ab dem 3. Juli 1997 kein bzw. nur ein geringfügiges Einkommen der Beschwerdeführerin von monatlich S 3.360,-- geltend machenden Berufung keine Folge. Sie stellte fest, dass die Beschwerdeführerin ihre Geschäftsführertätigkeit weiterhin ausgeübt, ihr vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis mit 11. März 1997 bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet und ab dem 4. Juli 1997 als geringfügiges Dienstverhältnis wieder angemeldet habe. Die Beschwerdeführerin habe ihre Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin in Form eines Dienstverhältnisses ausgeübt. Daran habe sich nichts geändert. Nur das Ausmaß der Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei eingeschränkt worden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, eine Auflösung eines Dienstverhältnisses könne ohne Beendigung der organrechtlichen Funktion als Geschäftsführer nicht als "Beendigung der Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG" angesehen werden. Somit schließe eine "Karenzierung des Dienstverhältnisses bei aufrechtem Bestand der Organstellung" den Bezug des Karenzurlaubsgeldes aus. Die Beschwerdeführerin könne nicht eine Karenzierung ihrer Geschäftsführertätigkeit vereinbaren. Auf Grund einer selbständigen Erwerbstätigkeit könne begrifflich kein Karenzurlaub vereinbart werden. Es komme daher gar nicht darauf an, ob das Einkommen der Beschwerdeführerin ab dem 4. Juli 1997 über oder unter der Geringfügigkeitsgrenze gelegen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Arbeitslosigkeit von Geschäftsführern einer GmbH und der Voraussetzung der Beendigung nicht nur des Anstellungsverhältnisses sondern auch der Organfunktion (vgl. dazu die seit dem Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138 ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) vertritt die belangte Behörde die Auffassung, auch der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld setze (neben der Karenzierung des Dienstverhältnisses) eine Beendigung der Organstellung voraus.

Der Verwaltungsgerichtshof führte im genannten Erkenntnis vom 30. Mai 1995 aus, ein Anstellungsvertrag ergänze lediglich das Organverhältnis eines Geschäftsführers einer GmbH. Von einem vom Funktionsverhältnis völlig unabhängigen Dienstverhältnis könne keine Rede sein (i.d.S. auch das den Dienstgeber eines verliehenen GmbH-Geschäftsführer betreffende Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Slg. Nr. 14.194/A). Da die Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht einmal die mit der Innehabung der Geschäftsführerfunktion nach dem GmbHG zwingend verbundene Hauptleistungspflicht eines Geschäftsführers zur Gänze aussetze, sondern nur die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgegebenen Verpflichtung zur Dienstleistung und Geschäftsbesorgung, sei zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen davon auszugehen, dass die bloße Beendigung des Anstellungsverhältnisses (ohne die Beendigung des Organverhältnisses) nicht die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses i.S. des § 12 Abs. 1 AlVG bewirke.

Die im vorliegenden Fall für den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Karenzurlaubsgeld maßgebliche Vorschrift des AlVG in der von der belangten Behörde gemäß § 80 Abs. 6 AlVG i. d.F. BGBl. I Nr. 47/1997 auch über den 30. Juni 1997 hinaus noch anzuwendenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, lautete:

"§ 26. (1) Anspruch auf Karenzurlaubsgeld haben

1. Mütter,

a)

die die Anwartschaft erfüllt haben und

b)

sich aus Anlass der Mutterschaft in einem Karenzurlaub befinden oder deren Dienst(Ausbildungs-, Lehr-)verhältnis von ihnen wegen der bevorstehenden oder erfolgten Entbindung oder vom Dienstgeber gelöst oder durch Zeitablauf beendet wurde, wenn infolge der Entbindung auf Grund des Dienst-(Ausbildungs-, Lehr-)verhältnisses Anspruch auf Wochengeld entstanden ist;

(...)

(2) ...

(3) Keinen Anspruch auf Karenzurlaubsgeld haben Mütter, die

a)

in einem Dienstverhältnis stehen;

b)

selbständig erwerbstätig sind;

...

(4) Anspruch auf Karenzurlaubsgeld haben jedoch bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Mütter, die gemäß § 12 Abs. 6 als arbeitslos gelten."

In dem Erkenntnis vom 27. Jänner 1983, Slg. Nr. 10.961/A, sprach der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtsnatur des gesetzlichen Karenzurlaubs nach § 15 MSchG mit näherer Begründung aus, dass bei einer Karenzierung der Dienstvertrag aufrecht bleibe, seine gegenseitigen Hauptleistungspflichten für die Dauer des Karenzurlaubes aber suspendiert seien. Nach Ablauf des Karenzurlaubs lebten die vorübergehend suspendierten Pflichten wieder auf.

Davon zu unterscheiden sei aber eine Vereinbarung, nach der die genannten Verpflichtungen weiterhin suspendiert blieben, sich die Dienstnehmerin aber gegenüber einem anderen oder - zur Vermeidung sachlich ungerechtfertigter Differenzierungen - gegenüber ihrem (bisherigen) Dienstgeber zu (gleichen oder anderen) Dienstleistungen verpflichte, aus denen sie nur ein geringfügiges Entgelt i.S. des § 26 Abs. 4 lit. a AlVG i.d.F. vor BGBl. Nr. 297/1995 (nunmehr § 26 Abs. 4 AlVG) erziele. Eine derartige Vereinbarung beende weder den Karenzurlaub, noch den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld (i.d.S. auch das einen Anspruch auf Wiedereinstellungsbeihilfe nach Art. XXI Abs. 1 Karenzurlaubserweiterungsgesetz 1990, BGBl. Nr. 408, betreffenden Erkenntnis vom 2. Juli 1996, Zl. 96/08/0046).

Nach den getroffenen Feststellungen setzte die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin über den 3. Juli 1997 hinaus fort (vgl. zur Indizfunktion des Firmenbuches die ein Urteil des OLG Wien zum KGG betreffende Entscheidungsanmerkung von Brodil, ZAS 2000/21). Damit scheitert der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Karenzurlaubsgeld schon daran, dass sie sich wegen nicht gänzlicher (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138) Suspendierung der Hauptleistungspflichten jenes Dienstverhältnisses, das die Anwartschaft für die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung begründete, nicht (i.S. des § 26 Abs. 1 Z 1 lit. b AlVG) "in einem Karenzurlaub befindet".

Die ab dem 4. Juli 1997 mit der Beschwerdeführerin vereinbarte Änderung des die Geschäftsführertätigkeit betreffenden Anstellungsvertrages im Sinne einer nunmehr bloß "geringfügigen Beschäftigung" begründete kein - neben ein (zuvor) karenziertes erstes Dienstverhältnis zum selben Arbeitgeber tretendes - zweites Dienstverhältnis (vgl. zum Nebeneinanderbestehen zweier Arbeitsverhältnisse das zitierte Erkenntnis vom 27. Jänner 1983, Slg. Nr. 10.961/A, und Knöfler, MSchG12, Erl 1.9 zu § 15), sondern lediglich die Modifikation der unter Beibehaltung der Geschäftsführerstellung nach wie vor aufrechten Hauptleistungspflichten ein- und desselben Dienstverhältnisses. Damit sind die Voraussetzungen für den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld aber nicht erfüllt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997080589.X00

Im RIS seit

18.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten