TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/6 98/03/0146

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Veröffentlicht am 06.09.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/03/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerden des Dr. O in Stuttgart, vertreten durch DDr. Georg Bahn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg 1.) vom 18. Februar 1998, Zlen. UVS-3/4843/3-1998, UVS- 7/913/3-1998 (hg. Zl. 98/03/0146), und 2.) vom 2. März 1998, Zl. UVS-3/4842/3-1998 (hg. Zl. 89/03/0147), betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960,

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 2. März 1998 wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 18. Februar 1998 wird abgelehnt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

     Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im

Pongau vom 26. November 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig

erkannt, er habe - unter näherer Angabe von Tatort und Tatzeit -

als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Personenkraftwagens

     "1. ... die durch Vorschriftszeichen kundgemachte zulässige

Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h unter besonders gefährlichen

Verhältnissen, da im Tunnelbereich, erheblich, zumindest um

80 km/h überschritten,

     2. ... die auf Autobahnen höchstzulässige Geschwindigkeit von

130 km/h um 70 km/h überschritten

     und

     3. ... ein Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen benützt

..., welches das Unterscheidungskennzeichen des Heimatstaates nicht geführt hat."

Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen

1. "gemäß § 52a Z. 10a StVO" begangen und wurde über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO eine Geldstrafe in Höhe von

S 14.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt;

2. gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen und wurde über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von

S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt;

3. gemäß § 82 Abs. 4 KFG 1967 begangen und wurde über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von S 500,-- verhängt."

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 18. Februar 1998 wurde der Berufung - soweit sie sich gegen die Spruchteile 2. und 3. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 26. November 1996 richtet; keine Folge gegeben.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. März 1998 wurde der Berufung - soweit sie sich gegen den Spruchteil 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 26. November 1996 richtet - keine Folge gegeben "und das angefochtene Straferkenntnis zu Spruchteil 1. mit der Maßgabe bestätigt, dass die übertretene Norm zu lauten hat:

'§ 52 lit. a Z. 10a StVO'".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. I. Bescheid vom 2. März 1998 (hg. Zl. 89/03/0147):

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst dagegen, dass im vorliegenden Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 nicht erfüllt seien.

Nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis 30.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, z.B. beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen oder Radfahrer, die Radfahrerüberfahrten vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass im konkreten Fall die Geschwindigkeitsüberschreitung (der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um zumindest 80 km/h) in einem rund 500 m langen Tunnel begangen worden sei. Allein die immense Erhöhung der Unfallgefahr, die daraus leicht resultierende Möglichkeit einer Explosion und die damit verbundenen katastrophalen Folgen rechtfertigten die Anwendung des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960. Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem nicht entgegen zu treten. Hat doch der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1982, Zl. 82/03/0029, ausgesprochen, dass es keiner näheren Begründung für den (damals vorliegenden Fall) bedarf, wenn ein Fahrzeuglenker, der in einem langen Straßentunnel, wie es der durch den Arlberg führende ist, die höchstzulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um das doppelte überschreitet; hat man doch allein die immense Erhöhung der Unfallgefahr und die daraus resultierende Möglichkeit einer Explosion und die damit verbundenen Folgen in Erwägung zu ziehen. Diese Überlegungen sind durchaus auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen, auch wenn der in Frage stehende Tunnel "nur 500 m" lang ist. Daran ändert auch das Beschwerdevorbringen nichts, es "befanden sich im Tunnelbereich keine weiteren Verkehrsteilnehmer, sodass - wenn überhaupt - nur von einer Selbstgefährdung des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann". Diesbezüglich genügt schon der Hinweis, dass, wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid ausführt, dass zumindest die dem Beschwerdeführer nachfahrenden Beamten durch sein Verhalten konkret gefährdet wurden (und braucht auf die besondere Gefahrensituation für - nach einem Unfall - in einen Tunnel einfahrende, einen Unfall im Tunnelbereich häufig zunächst nicht erkennen könnende Verkehrsteilnehmer gar nicht eingegangen zu werden).

Auch mit dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid lediglich festgestellt, dass die "Geschwindigkeit ... durch Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug, ausgerüstet mit einer geeichten ProViDa-Anlage festgestellt" worden sei, vermag einen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen.

Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/03/0053) besteht kein Einwand, wenn die belangte Behörde davon ausging, die Geschwindigkeitsübertretung sei durch zwei erfahrene Beamte der Verkehrsabteilung durch Nachfahren im annähernd gleich bleibenden Abstand festgestellt worden. Sind doch geschulten Organen der Straßenaufsicht die hiefür erforderlichen Wahrnehmungen auch unter den hier vorliegenden Umständen durchaus zuzumuten.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, im angefochtenen Bescheid werde festgestellt, dass die Geschwindigkeitsübertretung "durch Nachfahren in gleich bleibendem Abstand" festgestellt worden sei und sogleich anschließend ausgeführt werde, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung "durch Nachfahren im annähernd gleich bleibenden Abstand" festgestellt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das Nachfahren mit dem Dienstfahrzeug und das Ablesen des damit ausgestatteten Tachometers grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltener Fahrgeschwindigkeit darstellt. Voraussetzung hiefür ist jedoch, dass das Nachfahren über eine Strecke und über eine Zeitspanne erfolgt, die lange genug sind, um die Einhaltung etwa derselben Geschwindigkeit wie der des beobachteten Fahrzeuges prüfen und sodann das Ablesen der eigenen Geschwindigkeit ermöglichen zu können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1995, Zl. 95/03/0171). Es ist nicht zu erkennen, warum diese Grundsätze nicht auch für den hier vorliegenden Fall gelten sollten, in dem das noch zusätzlich mit einem die eingehaltene Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelnden Videogerät ausgestattete Dienstfahrzeug dem beobachteten Fahrzeug über eine entsprechende Strecke nachgefahren ist; auch wenn das Nachfahren lediglich im "annähernd gleich bleibenden Abstand" festgestellt wurde, so ist vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen, dass den Grundsätzen der hg. Rechtsprechung (insbesondere "etwa derselben Geschwindigkeit") nicht entsprochen worden wäre.

Auch das Beschwerdevorbringen, mit dem die Feststellung der belangten Behörde, dass "zum Tatzeitpunkt im eingesetzten Dienstfahrzeug eine geeichte ProViDa-Anlage des Herstellers Proof Digital Systemer, Fabrikationsnummer 30309-9047-91", eingebaut gewesen sei, sich auf keine ausreichenden Sachverhaltsgrundlagen stütze, weil "die beiden verfahrensgegenständlichen Eichscheine nicht nur unterschiedliche Hersteller, sondern auch unterschiedliche Zulassungszahlen (des Geschwindigkeitsmessgerätes) aufgewiesen hätten, vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer übergeht nämlich dabei die Begründungsdarlegung im angefochtenen Bescheid, dass es unwesentlich sei, ob die Anlage zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht worden sei bzw. wer diese zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauschte Anlage hergestellt habe; auch sei die Firma "Proof Digital Systemer" durch die Firma "Jaivision" übernommen worden, wodurch sich zum einen die unterschiedlichen Firmennamen, zum anderen die verschiedenen Zulassungszahlen erklärten.

Da nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens und deren Würdigung keine Zweifel an der Richtigkeit des Tatvorwurfes verblieben, hatte - anders als der Beschwerdeführer meint - der Grundsatz "in dubio pro reo" nicht zur Anwendung zu kommen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1999, Zl. 98/03/0326, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er sich gegen die Auffassung der belangten Behörde richtet, die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift durch die Berufungsbehörde sei auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist möglich gewesen, weil dem Beschuldigten kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt worden sei. Für die Verfolgung des Beschuldigten ist nämlich der Vorhalt des strafbaren Tuns oder Unterlassens innerhalb der Verjährungsfrist, nicht aber der Vorhalt der rechtlichen Qualifikation der Tat maßgebend (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2000, Zl. 98/10/0003).

Die Beschwerde war somit hinsichtlich des Bescheides der belangten Behörde vom 2. März 1998 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

II. Bescheid vom 18. Februar 1998 (hg. Zl. 98/03/0146):

Hinsichtlich der Bestrafung des Beschwerdeführers durch den Bescheid vom 18. Februar 1998 sind die Voraussetzungen des § 33a VwGG erfüllt, sodass die Behandlung der Beschwerde diesbezüglich abgelehnt werden konnte.

Der Kostenausspruch beruht auf § 58 Abs. 1 VwGG. Wien, am 6. September 2001

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998030146.X00

Im RIS seit

21.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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