Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §73 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der am 9. Jänner 1959 geborenen D D in A, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Jänner 1999, Zl. 309.347/4-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 24. Juni 1997 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) im Wege der österreichischen Botschaft Belgrad die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich lebenden Ehegatten.
Am 11. August 1998 langte beim Bundesminister für Inneres ein mit 9. August 1998 datiertes Schreiben des Ehegatten der Beschwerdeführerin mit dem Betreff: "ANSUCHEN um Niederlassungsbewilligungen für bevorzugte Quotenplätze" ein, in dem es nach Ausführungen zur persönlichen Situation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie sowie zur politischen Lage im Kosovo heißt:
"... ich bitte Sie inständig, auf Grund der Ihnen und Ihrem geschätzten Ministerium geschilderten Situation eine Möglichkeit zu erwägen, das seit dem 9. Juni 1997 vorliegende Visum-Ansuchen meiner Frau und die nunmehr eingebrachten Anträge meiner beiden Kinder ausnahmsweise bevorzugt zu behandeln und ihnen einen Quotenplatz für eine Niederlassungsbewilligung bei der BH Eferding einzuräumen (Unterstreichung im Original).
Vielleicht stammen nicht alle diesbezüglichen Anträge aus dem derzeitigen Krisengebiet und könnte dies eine berechtigte Begründung, wenn auch Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister dies so sehen, für eine bevorzugte Bewilligung darstellen. ...."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Jänner 1999 gab der Bundesminister für Inneres diesem als solchen auf Übergang der Entscheidungspflicht (Devolutionsantrag) gewerteten Antrag gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AVG statt (Spruchpunkt I) und wies den nunmehr als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewerteten Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab (Spruchpunkt II).
Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I nach Wiedergabe des § 73 AVG aus: "Da die erstinstanzliche Behörde in Ihrem Fall die geforderte Devolutionsfrist unbeachtet gelassen hat und von Ihrem gewillkürten Rechtsvertreter ein dem entsprechenden Antrag auf Übergang der Entscheidungskompetenz an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden und das Bundesministerium für Inneres zur Entscheidung über Ihren Antrag auf Niederlassungsbewilligung zuständig".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde habe ihre Eingabe vom 9. August 1998 in rechtsirriger Weise als Devolutionsantrag gewertet. Die Bestimmung des § 73 AVG sei in dieser Eingabe jedoch mit keinem Wort erwähnt worden. Sie habe mit diesem Schreiben auch in keiner Weise die Säumigkeit der Erstbehörde geltend gemacht. Sie habe lediglich die belangte Behörde ersucht, ihr eine bevorzugte Quoteneinräumung für den Zweck der Familienzusammenführung zu ermöglichen. Dieses Ersuchen sei in der Eingabe eindeutig zum Ausdruck gebracht worden. Der gesamte Text der Eingabe lasse keinen Hinweis darauf zu, dass ein Devolutionsantrag eingebracht werde.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Nach § 73 Abs. 1 AVG ist (soweit dies hier von Interesse ist) die Behörde verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8 AVG) ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf eine Verschulden der Behörde zurückzuführen ist (§ 73 Abs. 2 AVG).
Gemäß § 73 Abs. 3 AVG beginnt für die Oberbehörde der Lauf der im Abs. 1 bezeichneten Frist mit dem Tag des Einlangens des Parteiverlangens.
Festzuhalten ist, dass die in Frage kommende schriftliche Eingabe weder ausdrücklich als Devolutionsantrag bezeichnet ist noch § 73 AVG anführt.
Zwar schließt allein das Fehlen der Bezeichnung als Devolutionsantrag in einer schriftlichen Eingabe an die Oberbehörde oder das Fehlen der Anführung des § 73 AVG für sich allein noch nicht das Vorliegen eines solchen Antrags aus. Da Eingaben bei der Oberbehörde die unterschiedlichsten Zwecke verfolgen können (z.B. Interventionsersuchen, (Dienst)Aufsichtsbeschwerden usw.) und damit auch unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden sind - nur ein (zulässiger) Devolutionsantrag löst den Übergang der Zuständigkeit aus -, kommt es für die rechtliche Einordnung entscheidend auf deren Inhalt an. Ein Devolutionsantrag liegt dann vor, wenn sich aus dem Inhalt der schriftlichen Eingabe hinreichend ergibt, dass der Antragsteller (wegen der Säumigkeit der Unterbehörde) in der betreffenden Sache einen Zuständigkeitsübergang an die Oberbehörde verlangt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 99/12/0022)
Daran gemessen ist aber die verfahrensgegenständliche Eingabe an den Bundesminister entgegen der Auffassung der belangten Behörde zweifellos kein Devolutionsantrag im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG:
Der Ehegatte der Beschwerdeführerin ersucht in diesem Schreiben in eigenem Namen, ohne auf ein Vertretungsverhältnis hinzuweisen, den Bundesminister, im Falle seiner Gattin und seiner Kinder auf Grund deren persönlicher Situation von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und diese in der Reihung vorzuziehen. Weder daraus noch aus dem folgenden Inhalt der Eingabe ergibt sich ein erkennbares der Beschwerdeführerin zuzurechnendes Verlangen auf Entscheidungsübergang im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG. Diesem Schreiben lässt sich nicht entnehmen, dass der Bundesminister für Inneres selbst über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (nunmehr: Erstniederlassungsbewilligung) der Gattin und der Kinder entscheiden solle.
Lag aber in Wahrheit gar kein Devolutionsantrag vor, war die belangte Behörde weder zuständig, eine Entscheidung über einen Devolutionsantrag zu treffen, noch zuständig, über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, also in der Sache selbst, eine Entscheidung zu treffen, wie sie dies in Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides getan hat. Schon deshalb war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. September 2001
Schlagworte
AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999190042.X00Im RIS seit
08.11.2001