Die BW war mit Straferkenntnis wegen der Übertretung eines durch transportable Verkehrszeichen kundgemachten Halteverbotes bestraft worden. Die Berufungswerberin führt dagegen im wesentlichen aus, daß die Anbringung gegenständlicher Straßenverkehrszeichen deshalb gegen §48 Abs5 StVO 1960 verstoße, weil bei seitlicher Anbringung der seitliche Abstand zwischen dem der Fahrbahn zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand im Ortsgebiet nicht weniger als 0,30 m betragen darf. Dieser seitliche Abstand habe höchstens 0,15 m betragen. Der UVS stellte fest, daß dieser Kundmachungsmangel aus rechtlichen Gründen nicht vorliegt, jedoch die zugrundeliegende Verordnung mangelhaft war, weshalb der Berufung Folge gegeben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z2 VStG eingestellt wurde.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied DDr Lacina über die Berufung der Frau S, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr S, vom 31.12.1991 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Währing vom 19.12.1991 zur Zahl Cst 3411/91 wegen Übertretung des §24 Abs1a StVO 1960 entschieden:
Aufgrund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wird das angefochtene Straferkennntis gemäß §66 Abs4 AVG behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Zif2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerberin wird gemäß §65 leg cit ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegt.
Begründung:
Die Berufungswerberin führt im wesentlichen aus, daß die Anbringung gegenständlicher Straßenverkehrszeichen gegen §48 Abs5 StVO 1960 verstoße, wonach bei seitlicher Anbringung der seitliche Abstand zwischen dem der Fahrbahn zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand im Ortsgebiet nicht weniger als 0,30 m betragen darf. Dieser seitliche Abstand habe, wie sich aus den Kopien der im Original zur Verfügung stehenden Aufnahmen ergibt, höchstens 0,15 m, also etwa die Hälfte des gesetzlichen Mindestabstandes betragen. Die Abstandsregelung gelte auch für die gemäß §44a und §44b StVO 1960 transportabel aufgestellten Verkehrszeichen.
Zu diesem Vorbringen wird in rechtlicher Hinsicht einleitend bemerkt:
§48 Abs5 StVO 1960 bestimmt unter anderem, daß bei seitlicher Anbringung der seitliche Abstand zwischen dem der Fahrbahn zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichen und dem Fahrbahnrand im Ortsgebiet nicht weniger als 0,30 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 2 m, auf Freilandstraßen nur in Ausnahmefällen weniger als 1 m und mehr als 2,50 m betragen darf. Schon im Interesse der Rechts- und Verkehrssicherheit muß sich daher jeder Verkehrsteilnehmer auf die Geltung aufgestellter Verkehrszeichen verlassen können (OGH 8.7.1970, 2 Ob 213/70, ZVR 1971/30).
Darüber hinaus ist eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Verordnung für den Normunterworfenen als Modellfigur des mit den rechtlichen Werten verbundenen Menschen nach Maßgabe des Inhaltes so lange rechtswirksam, bis sie aufgehoben ist. Einem Fahrzeuglenker bleibt es daher nicht überlassen, zu beurteilen, bei welcher Sachlage er ein Verbot nicht einzuhalten braucht (VwGH 26.11.1970, 1175/70, ZVR 1971/172).
In diesem Sinne hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16.12.1975, V 27/75, Slg 7724, ausgeführt, daß die Abstandsregelung betreffend die Anbringung eines Straßenverkehrszeichens nicht zentimetergenau sein muß. Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13.2.1985, 85/18/0024 ausgeführt, daß sich aus §48 Abs5 StVO 1960 keine Verpflichtung der Behörde zur zentimetergenauen Einhaltung der Höchst- und Mindestmaße für die Anbringung von Straßenverkehrszeichen ergibt. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers könne daher nur unter Annahme eines wesentlichen Verstoßes gegen die erwähnte Vorschrift liegen, der von der Partei detailliert anzugeben ist (zB Ausmaß der Über- bzw Unterschreitung).
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher die erkennende Behörde der Ansicht, daß selbst bei Unterschreiten des seitlichen Mindestabstandes von 30 cm um etwa die Hälfte - wie dies die Berufungswerberin in den in Kopie beiliegenden Fotos glaublich darzustellen versucht - dennoch nicht ausreichend ist, um im Hinblick auf die vorgenommene Anbringung des gegenständlichen Verkehrszeichens am Tatort zur Tatzeit von einer rechtswidrigen Kundmachung der Straßenverkehrszeichen zu sprechen; die Behörde ist nämlich nicht in der Lage, transportabel aufgestellte Straßenverkehrszeichen während ihres zeitlichen Geltungsbereiches von Sicherheitswachebeamten bewachen zu lassen, um so eine eventuell unberechtigte Verrückung dieser Verkehrszeichen durch hiezu Unbefugte zu verhindern.
Für die Modellfigur des mit den rechtlichen Werten verbundenen Menschen war daher gegenständliche Halteverbotszone als solche erkennbar und hätte sie daher vom Abstellen eines Kraftfahrzeuges in diesem Bereich Abstand genommen!
Dennoch war der Berufung Folge zu geben und das Straferkenntnis zu beheben, da die gegenständlicher Halteverbotszone zugrundeliegende Verordnung rechtswidrig ist; dies aus nachfolgenden Gründen:
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46 hat am 15.3.1991 zur Zahl MA 46 - V/06/00719/91 zur Kundmachung einer vorbereitenden Verkehrsbeschränkung - Halteverbotszone (§44a StVO 1960) - einen Bescheid mit nachfolgendem Spruch erlassen:
"Gemäß §44a Abs3 StVO wird die MA 12 zur Anbringung der Straßenverkehrszeichen nach der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien (MA 46 - V 6 - 574/89) unter folgenden Bedingungen bestimmt:
1) Der Bescheid gilt vom 13.5.1991 bis 2.10.1991. Die Verordnung dient als vorbereitende Verkehrsmaßnahme für eine Halteverbotszone ausgenommen Omnibusse zum Aus- und Einsteigen jeweils 3 Stunden am Tage der Inanspruchnahme auf eine Länge von 15 m.
2) Die Halteverbotszone gilt vor der Liegenschaft in Wien 6, Amerlingstraße 11
3) Die Halteverbotszone ist in der anliegenden Fahrtrichtung am Anfang und Ende mit Straßenverkehrszeichen in einfacher Ausführung gemäß §52 lita Zif13b der StVO, im Kleinformat (48 cm Durchmesser), darunter der Reihe nach die Zusatztafeln mit dem Text
a) gilt am ......... von ........ bis ......... ausgenommen Omnibusse zum Aus- und Einsteigen im Format 23 cm x 48 cm
b) "Anfang" bzw "Ende", im Format 15 cm x 31 cm kundzumachen. Auf der Rückseite einer Zusatztafel ist die Geschäftszahl der Verordnung anzugeben.
4) Für die Ausführung der Straßenverkehrszeichen gilt die Straßenverkehrszeichenverordnung, für deren Anbringung §48 StVO.
5) Die Straßenverkehrszeichen sind mindestens 24 Stunden vor dem jeweiligen Gültigkeitstermin im Einvernehmen mit dem zuständigen Polizeiwachzimmer aufzustellen.
Beiliegendes Formblatt ist gesondert für jeden Termin genauestens auszufüllen und nach Bestätigung durch die örtliche Polizeibehörde an die MA 46 zu retournieren, um erforderlichenfalls als Beweismittel verwendet werden zu können.
6) Die Kosten der Anschaffung, Anbringung und Erhaltung der Verkehrszeichen hat gemäß §32 Abs3 der StVO der Bescheidnehmer zu tragen.
7) Bei aufgestellten Verkehrszeichen muß der Bescheid auf Verlangen von Organen der Bundespolizei sofort vorgezeigt werden.
8) Durch Weisung von Organen der Bundespolizei kann die Aufstellung bzw Beseitigung aufgestellter Straßenverkehrszeichen im Einzelfall, bei Vorliegen besonderer polizeilicher Gründe, vorübergehend untersagt bzw angeordnet werden (Blatt 30 und 31)."
Gemäß §44a Abs2 litb StVO 1960 hat eine Verordnung nach Abs1 unter anderem die Zeiten, in denen die Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen, festzusetzen.
Gemäß §44a Abs3 StVO 1960 treten Verordnungen nach Abs1 mit der Anbringung oder Sichtbarmachung der ihnen entsprechenden Straßenverkehrszeichen in Kraft. Die Behörde hat die Person, Dienststelle oder Unternehmung zu bestimmen, welche die Straßenverkehrszeichen anzubringen oder sichtbar zu machen hat. Die Aufstellung oder Sichtbarmachung ist der Behörde unverzüglich zur Kenntnis zu bringen; diese hat den Zeitpunkt der erfolgten Anbringung oder Sichtbarmachung in einem Aktenvermerk (§16 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950) festzuhalten. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.2.1986, 85/02/0267, ZVR 1986/129, sind in der von der Behörde gemäß §44a Abs2 litb StVO 1960 zu erlassenden Verordnung bereits die Zeiten, zu denen die Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen, von der Behörde festzusetzen. Die Behörde kann sich aber auch die die Rahmenverordnung ergänzende Erlassung einer Verordnung in Hinsicht auf den zeitlichen Geltungsbereich (Tag, Uhrzeit) vorbehalten und darf nicht der Person, Dienststelle oder Unternehmung, welche nach §44a Abs3 das Straßenverkehrszeichen anzubringen hat, überlassen werden. Fehlt der zeitliche Geltungsbereich einer Verordnung, so kann sie auch nicht entsprechend der Vorschrift des §44a Abs3 kundgemacht werden; die dennoch vorgenommene Anbringung der Straßenverkehrszeichen entfaltet keine Rechtswirkungen. Das Wesen einer Maßnahme gemäß §44a StVO 1960 besteht darin, daß sie aufgrund von Verkehrsbeobachtungen, Verkehrszählungen oder Verkehrserfahrungen aus Anlaß vorhersehbarer Ereignisse oder Umstände im voraus bestimmt, aber erst wirksam wird, wenn der Anlaßfall es erfordert. Maßnahmen der erwähnten Art können etwa sein: Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Halteverbote für immer wiederkehrende Veranstaltungen und auch für im voraus zeitlich nicht bestimmbare Ereignisse (sogenannte Rahmenverordnungen). In dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46 vom 15.3.1991 wurde die Magistratsabteilung 12 gemäß §50a Abs3 StVO 1960 zur Anbringung der Straßenverkehrszeichen nach der Verordnung des Magistrates der
Stadt Wien (MA 46 - V 6 - 574/89) unter anderem unter folgenden Bedingungen bestimmt, daß der Bescheid vom 13.5.1991 bis 2.10.1991 gelte, die Verordnung als vorbereitende Verkehrsmaßnahme für eine Halteverbotszone ausgenommen Omnibusse zum Aus- und Einsteigen jeweils 3 Stunden am Tage der Inanspruchnahme auf eine Länge von 15 m gelte (Blatt 30).
Die im gegenständlichen Bescheid enthaltene Ermächtigung "jeweils 3 Stunden am Tage der Inanspruchnahme" entspricht jedoch nach Ansicht der erkennenden Behörde nicht dem gesetzlichen Erfordernis des §44a Abs2 litb StVO 1960, da die Festsetzung der nach Tag und Uhrzeit determinierten Verkehrsmaßnahme gemäß §44a Abs3 StVO 1960 keineswegs der Person, Dienststelle oder Unternehmung, welche diese Straßenverkehrszeichen anzubringen oder sichtbar zu machen hat, überlassen werden darf.
Spricht man daher gegenständlichem Bescheid Verordnungskraft zu, so verstößt diese "Verordnung" gegen die Bestimmung des §44a Abs3 StVO 1960. Die Verordnung ist daher als gesetzwidrig anzusehen. Aus den angeführten Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens spruchgemäß zu verfügen. Gemäß §51e Abs2 VStG war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen.