Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Pipal
über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 2.
Aufsichtsbezirk
gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, vom 10.12.1993, Zl MBA 11 - S/3123/92,
mit welchem das Strafverfahren gegen Frau Hannelore K gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt wurde, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Tathandlungen am 6.3.1992,
13.3.1992, 20.3.1992 und 27.3.1992, jeweils 20.15 Uhr bis 20.30 Uhr, aufgehoben wird.
Frau Hannelore K hat es als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs 2 VStG der Arbeitgeberin "B AG" mit dem Sitz in N zu verantworten, daß in der Filiale in Wien, G-straße, die Arbeitnehmerin Michaela M am 6.3.1992, 13.3.1992, 20.3.1992 und 27.3.1992 während der Nacht, dh
zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr, mit Abschlußarbeiten beschäftigt wurde, und zwar jeweils zwischen 20.15 Uhr und 20.30 Uhr, obwohl die Verkaufsstelle an diesen Tagen zulässigerweise um 20.00 Uhr schloß und daher nach der Ausnahmeregelung des § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 die zulässige Dauer dieser Abschlußarbeiten 15 Minuten nach dem Schließen der Verkaufsstelle, dh um 20.15 Uhr, endete. Frau Hannelore K hat dadurch folgende Verwaltungsvorschriften verletzt:
§ 3 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit von Frauen, BGBl Nr
237/1969 in der geltenden Fassung (Frauen-Nachtarbeitsgesetz) in Verbindung mit § 8a Öffnungszeitengesetz 1991.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über sie gemäß § 9 Abs 1 Frauen-Nachtarbeitsgesetz in der geltenden Fassung folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von S 1.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden.
Hinsichtlich der Tathandlungen am 21.2.1992 und 28.2.1992, jeweils
20.15 Uhr bis 20.30 Uhr, wird der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Ein Beitrag zu den Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Strafverfahrens wird gemäß § 64 Abs 1 VStG nicht auferlegt.
Begründung:
1) Der gegenständlichen Berufung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Magistrat der Stadt Wien erließ folgenden Bescheid vom 10.12.1993:
"Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG wird von der Fortführung des gegen Frau Hannelore K geführten Strafverfahrens wegen des Vorwurfes, sie habe als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs 2 zweiter Satz VStG der
Arbeitgeberin, der B Aktiengesellschaft mit dem Sitz in N zu verantworten, daß in der Filiale in Wien, G-straße, folgende Arbeitnehmerin an folgenden Tagen während der Nacht, dh, zwischen 20.00 und 6.00 Uhr, beschäftigt wurde:
Fr M Datum Arbeitsende lt Arbeitszeitaufzeichnung (Uhr)
21.2.92 20.30
28.2.92 20.30
6.3.92 20.30
13.3.92 20.30
20.3.92 20.30
27.3.92 20.30
und daduch Verwaltungsübertretungen nach § 3 Abs 1 Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl Nr 237/1969 in der geltenden Fassung, begangen, abgesehen und das Verfahren eingestellt."
Das Verfahren war aufgrund einer entsprechenden Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk vom 26.5.1992 samt Kopien der Arbeitszeitaufzeichnungen eingeleitet worden. Die B AG übermittelte auf Anfrage eine Bestellungsurkunde, wonach Frau Hannelore K verantwortliche Beauftragte für die Filiale in Wien,
G-straße, ist. Ihre Verantwortlichkeit erstreckt sich auf alle zur Anwendung gelangenden Verwaltungsvorschriften, insbesondere auch auf die "Einhaltung von Dienstnehmerschutzbestimmungen". Sie ist berechtigt, zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten und in Ergänzung allgemein ergangener Dienstanweisungen spezielle Anweisungen für ihren Verantwortungsbereich zu erlassen, davon ist ihr zuständiger Filialinspektor zu unterrichten. Diese Bestellung wurde von Frau K am 5.3.1992 zustimmend zur Kenntnis genommen.
Nach einer Aufforderung zur Rechtfertigung brachte die Beschuldigte in ihrer Stellungnahme vom 8.10.1992 vor, daß nach dem Öffnungszeitengesetz 1991 Verkaufsstellen an einem Werktag einmal in der Kalenderwoche ausgenommen Samstag bis 21.00 Uhr offengehalten werden dürften. Anschließend seien noch Abschlußarbeiten, insbesondere Kassaabschluß und Reinigungsarbeiten, durchzuführen. Gemäß § 4 Abs 7 Frauen-Nachtarbeitsgesetz dürfe weibliches Personal Reinigungsarbeiten sogar bis 22.00 Uhr durchführen. Im vorliegenden Fall sei die Arbeitnehmerin jeweils an Freitagen, an welchen die Filiale erlaubterweise bis 20.00 Uhr geöffnet gewesen sei, bis 20.30 Uhr beschäftigt worden. Dazu werde auf die Regelung des § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 hingewiesen, es könne aber mit der vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Viertelstunde für Abschlußarbeiten nicht immer das Auslangen gefunden werden. In der gegenständlichen Filiale werden zwar um 20.00 Uhr die letzten Kunden eingelassen, "tatsächlicher Geschäftsschluß" sei jedoch erst dann, wenn die letzten Kunden das Geschäftslokal verlassen hätten. Dies sei
in der Regel zwischen 20.15 Uhr und 20.30 Uhr der Fall. Das Bedienen dieser letzten Kunden könne jedoch nicht als Abschlußarbeit im Sinne des § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 angesehen werden. Anschließend an den "tatsächlichen Geschäftsschluß" dürften Arbeitnehmerinnen noch 15
Minuten für Abschlußarbeiten herangezogen werden. In dieser Zeit werde von Frau M der notwendige Kassaabschluß durchgeführt. Im übrigen sei Verfolgungsverjährung eingetreten, weil der Zeitpunkt des
tatsächlichen Geschäftsschlusses nicht angelastet worden sei. Nach einer Stellungnahme des Arbeitsinspektorates brachte die Beschuldigte in einer weiteren Stellungnahme vom 11.1.1993 vor, "tatsächlicher Geschäftsschluß" sei "frühestens um 20.15 Uhr" gewesen. Das Öffnungszeitengesetz 1991 unterscheide deutlich zwischen
dem "Fertigbedienen" von Kunden, welche sich am Ende der Ladenöffnungszeit im Laden befinden (§ 8 Abs 1) und "Abschlußarbeiten", welche nach dem Schließen der Verkaufsstelle zulässig sind (§ 8a). Aus der deutlichen Differenzierung dieser Arbeiten gehe hervor, daß "Abschlußarbeiten" im Ausmaß von 15 Minuten
nach dem "Fertigbedienen" der Kunden zulässig seien. Dies ergebe sich
auch aus dem Sinn dieser Bestimmungen: Abschlußarbeiten, zB der Kassaabschluß, seien erst dann möglich, wenn die am Ende der Ladenöffnungszeit im Laden befindlichen Kunden fertigbedient worden seien und die Verkaufsstelle verlassen hätten.
Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, worin sich die Erstbehörde der Rechtsmeinung der Beschuldigten anschloß, wurde in der Berufung des Arbeitsinspektorates diese Entscheidung hinsichtlich
des Tatzeitraumes jeweils von 20.15 Uhr bis 20.30 Uhr bekämpft und vorgebracht, unter dem "Schließen der Verkaufsstelle" im Sinne des § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 sei das Ende der Ladenöffnungszeit zu verstehen und nicht der Zeitpunkt, an dem der letzte Kunde die Verkaufsstelle verläßt.
Die Beschuldigte wiederholte in ihrer Stellungnahme zur Berufung ihr bisheriges Vorbringen und führte weiters näher aus, das Öffnungszeitengesetz 1991 unterscheide zwischen den Begriffen "Ladenöffnungszeit", das ist jener Zeitpunkt, bis zu dem Kunden in die Verkaufsstelle eingelassen werden dürfen, einerseits (§§ 6a und 8
Abs 1) und "Schließen der Verkaufsstelle", das ist jener Zeitpunkt, in dem - nach dem Weggehen des letzten Kunden - der Ausgang verschlossen werde, sodaß kein Kunde mehr die Filiale über den normalen Ausgang verlassen kann, andererseits (§ 8a). Diese Auslegung
ergebe sich auch aus einem Vergleich mit der Bestimmung des § 4 Abs 4
Frauen-Nachtarbeitsgesetz, wonach in Betrieben des Zuckerbäckergewerbes weibliches Ladenpersonal zum Zwecke der Abschlußarbeiten im Anschluß an die jeweils geltende Ladenschlußzeit im Ausmaß von einer halben Stunde, längstens bis 21.30 Uhr, beschäftigt werden dürfe. In dieser Bestimmung würden Abschlußarbeiten im Ausmaß von einer halben Stunde zugelassen, welche
jedoch ausdrücklich an die geltende Ladenschlußzeit anknüpften.
Dabei
werde nicht zwischen dem Fertigbedienen und sonstigen Abschlußarbeiten unterschieden.
2) Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs 1 Frauen-Nachtarbeitsgesetz dürfen Dienstnehmerinnen während der Nacht (Abs 2 und 3) nicht beschäftigt werden. Nach Abs 2 dieser Bestimmung gilt als Nacht im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der die Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr einschließt. Gemäß § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 dürfen Dienstnehmerinnen nach 20.00 Uhr für Abschlußarbeiten herangezogen werden, wenn die Verkaufsstelle zulässigerweise erst ab 20.00 Uhr oder zu einem späteren Zeitpunkt schließt. Die zulässige Dauer dieser durch Dienstnehmerinnen durchzuführenden Abschlußarbeiten endet spätestens 15 Minuten nach dem Schließen der Verkaufsstelle.
Nach § 2 Abs 1 dieses Gesetzes dürfen die Verkaufsstellen (§ 1 Abs 1 bis 3), soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Werktagen von 6.00 Uhr bis - ausgenommen Samstag - 19.30 Uhr offengehalten werden.
Gemäß Abs 4 erster Satz dieser Bestimmung dürfen zusätzlich zu den im
Abs 1 festgesetzten Offenhaltezeiten Verkaufsstellen an einem Werktag
einmal in der Kalenderwoche ausgenommen Samstag bis 21.00 Uhr offengehalten werden.
Gemäß § 9 Abs 1 Frauen-Nachtarbeitsgesetz sind Dienstgeber oder deren
Bevollmächtigte, die § 3 Abs 1 oder den §§ 4 bis 7 zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterliegen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,--, im Wiederholungsfall von S 3.000,-- bis S 30.000,-- zu bestrafen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 20.12.1994 und am 25.1.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Beim ersten Verhandlungstermin gab der Vertreter der Beschuldigten an, "daß an den fraglichen Tagen jeweils um 20.15 Uhr die letzten Kunden das Geschäftslokal verlassen haben. Im Anschluß daran hat
Frau
M den Kassaabschluß durchgeführt. Weiters ist noch eine Zusammenfassung aller Einzelkassenabrechnungen zu machen, dies hat Frau M zusammen mit Frau K gemacht, am 28.2.1992 jedoch alleine. Den Zeitpunkt 20.15 Uhr kann ich deshalb genau angeben, weil mir Frau K dies für die Vorbereitung der Schriftsätze mitgeteilt hat und weil der Ablauf jeden Freitag gleich ist. Zu Geschäftsschluß herrscht noch
starker Kundenandrang."
In der Verhandlung vom 25.1.1995 machte die Arbeitnehmerin Michaela
M
bei ihrer Zeugeneinvernahme folgende Angaben:
"Ich kann mich an den fraglichen Zeitraum noch erinnern. Es war jeweils am Freitag um 20.00 Uhr nicht mehr viel Betrieb, sodaß die letzten Kunden kurz nach 20.00 Uhr das Geschäft verließen. Daran anschließend wurde von mir gemeinsam mit Frau K der Kassaabschluß durchgeführt. Dieser Vorgang dauerte rund 10 Minuten. In weiterer Folge war noch im Büro die Losung zu zählen und das Geld im Tresor aufzubewahren. Wir waren jeweils um 20.30 Uhr damit fertig.
Über Befragen des Vertreters der Beschuldigten:
Gelegentlich kamen Kunden auch kurz vor 20.00 Uhr wegen einer kleinen
Besorgung. Sie verließen nach ca 10 Minuten wieder das Geschäft. Es gab 4 Kassen. Gegen Ladenschluß waren jeweils alle bis auf eine Kassa abgerechnet. Das Ergebnis der letzten Kassa war sodann mit den Zwischensummen aus den übrigen 3 Kassen zu addieren. Das dauerte durchschnittlich rund 5 Minuten.
Über Befragen des Arbeitsinspektorratsorganes:
Die letzte Kassa wurde jeweils ca um 20.10 Uhr geschlossen, weil wir
auch selbst noch unsere Besorgungen tätigten."
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nimmt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den im Spruch umschriebenen Sachverhalt als erwiesen an.
Bei der Beweiswürdigung waren folgende Erwägungen maßgebend:
Sämtliche Sachverhaltselemente liegen nach den Beweisergebnissen zweifelsfrei vor und werden im übrigen auch nicht bestritten, so insbesondere die Tatsache, daß die Arbeitnehmerin jeweils zwischen 20.00 Uhr und 20.30 Uhr mit Abschlußarbeiten beschäftigt wurde, nämlich der Reihe nach mit dem Fertigbedienen der letzten Kunden, dem
Kassaabschluß bei der letzten der vier Kassen, der Zusammenfassung aller Einzelkassenabrechnungen bis schließlich zum Aufbewahren des Geldes im Tresor. Reinigungsarbeiten wurden dabei nicht durchgeführt.
Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu beurteilen:
Nach § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 endete die zulässige Dauer der Abschlußarbeiten um 20.15 Uhr, weil die Verkaufsstelle um 20.00 Uhr schloß.
Zu dem ausführlich begründeten, oben wiedergegebenen Vorbringen der Beschuldigten, wonach das "Schließen der Verkaufsstelle" (§ 8a Öffnungszeitengesetz 1991) begrifflich zu unterscheiden sei vom "Ende
der Ladenöffnungszeit" (§ 8 Abs 1 leg cit), wird folgendes bemerkt:
Der Begriff "Schließen der Verkaufsstelle" im § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien gleichbedeutend mit dem Ende der für die Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeit und meint nicht etwa einen
danach liegenden Zeitpunkt, zu dem der Eingang tatsächlich versperrt wird, nachdem der letzte Kunde noch fertigbedient worden ist und sodann die Verkaufsstelle verlassen hat.
Diese Auslegung ergibt sich erstens aus einer einfachen Wortinterpretation, wonach eben der gegenteilige Vorgang zum "Offenhalten" (vgl § 2 Abs 1 Öffnungszeitengesetz 1991: "offengehalten") das "Schließen" ist und somit das "Ende der Ladenöffnungszeit" synonym ist mit dem "Schließen der Verkaufsstelle". Zweitens werden diese beiden Begriffe auch im systematischen Zusammenhang in der gleichen Bedeutung verwendet:
Meistens spricht das Öffnungszeitengesetz 1991 von "(Laden-) Öffnungszeiten", "Offenhaltezeiten" bzw "offenhalten", an mehreren Stellen hingegen von "schließen" (§ 4 Abs 4), "Ladenschluß" (§ 6 Abs 2 und 3) und "geschlossen halten" (§ 9). Drittens scheidet ein Abstellen auf den Zeitpunkt des faktischen Versperrens des Eingangs auch aus einer weiteren logisch-systematischen Überlegung aus. Denn dieser Zeitpunkt wäre, etwa für das Arbeitsinspektorat, in keiner Weise kontrollierbar. So konnte im vorliegenden Fall nicht einmal die
Beschuldigte selbst angeben, wann exakt der letzte Kunde an den fraglichen Tagen die Verkaufsstelle verlassen hat und wann also nach dieser Rechtsmeinung die zulässige Beschäftigung der Arbeitnehmerin geendet hat. Demgegenüber sind jedoch gerade die Arbeitszeitvorschriften ganz allgemein gekennzeichnet durch ein sehr hohes Ausmaß an Überprüfbarkeit, etwa durch die Verpflichtung zur Führung von entsprechenden Aufzeichnungen. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich, wie die Beschuldigte meint, eine "völlig flexible Regelung" schaffen wollen, hätte er zweifelsohne auch hier derartige Aufzeichnungen vorgesehen. Die Beschuldigte übersieht bei der Zusammenschau der Bestimmungen der §§ 8 Abs 1 und 8a Öffnungszeitengesetz 1991 auch, daß § 8 Abs 1 eine gewerberechtliche Regelung darstellt, § 8a hingegen eine - später hinzugefügte - arbeitszeitrechtliche Sondervorschrift, und zwar eine Ausnahmeregelung zu § 3 Abs 1 und 2 Frauen-Nachtarbeitsgesetz. Die Frage, ob es sich bei bestimmten Arbeiten um "Abschlußarbeiten" im Sinne des § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 handelt, kann auch im Wege einer systematischen Interpretation unter Heranziehung des § 8 Abs 1 AZG und des § 12 Abs 1 und 2 KJBG beantwortet werden, weil in diesen beiden Bestimmungen derselbe rechtspolitische Gedanke zur Schaffung einer Ausnahmeregelung führte.
Daher wird zu dem weiteren Vorbringen der Beschuldigten, das Fertigbedienen der Kunden gehöre nicht zu den "Abschlußarbeiten", sondern sei diesen vorgelagert, Abschlußarbeiten, wie zB der Kassaabschluß, seien überhaupt erst möglich, wenn die letzten Kunden die Verkaufsstelle verlassen haben, bemerkt, daß nach den positivrechtlichen Vorschriften des § 8 Abs 1 lit c AZG und des § 12 Abs 2 Z 3 KJBG das Gegenteil der Fall ist. Daher gehen auch die Ausführungen der Beschuldigten zum § 4 Abs 4 Frauen-Nachtarbeitsgesetz ins Leere.
Die rechtspolitische Sinnhaftigkeit der Regelung des § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 ist in diesem Zusammenhang vom
Unabhängigen
Verwaltungssenat Wien nicht zu erörtern, etwa daß "mit der vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Viertelstunde für Abschlußarbeiten nicht immer das Auslangen gefunden werden kann" (Stellungnahme vom 8.10.1992). Jedenfalls ist diese Bestimmung verfassungskonform und "durch den Schutzzweck des Frauen-Nachtarbeitsverbotes gerechtfertigt. Daß sie bei Großkaufhäusern zu anderen Vorkehrungen zwingt wie bei Kleinhandelsunternehmen, macht sie nicht unsachlich" (VfGH 18.12.1992, G 329/91). Im vorliegenden Fall wäre etwa ein früherer Ladenschluß oder aber die Beschäftigung von männlichen Arbeitnehmern am "langen Freitag" denkbar.
Aus diesen Gründen ist die angelastete Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen.
Die vier Tathandlungen waren als fortgesetztes Delikt zusammenzufassen, wobei folgende Erwägungen maßgebend waren:
"Das fortgesetzte Delikt ist dadurch gekennzeichnet, daß eine Reihe von Einzelhandlungen vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform, der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände und der zeitlichen Kontinuität zu einer Einheit zusammentreten. Alle Einzelhandlungen sind von einem einheitlichen Entschluß des Täters, sich fortgesetzt in bestimmter Weise rechtswidrig zu verhalten, erfaßt und bilden solcherart zusammen ... eine (einzige) strafbare Handlung ..." (VwGH 4.9.1992, Zl 90/17/0426).
Ein fortgesetztes Delikt kann nur mit einem einheitlichen Gesamtvorsatz, also mit zumindest bedingtem Vorsatz, begangen werden (VwGH 4.5.1990, Zl 90/09/0013).
Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf,
um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, wird von Delikt zu Delikt verschieden sein und hängt in besonderem Maße von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, daß die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluß getragen werden (VwGH 5.11.1991, Zl 91/04/0150).
Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen, insbesondere der zeitliche Zusammenhang der Tathandlungen, welche auch dieselbe Arbeitnehmerin betrafen, sowie ein - zumindest bedingter - Gesamtvorsatz, vor.
Diese Schuldform ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, daß die Beschuldigte jeweils gemeinsam mit Frau M die Abschlußarbeiten durchführte.
Die Verwaltungsübertretung ist daher auch in subjektiver Hinsicht
als
erwiesen anzusehen.
Hinsichtlich der Tathandlungen am 21.2.1992 und am 28.2.1992 war der Berufung keine Folge zu geben und die Verfügung der Einstellung zu bestätigen, weil der Zustimmungsnachweis über die Bestellung der Beschuldigten zur verantwortlichen Beauftragten mit 5.3.1992 datiert ist.
Zu der behaupteten Verfolgungsverjährung wird bemerkt, daß das Schließen der Verkaufsstelle um 20.00 Uhr kein Tatbestandsmerkmal der
verletzten Verwaltungsvorschrift des § 3 Abs 1 Frauen-Nachtarbeitsgesetz ist. Die diesbezügliche Ergänzung im Spruch
zusätzlich zum ursprünglich formulierten Tatvorwurf laut Aufforderung
zur Rechtfertigung vom 2.7.1992 diente der Einschränkung des Tatzeitraumes. Denn für den Zeitraum von jeweils 20.00 Uhr bis 20.15 Uhr kam die Ausnahmeregelung des § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 zur Anwendung. Daß der Ladenschluß, dh das "Schließen der Verkaufsstelle"
im Sinne der oben dargestellten Auslegung, nach 20.00 Uhr gewesen sei, wurde seitens der Beschuldigten nicht einmal behauptet.
Vielmehr
war während des gesamten Verfahrens immer unstrittig, daß der Ladenschluß mit 20.00 Uhr festgesetzt war, sodaß diese Ausnahmeregelung für den nunmehr angelasteten Tatzeitraum nicht zur Anwendung kommt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
braucht nun eine Verfolgungshandlung nicht auch das Nichtvorliegen von negativen Tatbestandsmerkmalen zu umfassen (vgl VwGH 30.9.1993, 93/18/0239 sowie die dort zitierte Vorjudikatur).
Aus diesen Gründen war die Beschuldigte nicht in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt, die Verfolgungsverjährung trat also nicht ein.
Zur Strafbemessung wird folgendes ausgeführt:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient
und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach
sich
gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40-46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die Verwaltungsübertretung schädigte das Interesse an der Einhaltung der besonderen Schutzbestimmungen für weibliche Arbeitnehmer, mit denen der erhöhte Druck auf Frauen zur Übernahme von Nachtarbeit und die damit verbundene konkrete Gefahr einer Mehrbelastung verhindert werden soll. Der Unrechtsgehalt der Tat war - bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen - wegen der kurzen, freilich auf vier einzelne Tathandlungen aufgeteilten Tatzeit nicht gravierend. Mildernd zu werten war die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, erschwerend die vorsätzliche Tatbegehung. Das Verschulden ist als nicht geringfügig zu betrachten. Weiters waren bei der Strafbemessung das Einkommen von S 14.000,--, die Vermögenslosigkeit sowie das Fehlen von Sorgepflichten zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf diese Strafzumessungsgründe war spruchgemäß die gesetzliche Mindeststrafe zu verhängen.